Protocol of the Session on February 15, 2017

Login to download PDF

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 57. Landtagssitzung. Im Rahmen der Einführung von Gruppen in die Parlamentsarbeit ist heute der Lehrgang BI 65 der Saarländischen Verwaltungsschule unter Leitung von Herrn Franz-Josef Warken bei uns zu Gast. Seien Sie herzlich willkommen! Des Weiteren begrüße ich den Deutsch-Grundkurs des TechnischGewerblichen und Sozialpflegerischen Berufsbildungszentrums Saarlouis unter Leitung von Frau Dr. Susanne Poro. Seien auch Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall des Hauses.)

Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 57. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.

Ich weise darauf hin, dass interfraktionell vereinbart wurde, den Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr betreffend Wahl von Mitgliedern und Stellvertretern für die Vertreterversammlung der Arbeitskammer des Saarlandes, Drucksache 15/2097, als Punkt 10 in die Tagesordnung der heutigen Sitzung aufzunehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag als Punkt 10 in die Tagesordnung aufgenommen.

Zu Punkt 7 der Tagesordnung, dem Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion betreffend „Demokratie für alle - Kinder- und Jugendrechte stärken“, Drucksache 15/2094 - hat die PIRATENLandtagsfraktion mit der Drucksache 15/2098 den Antrag betreffend „Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen stärken“ eingebracht. Wer dafür ist, dass der Antrag Drucksache 15/2098 als Punkt 11 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke. Gegenprobe - Enthaltungen? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 15/2098 als Punkt 11 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 7 beraten wird.

Bevor ich Herrn Minister Stephan Toscani das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung erteile, begrüße ich ganz herzlich Wegbereiter und Unterstützer der deutsch-französischen Freundschaft, stellvertretend für alle die französische Generalkonsulin Catherine Robinet. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall des Hauses.)

Ich erteile nun Herrn Minister Toscani das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung zum Thema

„Engagement für Europa - Die Chancen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit umsetzen“.

Herr Präsident! Frau Generalkonsulin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir arbeiten gemeinsam, wir feiern gemeinsam, wir verstehen die Sprache unserer Nachbarn, die Polizei arbeitet eng zusammen. Im Alltag gibt es keine Grenzen. Europa wächst immer stärker zusammen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das war einmal.)

Sie glauben das nicht? Überall ist die Rede davon, was in Europa alles nicht funktioniert. Meine Damen und Herren, hier bei uns im Saarland funktioniert Europa.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Unsere Geschichte, unsere Grenzlage, unser Lebensstil, all das macht unser Land einzigartig. In unserer Grenzregion erleben wir täglich die Vorteile

von Verständigung und Zusammenarbeit. Wir sind das Bundesland mit der höchsten Europakompetenz.

Wir sind eine europäische Modellregion. Unser Herz schlägt für Deutschland, unser Herz schlägt aber auch für Frankreich, für SaarLorLux und für Europa. Das ist unser Markenzeichen. Das macht uns als Saarländer aus.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

„Autrefois la frontière séparait Français et Allemands. Aujourd’hui elle nous relie les uns aux autres. En tant que région frontalière nous étions et nous sommes à tout moment une jonction entre nos peuples. Les régions frontalières sont les jonctions de l’Europe.“

Grenzregionen sind wie Nahtstellen, sie sind gleichsam „Europa im Kleinen“. Deshalb haben wir als Grenzregionen eine besondere Verantwortung für Europa. Diese Verantwortung für Europa ist in unserer saarländischen Verfassung verankert. Wir nehmen diese europäische Rolle, diese Verantwortung für Europa, als Saarland in besonderer Weise und besonders engagiert wahr. Saarländische Ministerpräsidenten waren oft Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit.

Als Oskar Lafontaine das Amt innehatte, wurden die AbiBac-Schulen eingeführt. Heute gibt es in Deutschland und Frankreich 160 AbiBac-Schulen. Sie sind mittlerweile Kern deutsch-französischer Bildungsarbeit. Peter Müller hat in seiner Amtszeit das Deutsch-Französische Geschichtsbuch aus der Taufe gehoben. Ministerpräsidentin Annegret KrampKarrenbauer hat Weichen im Bereich der beruflichen Bildung gestellt. Mit gemeinsamen deutsch-französischen Ausbildungszweigen an Lycées professionnels und unseren Berufsschulen haben junge Deutsche und junge Franzosen nun die Chance, während ihrer gesamten Bildungsbiografie auf grenzüberschreitende Angebote zurückzugreifen.

In ihrer Amtszeit als Kulturbevollmächtigte wurde das Netzwerk der Elysée-Kitas immer engmaschiger. Inzwischen sind 60 Einrichtungen im Saarland aktiv beteiligt. Damit sind wir bundesweit Spitze, meine Damen und Herren. Unsere Ministerpräsidentin hat damit wichtige Beiträge zur Verbesserung der deutsch-französischen Zusammenarbeit geleistet.

(Beifall von der CDU.)

Nicht nur die Ministerpräsidenten, auch die Landespolitik insgesamt war immer Schrittmacher der deutsch-französischen Freundschaft. „La Sarre, c’est la région la plus francophone et francophile de toute l’Allemagne. Nous vivons dans un berceau franco-allemand. Nous nous considérons comme un trait d’union entre la France et l’Allemagne”.

(Präsident Meiser)

Das Saarland als Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich, ja Verbindung in ganz vielerlei Hinsicht, zum Beispiel im Bereich der Verkehrsverbindungen. Wir haben die überregionale Schienenschnellverkehrsverbindung, den ICE, den TGV von und nach Paris, wir haben aber auch im Bereich des regionalen Verkehrs Verbindung. Mit der Saarbahn und hatten wir die erste grenzüberschreitende Straßenbahn überhaupt zwischen Deutschland und Frankreich.

Alle wichtigen deutsch-französischen binationalen Einrichtungen haben ihren Sitz im Saarland: die Deutsch-Französische Hochschule, das Sekretariat für den Austausch in der beruflichen Bildung, der Deutsch-Französische Kulturrat. Und wir haben im Saarland auch einen Nebensitz des Deutsch-Französischen Jugendwerks.

Unsere Hochschulen, die heute Morgen mit ihrer Vizepräsidentin auch hier vertreten sind, haben eine starke französische Ausrichtung. Ganz viele private Organisationen kümmern sich und engagieren sich für die deutsch-französischen Beziehungen im Saarland, Stichwort Städtepartnerschaft. Jede saarländische Gemeinde hat mindestens eine französische Partnergemeinde. Im Schnitt sind es sogar drei. Damit sind wir bundesweit an der Spitze.

Stichwort Wirtschaft. Für die saarländische Wirtschaft ist Frankreich ein wichtiger Exportmarkt. Umgekehrt ist Frankreich unser wichtigstes Importland aus saarländischer Sicht. Viele französische Unternehmen haben Niederlassungen hier, viele saarländische Unternehmen haben Niederlassungen in Frankreich. Stichwort Flughafen Saarbrücken-Ensheim. Wussten Sie, dass ein Viertel aller Passagiere unseres Flughafens aus Frankreich kommt? Stichwort Einzelhandel Landeshauptstadt Saarbrücken. Rund ein Drittel der Kunden des Einzelhandels unserer Landeshauptstadt kommen aus Frankreich. Unsere Landesbank ist die SaarLB. Sie bezeichnet sich selber als deutsch-französische Regionalbank. Sie macht 40 Prozent ihres Umsatzes mit dem Frankreich-Geschäft.

Sei es Wirtschaft, sei es Kultur, sei es Politik, wir als Saarland sind eine Drehscheibe zwischen Deutschland und Frankreich. Folgerichtig hat die Große Koalition eine besondere Initiative gestartet, die Frankreichstrategie. Wir wollen mit der Frankreichstrategie das Saarland zum ersten mehrsprachigen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland machen. Wir wollen, dass in einer Generation Französisch als Verkehrssprache neben die Mutter- und Amtssprache Deutsch tritt. Französisch tritt in der Schule jedoch nicht an die Stelle von Englisch. Denn wir wollen, dass unsere saarländischen Kinder und Jugendlichen einen Pluspunkt haben, dass sie neben Englisch auch Französisch als besondere Kompetenz haben. Dass die Mehrsprachigkeit funktioniert, be

weisen ja unsere Nachbarn zum Beispiel in Luxemburg oder unsere Freude im Elsass. Mehr Sprachen, mehr Chancen, das ist die Devise der Frankreichstrategie.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen mit dieser Frankreichstrategie außerdem die Rolle unseres Bundeslandes als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich weiter stärken und ausbauen. Und wir wollen damit auch im Großen, im bilateralen Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, einen Beitrag zur Stärkung dieser bilateralen Beziehungen leisten. Die Vision, das langfristige Leitbild ist das eine. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, diese Vision umzusetzen, sie konkret zu machen in Projekten. Das ist die „Feuille de Route“. Wir haben eine „Feuille de Route“ aufgesetzt, in der wir für die Jahre 2015 und 2016 konkrete Projekte beschrieben haben.

Wir können heute mit Stolz sagen, dass wir all diese Projekte, die in der ersten „Feuille de Route“ beschrieben waren, in die Tat umgesetzt haben. Das war nur möglich, weil alle Ressorts der Landesregierung an einem Strang gezogen haben. Die Frankreichstrategie ist ein Projekt der Großen Koalition. Sie funktioniert auch deshalb gut, weil alle Ressorts, weil alle Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung an einem Strang ziehen. Deshalb möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett ganz herzlich dafür bedanken.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir haben weitere Projekte aufgelegt mit der zweiten „Feuille de Route“ für die Jahre 2017 bis 2019. Da geht es vor allem um die Bereiche Umwelt, Gesundheit und Sport. Ich nenne einige Beispiele. Wir haben vor Kurzem ein Büro des Saarlandes in Paris eröffnet. Morgen besichtigen die Mitglieder des Europaausschusses dieses Büro, machen einen Besuch vor Ort. Es geht darum, dass dieses Büro Schaufenster für unser Land, für das Saarland, im Herzen der französischen Hauptstadt wird. Es geht aber auch darum, einen Ort der Begegnung zu haben für und mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Kultur von der französischen Seite.

Stichwort Hochschulen. Vor Kurzem ist an unserer Universität mit großem Erfolg ein Studiengang für das Grundschullehramt gestartet. Er hat auch einen Schwerpunkt im Bereich der Französisch-Ausbildung. Mittlerweile bewerben sich sehr viele junge Menschen nicht nur aus dem Saarland, sondern aus ganz Deutschland an unserer Universität für diesen Studiengang. Ab dem Wintersemester 2018/19 besteht die Absicht, diesen Studiengang weiter auszubauen. Es soll sozusagen ein trinationaler Studiengang werden, ein Studiengang, wo Absolventen dann die Zulassungsvoraussetzungen für Lehramt

(Minister Toscani)

stätigkeiten in Deutschland, in Frankreich und in Luxemburg bekommen.

Beispiel Gesundheit. Unsere SHG-Kliniken in Völklingen arbeiten mittlerweile ganz eng mit dem Krankenhaus in Forbach zusammen. Fortschritte gibt und gab es auch beim Eurodistrict SaarMoselle.

Ein weiteres Beispiel ist die Justiz. Vor einiger Zeit hat sich die Französische Anwaltskammer, die Pariser Anwaltskammer, im Saarland gemeldet. Sie wollten und wollen die Zusammenarbeit, den Austausch von Referendaren und jungen Anwälten fördern und suchten dafür Partner in Deutschland. Sie haben sich nicht nach Berlin, nicht nach Hamburg und nicht nach München gewandt, sondern sie haben sich an die Saarländische Anwaltskammer gewandt. Dankenswerterweise und mit der Unterstützung des saarländischen Justizministers ist es gelungen, jetzt eine Rahmenvereinbarung abzuschließen, dass saarländische Anwälte, saarländische Referendare einen Austausch machen mit der Anwaltskammer Paris. Auch das ist ein konkretes Beispiel dafür, dass die Frankreichstrategie funktioniert, dass wir Schritt für Schritt, Projekt für Projekt dabei vorankommen, unsere Beziehungen weiter zu festigen und das Saarland als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich weiter auszubauen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir haben von Anfang an gesagt, das ist nicht nur ein Projekt der Landesregierung. Es kann nicht sein, dass wir heute ein Konzept machen und es morgen beschließen, sondern es ist bei einer solch langfristigen Strategie wichtig, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Deshalb haben wir die Akteure aus Kommunen, aus Hochschulen, aus Wirtschaft und Kultur und Zivilgesellschaft insgesamt in den Dialog eingebunden. Es gab ein Jahr Vorlaufzeit, in dem es einen breiten Dialog mit allen Teilen unserer saarländischen Gesellschaft gab. Da wurden Verbesserungsvorschläge gemacht, da gab es Kritik, da haben wir angepasst und erst dann haben wir sozusagen die finale Version der Frankreichstrategie im Kabinett verabschiedet.

Es gab vor einiger Zeit eine Umfrage - ich glaube, es war eine Umfrage des Saarländischen Rundfunks -, da haben 70 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer gesagt, dass sie die Frankreichstrategie unterstützen. Dieser hohe Zustimmungswert, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis der breiten Diskussion, des breiten gesellschaftlichen Dialoges im Vorfeld der Verabschiedung dieser Strategie. Und diese Umfrage dokumentiert: Die Saarländerinnen und Saarländer halten in ihrer Mehrheit den Weg unseres Landes für richtig.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Landesregierung, die Ministerpräsidentin und das Kabinett, leistet ihren Teil. Aber Durchschlagskraft, richtig Wirkung bekommt dieses Projekt, weil viele aus der Zivilgesellschaft des Saarlandes, viele Vereine und Verbände, weil viele Einzelne - einige sind ja heute Morgen auch zu Gast in diesem Hause - mitmachen. Denn das ist ein großes Gemeinschaftsprojekt von Vereinen, Verbänden, Akteuren aus Kommunen, aus der Wirtschaft zusammen mit der Landesregierung. Deshalb möchte ich im Namen der Landesregierung diesen Vereinen und Verbänden, diesen vielen Einzelnen ganz herzlich für ihr Engagement bei der Frankreichstrategie danken.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wie heißt das bekannteste Dorf der Welt? - Ich glaube, es ist Schengen, der Nachbarort aus saarländischer Sicht, direkt neben Perl gelegen. Wir haben seit vielen Jahren und Jahrzehnten gute, traditionelle und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren luxemburgischen Nachbarn. Es gibt regelmäßige Konsultationen mit dem Premierminister und mit dem Luxemburger Kabinett. All das schafft eine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mit dem Schengen-Lyzeum gibt es ein einzigartiges Schulprojekt zwischen dem Saarland auf der einen Seite und Luxemburg auf der anderen Seite.

Als der Bundespräsident vor zwei Jahren auf Auslandsbesuch in Luxemburg war, hat das zu einer protokollarisch kuriosen Situation geführt. Der Bundespräsident war auf Auslandsbesuch und sein luxemburgischer Gastgeber, der Großherzog, hat ihm vorgeschlagen, das Schengen-Lyzeum im Saarland zu besichtigen. So kam es dann dazu, dass der deutsche Bundespräsident im Rahmen einer Auslandsreise eine Station in seinem eigenen Heimatland gemacht hat auf Einladung seiner ausländischen Gastgeber. Dieses Beispiel zeigt, wie eng und wie vertieft die Kooperation auch mit unserem Nachbarn Luxemburg läuft.

Luxemburg war immer und bleibt ein Motor der Großregion. Letzte Woche war die Kollegin Corinne Cahen, Ministerin für die Großregion aus Luxemburg, zu Gast und hat bei uns im Saarland das Programm der Luxemburger Präsidentschaft, des Gipfel-Vorsitzes für die Großregion, vorgestellt. Ich finde es toll, dass die Luxemburger sich auf die Fahnen geschrieben haben, das Thema Bürgernähe in der Großregion weiter voranzutreiben. Luxemburg war und ist ein wichtiger, ein zentraler Partner in der Entwicklung der Großregion SaarLorLux.

Und Luxemburg hat natürlich auch eine einzigartige Chance. Nicht nur als Partner einer grenzüberschreitenden und regionalen Zusammenarbeit ist Luxemburg wichtig, sondern Luxemburg hat die Chance, als Nationalstaat, als Mitgliedsstaat der Europäischen Union vieles von dem, was wir in der