Protocol of the Session on March 24, 2017

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne den letzten Sitzungstag der 18. Legislaturperiode. - Seien Sie herzlich willkommen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Morgen.

Zunächst einmal freue ich mich, dass wir an diesem letzten, denkwürdigen Tag weiterhin Gäste in unserem Parlament begrüßen dürfen. Es sind Gäste des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums in Halstenbek sowie Auszubildende vom Amtsgericht Kiel. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

Wegen der Ministerpräsidentenkonferenz ist der Herr Ministerpräsident Torsten Albig entschuldigt beziehungsweise beurlaubt.

Ich rufe den Punkt 20 der Tagesordnung auf:

Zusammenarbeit von Land und Kommunen

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 18/4546

Antwort der Landesregierung Drucksache 18/5108

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Zunächst erteile ich zur Beantwortung der Großen Anfrage dem Herrn Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten Stefan Studt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich in jeder Landtagssitzung der letzten beiden Jahre habe ich hier zu einem oder zu mehreren aktuellen Themen vortragen dürfen, meistens zur Flüchtlingssituation oder zur Sicherheitslage, zweifellos alles wichtige Themen.

In der öffentlichen Diskussion ist allerdings ein Kernthema meines Hauses meist zu kurz gekommen, für das die Menschen im Land tatsächlich stehen, nämlich das Thema Kommunales. Die Kommunen vereinen Politik und Verwaltung dort, wo die Menschen in diesem Land wohnen, wo sie leben. Dort liegt das Herz der Verwaltung; das wissen wir. Das ist die Schlüsselstelle, in der alle Fäden zusammenlaufen. Und doch ist Kommunalpoli

tik selten ein Diskussionsthema im Landtag. Meist gibt es eine öffentliche Wahrnehmung nur dann, wenn es irgendwo knirscht.

Umso mehr freue ich mich, dass ich heute am letzten Tag dieses Tagungsabschnitts und dieser Legislaturperiode zum Schlüsselthema meines Hauses sprechen, quasi den Schlussakkord setzen darf und damit vielleicht auch noch einmal etwas mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema Kommunales richte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, neben der in der Tat deutlich verbesserten Finanzsituation der Kommunen und den strukturellen Entlastungen, die gestern bereits unser Herr Ministerpräsident Albig dargestellt hat, gibt es noch viele andere Bereich, in denen massive Verstärkungen stattgefunden haben. Im Landesprogramm ländlicher Raum stehen für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung, die überwiegend in kommunaler Trägerschaft realisiert werden, insgesamt 120 Millionen € kofinanzierter ELER-Mittel zur Verfügung. Das sind 30 Millionen € mehr als in der vergangenen Förderperiode.

Ab 2012 konnte das Volumen der Städtebauförderung schrittweise gesteigert werden und hat sich heute gegenüber dem Jahr 2011 mehr als verdoppelt.

Zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Schleswig-Holstein wurden seit 2009 Zuschüsse von über 359 Millionen € für Investitionen an Krankenhäuser nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz bewilligt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch fachlich haben wir Vieles vorzuweisen. Die kommunale Selbstverwaltung ist für uns ein hohes Gut. Wir respektieren sie nicht nur, sondern wir haben auch die kommunale Verfassung durch mehrere Gesetze verstärkt. Damit erfahren die im Wesentlichen durch das Ehrenamt getragenen Vertretungen der Gemeinden, des Kreistages, der Amtsausschüsse und der Beiräte spürbare Aufwertung.

Die Kommunen haben auch eine Schlüsselrolle bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Dies ist das entscheidende und entschiedene Ziel für die Zukunft unseres Landes und für das Zusammenleben in unserer schleswig-holsteinischen Gesellschaft, für das Zusammenleben in jeder Gemeinde.

Damit diese Integration gelingt, helfen wir den Kommunen bei den Herausforderungen auf den verschiedensten Wegen. So haben wir zuletzt im Rahmen des Kommunalpakets III unter anderem vereinbart, die Kommunen bei den Kosten für die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen weiter deutlich zu entlasten. Allein der gewährte Integrationsfestbetrag von 17 Millionen € trägt bei der vergleichsweise geringen Flüchtlingszahl, die wir im Moment haben, stark zur Entlastung, insbesondere aber auch zur Verstetigung auf der kommunalen Ebene bei.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ferner unterstützen wir die Kommunen dabei, die Integrationsprozesse vor Ort noch weiter zu verbessern, und zwar so, dass jeder Flüchtling schnellstmöglich das für ihn richtige Angebot wahrnehmen kann. Das gilt natürlich auch für die vielen Helferinnen und Helfer, die wir in den Kommunen haben, dass auch die erkennen können, welche Angebote vonseiten des Bundes, des Landes, der Kommunen, aber auch des Ehrenamtes dort präsent sind.

Dieses Projekt läuft seit Anfang des Jahres überaus erfolgreich, insbesondere deshalb, weil sich alle Kreise und alle kreisfreien Städte intensiv an diesem Dialog beteiligen und wir alle gemeinsam es auch schaffen werden, diese Prozesse noch transparenter, noch klarer, noch deutlicher abzubilden.

Meine Damen und Herren, ich lege Ihnen die Lektüre der Großen Anfrage wirklich sehr ans Herz, weil sie viele Lebensbereiche anspricht, weil sie viele Lebensbereiche berührt, die wir alle als Bürgerinnen und Bürger des Landes durchaus kennen, die aufzeigen, wie groß das Spektrum der Zusammenarbeit zwischen den gut 1.100 Kommunen und dem Land und der Landesregierung ist und wie gut diese Zusammenarbeit funktioniert. Sie verdeutlicht insbesondere, wie stark das Land die finanzielle Unterstützung für die Kommunen in den verschiedensten Handlungsfeldern unserer Politiken entsprechend angehoben hat.

Deshalb bleibt mir am Ende dieser kurzen Redezeit zu diesem Thema eigentlich nur eines, nämlich im Namen der Landesregierung ganz herzlich all denen zu danken, die in der kommunalen Familie für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit stehen. Die vielen regelmäßigen Runden, die wir mit den Landräten und den Bürgermeistern der größeren Städte haben, dokumentieren dies ebenso wie die zahlreichen und intensiven Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden im Land.

Ich danke insbesondere all denjenigen, die sich um die Herzkammern unserer Demokratie tagtäglich und auch das wissen wir - zumeist ehrenamtlich kümmern: von der Bürgermeisterin bis zum Hausmeister, in der Freiwilligen Feuerwehr, in der Ratsversammlung oder in der Gemeindevertretung. Sie alle tragen dazu bei, dass unser Gemeinwesen lebt und atmet.

Zusammen haben wir für die Bürgerinnen und Bürger im Land Schleswig-Holstein vieles auf den Weg gebracht, das wirklich lange Bestand haben wird - mit dem Blick voraus, gerade weil wir uns den komplexen Themen in angemessener Weise gewidmet haben: sachlich, fachlich, sorgfältig abwägend, aber vor allem stets lösungsorientiert. Wir haben uns gerade deshalb erlaubt, über die Legislaturperiode hinaus zu denken und zu planen, weil uns das Wohl der Menschen am Herzen liegt - nicht nur bis zur Wahl. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Aussprache. Dazu folgender Hinweis: Im Ältestenrat ist vereinbart worden, dass die Fraktion der SPD eine Redezeit von 10 Minuten erhält, alle anderen Fraktionen bekommen 5 Minuten. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die 10 Minuten. Ich hätte mich für meine letzte Landtagsrede - hoffentlich nur in dieser Wahlperiode, aber man weiß ja nie, was kommt - noch über mehr Zeit gefreut. Deshalb nehme ich gern Ihre Zwischenfragen entgegen, vor allem zu Themen, die den wirklichen Inhalt des Urteils zum kommunalen Finanzausgleich betreffen. Den gestrigen Zwischenrufen habe ich entnommen, dass Sie noch die eine oder andere Frage haben. Also immer zu, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin da nicht undankbar.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich muss mich deshalb heute auf die fiskalische Seite konzentrieren. Natürlich gehört es zum üblichen Rollenverständnis, wenn man sich über die Finanzierung der eigenen Aufgaben in Konkurrenz zu anderen und zu anderen Ebenen streitet, dass jeder

(Minister Stefan Studt)

sagt, er habe zu wenig Geld. Wenn man durch die Ortsvereine zieht und die Schatzmeister fragt, was sie denn zum Landtagswahlkampf beisteuern können, ist das ähnlich. - Ich sehe an einigen Lachern, dass dieses Problem wohl parteiübergreifend ist.

Wenn man einen Blick auf die Einnahmen und Ausgaben aller Kommunen wirft, dann sind diese allerdings mittlerweile in Deckung. Die kommunale Verschuldung steigt aber trotzdem. Das war auch unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung so. Ja, das ist auch unter unserer Regierung so.

Wenn man sich aber die Verschuldung aller Kommunen anschaut, muss man sagen: Nein. Die Kreise beispielsweise konnten trotz der angeblich so kreisfeindlichen Reform des kommunalen Finanzausgleichs ihre Schulden im ersten Gültigkeitsjahr des FAG im Jahr 2015 um 7,5 % reduzieren. Beim Landeshaushalt wäre das umgerechnet eine Schuldenreduktion von 2 Milliarden €. Das ist meines Erachtens nicht so richtig schlecht.

Nein, es steigt also nur die Verschuldung von Teilen der kommunalen Familie. Und deren Hauptproblem hat drei Buchstaben: SGB. Die Belastungen aus den Sozialgesetzbüchern schlagen sich nicht überall gleichmäßig in den kommunalen Haushalten nieder. Nun wäre es schön, wenn der Bund bei seinen Leistungsänderungen und -erweiterungen auch das Geld mitgäbe. Wir müssten hier gar nicht über die Kita-Kosten streiten, wenn der Bund beispielsweise bei der Schaffung der Rechtsansprüche im Bereich U 3 und Ü 3 das notwendige Geld mitgegeben hätte und nicht nur die recht bescheidenen 25 Millionen € - bei Kostensteigerungen von circa 300 Millionen €.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn Herr Schäuble nun 15 Milliarden € Bewegungsspielraum für Steuersenkungen sieht, hätte ich einen Alternativvorschlag: Schon mit 8 Milliarden € ließen sich die Mehrkosten bei den Kitas deutschlandweit finanzieren

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe SPD: Ja!)

und mit dem gesamten Betrag die Gebührenfreiheit in ganz Deutschland. Da kann man sich wirklich fragen, ob wir die Steuersenkung brauchen, von der wir alle mehr profitieren würden als die Kita-Eltern oder ob man nicht auch einmal eine solche Forderung auf Bundesebene aufstellt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Am Anfang der Legislaturperiode war die Frage, wie wir den stetigen Anstieg der kommunalen Verschuldung in den Griff bekommen wollen. Da wir wussten, dass die Situation innerhalb der Kommunen aber extrem unterschiedlich ist - was auch nicht neu ist, wenn man sich mit kommunalem Haushalt ein wenig auskennt -, wollten wir keine allgemeine finanzielle Entlastung der Kommunen, also einfach mehr Geld in den Topf geben, zum Beispiel durch eine allgemeine Erhöhung der FAG-Mittel, sondern gemäß des SPD-Wahlprogramms, in dem das bereits enthalten war - Sie müssen das ja nicht alle gelesen haben - wollten wir erreichen, dass bis zum Ende der Legislaturperiode den Städten und Gemeinden 120 Millionen € jährlich gezielt zur Verfügung steht. Das Wort „gezielt“ ist dabei ganz bewusst gewählt. Außerdem sollte eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs nicht nur wie bisher die Unterschiede in den Realsteuereinnahmen, sondern auch in den sozialen Belastungen ausgleichen.

Wie stelle ich aber nun fest, ob wir mit dieser Strategie wirklich erfolgreich waren auch im Vergleich mit der Vorgängerregierung? Schließlich gibt es ja auch eine konjunkturelle Komponente, auf die Sie ja zu recht immer hinweisen, und die sozialgesetzlichen Rahmenbedingungen ändern sich ja schließlich auch. Dabei hilft der Relativvergleich mit den anderen deutschen Flächenländern über den zu betrachtenden Zeitraum. Von 2010 bis 2012 ist die durchschnittliche kommunale Verschuldung der Flächenländer um 45 € pro Einwohner gestiegen und von 2012 bis 2015, das sind die letzten Zahlen, die wir haben, dann um 39 € pro Einwohner.

Also, trotz der verbesserten Konjunktur sind es nur 6 € weniger. Das liegt hauptsächlich am SGB. Was ist mit Schleswig-Holstein? - In der schwarz-gelben Koalition von 2010 bis 2012 ist die Verschuldung der schleswig-holsteinischen Kommunen um 79 € pro Einwohner gestiegen, also fast doppelt so schnell wie im Bundesvergleich. In der Küstenkoalition von 2012 bis 2015 ist die Verschuldung der schleswig-holsteinischen Kommunen nur noch um 22 € pro Einwohner gestiegen. Das ist knapp ein Viertel.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf SPD: Das ist ja weniger! - Zuruf Klaus Schlie [CDU])

- Herr Schlie, ich habe damit gerechnet, dann hören Sie mal zu. Und hören Sie auf, ständig die fetten Jahre als Erklärung anzuführen. Das haben die anderen Bundesländer auch. Ja, Sie hatten schlechtere Jahre als wir, aber das hatten die anderen Bundesländer auch.

(Dr. Kai Dolgner)