Protocol of the Session on May 20, 2021

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Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich und eröffne die heutige Sitzung.

Nach Mitteilung sind die Abgeordneten Kerstin Metzner und Thomas Hölck sowie von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Daniel Günther erkrankt. Wir wünschen von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen ist von der Landesregierung Herr Minister Claussen für den Vormittag beurlaubt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Wildtierimporte regulieren - Wilderei, Wildfänge und Artensterben wirksam bekämpfen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2856

(Wild-) Tierhandel regulieren Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/3027 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Joschka Knuth. Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kein Mensch muss privat ein Wildtier halten, erst recht kein exotisches. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dennoch erleben wir, dass sich das Halten insbesondere exotischer Wildtiere einer zunehmenden Beliebtheit erfreut. Insbesondere Amphibien und Reptilien gehören in den letzten Jahren zu den nachgefragten Arten. Diese sind auch in großer Anzahl in Deutschland im Handel. Das liegt daran, dass wir keine ausreichenden internationalen Handelskontrollen und Schutzbestimmungen für diese Tiere haben. Der Verweis auf das Washingtoner Artenschutzabkommen, das eigentlich den Umgang mit geschützten Arten regelt, reicht eben nicht aus,

weil viele Tiere dort nicht auftauchen oder daran vorbei dennoch auf unserem Markt landen.

Die vielen Tiere stellen nicht nur uns hier vor Ort vor Herausforderungen und stellen ein Risiko dar beispielsweise dann, wenn sie entweichen und die Feuerwehr sie einfangen muss, ganze Häuserblocks evakuiert werden müssen -, nein, der Handel mit ihnen stellt auch insgesamt eine ganze Reihe von Risiken dar. Beispielsweise stellt das Halten und Handeln von und mit Wildtieren ein besonderes Gesundheitsrisiko dar.

Wir wissen, dass viele Zoonosen entstehen, dass viele gefährliche Viren und Erreger tatsächlich von Wildtieren auf den Menschen übergehen. Das ist eine große Gefahr - wie wir in der aktuellen Pandemie erleben - für die gesamte Menschheit.

Wir wissen aber auch, dass das eine Gefahr für den Artenschutz darstellt. Der Verlust von Artenvielfalt wird durch den Handel mit Wildtieren noch einmal beschleunigt, weil sie aus ihren heimischen Habitaten entnommen werden.

Und die invasiven Arten, also Tiere, die hier nicht heimisch sind, stellen für unsere Flora und Fauna, für unsere Tierwelt, eine große Bedrohung dar. Damit stellen die Tiere auch eine Gefahr für den Naturschutz dar, denn durch das Herausnehmen der Tiere aus den heimischen Gebieten wird auch das natürliche Gleichgewicht von Nutzarten gefährdet.

Last but not least stellt das Ganze unter Tierschutzgesichtspunkten eine besondere Gefährdung dar; denn viele Wildtiere, die hier gehalten werden, haben keinen Domestikationsprozess durchlaufen. Sie sind es gar nicht gewöhnt, in einer Haltung zu leben. Entsprechend stellt dies auch für die Halterinnen und Halter eine besondere Gefahr dar. Deshalb braucht es eine bessere Regulierung des Handels und des Besitzes von und mit Wildtieren. Dafür setzen wir uns ein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir haben auf Bundesebene, auf Europaebene und auch hier im Land einen langen Diskussionsprozess hinter uns. Wir machen nun sehr konkrete Vorschläge dazu, wie diese Regulierung im besten Sinne erfolgen kann.

Wir schlagen beispielsweise vor, dass es ein Verkaufsverbot von Wildtieren in Deutschland, am besten in Europa, braucht. Wir sagen sehr klar, dass es eine Regulierung braucht von Tierbörsen und des gesamten Internethandels für Wildtiere, damit wir

endlich dort durchgreifen können und klare Regelungen haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ehrlicherweise nicht nur für Wildtiere ein großer Erfolg, sondern die Regulierung von Tierbörsen ist ein großer Erfolg insgesamt für den Handel mit Tieren.

Wir sagen, die Halterinnen und Halter von entsprechenden Tieren brauchen in Zukunft Sachkundenachweise, damit sich nicht jeder exotische Reptilien zu Hause halten kann.

Wir sagen, wir müssen auch die Forschung zur Übertragung und Entstehung von Zoonosen intensivieren. Wir brauchen einen besseren EU-Austausch und einen besseren Austausch der Zollbehörden, um auch der Einfuhr von solchen Tieren in unserem Markt besser begegnen zu können.

Last but not least braucht es für besonders gefährdete und gefährliche Arten ein ganz klares Haltungsverbot in Deutschland; denn viele Tiere sind schon hier im Markt. Wenn wir nur die Einfuhr verbieten, ist es damit nicht genug.

Wir fordern, dass sich die Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative für entsprechende Regulierung einsetzt. Wir glauben, dass das genau der richtige und notwendige Schritt ist. Natürlich brauchen wir langfristig eine Verankerung des Vorsorgeansatzes im EU-Recht; das wäre noch besser. Aber eine nationale Regelung wäre genau jetzt der richtige Beitrag, um auch einen entsprechenden Impuls für eine EU-Gesetzgebung zu senden.

Ich freue mich sehr, wenn wir dieses Signal heute von hier aus ausgehen lassen. Damit kommt ein langer Beratungsprozess zu einem guten Ende, und wir leisten unseren Beitrag dazu, dass wilde Tiere überall auf der Welt besser geschützt werden und Risiken hier bei uns im Land minimiert werden. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Stefan Weber das Wort.

Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Jamaika-Fraktionen, es verwundert mich doch sehr, dass

Sie uns 30 Monate lang vertrösten, endlich den Online-Tierhandel rechtlich verbindlich zu regeln, um jetzt mit diesem Wildtierantrag um die Ecke zu kommen. Ja, der Anlass ist klar. In Berlin wird dieses Thema gerade diskutiert, da hängt man sich gern dran. Trotzdem: Unser Antrag “Tiere vor Missbrauch schützen: Onlinehandel mit Tieren rechtlich regeln“ aus dem November 2018 hat bereits viele Punkte benannt. Leider konnten Sie sich auf diese Punkte, die Tierschutz im Onlinehandel für alle Tiere rechtlich regeln, nicht einigen. Schade für all die Tiere, die in den vergangenen 30 Monaten leiden mussten.

(Beifall SPD)

Schließlich hat das Thema - vor allem auch des Handels mit Haustieren - seit Beginn der Coronapandemie zusätzlich an Bedeutung gewonnen.

Heute kommen Sie nun mit einem Antrag zum Wildtierhandel. Nun gut, schauen wir einmal. Da wir Tierschutz für alle Tierarten fordern - unabhängig von ihrer Herkunft -, haben wir eigentlich keine grundsätzliche Kritik an Ihrem Antrag. Allerdings fehlen uns wichtige Aspekte, die wir in einem Änderungsantrag einbringen. Dazu aber später mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Online-Tierhandel boomt - im Internet, auf Online-Marktplätzen und auch in sozialen Netzwerken. Um sich in Deutschland ein Tier zu kaufen, braucht man heute nur wenige Klicks. Dort gibt es alles: lebende Schildkröten, Riesenschlangen, exotische Papageien oder aber auch den langersehnten Familienhund - rund um die Uhr und ohne Risiko.

Eine Studie des Bundesministeriums für Umwelt zeigte letztes Jahr, dass in Deutschland die Nachfrage nach sogenannten exotischen Arten steigt. Die mit Abstand am häufigsten gehandelten geschützten Tiere sind Reptilien, insbesondere lebende Landund Wasserschildkröten. Gerade der Umgang mit Wildtieren ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, mit der man sich auskennen muss. Pflege und Haltung von Tieren müssen artgerecht sein, um den Tierschutz einhalten zu können. Für die vielfältigen Probleme und Missstände in diesem Bereich werden deshalb strenge gesetzliche Regelungen gefordert, um den bislang großteils unregulierten Handel zu steuern.

SPD-Umweltministerin Svenja Schulze sagte anlässlich der Veröffentlichung der Studie am 30. März 2020, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

(Joschka Knuth)

„Das Artensterben betrifft nicht nur ferne Länder. Auch Deutschland und Europa tragen mit dazu bei, dass Arten in ihren Ursprungsländern zunehmend gefährdet sind. Das betrifft ganz direkt die Nachfrage nach exotischen Wildtieren für den deutschen Heimtiermarkt. Diese Nachfrage ist viel zu hoch, das darf nicht so bleiben.“

Beim Handel mit Wildtieren geht es um viel Geld. Tierschutzstandards, tierschutzgerechte Haltung und Transport werden dann schnell vergessen oder überhaupt nicht berücksichtigt. Tierheime verzeichnen mittlerweile ein breites Artenspektrum aufgenommener exotischer Tiere. Die Abgabegründe weisen darauf hin, dass die Halter sich vor dem Tierkauf häufig nicht genügend informiert haben oder falsch beziehungsweise gar nicht richtig beraten wurden.

Liebe Jamaika-Koalition, jetzt zu unseren Änderungen: Die EXOPET-Studie aus dem Jahr 2018 empfiehlt auch eine durchgehende Überwachung von Tierbörsen durch einen auf die Tierklasse spezialisierten Tierarzt. Tierbörsenleitlinien sollten zudem durch eine rechtsverbindliche bundesweit einheitliche Verordnung ersetzt werden. Internetbörsen, die Tiere anbieten, sollten nach Ansicht der Studie ebenso wie Tierbörsen einer Erlaubnispflicht nach dem Tierschutzgesetz unterliegen. Laut § 2 Tierschutzgesetz muss derjenige, der ein Tier hält oder es betreut, es „seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“. Häufig verfügen diejenigen, die mit Tieren handeln, über keine artenspezifischen Haltungskenntnisse. Das wollen wir ändern.

Wenn Verkäuferinnen und Verkäufer nicht über die Handlungsvoraussetzungen Bescheid wissen, hat dies oft dramatische Folgen wie Schmerzen, Leid oder Schäden für das Tier. Wir brauchen deshalb im Tierhandel eine verpflichtende Sachkundeprüfung für alle Verkäuferinnen und Verkäufer einschließlich aller Verkaufsportale mit einheitlichen Kriterien und standardisierten Überprüfungen.

(Beifall Christian Dirschauer [SSW])

Sie sehen, wir haben kluge Ergänzungen zu Ihrem Antrag, um diesen noch besser zu machen. Stimmen Sie also bitte unserem Antrag zu.

(Beifall SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute geht es um Wildtierimporte, Wildtierfänge und auch um eine Regelung des oft illegalen Marktes - von meinen beiden Vorrednern richtig beschrieben. Herr Weber, warum hat es so lange gedauert, bis dieser Antrag letztendlich aus der Koalition in die Öffentlichkeit ging? Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein Hauptgrund ist tatsächlich, dass wir im Rahmen der Coronadebatten erkannt haben, dass Zoonosen ein unwahrscheinlich großes Problem im internationalen Handel, insbesondere von Wildtieren, darstellen.

Vorausgeschickt will ich sagen, dass 60 % aller Krankheiten, die heute bei den Menschen zu verzeichnen sind, tierischen Ursprungs sind. Ich rede nicht von der Pest, sondern auch von grippalen Infekten, die vornehmlich über Insekten übertragen werden, aber auch - das haben Sie selbstverständlich richtig beschrieben - über Reptilien. Es ist in China wissenschaftlich nachgewiesen, dass selbst Corona seinen Ursprung in der Tierwelt hat, bei Fledermausstämmen, die den dortigen Essgewohnheiten entsprechend dem menschlichen Verkehr zugeführt werden. Insofern hat dies zu dieser Pandemie, die uns alle jeden Tag beschäftigt und besorgt, geführt.

Deswegen ist es wichtig, dort Standards zu setzen, darauf hinzuweisen sowie politische Entscheidungen zu treffen, um diesen illegalen Markt insbesondere in Bezug auf den Wildtierhandel und das Halten von Wildtieren auszutrocknen und dem politisch etwas entgegenzusetzen sowie nicht nur für die Verwaltung, sondern für alle, die Tiere halten wollen, klare Verhaltensregeln auszusprechen.

Herr Weber, Sie haben es richtig beschrieben, das Tierschutzgesetz gibt dies her und schreibt es vor, dass derjenige, der Tiere hält, sich auch dementsprechend darum kümmern und die Sachkunde besitzen muss. Insofern fordert auch unser Antrag das.

Anonymität im Netz hat das Ganze vereinfacht, das wissen Sie. Versuchen Sie heute einmal, ein Wildtier zu kaufen. Drei Klicks, und Sie sind in der Lage, diese Tiere jederzeit rund um die Uhr zu bestellen. Stellen wir uns das vor: Wildtiere sind ja nicht sozialisiert. Das sind keine Haustiere, sondern Wildtiere. Diese Tiere werden dann wild gefangen. Sie werden also aus ihrer natürlichen Umgebung heraus zum Teil in Ländern gefangen, in denen sie unter Artenschutz stehen, was man bei uns oft gar nicht weiß. Diese Tiere werden, obwohl sie die