Protocol of the Session on July 15, 2015

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 34. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Erkrankt ist Herr Abgeordneter Jürgen Weber. Wir wünschen ihm gute Besserung.

(Beifall)

Frau Abgeordnete Anita Klahn hat nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung mitgeteilt, dass sie an der heutigen Vormittagssitzung des Landtags nicht teilnehmen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW haben im Wege der Dringlichkeit mit der Drucksache 18/3216 einen Dringlichkeitsantrag „Europa muss in der Krise zusammenstehen“ eingereicht:

Europa muss in der Krise zusammenstehen

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3216

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Dr. Stegner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Wochenende - oder genauer gesagt erst am Montagfrüh - ist in Brüssel eine Entscheidung getroffen worden, die - so glaube ich weitreichende Folgen für die Fragestellung hat, welches Europa wir eigentlich haben wollen und wie das mit dem europäischen Zusammenhalt aussehen soll. Das ist eine Entscheidung, die natürlich alle Ebenen betrifft: Europa, den Bund, die Länder und die Kommunen. Deswegen sind wir der Meinung, dass auch der Landtag sich dazu verhalten sollte. Der Deutsche Bundestag wird das morgen auch tun. Wir sollten gemeinsam über die Frage diskutieren: Was ist das eigentlich für ein Europa, das wir haben wollen? Es geht um grundlegende Weichenstellungen, und man kann vielen Äußerungen der vergangenen Tage entnehmen, dass die Vorstellungen über Europa sehr weit auseinandergehen.

Die Koalitionsfraktionen legen heute einen Antrag vor, der unsere Vorstellungen darlegt. Wir möchten darüber gern in diesem Haus mit allen Fraktionen debattieren, auch um auszuloten, wo die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede sind. Europa geht jeden an, Europa geht uns alle an. Wir wollen ein soziales Europa und ein Europa, das zusammen bleibt. Darüber möchten wir gern debattieren. Daher bitten wir Sie, der Dringlichkeit unseres Antrags zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich sehe, dass weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Ich lasse abstimmen über den Dringlichkeitsantrag Drucksache 18/3216. Es gilt das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen. Wer die Dringlichkeit bejaht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen. Die Dringlichkeit ist mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen bejaht.

Ich schlage Ihnen vor, den Antrag als Tagesordnungspunkt 34 A in die Tagesordnung einzureihen. Die Parlamentarischen Geschäftsführer mögen sich über die Redezeiten verständigen und mir einen Vorschlag über den Zeitpunkt des Aufrufs machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit der folgenden Maßgabe zu behandeln:

Zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, 5, 6, 10, 12, 19, 22, 31, 32, 35, 38, 39, 42 und 43 ist eine Aussprache nicht geplant.

Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 7, 9, 12, 16, 33, 35, 37, 44 und 46.

Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte: 17, 40 und 41, Auflösung des Sanierungsstaus bei den kommunalen Sportstätten, 18 und 45, Bericht zur Situation und zur Vergütung in der HSH Nordbank und die Tagesordnungspunkte 20 und 21, Förderzentren mit Schwerpunkt geistige Entwicklung und Verbesserung Elternbeteiligung und -beratung an Schulen.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ih

nen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 34. Tagung.

Wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist keine Mittagspause vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir begrüßen auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Marion-Dönhoff-Gymnasiums aus Mölln. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 A auf:

Regierungserklärung „Rot-Grün-Blaue Weichenstellungen für Schleswig-Holsteins Zukunft“

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Torsten Albig.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Bürger in unserem Land fragen sich: Bewegt Politik eigentlich wirklich etwas? Sie fragen sich: Macht es einen Unterschied, ob die regieren oder ob die regieren?

(Astrid Damerow [CDU]: Wohl schon!)

Das ist eine Frage, die uns in der Tat umtreiben sollte, weil das diffuse Gefühl, das die Menschen haben, einer der Gründe für Verdrossenheit sein kann. Die Antwort darauf zu geben, ist eine Regierungserklärung im Wortsinne, nämlich zu erklären, wofür Regierung steht. Ich möchte Ihnen die Antwort geben. Ich möchte Sie Ihnen anhand der Menschen geben, für die wir - für die ich - Politik machen, anhand der Menschen, für die unsere Politik einen Unterschied machen soll.

Nehmen wir eine ganz normale Familie aus Schleswig-Holstein, eine Familie aus Elmshorn. Das ist eine Familie, wie es sie in Schleswig-Holstein tausendfach gibt: ein junges Paar, 34 und 32 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Nennen wir sie Matthias und Katrin Hansen mit ihren Kindern Hendrik und Lisa. Lisa wird bald drei, Hendrik ist schon zehn. Die Hansens wohnen zur Miete, sparen auf etwas Eigenes und hoffen, sich das bei den niedrigen Zinsen bald leisten zu können - wenn beide weiter Arbeit haben. Er arbeitet im Einzelhandel, sie halbtags bei einer Versicherung. Sie verdienen

3.050 € netto. Sie zahlen 375 € Lohnsteuer und im Monat 14,52 € Solidaritätszuschlag.

Lisa kommt in das letzte Krippenjahr. Das kostet mehr als die Steuer. 400 € im Monat müssen die Hansens dafür bezahlen. Hendrik geht in die vierte Klasse, auch das kostet. Die offene Ganztagsbetreuung muss schließlich bezahlt werden. Für seine Eltern steht bald die Entscheidung an: G 9 oder G 8? Welche weiterführende Schule ist die richtige für unseren Sohn?

Und wie in so vielen Familien ist es immer noch die Mutter, die die Mehrfachbelastung aus Arbeit und Familie trägt: Ihr Job, die Hobbys der Kinder, gesunde Ernährung, der Haushalt - und die Oma, um die sie sich kümmert. Vielleicht braucht sie dafür bald den Pflegedienst? Sie überlegen: Wie wird das bezahlt, wie wird das organisiert? - Darüber mögen die Hansens noch gar nicht nachdenken.

Meine Damen und Herren, das ist Alltag in Schleswig-Holstein. Das ist Lebenswirklichkeit, die manchmal hart an die Belastungsgrenzen von Matthias und seiner Frau gehen. Das ist das wahre Leben der Leistungsträger unserer Gesellschaft; Menschen im ganz normalen Wahnsinn des Lebens, Menschen, die sich von der Politik viel zu oft allein gelassen fühlen. Gut eine Viertelmillion von Familien dieser Art gibt es in Schleswig-Holstein in einer vergleichbaren Lebensphase. Die Alleinerziehenden kommen noch dazu. Die kleine Lisa spielt zum Beispiel oft mit Stella. Deren Mutter Tanja Knabe, 24 Jahre alt, arbeitet halbtags beim Zahnarzt und braucht einen verlässlichen Kita-Platz für ihre Tochter. Sie verdient 1.270 € netto, zahlt 67 € Steuern. Das Geld für sie ist noch knapper.

Tausendfach gibt es eine solche Familie in Schleswig-Holstein, 92.000 sagt die Statistik. Wir machen Politik für diejenigen, die hart arbeiten und sich in ihrer Familie und ihrem Umfeld für Zusammenhalt und Zukunft in unserem Land einsetzen. Für diese Leute machen wir Politik.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Familien werden deshalb in den nächsten Jahren noch stärker im Mittelpunkt unserer Regierungsarbeit stehen. Das haben wir in den vergangenen Wochen so verabredet, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir nehmen mit unserer Politik die Familien in all ihren Lebenssituationen in den Blick, von der

(Präsident Klaus Schlie)

Kleinkindbetreuung bis zur Altenpflege. Wer betreut meine Kinder? Kann ich den Anforderungen meines Jobs gerecht werden? Wer pflegt die Großeltern? Welche Schule ist gut? Wird mein Kind studieren können? Wie werden wir unsere letzten Lebensjahre verbringen? Wie digital wird das Leben noch werden? Kann ich bald nur noch im Internet einkaufen? Wie sichere ich meine Familie ab? Wie komme ich zur Arbeit, und wie komme ich zum Arzt?

Um diese Fragen kreisen unsere Familien ganz konkret, und diese Fragen muss Politik verantworten. Unsere Politik tut das, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie denn?)

Wir wollen dort ansetzen, wo jede Familie Unterstützung braucht und wo politische Entscheidungen direkt helfen, nämlich bei der Familie. Hieran arbeiten wir seit 2012.

Am 7. Juli 2015 haben wir die politischen Weichen dafür gestellt, dass das auch in den nächsten Jahren so weitergeht: Entlastung für die Familien, mehr Kita-Qualität, Hilfe für Kommunen, erheblich mehr Mittel für Hochschulen, kulturelle Vielfalt, Stärkung der Polizei. Mit diesem Paket machen wir das Leben vieler Menschen in diesem Land konkret besser, vor allem das Leben der Familien.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Koalition macht Politik für diejenigen, die schwer arbeiten und unser Land zusammenhalten, von der alleinerziehenden Krankenschwester in Kiel über den Polizeiobermeister in Brunsbüttel bis zu den Professoren in Lübeck.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wüsste ich aber!)

Wir machen Politik für diejenigen, die jeden Tag ihre Kinder auf den Weg bringen, die ihren Aufgaben nachgehen, die in den Unternehmen dieses Landes arbeiten, an den Schulen und Einrichtungen und dann auch noch Zeit haben, sich in einem Ehrenamt zu engagieren.

Staat muss die Organisation dieses Alltags unterstützen, das heißt gute Kitas, gute Bildung an Schulen und Unis, bezahlbare Mieten, innere und soziale Sicherheit und gute Arbeit. Wer arbeitet, muss davon seine Familie ernähren können. In unserem offenen, modernen und toleranten Schleswig-Holstein wird dies für alle möglich werden, für

Menschen jeder Herkunft, und Kinder aller Familien, für Frauen und Männer gleichermaßen, in einer Arbeitswelt, die berufliche Chancen ermöglicht und dabei die Bedürfnisse der Familie achtet. Als Familie wollen wir übrigens das achten, was die Menschen als Familie empfinden. Es reicht nicht, Bloggern Interviews zu geben, wenn das Familienbild noch der Zeit entstammt, in der die Zeitung erfunden wurde, meine Damen und Herren.