Protocol of the Session on February 18, 2015

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Meine Damen und Herren, ich eröffne die 30. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Erkrankt ist Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn. Wir wünschen ihr gute Besserung!

(Beifall)

Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene ist ab 15 Uhr Frau Ministerin Heinold beurlaubt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Am 14. und 15. Februar 2015 wurden zwei Menschen zu Opfern eines feigen Mordanschlages in Kopenhagen. Dass dabei eines der Opfer, Finn Nørgaard, zum Zeitpunkt der Tat gerade an einer Diskussion zum Thema Meinungsfreiheit teilnahm und das zweite Opfer, Dan Uzan, vor einem Gotteshaus, der Kopenhagener Synagoge, Wache hielt, um es vor Anschlägen zu schützen, zeigt auf beunruhigende Weise, wen der Attentäter zu seinen Zielen machte: Es waren Bürger, die sich mit Ihrer Arbeit unerschütterlich für die Gesellschaft und deren Grundrechte einsetzten; der eine als Karikaturist, der andere als Sicherheitsmann seiner Gemeinde.

Uns Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner treffen diese Anschläge ganz besonders, denn Dänemark und seine Bürgerinnen und Bürger stehen uns als Nachbarn und Freunde besonders nah. Die Attentate von Kopenhagen waren ein Angriff nicht allein auf Dänemark und die dänische Gesellschaft, sondern sie galten den freiheitlichen Werten, die wir mit allen Europäern teilen. Gerade die Meinungsfreiheit als Grundlage unserer Demokratien dürfen wir uns von verblendeten Radikalen nicht zerstören lassen. Gemeinsam stehen wir vor der Aufgabe, dass es den Terroristen, die im Namen des Islam zu handeln vorgaben, nicht gelingt, unsere Gesellschaften zu spalten. Ihr Kampf gegen Freiheit, Demokratie und Toleranz richtet sich auch gegen Bürger muslimischen Glaubens, die sich mit ganz großer Mehrheit zu diesen Werten bekennen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle fühlen mit den Angehörigen der Opfer. Ich bitte Sie nun, einen Moment innezuhalten im Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 14. Februar 2015.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 81. Sitzung - Mittwoch, 18. Februar 2015 6749

Meine Damen und Herren, ich habe zu Beginn dieser Plenartagung eine weitere traurige Pflicht; die, an unseren früheren Kollegen Dr. Karl-Heinz Narjes zu erinnern, der wenige Tage vor der Vollendung seines 91. Lebensjahres am 26. Januar verstorben ist.

Dr. Karl-Heinz Narjes, 1924 im niedersächsischen Soltau geboren, trat nach der sogenannten Not-Reifeprüfung 1941 in die Kriegsmarine ein. Im Februar 1944 geriet der Leutnant zur See in britische Kriegsgefangenschaft. Dort nutzte er die Möglichkeit, sich mit dem Besuch verschiedener Lagerhochschulen in Kanada und Großbritannien auf das Leben nach der Diktatur vorzubereiten. Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft begann KarlHeinz Narjes das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Er schloss es 1949 mit dem ersten Staatsexamen ab. 1952 promovierte er mit der Arbeit „Zoll- und Wirtschaftsunionen als Rechtsformen der auswärtigen Wirtschaftspolitik“. Im Folgejahr legte er dann das zweite juristische Staatsexamen ab und ging zur Oberfinanzdirektion Bremen.

1955 vollzog er einen entscheidenden Schritt, der ihn über Stationen in Bonn, Luxemburg, Brüssel und Kiel schließlich in die Spitze der EG-Kommission führte. Dr. Karl-Heinz Narjes begann diesen Weg mit seinem Eintritt als Attaché in das Auswärtige Amt. Von dort wurde er als Legationsrat 1958 zur Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG abgeordnet. 1963 ernannte ihn der erste Präsident der EWG-Kommission, Walter Hallstein, zu seinem Kabinettschef. Fünf Jahre später wurde Dr. Karl-Heinz Narjes Generaldirektor für Presse und Information der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Als überzeugter Europäer prägte er die Arbeit der Europäischen Kommission in ihren Anfangsjahren und blieb zeitlebens auf das Engste mit dem gemeinsamen europäischen Friedenswerk verbunden.

Von der EG zog es Dr. Karl-Heinz Narjes 1969 nach Schleswig-Holstein. Als Minister für Wirtschaft und Verkehr gehörte der Christdemokrat gut vier Jahre lang der Landesregierung an. 1971 wurde er als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Kiel-Mitte in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt und blieb dessen Mitglied bis zu seiner Mandatsniederlegung am 29. Januar 1973.

Es stand erneut ein Wechsel an, diesmal nach Bonn, in den Deutschen Bundestag, dem Dr. KarlHeinz Narjes ab 1972 als Abgeordneter angehörte. Die wohl bedeutendste Wegmarke hier: Dr. KarlHeinz Narjes war in der 7. Wahlperiode Vorsitzen

der des Wirtschaftsausschusses. 1981 dann schied Dr. Karl-Heinz Narjes aus dem Parlament aus, um erneut nach Brüssel zu wechseln; zunächst als Kommissar für Binnenmarkt, Zollunion, industrielle Innovation, Umwelt, Verbraucherfragen und nukleare Sicherheit, von 1984 bis 1988 dann als Kommissar für Industriepolitik, Forschung und Innovation. In diesen letzten vier Jahren war Dr. Karl-Heinz Narjes auch Vizepräsident der Europäischen Kommission.

Meine Damen und Herren, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Lebenswerk unseres verstorbenen Kollegen mit den folgenden Worten gewürdigt - ich zitiere -:

„Wir verlieren mit Karl-Heinz Narjes einen Europäer der ersten Stunde, der voller Überzeugung, Entschlossenheit und Optimismus für das geeinte Europa und den europäischen Binnenmarkt gewirkt hat. … Er hat die europäische Integration mitgeprägt und sie auch nach seinem aktiven politischen Leben mit wachem Auge weiter begleitet.“

Dem gibt es nur noch eines hinzuzufügen: Schleswig-Holstein trauert um einen großen Europäer und beeindruckenden Politiker, der sich bleibende Verdienste um unser Land, die Einigung unseres Kontinents und das Zusammenwachsen einstmals verfeindeter Nationen erworben hat.

Weggefährten beschrieben Dr. Karl-Heinz Narjes, der stets ein bescheidener Mensch geblieben ist, als einen „Himmelsstürmer“, als jemanden, der von einem Europa ohne Grenzen träumte, es aber nicht bei visionären Gedanken beließ, sondern zielstrebig an deren Verwirklichung arbeitete.

Europa, wie wir es kennen, Europa, wie wir es uns wünschen, lebt von Menschen wie Dr. Karl-Heinz Narjes, von den Vordenkern, die sich von dem Geist der Freiheit und dem Gedanken der Einigung leiten lassen und von dem Ziel, aus der oft genug kriegerischen Geschichte unseres Kontinents nicht nur zu lernen, sondern gemeinsame politische Strategien zum Wohle der Menschen zu entwickeln. Sein Wirken, für das er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern- und Schulterband ausgezeichnet wurde, bleibt uns Verpflichtung über den Tag hinaus.

Meine Damen und Herren, wir gedenken des früheren Vizepräsenten der Europäischen Kommission, Abgeordneten und Landesministers Dr. Karl-Heinz Narjes in Dankbarkeit. Wir verneigen uns in tiefem Respekt vor seinem Lebenswerk. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie.

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(Präsident Klaus Schlie)

Am 1. Februar ist ein weiterer ehemaliger Kollege verstorben, der frühere Landtagsabgeordnete Herbert Weidling, der dem Parlament von November 1982 bis April 1983 als Mitglied der CDU-Landtagsfraktion angehörte. Herbert Weidling wurde 94 Jahre alt. Der 1920 in Eckholz im heutigen Kreis Rendsburg-Eckernförde geborene Architekt wirkte im Eingabenausschuss und im Sozialausschuss mit. Seiner Initiative war die Gründung der Architektenkammer Schleswig-Holstein zu verdanken, deren erster Präsident er von 1966 bis 1971 war. Die Architekten- und Ingenieurkammer ernannte ihn 2009 zu ihrem Ehrenpräsidenten.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, einen Moment im Gedenken an unsere verstorbenen Kollegen innezuhalten.

- Sie haben sich zu Ehren der Terroropfer von Kopenhagen sowie von Dr. Karl-Heinz Narjes und Herbert Weidling erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßnahmen zu behandeln:

Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 5, 19 und 20. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 1 A, 6 und 13 - Regierungserklärung und Anträge zur Situation der Flüchtlinge in SchleswigHolstein -, 7 und 15 - Konsequenzen aus dem Ausbruch des multiresistenten MRGN-Keim am UKSH -, 14 und 25 - Meeresverschmutzung durch Paraffin und andere Ladungsrückstände und Bericht zum Meeresschutz -, 24 und 26 - Situation und Entwicklung der Hochschulen des Landes SchleswigHolstein.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, den Punkt „Kreisfachberater für Kultur schaffen“ ebenfalls in dieser Tagung zu beraten. Ich schlage vor, den Tagesordnungspunkt als Punkt 20 A in die Tagesordnung einzureihen und mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten aufzurufen. - Ich sehe keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Anträge zu einer Fragestunde oder zu einer Aktuellen Stunde liegen nicht vor.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 30. Tagung.

Wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens

bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist keine Mittagspause vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich die neue landeskirchliche Beauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Frau Pastorin Claudia Bruweleit.

(Beifall)

Liebe Frau Bruweleit, wir freuen uns auf eine gesegnete, gute Zusammenarbeit mit Ihnen und danken Ihnen für den heutigen Gottesdienst.

Meine Damen und Herren, weiterhin begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Viöl-Ohrsted sowie unsere ehemalige Kollegin, die ehemalige Landtagsvizepräsidentin, Frau TodsenReese. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Der Herr Abgeordnete Martin Habersaat hat heute Geburtstag. - Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für das neue Lebensjahr!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU, der FDP und der PIRATEN haben im Wege der Dringlichkeit mit der Drucksache 18/2734 einen Dringlichkeitsantrag „Verhältnis der Judikative zur Exekutive in Schleswig-Holstein“ vorgelegt:

Verhältnis der Judikative zur Exekutive in Schleswig-Holstein

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN Drucksache 18/2734

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Abgeordneter Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN haben einen gemeinsamen Dringlichkeitsantrag eingereicht, um die Landesregierung aufzufordern, in dieser Landtagstagung einen mündlichen Bericht zu der Berichterstattung von heute in den „Kieler Nachrichten“ abzugeben, mit der wir Zeuge eines E-Mail-Verkehrs zwischen den Präsiden

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 81. Sitzung - Mittwoch, 18. Februar 2015 6751

(Präsident Klaus Schlie)

ten der beiden höchsten Gerichte in unserem Land, des Landesverfassungsgerichts und des Oberlandesgerichts, wurden, in dem der Versuch einer politischen Einflussnahme unternommen wird und die gesamte Gerichtsbarkeit in dieser E-Mail aufgefordert wird, Teil einer solchen parteipolitischen Instrumentalisierung zu werden.

Dieser Vorgang sucht bundesweit seinesgleichen. Wenn wir die Berichterstattung in den „Kieler Nachrichten“ richtig wiedergeben, dann ist dort auch darauf hingewiesen worden, dass den „Kieler Nachrichten“ Informationen darüber vorliegen, dass die zuständige Justizministerin frühzeitig über diese politische Einflussnahme informiert war.