Man könnte noch viel mehr, beispielsweise zu den Kriterien für eine umweltfreundliche und energieeffiziente Beschaffung, zur Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Vergabe oder auch zu den Bestimmungen zur Gleichbehandlung im Beruf und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagen. Aber in der Kürze der Zeit ist dies natürlich nicht möglich.
Deswegen lassen Sie mich abschließend feststellen, dass dieses Gesetz ein Meilenstein in der Politik ist, weil es soziale Kriterien mit ökonomischen Erfordernissen verbindet.
Im Juni 2001 haben wir begonnen, den Weg zu einer umfassenden Tariftreue und hin zu einem fairen Wettbewerb zu gehen. Ich bin unheimlich froh für unsere Menschen hier im Land, dass wir im Frühjahr nächsten Jahres, nach zwölf Jahren, endlich an diesem Ziel angelangt sein werden.
Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und vor allem auch darauf, dass in diesem Land endlich wieder faire Bedingungen herrschen. Auch das ist ein Ergebnis daraus, dass diese Koalition zueinander gefunden hat. Schon alleine dafür hat es sich gelohnt, eine solche Koalition einzugehen. Ich weiß, in den nächsten fünf Jahren werden noch viel bessere Gesetze kommen.
Bevor ich jetzt von der CDU-Fraktion den Herrn Abgeordneten Johannes Callsen aufrufe, noch ein kleiner Nachtrag. Von der Landesregierung ist heute Frau Ministerin Heinold ganztägig und die Ministerin Spoorendonk bis 11 Uhr abwesend.
Wir kommen jetzt zur Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeorndete Johannes Callsen von der CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Harms, ich finde es bemerkenswert, dass sich diese Koalition schon nach kaum mehr als 100 Tagen so deutlich selber Mut zusprechen muss.
Das zeigt einmal mehr, dass Sie sich seit mehr als 100 Tagen überwiegend mit sich selbst beschäftigen. Außer der Rücknahme von CDU/FDP-Entscheidungen und der Durchsetzung ihrer ideologischen Vorstellungen haben Sie noch nichts Wegweisendes und Sinnvolles für unser Land zustande gebracht.
Auch das heutige Vergabegesetz trägt eher ihren ideologischen Vorstellungen Rechnung als den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten in Schleswig-Holstein.
Die CDU/FDP-Regierung hatte mit dem Mittelstandsförderungsgesetz klare Tariftreueregelungen für Schleswig-Holstein eingeführt, die nicht nur der europäischen Rechtsprechung entsprechen, sondern die sich vor allem an den von den Tarifpartnern ausgehandelten Mindestlöhnen orientieren. Genau das ist der Rahmen, den der Europäische Gerichtshof und den das Arbeitnehmerentsendegesetz für Tariftreueerklärungen vorgeben. Das sollten mittlerweile auch Sie gelernt haben.
Unsere Überzeugung ist dabei, dass es die Tarifparteien in diesem Land sind, die die Lohnfindung besser können, die dafür zuständig sind und die es auf jeden Fall besser können als der Staat.
und zwar auch da, wo Tariflöhne an Bindekraft verloren haben. Genau deswegen - hören Sie genau zu - haben für uns verbindliche Lohnuntergrenzen eine Bedeutung. Wir haben uns dafür ausgesprochen, allerdings in einem bundeseinheitlichen Rahmen mit branchen- und regionsspezifischen Differenzierungsmöglichkeiten und mit einer Kommission, in der auch die Tarifpartner mit am Tisch sitzen. Genau dies ist der Rahmen, der mit dem bestehenden Mittelstandsförderungsgesetz Tariftreueerklärungen eben auch ermöglichen würde.
Was Sie hier heute vonseiten der rot-grün-dänischen Koalition vorlegen, ist ein staatlich festgelegter einheitlicher Mindestlohn durch die Hintertür, der mit marktwirtschaftlichen Gegebenheiten nicht das Geringste zu tun hat.
Sie kennen doch auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen SchienenPersonen-Nahverkehr. Auch darüber haben wir in der Tat häufig geredet. Faktisch ist es so, dass der Europäische Gerichtshof rechtlich enge Grenzen setzt, in denen Mindestlohnverpflichtungen und Tariftreueerklärungen zulässig sind. Das gilt gerade für den Schienen-Personen-Nahverkehr.
Nun geht Ihre Phantasie gerade mal so weit, das Tariftreuegesetz aus Nordrhein-Westfalen abzuschreiben. Das hat sicherlich seinen Grund darin, dass in Nordrhein-Westfalen der Schienen-Personen-Nahverkehr nicht in dem Gesetz enthalten ist, eben weil es rechtliche Bedenken gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Jubiläumsveranstaltung des Verbandes Handwerk Schleswig-Holstein hat der Ministerpräsident das Handwerk ausdrücklich als Vorbild für das von der Koalition geplante neue Tariftreuegesetz gelobt. Er hat jedenfalls insoweit recht, als dass die Mindestlöhne im Handwerk
- nicht zu früh klatschen - von den Tarifpartnern ausgehandelt werden und eben auch jetzt schon über das bestehende Mittelstandsförderungsgesetz bindend sind. Damit bräuchten wir Ihr Gesetz in Schleswig-Holstein gar nicht.
Diese Regelungen im Handwerk aber als Vorbild für die mit Ihrem Vergabegesetz eingeführten gesetzlichen Mindestlöhne zu nehmen, das ist schon eine Zumutung.
Der Staat kann keine Lohnfindung übernehmen, und Ihr Mindestlohn von 8,88 € ist der beste Beweis dafür. Wenn Sie nämlich schon die unterste Lohngruppe nach TVL als Grundlage für Ihren Mindestlohn nehmen, dann sollten Sie bei Ihrer Rechnung doch wenigstens das Weihnachtsgeld in Höhe von bis zu 95 % mit einbeziehen. Dann läge der Mindestlohn nicht bei 8,88 €, sondern bei 9,58 €. Aber vielleicht können Sie uns ja Ihre Rechnung auch noch einmal erklären.
Allein dieses Beispiel zeigt, wie fraglich gesetzliche Mindestlöhne sind. Sie untergraben damit auch die Tarifautonomie in Schleswig-Holstein. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände bräuchte man dann nicht mehr; der Lohn wird ja dann zukünftig bei Herrn Meyer im Wirtschaftsministerium bestimmt.
Was Sie mit diesem Gesetz aber noch offenbaren, ist ein tiefes Misstrauen - Herr Kollege Schulze, auch in Ihre Richtung; Sie kommen ja aus dem Handwerk - dieser Koalition gegenüber dem Mittelstand und gegenüber dem Handwerk in Schleswig-Holstein.
Ich will nur zwei Beispiele nennen. Nach § 17 sollen - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten - „neben den voraussichtlichen Anschaffungskosten … unter Berücksichtigung des Lebenszyklusprinzips insbesondere auch die voraussichtlichen Betriebskosten über die Nutzungsdauer - vor allem die Kosten für den Energieverbrauch - sowie die Entsorgungskosten“ berücksichtigt werden.
Zweites Beispiel. Es sollen bestimmte Normen für das Umweltmanagement gefordert werden - ich zitiere - die „bei umweltrelevanten öffentlichen Bauund Dienstleistungsaufträgen in der Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen bestehen, die bei der Ausführung des Auftrages zur Anwendung kommen sollen.“ - Grandios!
Diese zwei Beispiele zeigen, dass mittelständische Betriebe, die sich um öffentliche Aufträge bewerben wollen, vor einer Flut neuer bürokratischer Vorschriften stehen. Wenn das Gesetz so kommt wie es jetzt vorliegt, können sich demnächst nur noch Konzerne um öffentliche Aufträge in Schleswig-Holstein bewerben.
Ihr Mittelstandsgesetz, Ihr Vergabegesetz, ist eine überflüssige, unkontrollierbare Bürokratiekrake, die mit seinen Tentakeln in Bereiche eingreift, die nichts aber auch gar nichts mit Mittelstandsförderungspolitik zu tun haben.
Ihr Misstrauen gegenüber dem gesamten Mittelstand setzt sich fort bei der neuen korruptionsregisterführenden Stelle und deren Betretungsrechten in Betrieben schon bei kleinsten Verdachtsfällen.
Herr Wirtschaftsminister, Sie werden in den weiteren Beratungen auch zu erklären haben, wie viele neue Stellen Sie schaffen müssen, um diese zusätzliche Kontrollaufgabe zu erfüllen.
Herr Ministerpräsident, auf dem Landesbauerntag haben Sie mit Blick auf die Fischer davon gesprochen, dass man - ich zitiere - „einen so ehrlichen Beruf doch nicht mit Bürokratie ersticken“ solle. Ich hoffe sehr, dass Sie das schleswig-holsteinische Handwerk in Ihren frommen Wunsch einbeziehen.
Was Ihre Koalition heute hier vorgelegt hat, ist ein bürokratisches Monster zur Durchsetzung gesetzlicher Mindestlöhne. Es ist das in Gesetzesform gegossene Misstrauen gegenüber dem Handwerk in Schleswig-Holstein. Es ist nicht das modernste Tariftreuegesetz in Deutschland, sondern das mittelstandsfeindlichste. Und es ist kein Vergabegesetz, sondern ein Mittelstandsverhinderungsgesetz, das Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein gefährdet. Herzlichen Dank.