Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung. Nach Mitteilung der Fraktionen und der Regierung sind erkrankt Landtagspräsident Klaus Schlie und der Abgeordnete Lukas Kilian, die Abgeordnete Kathrin Bockey und der Abgeordnete Jan Marcus Rossa. Von der Landesregierung erkrankt sind Ministerpräsident Günther und Minister Claussen. Wir wünschen gute Besserung!
Die Abgeordneten Lehnert, von der Heide, Fehrs, Dr. Stegner, Dr. Tietze und Voß haben nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert sind. Der Abgeordnete Vogt hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 11 Uhr verhindert ist.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus Dr. Bernd Buchholz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Land Schleswig-Holstein ist vergleichsweise gut in wirtschaftlicher Hinsicht durch das erste Jahr der Pandemie gekommen. Ein nur geringfügiger Einbruch im Bruttoinlandprodukt, sehr viel geringfügiger als das, was in vielen anderen Bundesländern zu besichtigen war, zeigt, dass unsere Wirtschaftsstruktur - kleinteilig und klein- und
Heute allerdings, gerade jetzt mit der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Halbjahr 2021, zeigt sich auch ein gutes Stück weit die strukturelle Schwäche unserer Wirtschaftsstruktur in Schleswig-Holstein, denn heute wird bekannt, dass im ersten Halbjahr 2021 das Bruttoinlandprodukt für Schleswig-Holstein um 0,6 % wächst, während es in Baden-Württemberg - da war allerdings auch ein fulminanter Einbruch zu spüren - um 5,5 % wächst. Das heißt, wir nehmen in Bezug auf die Struktur geringer an den Abschwüngen teil, aber wenn es nach oben geht, hat der Aufschwung bei uns leider eine viel geringere Wachstumsdynamik, als das in anderen Bundesländern, insbesondere etwa in Baden-Württemberg, der Fall ist.
Das liegt im Wesentlichen daran, dass im Süden der Republik das verarbeitende und produzierende Gewerbe in Teilen viel ausgeprägter ist als bei uns. Wir haben vorgestern bei der Haushaltsdebatte ganz viel über die Notwendigkeit von größerer Wachstumsdynamik auch für unsere Finanzsituation im Land gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir uns nur bei einer größeren Wachstumsdynamik die wichtigen Dinge wie Kindergärten, Schulen, Straßen oder Schienen, von mir aus den Schub in der Digitalisierung oder die Biodiversitätsstrategie leisten können, also wenn wir einen stärkeren Wachstumsschub in der Wirtschaft Schleswig-Holsteins etabliert bekommen.
Deshalb ist es zwingend, dass wir dafür sorgen, dass sich mehr Unternehmen auch aus anderen Bundesländern hierher orientieren. Deshalb braucht es eine vernünftige Ansiedlungsstrategie oder, sagen wir einmal, jedenfalls einen Plan, mit welchen Attributen man für dieses Bundesland werben kann und werben will.
Eine solche Ansiedlungsstrategie hat natürlich auch Voraussetzungen. Eine der ersten Voraussetzungen ist, dass jemand hier nur Güter produziert, wenn er weiß, dass er die Vorprodukte herbekommt und Produkte auch wieder wegbekommt.
- Dafür braucht er unter anderem die A 20, HansJörn Arp. Dafür braucht es aber auch eine Elbquerung. Dafür braucht es vor allem klare politische Signale, dass diese Infrastruktur im Blick ist, dass
man um diese Bedürfnisse von Unternehmen weiß, die hierherkommen sollen. Und es braucht natürlich auch einen Fokus darauf, was dieses Land eigentlich speziell macht und wo es bestimmte Bereiche gibt, in denen wir besondere Chancen haben. Diese besonderen Chancen wollte sich das Wirtschaftsministerium nicht allein ausdenken, sondern dafür hat es einen Gutachter beauftragt, um zu gucken: Wo sind die Bereiche, in denen wir spezielle Felder haben, in denen das ganz besonders gut gehen kann?
Es ist anders als in früheren Zeiten, als die maritime Wirtschaft der Treiber der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes war. Diese Märkte sind sehr schön, aber sie haben keinen Rückenwind mehr. Bereiche, in denen wir derzeit erleben, dass dieses Land ganz neue und gute Chancen hat, sind zum Beispiel all jene, die an erneuerbaren Energien anzukoppeln sind. Wir haben heute ganz viele Anfragen für Ansiedlungen in diesem Land von Unternehmen, die sagen: Wir brauchen ein Umfeld, in dem wir quasi auch für unsere Produktionsstätte und für unsere Produkte sagen und nachweisen können, dass wir uns rein aus erneuerbaren Energien versorgen.
Das ist eine Chance, insbesondere für die Energieküste im Westen, für Dithmarschen und Nordfriesland, für Pinneberg und Steinburg. Es ist genauso im Osten des Landes eine Chance, wenn wir sehen, dass in den Bereichen Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft und in den Bereichen mit Verbindung zur Ernährungswirtschaft Dinge entstehen, die Schleswig-Holstein nicht nur in den Blickpunkt anderer Bundesländer rücken, sondern weit über den Tellerrand hinaus auf amerikanischen und chinesischen Märkten interessant machen, weil wir hier mit großen Spielern, aber auch mit der Verbindung von Themen punkten: dem UKSH, dem Technologiezentrum, dem Schaffen eines Accelerators in diesem Bereich in Lübeck mit GATEWAY49, den angesiedelten Unternehmen wie Dräger in Lübeck oder Eppendorf in Oldenburg und damit, dass wir Stryker in Kiel haben und Johnson & Johnson in Norderstedt. Wir sind inzwischen für diesen Teil der Industrie und der Wirtschaft ein wichtiger Footprint in Deutschland, und das müssen wir ausspielen.
Herr Vogel oder wer auch immer nachher von der SPD spricht, Sie werden nachher bestimmt nach dem Motto sprechen: Warum kommt er jetzt zum Ende der Legislaturperiode damit? Ihnen sage ich:
Zunächst muss man das Produkt dafür schaffen. Man muss also unter anderem dafür sorgen, dass die Infrastruktur ausgebaut wird. Zuerst muss man am Produkt arbeiten, danach macht man das Marketing und eine Ansiedlungsstrategie, und das ist in Wahrheit Marketing.
- Frau Kollegin, das ist genau falsch herum. Da gibt es übrigens viele Start-ups, die das probieren. Die haben kein Produkt, aber machen großes Marketing. Das geht in die Hose!
Deshalb ist es so wichtig, dass man das so herum macht und jetzt darauf setzt, dass man für eine aktive Wirtschaftspolitik, für eine aktive Infrastrukturpolitik und mit dem Definieren bestimmter Fokusbranchen die richtigen Signale gesetzt hat. Das heißt übrigens nicht, dass wir nicht auch alle anderen gern hier besichtigen. Aber in der Ansprache fokussieren wir auf bestimmte Branchen, die Rückenwind haben. Es geht darum, für die die richtigen Voraussetzungen zu schaffen.
Lassen Sie mich an der Stelle auch eine weitere Voraussetzung nennen: So etwas braucht Fläche, Gewerbefläche. Wenn wir hier zusätzliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen wollen, dann braucht das auch Wohnfläche. Natürlich gibt es hier einen normalen Zielkonflikt zwischen einerseits einem ökologisch gewollten möglichst geringen Flächenverbrauch und andererseits den wirtschaftlichen Erfordernissen, der in einem Land, das eine höhere Wachstumsdynamik braucht, besteht.
Darüber diskutieren wir in der Koalition ganz offen und sachlich. Wir sagen: Natürlich wollen wir ein Flächenmanagement etablieren mit viel Flächenrecycling, mit einem großen Zurückführen von Wirtschaftsflächen, die brachliegen, in den Kreislauf, die es in diesem Land in der Tat auch gibt.
Ich sage an dieser Stelle aber auch: Schleswig-Holstein gehört zu den Bundesländern mit dem geringsten Verbrauch an Siedlungs- und Verkehrsflächen. Wir müssen aufpassen, dass wir dieses Thema nicht zu sehr beschränken; denn dadurch könnten wir die Dynamiken der Zukunft verspielen.
natürlich nicht ausgeblendet werden, das heißt, wir müssen auf die Flächenstruktur achten. Deshalb ist es vielleicht keine schlechte Idee, eine Gewerbeflächendatenbank vorzuhalten, obwohl an deren Fehlen bisher keine Ansiedlung gescheitert ist; unsere Wirtschaftsförderer wissen schon, wo die entsprechenden Flächen zu finden sind.
Wenn wir eine solche Datenbank schaffen, dann ist das auch ein Marketinginstrument. Ich finde es richtig, dass man diese Datenbank schafft. Meine Bitte ist nur, gleich anschließend darüber nachzudenken, wie wir es verhindern können, dass hier Doppelstrukturen geschaffen werden. Eine solche Datenbank sollte man dort, wo die Geodaten erhoben werden beziehungsweise vorliegen, aufbauen.
Für die Vermarktung und alles, was daraus folgt, ergeben sich gewisse Zuständigkeiten des Wirtschaftsministeriums und insbesondere der WTSH. Es bedarf jedenfalls nicht einer zusätzlichen, ganz neu aufzusetzenden Datenbank. Dafür haben wir schon gar nicht die Ressourcen, und es wäre verschüttete Milch. Wir sollten die Daten nutzen, die wir bereits haben. Bestimmte Daten liegen im Innenministerium in hervorragender Weise vor.
- Genau, Herr Koch. Wir haben extra fünf Stellen geschaffen, die sich mit Flächenmanagement in unserem Land beschäftigen. Es ist aktives Flächenmanagement, das wir hier betreiben.
Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen: Wir befinden uns in einer Phase, in der der Aufschwung durch die Republik zieht. Diese Feststellung gilt, auch wenn wir heute sehen, dass er etwas abgebremst wird. So hat das Institut für Weltwirtschaft seine Konjunkturprognose nach unten korrigiert. Das steile „V“, von dem man noch vor Monaten gesprochen hat, wird es wohl doch nicht ganz werden. Es wird etwas länger dauern, bis wir uns insgesamt recovert haben.
In dieser Phase müssen wir auch mit Signalen zur Lösung von Infrastrukturfragen reagieren. Die Themen reichen vom Baurecht für die Feste Fehmarnbeltquerung bis hin zur Schaffung von geeigneten Strukturen für Start-ups und generell für junge Unternehmen. Der Technologietransfer zwischen den Hochschulen funktioniert bei uns besser als in anderen Bereichen und besser als in der Vergangenheit.
Wir schaffen auch gute Möglichkeiten für diejenigen, die sich mit Wasserstoff, erneuerbaren Energien, Batteriezellen und anderen Herausforderungen
beschäftigen; insbesondere an der Westküste verzeichnen wir große Ansiedlungserfolge. Wir haben in diesem Land großartige Chancen und sind auf einem sehr guten Weg. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.