Protokoll der Sitzung vom 17.11.2016

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen. Ich begrüße Sie zur heutigen Sitzung und teile Ihnen mit, dass die Kollegin Heike Franzen weiterhin erkrankt ist. Außerdem erkrankt ist der Kollege Ekkehard Klug. Beiden wünschen wir von dieser Stelle aus gute Genesung.

(Beifall)

Für die Landesregierung sind ganztägig Frau Ministerin Spoorendonk und Herr Minister Meyer entschuldigt.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass es eine Änderung zu Tagesordnungspunkt 12 gegeben hat. Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU „Ein SchleswigHolsteinisches Institut für Berufliche Bildung auf den Weg bringen“, Drucksache 18/4756, wurde zurückgezogen. Weiter teile ich Ihnen mit, dass der Tagesordnungspunkt 15 heute Vormittag nach den beiden gesetzten Tagesordnungspunkten aufgerufen werden wird.

Ein weiterer Hinweis, der sich auf die konstituierende Sitzung des Ausschusses für die Zusammenarbeit der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg bezieht: Diese Sitzung findet in der Mittagspause um 13:30 Uhr in Raum 139 statt.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler der Käthe-Kollwitz-Schule auf der Tribüne zu begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung „Schleswig-Holstein im IQB-Ländervergleich an der Spitze: Engagierte Lehrkräfte, richtige bildungspolitische Weichenstellungen, gute Resultate“

Ich erteile das Wort der Frau Ministerin für Schule und Berufsbildung, Frau Britta Ernst.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schleswig-Holsteins Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen gehören heute zu den Besten in Deutschland. Sie haben in den vergangenen Jahren

enorm aufgeholt. Vor allem in Englisch, aber auch in Deutsch hat die jüngste IQB-Studie einen deutlichen Lernzuwachs festgestellt. Das ist eine gute Nachricht und ein Grund zur Freude für alle, die an Schule beteiligt sind und die dazu beigetragen haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Es ist eine Bestätigung für die gute und engagierte Arbeit unserer Lehrkräfte und Schulleitungen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken. Es ist aber auch eine Bestätigung für gute Bildungspolitik im Bildungsministerium und nicht zuletzt auch im IQSH.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Blicken wir zurück: Im Jahr 2001 erschütterte die Veröffentlichung der ersten PISA-Studie Deutschland. Die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler lagen deutlich unter dem OECDDurchschnitt. Eine erschreckend hohe Zahl erreichte keine ausreichenden Kompetenzen, um zum Beispiel eine Berufsausbildung zu beginnen. Auch hinsichtlich der Gerechtigkeit gab es schlechte Noten. In Deutschland bestimmte mehr als in vielen anderen Ländern das Elternhaus über den Bildungserfolg der Kinder.

Überall in Deutschland wurde über diese Ergebnisse heftig diskutiert. Bis dahin hatte sich Deutschlands Bildungssystem unangreifbar gewähnt, geprägt von einer langen humanistischen Tradition, geprägt von den großen Reformen der 60er- und 70er-Jahre, die so erfolgreich vielen jungen Menschen Zugang zu besserer Bildung verschafft haben. Das war unser Eindruck. Mit solchen Ergebnissen hatte niemand gerechnet.

Die Veröffentlichung der ersten PISA-Studie steht für die sogenannte empirische Wende in der Bildungspolitik. Zahlreiche empirische, faktenbasierte Studien helfen uns seitdem dabei, einen klaren Blick auf das Schulsystem zu werfen und auf dieser Grundlage richtige Entscheidungen zu treffen und vielleicht auch den einen oder anderen Streit zu entschärfen.

Aus der ersten PISA-Studie haben die KMK und die Bundesländer schnell Konsequenzen gezogen. Im Mittelpunkt standen die Verbesserung der Qualität der Schulen und des Unterrichts, die Intensivierung der frühkindlichen Bildung und bessere Unterstützung der schwächeren Schülerinnen und Schüler, die seitdem als Risikogruppe bezeichnet

11104 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 133. Sitzung - Donnerstag, 17. November 2016

werden. Die KMK verständigte sich mit der Erarbeitung von Bildungsstandards auf gemeinsame Leistungsanforderungen für Unterricht und für Schulabschlüsse. Parallel wurden regelmäßige Überprüfungen verankert. Mit VERA werden seitdem die Leistungen von Schülerinnen und Schülern jährlich bundesweit in den Klassen drei und acht getestet.

Das IQB wurde gegründet, das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Dort werden die Aufgaben für VERA erarbeitet. Dort erfolgt wichtige empirische Forschung, und dort werden die Studien des Ländervergleichs durchgeführt, die die wichtigen internationalen Studien wie PISA und TIMSS ergänzen.

Die erste Ländervergleichsstudie des IQB erfolgte im Schuljahr 2008/2009 in der Sekundarstufe I in den Fächern Deutsch und Englisch, in einigen Bundesländern auch in Französisch. Es folgten weitere Studien zu den Grundschulen oder anderen Fächern.

Die jetzt vorliegende Ländervergleichsstudie ist die erste, die nicht nur einen Vergleich der Bundesländer erlaubt, sondern die auch den Vergleich mit den Ergebnissen von 2009 ermöglicht und damit für jedes Bundesland die Entwicklung beschreibt. Einige Ergebnisse aus der über 500 Seiten umfassenden Studie möchte ich hervorheben:

Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen aus Schleswig-Holstein gehören zur Spitzengruppe der Bundesländer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Betrachtet man die Mittelwerte der Neuntklässler, dann stehen unsere Schülerinnen und Schüler künftig neben denen aus Sachsen und Bayern ganz vorn. Bemerkenswert ist auch der Zuwachs, den wir vor allem im Fach Deutsch erreicht hatten, denn dort lagen die Leistungen 2009 teilweise unter dem Bundesdurchschnitt. Jetzt liegen sie an der Spitze oder im Durchschnitt. Im Hörverstehen Englisch sind unsere Schülerinnen und Schüler die Besten in Deutschland,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

die Leistungszuwächse entsprechen einem Jahr und sind erheblich.

Erfreulich ist auch, dass die Gruppe der Schülerinnen und Schüler, die nicht so gut abschneiden und den Mindeststandard verfehlen, in Schleswig-Hol

stein besonders klein ist. In vier von fünf untersuchten Bereiche ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard verfehlen, im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders niedrig. Auch dort gehören wir zu den drei Spitzenländern. Nur in Orthografie liegen wir im Mittelfeld.

Erfreulicherweise hat sich die Anzahl der Risikoschülerinnen und -schüler bei uns deutlich reduziert: Beim Lesen im Fach Deutsch um 6,3 % und bei Orthografie um 5,5 Prozentpunkte Das bedeutet ganz konkret, dass in Schleswig-Holstein im Jahr 2015 beim Lesen etwa 2.000 und in Orthografie etwa 1.700 Schülerinnen und Schüler weniger zur Risikogruppe gehören als 2009. Das ist ein wesentlicher Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dritter Punkt. Wir haben eine stabile Gruppe von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die gut abschneiden, liegt in nahezu allen Bereichen über dem Bundesdurchschnitt. Auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien sind gut.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein anderes wichtiges Ergebnis in den oft sehr aufgeregten Bildungsdebatten: Schülerinnen und Schüler fühlen sich wohl an unseren Schulen. Die Aussage „In dieser Schule finde ich leicht neue Freundinnen und Freunde“ und die Aussage „Ich bin zufrieden mit meiner Schule“ stoßen auf ganz breite Zustimmung bei den Schülerinnen und Schülern. Und das freut uns natürlich auch sehr.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber es gibt auch Handlungsfelder, die uns nicht zufriedenstellen. Die Ausgangslage im Elternhaus hat nach wie vor zu großen Einfluss auf die erreichten Leistungen. Der Zusammenhang zwischen Herkunft und Kompetenz ist auch im Jahr 2015 noch zu eng. Daran hat sich seit 2009 nur in wenigen Bundesländern etwas geändert. Wir liegen hier im bundesdeutschen Mittelfeld. Damit wollen wir uns aber nicht zufriedengeben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 133. Sitzung - Donnerstag, 17. November 2016 11105

(Ministerin Britta Ernst)

Auch ein Blick auf die Leistungen der Jungen und Mädchen lohnt; denn die Leistungen der Mädchen sind deutlich besser als die der Jungen. Vor allem in Orthografie schneiden die Mädchen sehr viel besser ab. In Schleswig-Holstein sind die Geschlechterunterschiede in Orthografie sogar noch ein Jahr höher als im sowieso schon hohen Unterschied des bundesweiten Durchschnitts. Auch damit können wir uns so nicht zufriedengeben.

Die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund sind nicht so gut wie die von denen ohne Zuwanderungshintergrund. Ein differenzierter Blick lohnt aber; denn im Bereich Englisch sind diese Unterschiede deutlich geringer geworden.

Und auch etwas anderes wird bestätigt: Schülerinnen und Schüler erreichen bessere Leistungen, wenn die Lehrkräfte die Fächer studiert haben, die sie auch unterrichten. Es gibt also Hinweise, wo wir etwas tun müssen, auch in den nächsten Jahren.

Deutlich ist jedoch: So große Verbesserungen, die wir in Schleswig-Holstein in diesem Ländervergleich erreicht haben, lassen sich nicht in kurzer Zeit erreichen. Es war vielmehr notwendig, über einen langen Zeitraum immer wieder richtige Weichen zu stellen, immer wieder richtige Entscheidungen zu treffen. Diese sind damit auch eine Bestätigung für richtige Bildungsreformen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems und die Verankerung der Gemeinschaftsschule neben dem Gymnasium hat Hürden abgebaut und unser Bildungssystem durchlässiger und damit gerechter gemacht. Diese Schulstruktur ist in Schleswig-Holstein breit akzeptiert. Sie wurde zu Beginn der Wahlperiode auch in einem Bildungsdialog noch einmal bestätigt. Dank dieses Schulfriedens konnten alle Kräfte auf die Verbesserung der Qualität von Schulen und Unterricht gelenkt werden, und das haben wir sehr konsequent gemacht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir setzen auf die sehr hohe fachliche Kompetenz der Lehrkräfte. Wir brauchen an beiden weiterführenden Schulen Lehrerinnen und Lehrer, die auch für den Unterricht in der Oberstufe ausgebildet sind. Deshalb haben wir bei der Reform der Lehrerbildung das Sekundarschullehramt für Gemeinschaftsschulen an Gymnasien geschaffen.

Wir haben die Lehrkräfteaus- und -fortbildung professionalisiert. Die Erhöhung des Praxisanteils zum Vorbereitungsdienst, Schulentwicklungstage und die Fortbildungsoffensive vor allem zur individuellen Förderung sind einige Stichpunkte.

Und wir haben nach und nach die Bildungsstandards in unsere neuen Fachanforderungen umgesetzt. 23 von 46 sind bereits fertig. Für die Grundschulen liegen sie ab dem nächsten Schuljahr vor. Auch hier setzen wir auf Fachlichkeit. Die Anforderungen für die Sekundarstufen I und II sind jedenfalls in den Fachanforderungen verankert und bilden somit die Grundlage für unsere Abschlüsse.