Protocol of the Session on June 9, 2016

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Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen, und darf Sie an diesem sonnigen Donnerstagmorgen herzlich begrüßen. Ich eröffne die Sitzung und teile Ihnen zunächst mit, dass weiterhin erkrankt ist die Kollegin Angelika Beer von der Piratenfraktion, der wir von dieser Stelle aus alles Gute und gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Ich darf Ihnen noch mitteilen, dass für die Landesregierung Herr Minister Meyer beurlaubt ist.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne zu begrüßen. Es sind Schülerinnen und Schüler des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums aus Halstenbek sowie der Hebbelschule aus Kiel. - Seien Sie ganz herzlich willkommen hier im Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 und 34 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/4251

b) Die Landesregierung muss dem Gesetz zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat zustimmen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/4259

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst das Wort dem Herrn Abgeordneten Kubicki von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es an dieser Stelle schon mehrfach gefordert: Wir brauchen dringend eine Beschleuni

gung der Asylverfahren, und genau darum geht es bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer.

Tatsache ist doch: Die allermeisten Antragsteller aus diesen Ländern erhalten weder grundrechtliches Asyl noch den Status als Flüchtling oder subsidiären Schutz. Das belegen die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: Während die Gesamtschutzquote für Menschen aus diesen Ländern 2015 noch 2,1 % betrug, liegt sie im ersten Quartal dieses Jahres nur noch bei 0,7 %, und diese wenigen, die hier Schutz suchen, weil sie verfolgt oder diskriminiert werden - gerade auch wegen ihrer sexuellen Identität -, haben auch in Zukunft die Chance, einen Schutzstatus zu bekommen, und zwar in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Die Einstufung als sichere Herkunftsländer ändert daran überhaupt nichts. Im Gegenteil, das ist schlicht und ergreifend Unsinn. Und dennoch: Es verbleiben über 99 % der Antragsteller aus diesen Staaten, die eben kein Recht auf Asyl haben.

Mit der Aufnahme der Maghreb-Länder in die Liste der sicheren Herkunftsländer wird deshalb der Zeitaufwand gestrafft, der mit der Prüfung dieser Anträge verbunden ist, und zwar angepasst an die tatsächlichen Erfolgsaussichten dieser Anträge. Bisher dauert etwa das Asylverfahren eines Marokkaners im Schnitt zehn Monate. Zukünftig wird das erheblich schneller gehen. Das zeigt die Erfahrung mit den Ländern des Westbalkans, bei denen der Status der sicheren Herkunftsländer auch als Regel angewendet worden ist.

Dass das jetzt auch für die Maghreb-Staaten Sinn macht, zeigt doch die Prognose der Bundesregierung, die von einem erheblichen Anstieg von Asylantragstellungen von Staatsangehörigen dieser drei Staaten ausgeht. Über 24.000 Schutzsuchende aus diesen Ländern wurden allein 2015 registriert, aber es wurden nur 4.900 Anträge gestellt.

Wenn Sie jetzt einwenden, dass das Ganze natürlich nur Sinn macht, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch genügend Mitarbeiter hat, um überhaupt schnelle Verfahren durchzuführen, dann haben Sie völlig recht. Das BAMF muss endlich personell besser ausgestattet werden, da sind wir uns alle einig, wie es die Debatten der letzten Monate belegt haben. Es ist doch aber absurd, auf Verfahrensvereinfachungen zu verzichten, weil deren Effekt bei mehr Mitarbeitern noch größer sein würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Flüchtlingspolitik fahren Bundes- und auch Landesregie

10018 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 121. Sitzung - Donnerstag, 9. Juni 2016

rung seit dem letzten Jahr immer nur auf Sicht. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Wenn der Ministerpräsident aber seine Ablehnung des Asylpakts II im Februar hier im Landtag damit erklärt: Das bringt alles nichts, weil wir in „einer verrückt gewordenen zusammenbrechenden Welt“ leben, dann ist das doch die völlige Aufgabe jeglichen Gestaltungsanspruchs.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Ministerpräsident, wir alle hier wissen, dass sich ein Großteil der Probleme nur in Syrien oder im Irak lösen lässt sowie in anderen Ländern wie Afghanistan oder in afrikanischen Staaten. Die Aufgabe von Migrationsgesetzgebung ist doch aber auch, Regelungen für die Menschen zu schaffen, die sich bereits im Land aufhalten. Das darf man nicht verkennen. Wie klein wollen wir uns ansonsten machen?

Es ist auch völliger Unsinn zu sagen, wir verschließen uns dem, weil man mit solchen Maßnahmen dem Druck von Rechtspopulisten nachgebe. Was ist denn das für ein Signal? Wir werden die Flüchtlingskrise nicht durch moralische Selbstüberhöhung lösen, sondern nur durch praktisches Handeln. Machen Sie deshalb nicht immer den gleichen Fehler und verzichten auf Maßnahmen, die bei der Bewältigung der Krise helfen können. Niemand behauptet, dass die Einstufung dieser Länder gleich zur Lösung der Flüchtlingsproblematik führen wird. Wir haben deshalb auch gleich ein ganzes Paket von Maßnahmen vorgeschlagen, wie beispielsweise summarische Anerkennungsverfahren zur Entlastung des BAMF. Wir haben in der letzten Tagung dankenswerterweise gemeinsam ein Programm vorgelegt, wie man Flüchtlinge, Asylsuchende und Zuwanderer tatsächlich nach rechtsstaatlichen Verfahren in Deutschland einstufen kann.

Die Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten wäre nach unserer Auffassung ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Es würde deshalb von einer vorausschauenden und verantwortungsvollen Flüchtlingspolitik zeugen, wenn die Landesregierung der Einstufung im Bundesrat zustimmt. Es reicht nämlich nicht aus, immer nur darauf zu hoffen, dass die anderen Länder schon zustimmen werden und man deshalb seine moralische Position behalten kann.

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Minister Habeck und anderen, nach Quoten zu verfahren, um schnellere Verfahren zu erzeugen, im Wesentlichen eigentlich nichts anderes, und wenn

man feststellt, dass die Anerkennungsquote bei den Maghreb-Staaten bei 0,7 % liegt, dann ist dies nichts anderes, als zu erklären: Sie werden schneller abgearbeitet als gegenwärtig. Es macht deshalb aus unserer Sicht Sinn, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen, und wir bitten darum, dass das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat der vom Bundestag ja mit den Stimmen der Sozialdemokraten beschlossenen Regelung auch zustimmt. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Daniel Günther das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich müssten wir uns hier im Landtag gar nicht über dieses Thema unterhalten, denn bereits im Januar 2016 hat der Herr Ministerpräsident ja die Zustimmung Schleswig-Holsteins zu diesem Thema signalisiert. - Aber Albigs Wort zählt nichts. Wir fragen uns: Warum lässt sich Schleswig-Holstein eigentlich bei den Verhandlungen immer durch den Pressesprecher Albig vertreten? Warum schicken Sie nicht einfach einmal die Entscheider aus den Fraktionen nach Berlin, damit man sich dort auch auf das verlassen kann, was SchleswigHolstein dort zum Ausdruck bringt?

(Beifall CDU und FDP)

Um die Blamage für Herrn Albig einigermaßen in Grenzen zu halten, wurde danach die Version verbreitet, er habe ja keine Zustimmung SchleswigHolsteins signalisiert, sondern er hätte nur die Prognose gewagt, dass der Bundesrat letztendlich zustimmen wird. - Ihre Prognose, Herr Ministerpräsident, interessiert - mit Verlaub - nur niemanden, sondern die Öffentlichkeit hätte sich dafür interessiert, was Schleswig-Holstein denn macht.

(Beifall CDU und FDP)

Aber in Ihrer Aussage heißt es dann immer, es würden sich schon genügend andere finden; dann könnten wir uns ja weiter aus der Verantwortung ziehen. - Und das halten wir für verantwortungslos, Herr Ministerpräsident.

(Beifall CDU und FDP)

Die Anerkennungsquoten der drei Maghreb-Staaten waren im Jahr 2015 äußerst gering, übrigens geringer noch als die Anerkennungsquoten aus sicheren

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 121. Sitzung - Donnerstag, 9. Juni 2016 10019

(Wolfgang Kubicki)

Herkunftsstaaten wie Senegal und Ghana. Genau deswegen verdeutlicht dies, dass die Argumentation der Grünen schlicht nicht richtig ist. Denn trotz alledem können ja auch aus sicheren Herkunftsländern Menschen in Deutschland Asyl beantragen und auch bekommen, wenn sie denn nachweisen können, dass sie wirklich Asyl in Deutschland bedürfen, Frau von Kalben. Da müssen Sie sich nur die Begründung des FDP-Antrags durchlesen; dann wissen Sie, dass Ihre Argumentation falsch ist.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Eka von Kal- ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es hilft uns auch nicht weiter, wenn Sie immer nach schnelleren Verfahren rufen, diese aber, wenn der Bund dann Maßnahmen ergreift, um dieses zu erreichen, dann ablehnen.

Besonders perfide finde ich die Begründung des Herrn Ministerpräsidenten, warum er jetzt plötzlich nicht zustimmen möchte. Die Begründung ist: Die Maghreb-Staaten haben für Schleswig-Holstein keine Relevanz. Dass wir in Sachsen besonders viele Tunesier haben, dass wir in NRW viele Marokkaner haben, das berücksichtigen wir hierbei nicht. Was ist denn das für eine unsolidarische Politik? Sie kritisieren Europa dafür, dass einige Staaten ihre Verantwortung nicht tragen, aber wir SchleswigHolsteiner lehnen uns zurück und sagen: „Die Probleme haben halt die in NRW und Sachsen und nicht wir, und deswegen stimmen wir nicht zu.“ Wie unsolidarisch ist denn eine solche Politik, Herr Ministerpräsident?

(Beifall CDU und FDP)

Auf Sie ist in der Flüchtlingspolitik ohnehin kein Verlass. Als das Asylpaket II beschlossen wurde, war in Schleswig-Holstein das Asylpaket I noch nicht einmal umgesetzt. Wir reden heute über ein Integrationsgesetz auf Bundesebene. Aber das Asylpaket II wird immer noch zwischen den Fraktionen lebhaft diskutiert: Es gibt bis heute kein Sachleistungsprinzip. Für die zentrale Stelle bei Abschiebungen auf Bundesebene, vereinbart im Asylpaket, sollte Schleswig-Holstein Personal zur Verfügung stellen. Nichts ist aus Schleswig-Holstein gekommen. Zum Zuweisungsgesetz brauchen die Kommunen jetzt auch einmal eine Ansage, was Schleswig-Holstein macht. Herr Studt hat sich dafür ausgesprochen. Aber eine Einigung darüber, wie Schleswig-Holstein zu diesem Prinzip steht, gibt es bis heute nicht.

Das Einzige, was Herr Studt macht, ist: Er schreibt einen Brief nach Berlin und fordert den Bundesinnenminister ultimativ auf, jetzt doch einmal wirk

lich genau zu sagen, wie viele Flüchtlinge denn genau nach Schleswig-Holstein im Jahre 2016 kommen werden.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da frage ich mich immer: Lesen Sie eigentlich nicht den überregionalen Teil der Tageszeitung? Wissen Sie eigentlich, was auf der Welt los ist? Sie glauben doch wohl nicht, dass irgendeiner eine genaue Prognose darüber abgeben wird, wie viele Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machen. Das wissen Sie doch selbst ganz genau.

(Beifall CDU - Zurufe SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie loben in ganz vielen Reden, die ich gehört habe, die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Warum stimmen Sie ihr eigentlich im Bundesrat nicht zu?