Protocol of the Session on September 27, 2012

Login to download PDF

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Ich eröffne die heutige Sitzung. Bitte begrüßen Sie zunächst mit mir auf der Tribüne die Landfrauen von Ekebergkrug, Mitglieder des Grone-Bildungszentrums und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Zum Ablauf der weiteren Tagung gebe ich Ihnen nach Abstimmung zwischen den Fraktionen folgende Hinweise: Die Tagesordnungspunkte 22, 36 und 23 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 32 werden ohne Aussprache behandelt.

Mit der Drucksache 18/228 (neu) liegt Ihnen ein interfraktioneller Dringlichkeitsantrag vor.

Ausstellerbefragung zu HUSUM WindEnergy veranlassen

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/228 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich schlage vor, den Antrag als Tagesordnungspunkt 46 B in die Tagesordnung einzureihen. Die Parlamentarischen Geschäftsführer mögen sich gegebenenfalls über die Redezeiten verständigen und mir einen entsprechenden Vorschlag über den Zeitpunkt des Aufrufs machen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabe- gesetz Schleswig-Holstein - TTG)

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/187

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile Herrn Abgeordneten Lars Harms von den Abgeordneten des SSW das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussionen über Tariftreueregelungen werden in unserem Land schon sehr lange geführt. Ich möchte heute zuerst meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass es nun endlich wieder gelungen ist, eine Mehrheit in diesem Hause zustande zu bekommen, die voll und ganz hinter dem Gedanken der Tariftreue steht.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Das ist gut für unser Land und auch die Menschen in unserem Land. Im Juni 2001 haben wir hier im Landtag zum ersten Mal aufgrund einer Gesetzesinitiative des SSW über Tariftreue beraten. Seither ist viel geschehen. Wir hatten in der Zwischenzeit seit 2003 ein Tariftreuegesetz. Wir mussten dann das Rüffert-Urteil zur Kenntnis nehmen, das für Teile des Gesetzes eine Überarbeitung notwendig machte. Wir hatten eine Zeit, in der die schwarzgelbe Regierung das Gesetz nicht anwenden und auch nicht den rechtlichen Gegebenheiten anpassen wollte, sodass es nach Ende seiner zeitlichen Begrenzung auslief. Hier werden die Gräben der bisherigen Debatte deutlich.

Diese Gräben, die es zwischen Schwarz-Gelb auf der einen Seite und dem Rest des Hauses auf der anderen Seite gab und vielleicht noch gibt, gab es unter den Betroffenen so nicht. Es war eben nicht nur ein Gewerkschaftsthema, wie manch einer meinte, sondern gerade die Wirtschaftsverbände, die Handwerkskammern oder auch die Bauverbände waren der Tariftreueregelung gegenüber offen. Wenn wir heute über faire Löhne und über nachhaltige Produktion und Dienstleitungserstellung reden, dann reden wir auch über den Wettbewerb, dem sich unsere Unternehmen ausgesetzt sehen. Sie wollen keine Vorteile, sondern sie wollen einen fairen Wettbewerb, der auf Qualität und nicht auf Lohndumping beruht. Diesen fairen Wettbewerb erhalten wir nicht, wenn wir alles laufen lassen, sondern diesen fairen Wettbewerb erhalten wir nur, wenn wir Rahmenbedingungen aufstellen, die sich an unseren Bedingungen hier vor Ort orientieren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 8. Sitzung - Donnerstag, 27. September 2012 481

Das heißt, Löhne, die hier gezahlt werden, und Anforderungen an Sozialstandards und an Bedingungen, die Familie und Beruf besser vereinbar machen sollten, und an Umweltstandards, die hier bei uns maßgeblich sind, definieren wir als Grundlage für den fairen Wettbewerb in unserem Land.

Eigentlich müsste dies selbstverständlich sein. Das ist es aber nicht, weil oftmals leider ideologisch argumentiert wird

(Lachen CDU)

und weil man nicht die Notwendigkeit erkennen will, dass auch unsere Unternehmen in einem globalen Wettbewerb einen Anspruch auf faire Bedingungen haben.

(Johannes Callsen [CDU]: Ja, genau!)

So einfach ist das, aber nicht jeder scheint diese einfachen Zusammenhänge erkennen zu wollen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind natürlich nicht nur vom Gedanken getrieben, den Unternehmen faire Bedingungen zu ermöglichen.

(Christopher Vogt [FDP]: Komischerweise wollen die Unternehmen das gar nicht!)

Natürlich wollen wir auch, dass gerechte Löhne die Grundlage für öffentliche Vergaben sind.

Wir wollen, dass man von seinem Lohn auch leben kann, und wir wollen, dass man nicht als Aufstocker zum Sozialamt laufen muss, obwohl man Vollzeit arbeitet.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Für uns als Koalition ist es deshalb eine besondere Verantwortung, dass auch wir hier auf Landesebene dafür sorgen, dass wir unseren Teil dazu beitragen, dass gerechte Löhne immer dort gezahlt werden, wo wir Einfluss darauf haben. Deshalb ist eines der ersten großen Projekte, die wir als Koalition in Angriff nehmen, genau dieses Tariftreuegesetz. Die Zeiten, in denen in öffentlichen Vergabeverfahren Löhne gedrückt werden konnten, ohne dass das Land darauf Einfluss nimmt, gehören in Zukunft der Vergangenheit an.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN - Johan- nes Callsen [CDU]: Die sind schon lange vorbei!)

Faire Löhne halten unsere Gesellschaft zusammen und sorgen dafür, dass dieser gesellschaftliche Zusammenhalt auch bestehen bleiben kann. Wer in sozialpolitischen Debatten beklagt, dass unsere Gesellschaft vor immer mehr Problemen steht, der darf die Augen nicht davor verschließen, dass vieles in diesem Bereich auch damit zu tun hat, dass es ohne faire und auskömmliche Löhne keine Perspektiven für die Menschen gibt. Auch aus dieser gesellschaftlichen Verantwortung heraus ist es wichtig, dass ein solches Gesetz, wie wir es heute einbringen, für faire Löhne sorgt und faire Bedingungen festschreibt.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Unser Gesetzentwurf baut einerseits auf die bisher zeitweise in unserem Land geltenden Tariftreueregelungen auf und ergänzt sie andererseits um neue Elemente. Lassen Sie mich deshalb auf einige dieser Regelungen speziell eingehen: Wie schon in der Vergangenheit verpflichtet sich das Land durch das Tariftreuegesetz zu allen im Gesetz festgeschriebenen Regelungen. Was die kommunale Ebene angeht, so ermöglichen wir den Kommunen die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes, verpflichten sie aber nicht dazu.

Das liegt an der Pflicht zur Konnexität, die uns auferlegen würde, als Land mögliche Mehrkosten des Gesetzes ausgleichen zu müssen. Dies würden wir nicht leisten können, obwohl ich weiß, dass die Steuereinnahmen einer Kommune steigen, wenn vernünftige Löhne gezahlt werden und dass man wiederum Einsparungen bei den Sozialabgaben hat, wenn vernünftige Löhne gezahlt werden, sodass diese nicht mehr aufgestockt werden müssten. Trotzdem führt die Kameralistik dazu, dass dann, wenn rechnerisch Mehrausgaben entstehen, diese aufgrund der Konnexität, die wir in der Verfassung haben, zu zahlen wären. Die Konnexität greift also trotzdem. Daher haben wir nur die Wahl zwischen der Zahlung von Geld an die Kommunen, wie es andere Bundesländer wie zum Beispiel Brandenburg machen, oder der Freiwilligkeit. Wir haben uns vor dem Hintergrund der finanziellen Lage des Landes für die Freiwilligkeit entschieden.

Ich möchte noch eine weitere Anmerkung machen, die mir ganz wichtig ist: Die Freiwilligkeit hat bei den Kommunen in unserem Land in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Debatte zu den Themen Tariftreue und faire Löhne sehr intensiv geführt wurde. Es waren - wie zum Beispiel in Nordfriesland - oft parteiübergreifende Mehrheiten, die in der Vergangenheit beschlossen hatten, das dama

(Lars Harms)

lige Tariftreuegesetz auch auf kommunaler Ebene anzuwenden.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sehr gut!)

In der letzten Ausgabe der Zeitschrift „Die Gemeinde“ des Gemeindetages fordern der Landrat des Kreises Ostholstein, Reinhard Sager, CDU, der dortige Kreishandwerksmeister, der Vorsitzende des DEHOGA-Kreisverbandes, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Lübeck und der Geschäftsführer des Jobcenters Ostholstein gemeinsam faire und angemessene Löhne. Sie werden mit der Aussage zitiert, dass vor allem für allgemeinverbindlich erklärte Löhne eingehalten werden müssten, wenigstens Löhne nach den Arbeitnehmerentsendegesetz gezahlt werden müssten oder in jedem Fall ortsübliche Löhne zu zahlen seien.

Dies zeigt, dass die regionale Ebene oft weiter ist als ideologische Blockierer und wir mit den Regelungen in unserem Gesetz Forderungen auch aus der Region erfüllen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Johannes Callsen [CDU]: Das ist doch alles Rechtslage!)

Was die Löhne angeht, haben wir im Gesetz mehrere Ankerpunkte angelegt, die die Forderungen aus den Regionen aufnehmen: In Zukunft sollen öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die einen allgemeinverbindlichen Lohn zahlen. Diese Bestimmung orientiert sich an der derzeit geltenden Rechtslage. Allerdings weiten wir diese Bestimmung dahin gehend aus, dass zusätzlich auch nur in Schleswig-Holstein für allgemeinverbindlich erklärte Löhne angewendet werden können. Diese Ausweitung befindet sich bisher noch ein keinem Tariftreuegesetz eines anderen Bundeslandes. Insofern sind wir auch da einen Schritt weiter als andere.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiter wird in Zukunft wieder eine umfassende Tariftreue im Bereich ÖPNV und SPNV gelten. Dass dies rechtlich möglich ist, ist schon in vielen Debatten zur Tariftreue dargelegt worden. Dass dies aber auch dringend notwendig ist, zeigt die Tatsache, dass beispielsweise die neue SPNV-Ausschreibung an der Westküste vor der Tür steht. Dort werden erstmals seit einiger Zeit wieder die einschlägigen und repräsentativen Tarife eingefordert werden, und es wird dort erstmals die Möglichkeit

bestehen zu verlangen, dass die Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel übernommen werden müssen. Das ist eine Regelung, die extreme soziale Härten für die Betroffenen verhindern wird.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens wird ein vergabespezifischer Mindestlohn festgeschrieben, der nicht unterschritten werden darf und der regelmäßig von einer Kommission überprüft wird. Alle diese Regelungen gelten nicht nur für den Auftragnehmer, sondern auch für seine Nachunternehmen und Verleihfirmen. Das heißt, auch Leiharbeiter werden in Zukunft der Stammbelegschaft bei öffentlichen Aufträgen gleichgestellt.

Verstöße gegen das Gesetz werden in Zukunft nicht nur geahndet, sondern in einem Vergabeund Korruptionsregister eingetragen. Dafür wird eine Stelle eingerichtet; wie diese ausgestaltet wird, hängt noch davon ab, ob und wie es möglich ist, mit den Hamburgern ein gemeinsames Register aufzubauen. Schlussendlich werden aber auch auf unzuverlässige Unternehmen härtere Zeiten als früher zukommen. Und das ist im Sinne unserer Unternehmen und der Mitarbeiter auch gut so, meine Damen und Herren.