Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anke Erdmann! Wir schließen uns alle den Geburtstagsglückwünschen für den heutigen Tag an und wünschen dir mit uns viel Freude im Verlauf des heutigen Tages und alles Gute. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die heutige Sitzung und teile Ihnen zunächst mit, dass folgende Abgeordnete krankgemeldet wurden: Frau Barbara Ostmeier, Herr Thomas Rother sowie Frau Dr. Marret Bohn. - Wir wünschen allen dreien von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Kolleginnen Regina Poersch sowie Frau Ministerin Anke Spoorendonk.

Nun bitte ich Sie, mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Viöl zu begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Kieler Landtag!

(Beifall)

Ich gebe Ihnen die Verständigungen zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern zum weitern Sitzungsverlauf bekannt: Erstens. Der Tagesordnungspunkt 30, Sicherheit für alle Bürger - Kein Rückzug der Polizei aus der Fläche!, wird abgesetzt. Zweitens. Tagesordnungspunkt 26, Zielvereinbarungen mit den Hochschulen, soll ohne Aussprache behandelt und am Freitag aufgerufen werden. Es ist vorgesehen, über den Antrag in der Sache mit der Maßgabe der Berichterstattung gegenüber dem Ausschuss abzustimmen.

Wir wollen nun mit unserer Arbeit beginnen. Ich rufe daher Tagesordnungspunkt 19 auf:

Für eine moderne, vielfältige Verwaltung in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/747 (neu)

Aktionsplan „Integration“ konsequent umsetzen!

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/833

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich nun die Aussprache und erteile der Kollegin Serpil Midyatli von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Oftmals, wenn wir über Integrationspolitik in diesem Hohen Hause reden, geht unser Blick nach Berlin. Nicht aber mit diesem Antrag von SPD, Grünen, SSW und den PIRATEN. Hier können und werden wir uns daran messen lassen, wie ernst wir es mit einer modernen und vielfältigen Integrationspolitik meinen.

Ein wichtiger Schritt, den wir selbst gehen können, ist die interkulturelle Öffnung unserer Verwaltungen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es dieser Landesregierung gelingen wird, Konzepte weiterzuentwickeln, um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung oder Beschäftigung erfolgreich anzuwerben.

Wir wollen nicht nur über Integration reden oder Gipfel abhalten, um hinterher festzustellen: Piep, Piep, Piep, wir haben uns alle lieb. - Nein, für uns sind Vielfältigkeit und Diversität keine Modebegriffe, wir wollen sie mit Leben füllen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Konkret könnte ich mir vorstellen, dass bereits in der Schule um Auszubildende mit Migrationshintergrund geworben wird. Denn viele wissen gar nicht um die Möglichkeiten, die das Land bietet, da sie selbst auch keine oder nur wenige Vorbilder haben. Wenn man denn schon in der Schule ist, sollte man den jungen Menschen auch mitteilen, dass es nicht zwingend der deutschen Staatsbürgerschaft bedarf, um in den Landesdienst einzutreten; das wissen nicht alle. Wir reden auch nicht von Extrawürsten für Menschen mit Migrationshintergrund. Entgegen aller Defizitbeschreibung gibt es gut qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund.

Mit diesem Antrag wollen wir eine gleichberechtigte Teilhabe für geeignete Bewerberinnen und Bewerber erreichen. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum es erst gar nicht zu einer Bewerbung kommt, vielleicht auch, weil der Name zu ausländisch klingt. Daher ist es ebenso wichtig, das Personal auf die Öffnung vorzubereiten, zum Beispiel mit interkulturellen Kompetenz-Trainings.

Die große Hoffnung ist natürlich, dass sich die Kommunen daran orientieren und sich auch interkulturell weiter öffnen. Hier meine ich ausdrücklich nicht die Ausländerbehörden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Internationale Konzerne haben längst erkannt, dass interkulturelle Belegschaften für erfolgreiche und innovative Unternehmungsführung stehen, weil Menschen mit verschiedenster Herkunft mit vielfältigen Potenzialen eine Bereicherung für die Konzerne sind. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel uns dazu zwingt, uns zu öffnen - das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Verwaltung.

Ja, wir sind ein Einwanderungsland. Nach Jahrzehnten haben es nun fast alle begriffen. Schade nur, dass es so lange gedauert hat. Denn mittlerweile sind wir gar kein Einwanderungsland mehr. Ich muss Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass wir ein Auswanderungsland sind.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das haben wir auch schon lange!)

- Das ist leider immer noch nicht in den Köpfen angekommen, lieber Heiner. Dieses gilt auch für die gut qualifizierten und ausgebildeten Menschen mit Migrationshintergrund. Diese verlassen das Land. Oft hat es damit zu tun, dass ihre Leistungen nicht anerkannt werden und mit der fehlenden Willkommenskultur. Mit fehlender Anerkennung meine ich in diesem Falle ausdrücklich nicht die im Ausland erworbenen Abschlüsse. Nein, es geht um die Menschen, die hier geboren sind und ausgebildet wurden. Oftmals arbeiten sie unter ihrer eigentlichen Qualifikation. Das frustriert. Hier müssen wir Vorurteilen mit Öffnung begegnen, um Ausgrenzung zu verhindern.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich bitte Sie, diesen Antrag in der Sache abzustimmen, da es sich um einen Auftrag an die Landesregierung handelt. Dem Antrag der CDU-Fraktion stimmen wir selbstverständlich zu. Es ist immer gut, wenn unser Integrationsminister Breitner über die laufenden Bemühungen der Regierung informiert.

Und wenn ich noch etwas ganz Persönliches hinzufügen darf: Auch dieses Parlament kann mehr Interkulturalität vertragen, vielleicht bei der nächsten Landtagswahl.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich der Abgeordneten Astrid Damerow das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben an dieser Stelle schon häufig über Integration gesprochen und haben häufig auch schon darüber gesprochen, was der Bund beziehungsweise das Land tun kann.

Wir sind in vielen Dingen einer Meinung, wir ziehen durchaus an einem Strang in der Erkenntnis, dass Migranten besser in die Gesellschaft integriert werden müssen. Wir sind uns auch einig darin, dass wir sagen, es müssen mehr Migranten im öffentlichen Dienst beschäftigt sein. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch in unserer Verwaltung widerspiegeln. Wir wissen auch, dass Politik dazu die Rahmenbedingungen setzen muss und dass wir hier ständig einen Beitrag zu leisten haben.

Die letzte Landesregierung hat im Jahr 2011 mit dem Aktionsplan Integration in Schleswig-Holstein dazu ein wichtigen und richtigen Schritt getan, um in allen Bereichen die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund stärker zu fördern. Im Übrigen auch in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Ich verweise hier auf das Handlungsfeld 4 des Aktionsplanes, der genau das Ziel hat, Migranten stärker im öffentlichen Dienst zu fördern und mehr Migranten in den öffentlichen Dienst einzustellen.

Dieser Aktionsplan enthält ganz klare Zielvorgaben, und nicht nur das. Er beschreibt nicht nur Ziele, sondern er bietet auch einen Handlungspfad, wie diese Ziele zu erreichen sind. Diese Ziele sind wiederum durch ganz konkrete Projekte unterlegt, die diese Landesregierung - wir können das der Presse immer wieder entnehmen - durchaus umsetzt.

Das heißt, den Hintergrund Ihres Antrags - wir haben uns vorhin noch kurz darüber unterhalten - teilen wir durchaus und halten ihn auch für richtig. Allerdings sind wir der Ansicht, dass Sie hier den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt tun. Bevor wir uns also über weitere Maßnahmen unterhalten und weitere Maßnahmen und Forderungen beschließen, möchten wir von dieser Landesregierung gern hören, wie der Integrationsplan umgesetzt wird. Es ist jetzt etwas mehr als ein Jahr vergangen,

(Serpil Midyatli)

seitdem die letzte Landesregierung diesen Aktionsplan beschlossen hat. Ich bin sehr gespannt auf den Bericht der Landesregierung im Ausschuss, um zu erfahren, was in diesem Jahr konkret passiert ist, um die Ziele zu erreichen.

Ich denke, danach können wir uns sehr wohl über die eine oder andere Maßnahme unterhalten, die wir vielleicht noch einbringen wollen. Vielleicht werden wir auch nachsteuern müssen. Allerdings möchten wir zunächst einmal - ich denke, das ist auch logisch - den Bericht der Landesregierung haben, wie Sie diesen Aktionsplan und auch die Umsetzung bewertet.

Gern möchte ich auch einen Bericht darüber haben, wie das begleitende Beratergremium diesen Aktionsplan bewertet. Ich habe dem Protokoll des Innen- und Rechtsausschusses Anfang letzten Jahres entnommen, dass dieser Beraterausschuss bereits getagt hat. Doch seitdem haben wir davon nichts mehr gehört.

Deshalb unser Änderungsantrag, in dem wir verlangen, dass die Landesregierung zunächst einmal im Innen- und Rechtsausschuss berichtet, was bisher erreicht worden ist. Danach können wir uns im Ausschuss oder hier im Landtag weiter darüber unterhalten, was wir noch tun müssen.

Wie gesagt, im Ziel sind wir uns einig; den Weg dorthin möchten wir gern in einer anderen Reihenfolge beschreiten, die wir für wesentlich zielführender halten. Infolgedessen werden wir auch für unseren Antrag Abstimmung in der Sache beantragen. Ich bitte hier um Zustimmung für unseren Änderungsantrag. Wir werden den Antrag der anderen Fraktionen ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Eka von Kalben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen den abstrakten Begriff „Willkommenskultur“ mit Leben füllen und fangen damit unmittelbar in unserer Verwaltung an. Ja, es ist richtig, es ist schon viel auf dem Weg. Trotzdem glauben wir, dass es immer wieder wichtig ist, neue Anstöße zu geben, das Thema weiter in der Debatte zu halten und der Regierung insofern unsere ausdrückliche

Unterstützung mit auf den Weg beziehungsweise weitere Anstöße zu geben. Unsere Verwaltung und unsere Landesbediensteten sind das Aushängeschild dieses Landes. Deshalb macht es Sinn, hier mit einer gelebten Willkommenskultur anzusetzen.

Meine Kollegin Frau Midyatli hat schon deutlich gemacht, dass wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung brauchen. Doch ich denke, es gibt noch einen anderen Aspekt. Jeder hat vielleicht eine litauische Großmutter. Ich meine jedoch tatsächlich die Menschen, die in einer deutschen Kultur aufgewachsen sind. Auch diese Menschen brauchen ausreichende interkulturelle Kompetenz. Das heißt, egal, ob in der Justiz, in den Ministerien, bei der Polizei, draußen auf der Straße oder im Kontakt mit den Bürgern - für den öffentlichen Dienst muss gelten: Wir leben, was wir sagen, und wir heißen die Menschen hier willkommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt PIRATEN)

Da ist es auch nicht ausreichend, wenn ein Polizist an der Grenze ein paar Brocken Dänisch lernt, um einen Jugendlichen, der eine pfandfreie Dose geklaut hat, zu erwischen. Es geht um mehr. Es geht nicht nur darum, die sprachlichen Barrieren abzubauen und Mehrsprachigkeit als positives Einstellungskriterium zu nutzen - da ist in den letzten Jahren schon viel geschehen -, sondern es geht auch darum, kulturelle Verständigungsschwierigkeiten abzubauen, und die sind häufig viel subtiler.

Ich habe jüngst über eine Untersuchung im Bereich der Justiz gelesen. Dort werden Menschen mit Migrationshintergrund vernommen, und es kommt trotz Dolmetscher immer wieder zu Kommunikationsschwierigkeiten. Denn ein Mensch aus Pellworm erzählt eine Geschichte anders als ein Sizilianer. Das ist gut auch gut so.

(Serpil Midyatli [SPD]: Insel ist Insel!)