Protocol of the Session on September 6, 2018

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle recht herzlich. Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, teile ich Ihnen mit, dass nach Mitteilung der Fraktionen aus der SPD-Fraktion der Abgeordnete Thomas Rother und aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Dr. Marret Bohn erkrankt sind. Wir wünschen baldige Genesung!

(Beifall)

Beurlaubt ist aus der CDU-Fraktion der Abgeordnete Volker Nielsen. Von der Landesregierung ist wegen auswärtiger Verpflichtungen Ministerin Monika Heinold beurlaubt.

Der Abgeordnete Hamerich hat zudem nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Nachmittagssitzung verhindert ist.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen Sie mit mir gemeinsam Besucherinnen und Besucher der Gemeinschaftsschule Probstei auf unserer Besuchertribüne. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Auswirkungen des trockenen Sommers auf die Landwirtschaft Schleswig-Holsteins

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/895

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse daher zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich hiermit um Handzeichen. Gegenprobe! - Das ist damit einstimmig so beschlossen. Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Herrn Jan Philipp Albrecht, zu seiner ersten Rede hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

2666 Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 37. Sitzung - Donnerstag, 6. September 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Selten war die Landwirtschaft so oft in den Nachrichtensendungen wie in diesem Sommer, und das hat einen Grund. Die Dürre konnte jeder vor seiner eigenen Haustür nachvollziehen. Noch nie seit Kriegsende war es in Schleswig-Holstein so trocken wie in diesem Jahr. In den Monaten Mai bis Juli hatten wir nur 94 ml statt normal 202 ml Niederschläge, und das nach einem extrem nassen Herbst und Winter. So hatten wir zwei extreme Wetterereignisse hintereinander.

Die Dürre ist noch lange nicht ausgestanden. Auch wenn es in den letzten Tagen wieder geregnet hat, viele Betriebe werden noch weit bis ins nächste Jahr mit den Folgen umgehen müssen und an dem Umbau ihrer Anbauplanungen zu arbeiten haben. Insbesondere die viehhaltenden Betriebe machen sich viele Sorgen, weil das Futter knapp ist.

Auch in Schweden und Dänemark spüren die Landwirte all dies. Die Dürre war nicht nur ein regionales Problem. Fast alle Landwirte leiden unter den Dürrefolgen. Viele Betriebe haben mehr als 30 % Ertragsverluste. Unsere Schätzung von Anfang August von einem Minus über 400 Millionen € gegenüber einem Normaljahr könnte sich tatsächlich bestätigen. Das wäre für viele Landwirte und ihre Familien eine ganz bittere Konsequenz dieses Hitzesommers.

Wir können in Schleswig-Holstein von Glück sagen, dass unsere Landwirtschaft vergleichsweise gut und eigenkapitalstark aufgestellt ist. Doch auch unsere Landwirte überlegen seit Wochen fieberhaft, wie sie produktionstechnisch optimal auf die Dürre reagieren. Deshalb ist es gut, dass mein Vorgänger und auch seine Kolleginnen und Kollegen in Bund und Ländern besonnen und flexibel zugleich reagiert haben: Angefangen von der Möglichkeit, Futter auf Brachflächen zu gewinnen, bis hin zur Möglichkeit für Ökobetriebe, im Notfall und begrenzt auch konventionelle Futtermittel zuzukaufen. Schnell hat Finanzministerin Heinold die Finanzämter angewiesen, bei der Festsetzung der Vorauszahlungen flexibel zu reagieren. Viele Betriebe können so nun selbst mit den Dürrefolgen fertig werden.

Doch es gibt Betriebe, die die Dürre die Existenz kosten könnte. Hier muss klar sein: Die Landesregierung kann und will nicht tatenlos dabei zusehen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir Länder mit dem Bund ein Programm erarbeitet haben, mit dem

signifikante Hilfen für existenzgefährdete Betriebe vorgehalten werden. Wir müssen und werden jene solidarisch auffangen, die ansonsten ihren Betrieb aufgrund der Dürre praktisch schließen müssten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, klar ist allerdings auch: Wirklich unbürokratisch werden diese Hilfen nicht bereitgestellt. Nach einigem Bohren kommt in die Verhandlungen mit dem Bund gerade etwas Flexibilität. Insgesamt gehen wir aber schon davon aus, dass ein umfassendes Prüfverfahren auf uns zukommt. Wie viele Anträge wir erwarten können, lässt sich erst abschätzen, wenn Bund und Länder sich auf diese Feinheiten der Vereinbarungen geeinigt haben. Diese werden darüber entscheiden, wie viele Betriebe in Schleswig-Holstein die Kriterien für eine Existenzgefährdung erfüllen. Das Gesamtvolumen für die Bezuschussung solcher Betriebe im Bundesgebiet steht nun fest, es wird 340 Millionen € umfassen. Sobald sich die Schätzung konkretisieren lässt, wird die Landesregierung den Landtag bitten, die Mittel des Landes bereitzustellen.

Meine Damen und Herren, die diesjährige Dürre betrifft uns alle. Wir wissen: Ohne Lebensmittel haben wir ein Problem, und ohne Landwirte geht es nicht. Und wir wissen, wir können die Augen vor den teils dramatischen Klimaveränderungen nicht verschließen.

Aber in jeder Krise liegt auch eine Chance. Wir schulden es auch und gerade den nun an der Dürre leidenden Landwirten, dass diese Chance ergriffen wird und die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein eine Perspektive bekommt. Es ist gut, dass bereits lebhaft Ansatzpunkte einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft in der Branche diskutiert werden, und es ist richtig, dass wir in dieser Lage Hand in Hand mit den Landwirten, den Umwelt-, Tier- und Naturschutzverbänden, der Wissenschaft, der Forschung, den Technologieanbietern sowie auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern neue Wege gehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Dies wird auch für die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 entscheidend sein, denn wenn es gelingen soll, die Förderung der Landwirtschaft durch die EU in vergleichbarer Höhe wie bisher trotz des Brexits fortzusetzen, dann muss es uns auch gelingen, den Mehrwert einer nachhaltigen Landwirtschaft für die europäischen Steuerzahler zu begründen.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 37. Sitzung - Donnerstag, 6. September 2018 2667

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, SPD und FDP)

Die Umstellung auf neue Technologien zum gezielten Einsatz von Düngemitteln, verstärkte Maßnahmen zum Tierwohl sowie ein hohes Maß an Pflanzenvielfalt sind dabei wichtige Bausteine.

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Folgen der Dürre ernst, und es ist notwendig und richtig, Solidarität mit den notleidenden Betrieben zu üben. Gleichzeitig nehmen wir diese Krise zum Anlass für einen neuen Aufbruch in eine nachhaltige, klimaresistente und auch digitalisierte Bewirtschaftung unserer Natur, damit die Landwirte hier im Norden eine echte Zukunft haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und vereinzelt AfD)

Der Herr Minister hat die vereinbarte Redezeit weitgehend eingehalten.

(Heiterkeit)

Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass die Fraktionen keinen signifikanten Zuwachs bei den Redezeiten bekommen.

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Heiner Rickers das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Dürre hat Schleswig-Holstein ganz stark getroffen. Das haben Sie in den Medien intensiv lesen können.

In der letzten Woche fand die aus unserer Sicht so wichtige Landwirtschaftsmesse NORLA in Rendsburg statt. Es hat glücklicherweise aus allen beteiligten verantwortlichen politischen Richtungen Solidaritätsbekundungen und Unterstützung für die hier in Schleswig-Holstein tätigen Bäuerinnen und Bauern gegeben. Deshalb möchte ich mich vorweg ganz besonders beim Kabinett, vor allem bei unserem Ministerpräsidenten, für die ganz hervorragenden Worte und die zugesagte Unterstützung bedanken.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Herr Minister, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen nicht nur im Namen der CDU-Fraktion, sondern

auch im Namen meiner Kollegen hier im Landtag herzlich danke und Sie zu Ihrer ersten Rede, in der Sie Ihre Solidarität in diesem Bereich bekundet haben - und das als Landwirtschaftsminister -, beglückwünsche. Gerade wir als CDU-Fraktion erwarten dieses Thema. Ich bin Ihnen dankbar, dass wir nicht in eine Grundsatzdiskussion gekommen sind, bei der es wieder einmal darum geht, dass es die einen richtig gemacht haben und die anderen nicht.

Trocken ist nun einmal trocken. Und es hat alle Bereiche der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft hier in Schleswig-Holstein getroffen. Egal, ob Sie Biolandbau oder traditionelle Landwirtschaft betreiben oder ob Sie neue Tannenbäume gepflanzt haben. Überall dort, wo kein Regen gefallen ist, sind die Landwirte in Not. Den Betroffenen müssen wir natürlich helfen, und da machen wir uns alle gemeinsam auf den Weg. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Aus Sicht der CDU-Fraktion möchte ich deutlich sagen, dass es richtig ist, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin zunächst überlegt und sich dann selbst ein Bild von der Lage, auch hier bei uns im Norden, gemacht hat. Sie hat dabei festgestellt, dass die Forderung nach einer bundesweiten Unterstützung in Höhe von 1 Milliarde € vielleicht doch ein Stück überzogen war, und deshalb sind wir nun bei einer Gesamtsumme vom Bund geschätzt mit 370 Millionen € angekommen.

Auch die Aussage der Ministerin, dass es für die Bäuerinnen und Bauern keine Vollkaskounterstützung gibt, muss man zulassen. Sie sind Unternehmer und müssen am Ende ein Stück weit mit den Widrigkeiten des Wetters leben. Sollten es Klimaveränderungen sein, muss sich die Landwirtschaft auch darauf einzustellen. Da sind wir uns alle einig.

Auch das haben Sie richtig erwähnt: Es gibt Landstriche in Schleswig-Holstein, die Glück hatten, die eine durchschnittliche Ernte eingefahren haben, die weniger Aufwand betrieben, am Ende höhere Preise für ihre Erzeugnisse bekommen haben und die mit einem blauen Auge davongekommen sind. Diese fordern zu Recht auch keine staatliche Unterstützung. Diese dürften wir ihnen auch nicht gewähren. Das zeigt, in welchem Zwiespalt wir uns befinden; denn es gibt durchaus Regionen, in denen es statt der durchschnittlichen 133 ml in den drei wichtigsten Vegetationsmonaten Mai, Juni und Juli nur bis zu 10 ml je m2 in der Zeit des Hauptwachstums geregnet hat, und das bei extremer Verdunstung und

(Minister Jan Philipp Albrecht)

Sonneneinstrahlung. Da ist klar, dass in diesen Regionen nichts wachsen und somit die Bauern nichts ernten konnten.

Das gilt sowohl für das Getreide als auch für die Kartoffel und die Spezialkulturen. Das gilt auch ganz besonders für diejenigen, die Vieh auf der Weide haben. Wir wollen ja auch, dass die Bauern auf den leichten Böden das Vieh auf die Weide stellen, damit wir dann die Milch der Weidegraskühe haben. Für die Weidemilch - auch für die Bioweidemilch, das kennen Sie alle - ist das Grundvoraussetzung. Genau diese Leute sind doppelt gestraft, indem sie das, was wir als Gesellschaft fordern, am Ende gemacht haben und ihre Rinder jetzt nichts zu fressen haben. Denen muss natürlich geholfen werden.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Sie brauchen Viehfutter im Winter. Da müssen wir unkonventionell denken und unkonventionell helfen.

Ich bin Ihnen und natürlich auch unserem Bundesministerium dankbar, dass wir da Lösungen finden. Wir dürfen dann den Aufwuchs, der jetzt bis Oktober, November, Dezember noch wächst - wir hoffen auf einen tollen Spätsommer mit Niederschlägen, Wärme und Sonneneinstrahlung - für die Fütterung der Rinder, der Schafe und auch der Pferde nutzen. Wir sind dafür dankbar, dass wir auch die Greeningflächen und die Winterbegrünung nutzen dürfen. Fragen Sie nach, was das ist. Das ist wichtig für die Futterversorgung. Ebenso sind wir dankbar, dass wir Stroh aus anderen Regionen in die Regionen, in denen es gebraucht wird, transportieren können, sodass wir am Ende vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen.

Wer aber in die Liquiditätsfalle kommt, und das ist das Fatale an dem System, wartet jetzt auf das Geld, er wartet jetzt auf Unterstützung und auf das politische Signal. Das können wir hier aus diesem Hohen Haus senden, und wir können es senden, indem wir bestätigen, dass wir diesen Betrieben möglichst unbürokratisch helfen wollen.