Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen! Ich begrüße Sie alle zur heutigen Sitzung. Wir setzen die Tagung fort.
Ich habe von den Fraktionen und der Landesregierung folgende Mitteilungen erhalten: Erkrankt ist der Abgeordnete Peter Lehnert. Wir wünschen ihm gute Besserung.
Beurlaubt sind von der SPD-Fraktion die Abgeordneten Serpil Midyatli, Özlem Ünzal, Dr. Kai Dolgner und Tobias von Pein.
Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind zudem von der Landesregierung beurlaubt Frau Ministerin Dr. Sütterlin-Waack und Frau Ministerin Prien, beide ganztägig.
Außerdem hat von der FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen Sie bitte mit mir ganz herzlich Besucherinnen und Besucher der Dahlmannschule aus Bad Segeberg auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Heiner Rickers.
Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um das Thema Kunststoffplastik, das in aller Munde ist, jeden Tag irgendwo in der Presse. Wir wissen, dass wir damit weltweit Probleme haben. Und
wir kommen relativ schnell mit dem Fokus zurück auf Europa, auf die Bundesrepublik und natürlich auf Schleswig-Holstein. Der Titel unseres Antrags heute lautet „Kunststoffe konsequent von Lebensmittelabfällen trennen“.
Ich will vorweg eines sagen: Ich hoffe, wir sind uns alle darüber einig, dass wir nicht nur trennen wollen, sondern dass der beste Weg, die Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu schonen und Abfall zu vermeiden, der Weg ist, erst gar keinen Abfall zu produzieren.
Genau diesen Eindruck, zunächst zu sparen, nicht zu produzieren oder eben auch zu vermeiden, vernünftig zu beseitigen, wenn wir wirklich Kunststoffe brauchen, sie wiederzuverwerten, zu trennen und zu recyceln, haben wir doch eigentlich bei uns jeden Tag in Deutschland, in Schleswig-Holstein.
Wir haben ein vernünftiges Abfallverwertungssystem. Wir trennen den Hausmüll. Jeder weiß, dass er zu Hause vier Tonnen hat: eine Tonne für Papier, eine Tonne für Bioabfall, in die auch die Speisereste hineinkommen, eine Tonne für Kunststoffe, für den Grünen Punkt, den gelben Sack - das war Tonne Nummer drei -, und mindestens noch eine Tonne für den Restmüll, also für all die Dinge, die Sie nicht ins Recycling geben wollen. Das alles wird fein säuberlich entweder über die Privatwirtschaft oder eben über die öffentliche Hand, bei uns von den Kreisen, organisiert, abgeholt und dementsprechend verwertet, wiederverwertet, recycelt. In diesen Wegabschnitten ist alles das, was ich zuvor genannt habe, ganz hervorragend organisiert.
Insofern denken wir als Bürger oder als Politiker in Schleswig-Holstein zunächst, wir hätten somit kein Problem. Das Problem ist aber dennoch, dass wir zu viel Kunststoffe verbrauchen, zu viel Müll produzieren. Aber dann, wenn es tatsächlich benötigt wird, wenn es im Kreislauf angekommen ist, wenn der Endverbraucher die Lebensmittel ausgepackt hat, haben wir doch eigentlich kein Problem, weil wir vermeintlich alles wieder schön sauber trennen und dann hoffentlich auch wiederverwerten. Das kann ich so nur begrüßen. Wir wollen mehr sparen. Aber wenn wir etwas verbrauchen, dann müssen wir es auch wirklich wiederverwerten und trennen. Das ist bei uns alles ganz hervorragend organisiert.
Dennoch gibt es scheinbar doch eine Regelungslücke. Nun frage ich auch Sie als meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen: Ist Ihnen eigentlich be
kannt, dass das, was an Lebensmitteln verpackt in den Container geht, vornehmlich bei den großen Discountern oder bei der Lebensmittelindustrie, zu einem Speisebrei kleingeschreddert, gehäckselt, durchgerührt wird und dann per Tanker zur Verwertung in sogenannte Biogasanlagen verbracht wird? Eine dieser Biogasanlagen - vom Ansatz her eine gute Idee - ist die Biogasanlage, das Klärwerk, in Schleswig. Und jetzt wissen Sie, wo das Kernthema liegt: Schleswig beschäftigt uns seit mindestens sechs Monaten wegen der Kunststoffteilchen - Stichwort Mikroplastik -, die letztendlich in die Schlei beziehungsweise in die Vorfluter gelangen, wo das geklärte Abwasser aus diesem Klärwerk dann hinausgeht.
Das heißt: In der Praxis werden alle Lebensmittel, die von den großen Discountern und der Lebensmittelindustrie kommen - das habe ich genannt -, vornehmlich von großen Entsorgern abgeholt. So weit, so gut. Das Ganze wird dann vermischt, kleingeschreddert und dann zu diesen Biogasanlagen verbracht und dort vergoren. Das entstehende Gas wird zur Stromerzeugung benutzt. Das Abwasser wird geklärt, und der Rest wird dann auf Felder ausgebracht oder eben in die Schlei oder in andere Flüsse über Vorfluter eingeleitet.
Dass diese Verpackung der Lebensmittel überhaupt in diesen Speiseabfallbrei hineinkommt, ist für mich der eigentliche politische Skandal.
Das können wir so nicht hinnehmen. Ich will eingestehen: Obwohl ich immer behaupte, ich sei ein Kenner dieser Branche, vor allem dann, wenn es um Kreislaufwirtschaft geht oder letztendlich auch um Kompost und Biogassubstrat zum Ausbringen auf die Felder, und auch meine, ich würde mich mit diesen ganzen Themen äußerst gut auskennen, war auch mir das, bevor wir diesen Skandal in Schleswig öffentlich gemacht haben, absolut nicht bekannt. Und wenn es mir nicht bekannt war, dann war es auch anderen politisch Verantwortlichen nicht bekannt. Genau hier müssen wir ansetzen.
Wir dürfen also nicht vergessen, nur Kunststoffe zu vermeiden, sondern wir müssen auch fordern, dass bereits am Anfang getrennt wird. Wenn die Lebensmittel in die Verpackung hineinkommen, dann müssen sie aus der Verpackung auch irgendwie wieder herauskommen. Wenn das Einpacken billiger wird als das Auspacken, dann ist das System irgendwo am Ende. Auch insoweit müssen wir politisch tätig werden.
Deswegen kann ich Sie alle nur ermutigen: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Seien auch Sie dafür, dass rechtzeitig, wenn die Lebensmittel nicht verwertet werden können, die Kunststoffverpackungen wieder entfernt werden, sodass nur das, was organische Substanz ist, letztendlich auch wieder in den Kreislauf zurückgeführt wird, und das andere vernünftig abgetrennt wird. Wir haben die Mittel und das Recht dazu. Wir werden auf Bundes- und EU-Ebene initiativ. Und wir werden alles das, was wir auf Landesebene tun können, zum Beispiel Kontrollen und Veränderung des Wassergesetzes, auf den Weg bringen und unterstützen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also: Dass ich, wenn ich nach einer Rede von Heiner Rickers dran bin, sagen muss, dass ich zu 90 % das teilen kann, was er eben gesagt hat, das kommt nicht alle Tage vor. Das streichen wir - natürlich rot - im Kalender an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren warnen Umweltschützerinnen und Umweltschützer vor der Vermüllung unserer Meere. Die Bilder vom Plastik, das in den Meeren schwimmt, die Bilder von Vögeln und Walen, deren Körper voll von diesem Müll sind, die sind nicht neu, aber offenbar leider erst jetzt so richtig in den Köpfen und Herzen der Menschen angekommen. Sie machen fassungslos, sie machen traurig, und man muss sich - wie leider so oft beim Umweltschutz - fragen: Warum verschließt der Mensch vor solchen Problemen eigentlich so lange die Augen? Warum schafft man ein System, in dem man vor krummen Gurken und Kartoffeln offenbar solche Angst hat, dass man sie wegschmeißen muss, es aber anscheinend akzeptabel findet, Obst und Eiern ihre natürliche Schale zu nehmen, um sie dann in Plastik zu verpacken? Das hat sicher mit einer gewissen Gleichgültigkeit in der Gesellschaft zu tun, aber vor allem auch mit viel Geld und einer Müllbranche, die damit viel Geld verdient.
Die Probleme waren lange Zeit weit weg, doch nun haben wir sie sichtbar vor unserer Haustür. Nun ist offenbar vielen klar geworden, dass gehandelt werden muss. Die Plastikfunde an und in der Schlei haben uns alle sehr schockiert. Der Schaden für Natur und Umwelt ist katastrophal und hat uns verdeutlicht: Hier stimmt etwas nicht. Heiner Rickers hat es eben wunderbar erklärt: Lebensmittelreste zu verwerten und daraus Energie zu gewinnen, ist ja kein falscher Weg. Irgendwo muss der Abfall schließlich hin, und die Energiewende wollen wir ja auch. Aber bewusst Plastik hinzuzufügen, um es dann wieder mühsam herauszufiltern, das kann und darf auf keinen Fall sein. Hier ist es notwendig, gegenzusteuern.
Dass in diesem Fall ein Abfallentsorger, ich nenne ihn hier beim Namen, also ReFood, dann allerdings auch noch andere Angaben auf Lieferscheinen macht, als die Analytik in Wahrheit ergeben hat, dazu fehlen einem schon die Worte. Dieses Vorgehen wird allerdings andere zu bewerten haben. Und im Raum Bremen die Tafeln extra aufzufordern, die Lebensmittel eben nicht vom Plastik zu trennen, setzt dem Ganzen schon die Krone auf.
Meine Kollegin Birte Pauls hat mir aber gerade erzählt: Nun jedoch wurde reagiert, und die Tafeln wurden wiederum aufgefordert, den Müll doch zu trennen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Wir werden uns sicher, unabhängig von den jetzigen Vorgängen, über genauere Kontrollen unterhalten müssen, und man wird auch verfolgen müssen, wie es da weitergeht. Wohin werden die Abfälle weiterhin gebracht? Wird freiwillig getrennt? Welche Konsequenzen zieht ReFood? Diese Fragen müssen beantwortet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Vorgang an der Schlei im Nachhinein ganz zu durchblicken, ist nicht einfach, und viele Dinge spielen da eine Rolle. Auch Frau Pauls und ich waren - wie andere dort und haben uns die Anlage angesehen und mit den Leuten vor Ort gesprochen. Dass nachgerüstet wurde, war notwendig und ist nun auch geschehen. Die Kommunikation der Behörden bedarf sicher auch einer Verbesserung. In solch sensiblen Berei
Der Hauptpunkt ist jedoch, dass Plastik nichts in Lebensmittelabfällen, die in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden, zu suchen hat. Gleich zu Beginn der Diskussion hat die SPD-Landtagsfraktion dem Minister Unterstützung zugesagt, wenn es um ordnungsrechtliche Maßnahmen geht. Alles, was wir politisch tun können, sollten wir auch jetzt anpacken. Wichtig ist, dass alle Lücken, die es gegeben hat, geschlossen werden, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann. Deswegen ist der Antrag richtig und konsequent.
Auch die Diskussion auf europäischer Ebene geht in die richtige Richtung. Ohne Verbote von beispielsweise Plastikgeschirr wird es nicht gehen. Nun ist auch der Bund in der Pflicht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht alles sein. Ich hoffe, dass wir damit eine umfangreiche Diskussion unter anderem über das Thema Müllvermeidung, über Praktiken von Unternehmen in der Müllbranche und über Verpackungswahnsinn gerade bei Internetbestellungen bekommen. Diese sind immer besonders stark verpackt. Das muss sich jeder selbst angucken.