Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und teile Ihnen mit, dass die Abgeordnete Petra Nicolaisen erkrankt ist. Wir wünschen ihr gute Besserung!
Begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Regionalschule Am Selenter See sowie Schülerinnen und Schüler der Flensburger Wirtschaftsschule. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Streit ums Geld ist kein einfacher. Darauf war und bin ich eingestellt. Das ist nicht nur hier bei uns so, sondern überall in der Republik. Nicht überall gibt es aber so ein modernes und zukunftsfähiges Finanzausgleichsgesetz, wie Sie es hier heute in erster Lesung beraten werden.
Dieses neue Finanzausgleichsgesetz ist in jeder Hinsicht ein Fortschritt. Eineinhalb Jahre Dialog liegen hinter uns. Es gab zahllose Gespräche und intensive Diskussionen. Kritik, Unterstützung, Widerspruch, Zuspruch - alles war dabei. Die FAGReform hat dem Innenministerium viel abverlangt und hat es viel Kraft gekostet. Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Ich lege Ihnen heute ein Finanzaus
Die Grundlage bildete der umfassende Dialogprozess, wie es ihn so zuvor noch nicht gegeben hat. Experten der kommunalen Landesverbände und Mitarbeiter von Innenministerium, Finanzministerium und Landesrechnungshof haben jede, wirklich jede einzelne Stellschraube des kommunalen Finanzausgleichs in einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe untersucht. Im FAG-Beirat wurden alle Ergebnisse nochmals diskutiert. In über 50 Vor-Ort-Besuchen habe ich mit zahlreichen Bürgermeistern, Gemeindepolitikern und Kreispolitikern über die Reform diskutiert. Das Innenministerium hat alle Daten so schnell wie möglich ins Netz und den kommunalen Landesverbänden zur Verfügung gestellt. Mit diesem intensiven Dialog haben wir bundesweit eine Blaupause für einen offenen, ehrlichen und durch die Beteiligten selbst gestalteten Reformprozess vorgelegt.
Unabhängig davon, wohin uns die weiteren Beratungen führen werden, danke ich allen Beteiligten, die daran mitgewirkt haben, ganz besonders den kommunalen Landesverbänden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, egal, wo und mit wem ich geredet habe, überall war man sich einig: Eine Reform des Finanzausgleichsgesetzes in Schleswig-Holstein war überfällig. Dass sie vorher nicht angepackt wurde, ist vor dem Hintergrund des jetzt laufenden Reformprozesses Schnee von gestern. Wichtiger ist die Frage: Warum machen wir die Reform? - Nicht, weil wir die Zonenrandförderung abschaffen wollten. Das ist zwar ein eingängiges Argument, aber nur ein kleines Teil im Puzzle der FAG-Reform. Daher werde ich Ihnen jetzt die wichtigsten Änderungen kurz erläutern.
Die bedeutendste ist sicherlich die Neuverteilung der Schlüsselmasse. Insgesamt 1,17 Milliarden € verteilen wir 2014 über Schlüsselzuweisungen an die Kommunen. Jeder Prozentpunkt ist da von Bedeutung. Die Neuverteilung der Schlüsselmasse erfolgte auf der Grundlage des Gutachtens des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Gutachter haben alle Aufgaben der Kommunen
analysiert und deren Zuschussbedarfe ermittelt. Den Zuschussbedarfen haben sie schließlich die eigenen Einnahmen der Kommunen gegenübergestellt. Wie Sie wissen, werden dafür nicht mehr die Steuer- oder Einnahmekraft, sondern die tatsächlichen Steuereinnahmen herangezogen. Damit sind wir einer Forderung des Landkreistags und des Landesrechnungshofs nachgekommen. Das Ergebnis der Gutachter ist eindeutig: Es müssen mehr Mittel für Gemeinden und Zentrale Orte zur Verfügung gestellt werden. Für Kreisaufgaben sollten dagegen weniger Schlüsselzuweisungen fließen. Natürlich ist nicht jeder von diesem Ergebnis begeistert. Völlig überraschend kommt es jedoch nicht.
Ein Blick auf die aufgelaufenen Defizite der Kommunen in Schleswig-Holstein beweist: Am besten stehen die Kreise im Lande da. Die kreisangehörigen Gemeinden und Städte haben deutlich größere Finanzsorgen. Am schlimmsten ist die Situation jedoch in den kreisfreien Städten. Vergleicht man diese Zahlen mit den Reformergebnissen, wird jeder neutrale Betrachter feststellen: Das passt. Das passt vor allem, weil es doch keine Zweifel daran gibt, dass hohe Sozialkosten für die betroffenen Kommunen das Armutsrisiko Nummer eins darstellen. Genau an dieser Stelle setzen wir mit unserer Reform an.
Die Neuverteilung der Schlüsselmasse stellt eine Zäsur in der Geschichte des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein dar. Zum ersten Mal haben wir uns die tatsächlichen Aufgaben und die tatsächlichen Ausgaben der Kommunen angesehen. Zum ersten Mal können wir konkret sagen, warum wie viel wohin fließt. Das ist ein echter Fortschritt.
Die Neuverteilung der Schlüsselmasse hat vier wesentliche Kritikpunkte hervorgebracht, auf die ich kurz eingehen möchte.
Erstens: Es wären nicht die Aufgaben, sondern die Ausgaben untersucht worden. - Richtig ist: Es wurden die Aufgaben und die dazugehörigen Ausgaben ermittelt. Damit wird auch den Vorgaben der Verfassung entsprochen, in der ausdrücklich vom Ausgleich einer „unterschiedlichen Belastung mit Ausgaben“ die Rede ist. Ich kann, will und darf keiner Kommune in Schleswig-Holstein vorschreiben, welche Aufgaben sie mit welchem Budget wahrzunehmen hat. Jede Kommune ist anders, und jede Kommune muss den Freiraum besitzen, ihr verfas
Ich bin schon ein wenig verwundert, wie massiv von mir gefordert wird, die kommunale Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein einzuschränken und Gemeinden, Städten und Kreisen vorzuschreiben, wie und mit welchem Aufwand sie ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Nein, meine Damen und Herren, die kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut und wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte unseres Landes. Wir werden auch nicht über den Umweg der Finanzen eingreifen. Vor Ort muss entschieden werden, was vor Ort richtig ist. Deswegen ist der Blick auf die tatsächlichen Ausgaben der richtige.
Zweitens. Die Betrachtung der tatsächlichen Ausgaben belohne die Verschwender und bestrafe die Sparsamen. Richtig ist, die Ausgaben werden allein bei der Bemessung der Teilschlüsselmassen berücksichtigt. Bei der anschließenden Verteilung der Schlüsselzuweisungen auf die einzelnen Kommunen spielen dagegen ausschließlich die eigenen Einnahmen, die jeweilige Einwohnerzahl sowie für die Kreise und kreisfreien Städte die Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften eine Rolle. Sollte eine einzelne Kommune innerhalb einer Gruppe hohe Ausgaben tätigen, so würde dies die Teilschlüsselmasse für die gesamte Gruppe erhöhen. Insoweit haben auch sparsame Kommunen etwas davon, denn effizientes Wirtschaften führt zu niedrigen Ausgaben bei praktisch konstant bleibenden Zuweisungen.
Der dritte wesentliche Kritikpunkt ist die Berücksichtigung der kommunalen Entlastung bei der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung. Entweder heißt es, die Entlastung dürfe nicht berücksichtigt werden, oder es wird gefordert, auch andere Entlastungen mit einzubeziehen. Tatsache ist: An der Berücksichtigung der Grundsicherungsentlastung führt in dem neuen System kein Weg vorbei. Die Kreise und kreisfreien Städte haben hier einen Zuschussbedarf von null. Davor können wir in einem Ausgleichsystem nicht die Augen verschließen. Wichtig ist dabei: Das Entlastungsvolumen beträgt gegenüber 2011 stolze 120 Millionen € und hat damit quantitativ ein herausragendes Volumen.
Anders als viele andere diskutierte oder geplante Entlastungen ist diese Entlastung der Grundsicherung bereits gesetzlich normiert und steht damit bereits heute abschließend fest. Zukünftig werden wir
in Schleswig-Holstein aus dem FAG nicht mehr fördern und bezuschussen. Wir werden nur noch einen echten Aufwand ausgleichen. Wo es keinen Aufwand gibt, da gibt es zukünftig keinen Ausgleich.
Mit der Berücksichtigung der Grundsicherungsentlastung stehen wir übrigens nicht allein. Mein niedersächsischer Kollege gab am 1. November 2013 in Hannover zu Protokoll, ich zitiere:
„Folgerichtig und systemgerecht wird im Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 daher eine Änderung des Aufteilungsverhältnisses der Schlüsselzuweisungen für Gemeinde- und Kreisaufgaben vorgeschlagen. Dieser Änderungsvorschlag ist eine ausschließlich systembedingte Folgerung aus den höheren Erstattungsleistungen des Bundes für die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter… Weil die Grundsicherung eine Kreisaufgabe ist, profitiert von dieser Ausgabenentlastung allerdings die Kreisebene. Es entspricht der Funktion des kommunalen Finanzausgleichs, sicherzustellen, dass auch die Gemeindeebene von einer derartigen Entlastung profitiert, sodass die ungleiche Entlastung und der damit verbundene Rückgang des Finanzbedarfs der Kreisebene bei der Verteilung der Zuweisungsmittel aus dem kommunalen Finanzausgleich… nicht unberücksichtigt bleiben können.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer dass die Grundlage für diese Entwicklung in Niedersachsen durch die CDU/FDP-Regierung geschaffen wurde.
Ein vierter großer Kritikpunkt ist schließlich die Verteilung der zentralörtlichen Mittel. Der Gesetzentwurf sieht weniger Mittel für ländliche Zentralorte vor. Das sind nun einmal die Werte, die der Gutachter für die im zentralörtlichen System entsprechend eingestuften Gemeinden überzeugend ermittelt hat. Davon können wir nicht einfach abweichen, ohne ein Rechtsrisiko einzugehen. Da aber der demografische Wandel voranschreitet, wird die Bedeutung der ländlichen Zentralorte in SchleswigHolstein für die jeweilige Region weiter wachsen. Ich denke, dass sich das auch in den Evaluationen zeigen wird. Ein weiterer Vorteil des FAGs ist nämlich: Es atmet zukünftig durch die Evaluation, die wir vornehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der Neuverteilung der Schlüsselmasse haben wir zahlreiche weitere Veränderungen am kommunalen Finanzausgleich vorgenommen. Ich kann hier nicht detailliert auf alle Stellschrauben eingehen. Ich bitte Sie, dafür den Gesetzentwurf heranzuziehen. Dennoch ist es mir wichtig zu zeigen, wie und an welchen Stellen wir das Finanzausgleichsgesetz transparenter und vor allem gerechter machen wollen.
Herausragend sind die sozialpolitischen Komponenten der FAG-Reform. Sie zeigen, dass wir den kommunalen Finanzausgleich auf seinen Wortsinn zurückführen, nämlich den Ausgleich. Starke Schultern sollen mehr tragen, Schwächeren wird geholfen. Die Einführung eines Soziallastenansatzes ist ein absolutes Novum in Schleswig-Holstein, aber es ist absolut überfällig. Endlich werden die Kreise und kreisfreien Städte entlastet, die besonders hohe Sozialausgaben haben. Anders gesagt: Sie wurden im alten System über Jahrzehnte hinweg systematisch benachteiligt.
Dass der Oberbürgermeisterkandidat der CDU in Kiel vorgestern erneut mehr Ausgleichsmittel für die kreisfreien Städte gefordert hat, finde ich zwar überzogen, aber es liegt in der Logik unserer Systematik. Wir haben mit den Personen in Bedarfsgemeinschaften einen Universalindikator gefunden, der sämtliche Soziallastenunterschiede sehr gut erklären kann. Diesen Indikator werden wir zukünftig als zusätzliches Verteilungskriterium hinzuziehen.
Das sozialpolitische Pendant auf Gemeindeebene ist die Abschaffung der KdU-Umlage. Obwohl es sich um eine Kreisaufgabe handelt, werden durch sie ausgerechnet Gemeinden mit schwächerer Sozialstruktur und damit regelmäßig schwächerer Finanzkraft überproportional an den Kosten der Unterkunft beteiligt. Diese direkte Kostenbeteiligung ist schlicht systemwidrig. Sie muss daher abgeschafft werden. Im Gegenzug erhalten die Kreise fortan höhere Schlüsselzuweisungen. Sie haben aus diesem Effekt finanziell also keinen Nachteil. Sowohl die Einführung des Soziallastenansatzes als auch der Wegfall der KdU-Umlage zeigen: Diese Regierung nimmt ihre Verantwortung für Kommunen mit schlechter Sozialstruktur ernst. Wir wollen, dass im gesamten Land gleichwertige Lebensverhältnisse entstehen. Dafür setzen wir auf einen gerechten Soziallastenausgleich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der FAG-Reform haben wir weitere systematische Veränderungen angeschoben. Erstens. Wir schaffen die Gemeindesonderschlüsselzuweisung ab. Im Jahr 2014 erhalten 745 von 1.110 Gemeinden Gemeindesonderschlüsselzuweisungen. Weder an den Gemeinden noch an den entsprechenden Schlüsselzuweisungen ist also irgendetwas besonders. Hier wurde einfach die Ausnahme zur Regel erklärt. Diese schleswig-holsteinische Besonderheit haben wir nun beendet.
Zweitens. Wir führen einen Demografiefaktor ein. Dadurch werden die Auswirkungen des demografischen Wandels über drei Jahre hinweg abgefedert.
Drittens. Wir schaffen die zusätzliche Kreisumlage ab. Die zusätzliche Kreisumlage führt zu einer sehr hohen Belastung besonders reicher Gemeinden und dient in erster Linie einem kreisinternen Ausgleich. Das mag positiv für Kreise sein, die mehrere steuerstarke Gemeinden haben. In vielen Kreisen gibt es jedoch keine oder nur sehr wenige abundante Gemeinden. Einen wirksamen kreisinternen Ausgleich gibt es hier nicht. Die zusätzliche Kreisumlage ist in großen Teilen des Landes Makulatur. Deshalb schaffen wir sie ab und stärken die Finanzausgleichsumlage. Diese wirkt nämlich landesweit und berücksichtigt damit gleichzeitig die Interessen der Kreise.
Wie bei den Gemeindesonderschlüsselzuweisungen gilt auch hier: Die Zusammenführung von zusätzlicher Kreisumlage und Finanzausgleichsumlage wirkt sich auf die einzelnen Gemeinden unterschiedlich aus. Ja, es gibt unter den steuerstarken Gemeinden auch solche, die von der Systemumstellung profitieren würden. In der Summe führt die Reform für abundante Gemeinden jedoch zu einer Mehrbelastung von 4 Millionen €. Von einer Umverteilung von unten nach oben kann also überhaupt nicht die Rede sein.