Protokoll der Sitzung vom 22.07.2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Vormittagssitzung. Ich begrüße auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler des Grone-Bildungszentrums, Kiel, mit Umschülern. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Außerdem begrüße ich eine Reihe von Angehörigen und Initiatoren der Volksinitiative „Für Gott in Schleswig-Holstein“. Gestatten Sie mir, aufgrund der Tatsache, dass nicht alle angemeldet waren und ich niemanden vergessen möchte, stellvertretend für die Mitglieder der Volksinitiative unseren ehemaligen Kollegen und Ministerpräsidenten a. D. Peter Harry Carstensen, unseren ehemaligen Kollegen und Minister a. D. Claus Möller, Herrn Bischof Gothart Magaard und Herrn Fatih Mutlu zu begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen, und die anderen selbstverständlich auch!

(Beifall)

Wir freuen uns, dass eine Reihe von ehemaligen Kolleginnen und Kollegen ebenfalls dabei sind, auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Auch Sie seien uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 und 17 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 125. Sitzung (neu) - Freitag, 22. Juli 2016 10479

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hans-Jörn Arp (CDU) , Dr. Axel Bernstein (CDU), Johannes Callsen (CDU), Astrid Damerow (CDU), Dr. Kai Dolgner (SPD), Volker Dornquast (CDU) , Kirsten Eickhoff-Weber (SPD), Heike Franzen (CDU), Hauke Göttsch (CDU), Daniel Günther (CDU), Martin Habersaat (SPD), Bernd Heinemann (SPD), Thomas Hölck (SPD), Karsten Jasper (CDU), Klaus Jensen (CDU), Eka von Kalben (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Tobias Koch (CDU), Oliver Kumbartzky (FDP), Hans Hinrich Neve (CDU), Petra Nicolaisen (CDU) , Regina Poersch (SPD) Katja RatjeHoffmann (CDU), Beate Raudies (SPD), Heiner Rickers (CDU), Klaus Schlie (CDU), Peter Sönnichsen (CDU), Dr. Andreas Tietze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Kai Vogel (SPD), Jette Waldinger-Thiering (SSW) und Rainer Wiegard (CDU) Drucksache 18/4107 (neu)

b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP), Lars Harms (SSW), Wolfgang Kubicki (FDP), Rasmus Andresen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Dr. Heiner Garg (FDP), Flemming Meyer (SSW), Anita Klahn (FDP), Anke Erdmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Christopher Vogt (FDP) Drucksache 18/4264

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 18/4412

c) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hans-Jörn Arp (CDU) , Dr. Axel Bernstein (CDU), Johannes Callsen (CDU), Astrid Damerow (CDU), Dr. Kai Dolgner (SPD), Volker Dornquast (CDU) , Wolfgang Dudda (PIRATEN), Kirsten Eickhoff-Weber (SPD), Heike Franzen (CDU), Daniel Günther (CDU), Martin Habersaat (SPD) , Bernd Heinemann (SPD), Karsten Jasper (CDU) , Klaus Jensen (CDU), Eka von Kalben (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) , Tobias Koch (CDU) , Oliver Kumbartzky (FDP), Peter Lehnert (CDU), Jens-Christian Magnussen (CDU), Hans Hinrich Neve (CDU), Petra Nicolaisen (CDU) , Katja Ratje-Hoffmann (CDU), Heiner Rickers (CDU), Klaus Schlie (CDU), Peter Sönnichsen (CDU), Dr. Ralf Stegner (SPD), Dr. Andreas Tietze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Jette Waldinger-Thiering (SSW) und Rainer Wiegard (CDU) Drucksache 18/4408

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich erteile das Wort der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschuss, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 29. April 2016 überwiesenen Gesetzentwurf mehrerer Abgeordneter, Drucksache 18/4107 (neu), und mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 10. Juni 2016 überwiesenen Gesetzentwurf mehrerer Abgeordneter, Drucksache 18/4264, in mehreren Sitzungen befasst und eine schriftliche Anhörung durchgeführt.

Im Wege der Selbstbefassung gemäß Artikel 23 Absatz 2 Satz 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 14 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung hat er auch den Gesetzentwurf mehrerer Abgeordneter Drucksache 18/4408 schon vor der ersten Lesung des Landtags mit der Vorlage in seine Beratungen mit einbezogen.

In seiner Sitzung am 13. Juli 2016 schloss der Ausschuss seine Beratungen zu den Vorlagen ab und kam einstimmig überein, von einer Beschlussempfehlung zu diesen drei Gesetzentwürfen zur Änderung der Landesverfassung gegenüber dem Landtag abzusehen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

(Präsident Klaus Schlie)

Bevor wir in die Debatte einsteigen, meine Damen und Herren - ich danke der Frau Berichterstatterin -, gestatten Sie mir zwei Nachträge. Ich begrüße ebenfalls auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler des Regionalen Bildungszentrums Wirtschaft, Kiel. - Auch Sie seien uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Außerdem teile ich Ihnen mit, dass unsere Kollegin Anke Erdmann erkrankt ist. Wir wünschen ihr gute Genesung.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Da zu c) noch keine Möglichkeit zur Begründung bestand, erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, dem Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir heute führen, und die Entscheidung, die wir heute treffen, beenden einen wirklich bemerkenswerten Vorgang, der bei uns in der Parlamentsgeschichte, wie Debatten bei uns üblicherweise verlaufen, wenige Vergleichsbeispiele kennt. Und es geht um wichtige Fragen, um Wertediskussionen, die eine Rolle spielen in unserer Verfassung, die aber auch eine Rolle spielen im Leben der Menschen.

Wir haben, nachdem es eine Volksinitiative gegeben hat, die über 42.000 Unterschriften gesammelt hat, die den Landtag aufgefordert hat, sich damit zu befassen, ohne einen konkreten Formulierungsvorschlag zu machen, uns als Landtag damit befasst in einer Weise damit befasst, wie wir das nicht alltäglich tun, jenseits von Fraktionsgrenzen, in bilateralen Gesprächen, in Debatten mit vielen anderen.

Und das, was für meine eigene Fraktion gilt - worauf ich auch ganz stolz bin, dass das so ist - gilt, glaube ich, für die anderen auch. Es ist sehr deutlich geworden, dass es eine Entscheidung ist, die jeder und jede Abgeordnete für sich selbst trifft, die nicht den üblichen Mechanismen von Fraktionsbeschlüssen und Parteibeschlüssen folgt.

Es hat dann infolge dieser Volksinitiative Anträge im Landtag gegeben. Wir hatten eine Debatte dazu hier. Es schien erkennbar, dass diese Anträge von großem Bemühen gekennzeichnet waren, andere hinter diesen zu versammeln, sie aber nicht wirk

lich eine Chance hatten, eine verfassungsändernde Mehrheit für die Präambel unserer Landesverfassung zu finden.

Deswegen ist es dazu gekommen, dass der Kollege Habersaat und ich, später dann auch einige andere gefragt haben, ob es nicht möglich sein könnte, die Stärken dieser Anträge, die da sind, aufzugreifen und zu versuchen, sie in einen Antrag hineinzuschreiben, der vielleicht die Aussicht hat, diese verfassungsändernde Mehrheit zu bekommen.

Im Zuge dieser Beratungen gab es manche Dinge, die nichts mit dem zu tun haben, über das wir heute reden. Wir reden nicht über die Trennung von Kirche und Staat; sie wird durch das, worüber wir heute sprechen, nicht tangiert. Im Übrigen gilt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auch in Schleswig-Holstein.

Dass die Gesellschaft säkularer wird, ist wahr. Das beklagen die einen und begrüßen die anderen. Aber auch das hat im Kern nichts mit der Frage zu tun, über die wir heute entscheiden, wenn wir eine neue Präambel für unsere Verfassung schreiben - oder auch nicht.

Die Aspekte, die wir noch zusätzlich hineinzuschreiben versucht haben, waren zum einen, dass wir uns noch einmal mit den Grundwerten befassen, die eine Rolle spielen: Freiheit und Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden, Demokratie und Menschenrechte und Toleranz - Toleranz übrigens gegenüber allen Anschauungen, Toleranz gegenüber denjenigen, die an einen christlichen Gott glauben, Toleranz gegenüber denjenigen, die an einen anderen Gott glauben, Toleranz gegenüber denjenigen, die an keinen Gott glauben und ihre Grundwerte aus anderen Dingen ableiten. Die Behauptung, das sei beliebig, meine sehr verehrten Damen und Herren, trifft nicht zu, denn diese Grundwerte sind Werte, die wir alle teilen und die Extremisten zum Beispiel ausschließen.

Wenn man vom humanistischen Erbe spricht, sind natürlich die Menschenrechte damit gemeint. Sie sind trotzdem noch einmal gesondert aufgeführt, damit niemand auf die Idee kommen kann, uns vorzuhalten, die Menschenrechte seien uns vielleicht nicht wichtig.

Und ja, wir haben auch eine Demutsformel hineingeschrieben, die sowohl eine christliche Interpretation haben kann - wenn man an ein höheres Wesen glaubt -, aber auch den schlichten Umstand zum Ausdruck bringt, dass Menschen Fehler machen. Wer wüsste das besser als Abgeordnete dieses Hauses? Wir entscheiden gelegentlich Dinge, die

sich hinterher als falsch erweisen. Wir tun manchmal Menschen Unrecht - auch in unserem Urteil -, und wir wissen oft auch nicht, ob das, was wir auf der Grundlage des Kenntnisstandes, den wir haben, miteinander entscheiden, wirklich das Beste ist. Was uns allerdings eint, ist, dass wir das Beste wollen. Das gilt, glaube ich, für jeden, der hier in diesem Haus sitzt. Trotzdem machen Menschen Fehler. Das in der Präambel einer Verfassung noch einmal darzustellen, finde ich einem Parlament außerordentlich angemessen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Debatten, die hier geführt werden, auch zu Veränderungen im Sinne dessen führen, dass Menschen sich noch einmal überlegen, ob man nicht noch etwas anderes aufgreifen könnte.

Es ist auch kritisiert worden, dass ein Teil der Formulierungen, die es vorher gab, ein wenig - wie soll ich sagen - im spröden Verfassungsdeutsch juristischer Provenienz erstellt waren und eine solche Präambel durchaus auch eine andere Sprache haben könnte, die auch Nichtjuristen und andere Menschen gut verstehen können. Insofern ist herausgekommen, wofür ich hier heute werben möchte. Und ich will das als jemand tun, der - das wissen die meisten, die mich kennen - ein leidenschaftlicher Parteipolitiker ist, der für seine Sozialdemokratische Partei Deutschlands oder mit den Freunden von den Grünen und dem SSW für eine Koalition streitet. Das tun wir beim nächsten Tagesordnungspunkt und auch bei anderen garantiert wieder. Aber dass wir das tun können - uns um den besten Weg für unser Land streiten -, ist Teil der Freiheit, die wir haben. Die hatten wir früher in diesem Land nicht, und es gibt viele Regionen ganz in unserer Nähe, die sie heute auch nicht haben. Es ist eine große Stärke der Demokratie, dass wir das tun dürfen und können.

Warum ich heute dafür werbe, dass wir diese Toleranzformel - ich möchte es als eine Präambel der Toleranz bezeichnen - miteinander beschließen, und um die Stimme jedes Einzelnen von Ihnen werbe, ist: Wir leben in einer Zeit, in der Fundamentalisten Religion für schreckliche Gewalttaten missbrauchen, die nichts mit Religion zu tun haben.

Wir leben auch in einer Zeit, in der Populisten, denen nichts heilig ist, auch diese Debatte, die wir hier heute führen, gern gegen die repräsentative Demokratie und gegen das, was wir tun, instrumentalisieren möchten. Auch das, finde ich, ist etwas, was man im Kopf haben kann. Deswegen finde ich es außerordentlich bemerkenswert und hielte es für einen positiven Vorgang, wenn wir in der Lage wären, dass Abgeordnete aus allen Fraktionen eine

Brücke fänden für eine Präambel dieser Landesverfassung, die von Freiheit, Frieden, von Gerechtigkeit und Solidarität, von Demokratie und Menschenrechten und von der Toleranz gegenüber allen anderen geprägt ist.

Ich habe ausdrücklich Respekt für die anderen Vorschläge, über die hier heute abgestimmt wird - will ich ausdrücklich hinzufügen -, werbe aber sehr dafür, dass Sie dieser sehr breiten Formulierung, die einen Kompromiss darstellt wie alles, wenn man eine Mehrheit haben will, nähertreten. Ich glaube, dass es ein guter Tag für dieses Parlament und für die Menschen in Schleswig-Holstein sowie ein Hinweis darauf wäre, dass wir diese Wertedebatte, die wir hier führen, in großer Ernsthaftigkeit miteinander führen und es über Parteien- und Fraktionsgrenzen, über Glaubensgrenzen und Anschauungsunterschiede hinweg möglich ist, sich zu verständigen, dafür eine Zweidrittelmehrheit - eine verfassungsändernde Mehrheit für eine Toleranzpräambel - zu finden. Dafür werbe ich sehr und bitte jeden Einzelnen und jede Einzelne von Ihnen herzlich, zuzustimmen. - Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion erhält deren Fraktionsvorsitzender, der Herr Oppositionsführer und Abgeordnete Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen heute am Ende eines langen Diskussionsprozesses, eines monatelangen Ringens um die richtigen Worte, wie wir die Verfassung formulieren können, um zum einen eine Mehrheit zu finden, die breit genug ist, aber zugleich auch das umzusetzen, was uns eine Volksinitiative mit auf den Weg gegeben hat, die über 40.000 Unterschriften gesammelt hat: der Wunsch, Gott in die Verfassung aufzunehmen.

Ich bin auch der Ansicht, dass es schon etwas Großes ist, was hier heute passiert. Ich beziehe mich nicht ausdrücklich nur auf den Beschluss, weil ich weiß, wie schwer es sich jeder einzelne Abgeordnete macht, sondern glaube schon, dass man auch den Prozess, der in den letzten Monaten, ja Jahren, stattgefunden hat, als etwas Großes bezeichnen kann. Im Übrigen will ich dabei ausdrücklich auch die Volksinitiative, die Bereitschaft der Initiative zum Dialog und auch, darum zu ringen,

(Dr. Ralf Stegner)

welche Formulierung angemessen ist, das zu erfüllen, was so viele von Ihnen, von uns eingefordert und sich von uns erhofft haben, einbeziehen. Das, was dort gemeinsam in den letzten Monaten und Jahren stattgefunden hat, ist etwas Großes, auf das wir gemeinsam stolz sein können.

(Beifall)