Gregor Gysi

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Last Statements

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Lindner! Zunächst einmal ist es so, dass es gar nicht die Aufgabe von
Herrn Liebich ist, die Auffassung des Senats wiederzugeben. Das kann er auch gar nicht, weil er gar nicht Mitglied des Senats ist. Und es ist auch nicht die Aufgabe des Senats, Äußerungen von Vorsitzenden der Berliner Parteien zu interpretieren oder zu kommentieren. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass das Zitat – wenn auch in prononcierter Form – einen Tatbestand beschreibt, der im vereinigten Berlin, das nunmehr deutsche Bundeshauptstadt ist, anders zu beurteilen ist als im geteilten Berlin.
Hinzu kommt im konkreten Fall, dass es sich beim BerlinBesuch von Präsident Bush nicht um einen Staatsbesuch im technischen Sinne gehandelt hat, in dem die Hauptstadt ein protokollarisches Besuchselement ist, sondern um einen Arbeitsbesuch beim Bund. Waren während der Teilung Berlins in Berlin-West die Besuche von hochrangigen Repräsentanten der Schutzmachtstaaten Ausdruck der alliierten Garantien für Berlin, die in der Regel in Gegenwart des gesamten Senats von Berlin bekräftigt wurden, so ist es in der Tat bei bilateralen Arbeitsbesuchen nicht erforderlich und auch nicht üblich, dass die gesamte Landesregierung Präsenz zeigt.
Der Senat vermag daher – sieht man von der getroffenen Wortwahl einmal ab – keine grundsätzlichen Unterschiede zu seiner insoweit einschlägigen Auffassung zu erkennen. Im Übrigen hat noch kein Senat – nicht einmal der unter Führung der CDU – für sich in Anspruch genommen, eine Habacht-Stellung einzunehmen, weil eine solche als undemokratisch gilt.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, inwieweit die von Ihnen fehlerhaft unterstellte Arbeitsteilung die Glaubwürdigkeit des Regierenden Bürgermeisters als Gastgeber – was er im konkreten Fall des Besuchs von Präsident Bush gerade nicht war – berühren soll. Gemäß Artikel 58 Absatz 1 der Verfassung von Berlin vertritt der Regierende Bürgermeister Berlin nach außen und wird dementsprechend in den Außenbeziehungen auch als Repräsentant Berlins wahrgenommen. Entsprechend der international üblichen Praxis wird die protokollarische Wahrnehmung internationaler Besuche auf Landesebene in Berlin im Rahmen des Besuchsprotokolls festgelegt. Die Beteiligung einzelner Senatsmitglieder richtet sich dabei nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Im Übrigen ist die Tätigkeit eines jeden Senatsmitglieds an den Richtlinien der Regierungspolitik und an der Koalitionsvereinbarung zu messen, so dass für spekulative Betrachtungen keinerlei Grundlage gegeben ist.
Nein, diese Auffassung teilt der Senat nicht, wenngleich der Senat weiß, dass die Regierung der USA auch Krieg und militärische Mittel nicht ausschließt, weder von seiner Strategie her noch tatsächlich. Das wird allerdings unterschiedlich kritisch gesehen, sowohl in der Bevölkerung als auch im Senat.
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Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Worte von Herrn Liebich so zu verstehen sind.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die Formulierung ist von der Senatorin selbst als unglücklich verstanden worden, weil das, was sie meinte – dass die amerikanische Politik Krieg nicht ausschließe und sie sich dagegen kritisch wende –, so nicht zum Ausdruck kam. Deshalb habe ich auch sagen können, dass das nicht die Auffassung des Senats ist, sie eingeschlossen. Die Senatorin hat die Äußerung auch im Protokoll entsprechend korrigiert, so dass in der schriftlichen Aussage jetzt ihre eigentliche Stellungnahme enthalten ist. Dazu bedurfte es aber keiner weiteren Aussprache im Senat – auch keiner kritischen –, weil sie die Korrektur von sich aus vorgenommen hat.
Herr Präsident! Herr Gaebler! Es ist nicht die Aufgabe des Berliner Senats und auch nicht meine, das Verhalten des französischen Präsidenten im Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten zu beurteilen. Aber – insofern möchte ich doch antworten – es ist unter demokratisch gewählten Präsidenten, Staatsoberhäuptern und Regierungschefs eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich auch kritisch zueinander verhält. Demokratisch gewählte Repräsentanten wissen, dass sie immer nur von einem Teil der Bevölkerung gewählt wurden und von einem anderen nicht. Sie müssen sich täglich damit auseinander setzen, dass ihre Tätigkeit auch kritisiert werden darf. Das ist der Unterschied zu einer Diktatur. Im Übrigen erleben demokratisch gewählte Repräsentanten gelegentlich – beispielsweise in Berlin –, dass sie selbst von denen kritisiert werden, von denen sie gewählt wurden. Das alles gehört zu demokratischen Gepflogenheiten. Deshalb gehört zu guten internationalen Beziehungen, dass man sich auch offen und kritisch sagt, wenn einem an der Politik eines anderen Staates etwas nicht gefällt.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Zunächst fällt das in die Zuständigkeit des Senators für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Darüber hinaus habe ich aber von dem Kulturverein gestern ein Schreiben mit diesem Inhalt bekommen und werde mich unabhängig von Zuständigkeitsfragen auch im Rahmen der Gesamtverantwortung eines Bürgermeisters in den nächsten Tagen dieser Frage widmen, in der Hoffnung, dass wir mit den Parlamentariern im Hauptausschuss, aber auch mit dem Senator dafür eine Lösung finden. Der Betrag ist nicht so erheblich, dass es mir ausgeschlossen scheint, eine Lösung zu finden. Wir haben schwierigere Probleme, aber ich bin natürlich dafür, dass dieser Verein seine Tätigkeit fortsetzen kann.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Dann hätten Sie mich auch nach den Arbeitsförderinstrumenten fragen können. Sie haben mich aber ausdrücklich nach der Miete gefragt und damit nach einer institutionellen Finanzierung, für die ich logischerweise nicht zuständig bin – unabhängig davon, dass ich mich darum bemühe. Was Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in diesem Bereich betrifft, so sind wir gegenwärtig dabei, das zu
prüfen. Das hat auch mit der Haushaltsberatung nichts zu tun, sondern eher damit, dass bestimmte Maßnahmen, wie Sie wissen, nach einer bestimmten Zeit auslaufen, unter bestimmten Bedingungen nicht so ohne weiteres wieder fortgesetzt werden dürfen. Aber auch dort sind wir selbstverständlich bemüht, eine Lösung zu finden. Ich kenne diese Problematik, ich kenne sie auch von anderen Einrichtungen, die wichtig sind, wo immer dann eine Schwierigkeit entsteht, wenn mittels Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder auch mittels SAM die Einrichtungen sich faktisch daran gewöhnen, über diese Strecke gefördert zu werden und leider die Gesetzgebung, auch seitens der Bundesanstalt, also die entsprechenden Richtlinien, immer nur eine vorübergehende Förderung vorsehen, immer in der Absicht, dass dann diese Institutionen selbst Wege finden, um in finanzieller Hinsicht lebensfähig zu werden. Und da gibt es dann auch gelegentlich Konflikte. Sie wissen ja, dass meine Verwaltung darüber nicht entscheidet, sondern letztlich das Landesarbeitsamt nach den Richtlinien der Bundesanstalt und auch den entsprechenden Gesetzen. Aber wir sind mit ihm in Verhandlung, um auch diesbezüglich zu helfen, dass die Tätigkeit fortgesetzt werden kann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen des Berliner Senats will ich anlässlich dieser Debatte darauf hinweisen, dass der Senat in tiefer Verbundenheit nach wie vor wie in allen Zeiten zur Jüdischen Gemeinde von Berlin und zu allen Menschen jüdischen Glaubens in Berlin steht – auch zu allen Gästen jüdischen Glaubens in Berlin. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Senat alles in seiner Kraft Stehende tun wird, um jede Form von Antisemitismus in dieser Stadt zu unterbinden. Wir werden auch in Zukunft alles, was in unseren Kräften steht, tun, um jüdische Einrichtungen, Synagogen, Friedhöfe und Jüdinnen und Juden in unserer Stadt zu schützen, und dafür sorgen, dass sie für alle Zeit in der deutschen Hauptstadt friedlich mit allen anderen Bürgerinnen und Bürgern zusammenleben können.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wir betrachten die Ansiedlung dieser Business-School in Berlin als einen großen wirtschaftspolitischen Erfolg. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass auch andere Bundesländer sehr daran interessiert waren, diese Business-School anzusiedeln. Dass die Entscheidung letztlich zugunsten Berlins gefallen ist, ist für den Wirtschaftsstandort Berlin wichtig, denn es ist eine BusinessSchool, die führende Manager im Wirtschaftsbereich ausbilden soll.
Sie wird international sein, womit ich zu einer zweiten Seite komme. Bisher ist das in den Medien noch nicht berücksichtigt worden. Es sollen nämlich auch viele Personen aus Mittel- und Osteuropa an dieser Business School ausgebildet werden. Dort überall – so behaupte ich einmal – entstehen damit in den Führungsetagen der Wirtschaft Botschafterinnen und Botschafter Berlins. Sie wissen, welche Verbindungen man zu einer Stadt hat, wenn man in einer Stadt studiert hat und dort ausgebildet worden ist, und wie wichtig das ist. Das hat später große Bedeutung, wenn dann die jungen Leute in die Führungsetagen von Wirtschaftsunternehmen in Ost- und Mitteleuropa und selbstverständlich auch in Westeuropa aufgestiegen sind und sich an ihre
hoffentlich schöne Zeit in Berlin erinnern. Das hat für politische, wirtschaftliche und kulturelle Kontakte eine große Bedeutung. Deshalb ist diese Ansiedlung sehr wichtig. Es war auch nicht ganz leicht, sie zu erreichen. Ich denke, wir sind hier fair übereingekommen.
Wirtschaftspolitisch ist das auch ein Signal, dass in Berlin, in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, Führungskräfte der Wirtschaft ausgebildet werden. Das hinterlässt den nicht falschen Eindruck, dass es wirtschaftlich mit Berlin in der Zukunft aufwärts gehen kann – wie ich zumindest hoffe und wie ich hoffe, dass wir das alle hoffen.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es läuft nach wie vor ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Bezug auf Herlitz. Sie wissen, dass der entsprechende Antrag am 3. April 2002 gestellt worden ist. Der Senat von Berlin verfolgt hier – wie auch in anderen Fällen – folgende Ziele: Auf der einen Seite werden wir immer bemüht sein, Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, die Hilfe anzubieten, die uns möglich ist, um vorhandene Arbeitsplätze zu sichern und damit auch dem Unternehmen eine Zukunft zu geben. Auf der anderen Seite sind wir aber nicht gewillt, völlig ungeprüft und in unbegrenzter Höhe finanzielle Mittel oder Risikoabsicherungen bereitzustellen bzw. vorzunehmen, wenn es eigentlich keine ausreichende Sicherung für ein Sanierungskonzept gibt oder wenn es darum geht, private Verantwortung einfach auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abzuwälzen.
Das heißt, wir sind hier immer in einem bestimmten Spannungsfeld, weil Belegschaften an uns bestimmte Erwartungen stellen, die ich sehr gut nachvollziehen kann; auf der anderen Seite haben wir aber auch eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern, wie wir mit ihrem Geld umgehen, wenn wir bestimmte Bürgschaften eingehen oder bestimmte Hilfen gewähren. Es muss dann wenigstens gesichert sein, dass daraus zukunftsträchtige Arbeitsplätze werden. Wir können kein Geld ausgeben für eine Verschiebung einer dann doch noch eintretenden Insolvenz. Damit haben wir zwar auf der einen Seite die Arbeitsplätze nicht gefährdet, aber auf der anderen Seite das Geld der Berlinerinnen und Berliner „sinnlos“ ausgegeben und verwendet. Das geht nicht! Sie kennen die Gespräche, die es schon seit Februar in dieser Hinsicht gegeben hat, auch die Auseinandersetzungen mit dem Bankenkonsortium zur Frage: Wie weiter umgehen mit Herlitz?
Ich weise in diesem Zusammenhang noch auf zwei Dinge hin: Die Banken sind bei Herlitz zu 65 % selbst Eigentümer. Es ging um die Frage, ob sie für ihr Unternehmen die Kreditlinie fortsetzten – die sie übrigens schon im letzten Jahr beschlossen hatten – oder ob sie sie nicht fortsetzten. In diesem Zusammenhang erwartete eine der elf Banken, dass die Länder Berlin und Brandenburg 80 % des Risikos der neuen Kreditlinie übernehmen. Das haben wir in dieser Form abgelehnt, indem wir gesagt haben: Wenn die wesentlichen Eigentümer des Unternehmens nur zu 20 % an ihr eigenes Konzept glauben, dann ist es nicht gerechtfertigt, dass die Berlinerinnen und Berliner und die Brandenburgerinnen und Brandenburger zu 80 % die Haftung übernehmen. Wir waren bereit, 80 % der Hälfte der Kreditlinie zu verbürgen, aber nicht 80 % der gesamten Kreditlinie. – Ich glaube, dass diese Entscheidung – auch politisch und ökonomisch – richtig war. – Daraufhin kam es zur Insolvenz, die übrigens die anderen Banken nicht wollten. Es gab dann auch einen Wechsel in der Führerschaft des Bankenkonsortiums.
Nun haben wir zwei Ziele. Die Insolvenz soll genutzt werden, um die tragfähigen Teile des Unternehmens – das sind insbesondere diejenigen, die mit Schreibwarenherstellung zu tun haben – zu sanieren und zukunftsfähig zu machen und damit auch den Hauptteil der Arbeitsplätze. Gleichzeitig soll die Insolvenz genutzt werden, um sich von anderen Teilen des Unternehmens – insbesondere vom Immobiliengeschäft – zu trennen und das Unternehmen zu entschulden. Dann würden wir unsere Hilfe
nicht für unsichere Arbeitsplätze gewähren, sondern für zukunftsträchtige und damit auch für sichere Arbeitsplätze.
Damit das überhaupt gelingen kann, war nunmehr ein Massekredit der Banken erforderlich. Das sah am Anfang so aus, als ob es ganz unproblematisch werden würde; aber nun gab es einen Dreh bei den Banken, dass vor allen Dingen jene Bank, die die Insolvenz eigentlich nicht wollte, nicht ohne weiteres bereit war, den Massekredit mitzugewähren. Der Insolvenzverwalter, Herr Leonhardt, war bezüglich des Massekredits sehr aktiv. Letztlich waren auch die Banken kooperativ, die dann am Dienstag in diesem Hause noch einmal miteinander getagt haben, um dieses Problem zu lösen. Meine Verwaltung hat es die ganze Zeit über begleitet, auch ich persönlich. Nach vielfältigen Bemühungen wurde gestern um 16.30 Uhr der Vertrag über den Massekredit unterschrieben. Damit ist die Finanzierung des Unternehmens für die nächsten Monate gesichert.
Genau diesen Weg ist Herlitz leider gegangen und deshalb in der heutigen Situation. Aber – wie gesagt – hinsichtlich des Hauptteils der Arbeitsplätze sind wir optimistisch und damit auch hinsichtlich des Kernbereichs des Unternehmens.
Zurzeit ist es so, dass die Banken zu 65 % Eigentümer sind. Dadurch bestimmen sie letztlich auch, wer dort im Vorstand sitzt. Ich glaube, dass man den gegenwärtig dort tätigen Vorstandsmitgliedern nicht den Hauptvorwurf machen kann, sondern diese Fehler, mit denen das Unternehmen konfrontiert ist
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und die zu dieser Lage geführt haben, wurden zu viel früherer Zeit gemacht, auch durch Personen – ich sage das hier so offen –, die den Namen Herlitz tragen, nicht die ganz Alten, sondern die vierte und fünfte Generation. Die haben das Unternehmen dann noch rechtzeitig verlassen. Es geht ihnen heute ziemlich gut, dafür geht es dem Unternehmen ziemlich schlecht. Das ist auch eine Realität, mit der wir es öfter zu tun haben. Danach hat es durchaus weitere Fehlentscheidungen gegeben.
Das Ziel der Konsolidierung des Kerngeschäfts besteht u. a. auch darin, dass wir einen Investor für dieses Kerngeschäft finden, um wiederum die Banken aus der Rolle herauszuholen, in der sie sich jetzt befinden und die eigentlich nicht ihre angestammte Rolle ist, nämlich ein Unternehmen dieser Art faktisch zu leiten. Das setzt natürlich das Finden eines Investors voraus, der bereit ist, dieses Kerngeschäft zu übernehmen. Aber daran sind die Banken selber interessiert, weil sie auch wissen, dass sie gegenwärtig eine Rolle spielen, die nicht zu ihrer Aufgabenstruktur gehört. Dabei helfen wir, auch der Insolvenzverwalter, auch der Betriebsrat, auch der Vorstand. Wir arbeiten mit allen zusammen. Die entscheidenden Fehler, die zur Situation des Unternehmens geführt haben, sind nicht von den heutigen Mitgliedern des Vorstandes begangen worden, sondern von Vorgängerinnen und Vorgängern. Ansonsten kann ich sie nicht einzeln beurteilen, weil es nicht Angelegenheit des Staates ist, das zu beurteilen.
Legen Sie mich jetzt nicht genau auf die Prozentzahl fest, aber ich glaube, sie ist im Bankenkonsortium zu etwa 13 % beteiligt. Das sind nicht 13 % von Herlitz, sondern 13 % von den 65 %, die den Banken gehören. Sie ist eine der elf Banken, das ist richtig. Es kann durchaus sein, dass auf einige Forderungen der Banken gegen Herlitz im Zuge des Insolvenzverfahrens verzichtet werden muss, um eine Gesundung des Unternehmens, eine Entschuldung des Unternehmens hinzubekommen und einen Investor zu finden, der das Kerngeschäft des Unternehmens übernimmt. Das würde dann alle elf Banken treffen, in diesem Zusammenhang auch die Bankgesellschaft Berlin, wobei sich heute noch nicht sagen lässt, in welchem Umfang auf Forderungen verzichtet werden müsste. Aber letztlich geht es dabei um Beträge, die in Anbetracht dessen, was wir hier beim letzten Mal beschlossen haben, nicht wirklich, aber fast zu vernachlässigen wären. Das ist damit eindeutig abgesichert.
Herr Abgeordneter! Das kann und das will ich heute
noch nicht abschließend und schon gar nicht öffentlich beantworten, denn wenn ich jetzt bestimmte Zusagen machte – abgesehen davon, dass ich die mit bestimmten Senatsverwaltungen abstimmen müsste –, dann können Sie als gesetzt betrachten, dass wir diesbezüglich auch in die Pflicht genommen werden. Jetzt warte ich erst einmal ab, welches Konsolidierungskonzept entwickelt wird. Jetzt warten wir ab, ob ein Investor gefunden wird. Dann wird nach den generell gültigen Maßstäben, die in Berlin herrschen, darüber entschieden, ob, in welchem Umfang und zu welchem Zweck es bestimmte Hilfen geben kann. Ich nenne ein Beispiel: Wir bekommen auch von Herlitz Geld, nämlich für ein Erbbaupachtgrundstück. Auch wir sind in gewisser Hinsicht Gläubiger, haben bisher unsere diesbezüglichen Einnahmen realisiert, sind natürlich auch daran interessiert, diese künftig weiter realisieren zu können. Insofern sind wir ein bisschen betroffen von der ganzen Angelegenheit. Aber ich werde jetzt nicht sagen, wozu wir dann als Gläubiger in diesem Zusammenhang bereit sind, und im Vergleich zu allen anderen Gläubigern vorpreschen. Das wäre der falsche Weg.
Ich muss Sie insofern enttäuschen, Herr Abgeordneter, als ich weniger an einzelne Personen gedacht hatte, sondern mehr an bestimmte Unternehmensentscheidungen. Dass es ausreichend Beispiele einzelner Personen gibt, will ich nicht bestreiten. Ich werde jetzt aber in meiner Position nicht Einzelne bewerten. Das steht mir auch nicht zu. Das kann ich letztlich nicht wirklich beurteilen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal steht fest, dass sich die Tourismusbranche in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt hat. Da das so ist, kann das hier kein Senator für sich in Anspruch nehmen. Daran haben sehr viele mitgewirkt, auch meine Vorgängerin, auch mein Vorgänger, Herr Branoner, d. h. auch die große Koalition. Es ist überhaupt nicht zu leugnen.
Die Entwicklung hatte einen sehr positiven Höhepunkt im Jahr 2000. Im Jahr 2000 hatten wir immerhin über 5 Millionen Gäste in der Stadt und 11,4 Millionen Übernachtungen. Und das sind nur die offiziellen in Hotels. Es kommen die Tagesreisen dazu. Es kommen die vielen, etwa 28 Millionen Besucherinnen und Besucher dazu, die bei Freundinnen und Freunden, Verwandten, Bekannten usw. übernachtet haben. Das heißt, Berlin ist attraktiv für Reisende aus der ganzen Welt geworden.
Allerdings hat man sich in der Vergangenheit zu wenig mit der Frage beschäftigt, welche Veränderungen in der Stadt stattfinden, die auch Auswirkungen auf den Tourismus haben werden. Solange die Mauer in dieser Stadt stand, hatten wir überwiegend das, was man einen Polittourismus nennt, d. h. es war für für viele politisch wichtig, einmal in den Ost- oder den Westteil zu reisen. Natürlich kamen die Kulturstätten hinzu, die ein Interesse auslösten. Wir haben uns zu wenig Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet, wenn wir diese Art negativen politischen Stellenwert verlieren und deshalb aus anderen Gründen für Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt interessant werden müssen. Es gibt immer noch viele, die nach Berlin kommen, weil sie die Veränderungen sehen wollen, weil sie sehen wollen, was aus einer Stadt wird, die sie einmal gespalten erlebt haben, wie sie sich jetzt architektonisch, vom Leben her verändert, wenn sie sich vereint. Dieses spezifische Interesse wird auf Dauer nicht halten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass der Touristenstrom aus anderen Gründen nicht abbricht, sondern im Gegenteil zunimmt, aus wirtschaftlichen, aber auch aus vielen anderen Gründen.
Deshalb ist es auch hochinteressant, in einem negativen Sinne zu verfolgen, wie schnell durch ein einzelnes Ereignis ein ganzer Bereich enorm getroffen werden kann. Sie kennen alle die Fakten des schrecklichen Ereignisses vom 11. September des vergangenen Jahres. Damit war verbunden, dass z. B. die Zahl
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ausländischer Reisender nach Berlin sofort um 10 % gesunken ist, was einen erheblichen Anteil ausmacht, weil die Bereitschaft zu fliegen sehr viel geringer wurde, gerade aus den USA, aber auch aus vielen anderen Ländern. Der Umsatz bei der Lufthansa ging um 30 % zurück, was übrigens dazu führte, dass sie gleich ihre Beteiligung an der Tourismusmesse in Berlin abgesagt hat. Wie sich herausstellte, war das ein großer Fehler, denn der internationale Besuch war groß, und die Lufthansa hätte dort interessante Geschäfte machen können.
Ich sage das nur deshalb, weil man die Anfälligkeit dieses Bereichs sehen muss. Ein struktureller Mangel des Tourismus wurde plötzlich für Berlin zu einem Vorteil, denn der Großteil des Tourismus nach Berlin ist ein innerdeutscher Tourismus. Der nahm trotz der Ereignisse vom September 2001 nicht ab. Wir wären bei einem größeren Anteil des ausländischen Tourismus viel stärker davon betroffen gewesen. Dennoch muss unser Ziel bleiben, den Tourismus aus anderen Ländern nach Berlin deutlich zu erhöhen.
Lassen Sie mich etwas zu einigen Punkten sagen, ohne die Zahlen zu wiederholen. Ich habe davon gesprochen, ohne diese Art Polittourismus, was sollen dann die Motive sein, nach Berlin zu reisen? – Sehenswürdigkeiten wurden genannt. Dazu gehört aber auch das Leben in der Stadt. Dazu gehören unsere Kulturund Kunstangebote. Natürlich ist es wahr, dass viele Einrichtungen gerade im Sommer zu sind, wenn besonders viele Touristinnen und Touristen kommen. Das ist ein Problem. Andererseits haben die natürlich auch ihren Anspruch auf Ferien. Wir müssen noch einmal darüber nachdenken, wie man hier vielleicht eine günstigere Struktur hinbekommen kann.
Aber unterschätzen Sie auch den Ökologietourismus für Berlin nicht, dass Wasserstraßen, dass Radwege gerade für junge Touristinnen und Touristen eine zunehmende Bedeutung haben werden. Wenn darüber in den letzten Jahren immer etwas abfällig geredet wurde, sage ich Ihnen die Zahl. Die Bedürfnisse gerade der jüngeren Generation sprechen eine andere Sprache. Wir dürfen das nicht vernachlässigen.
Die Großereignisse in Berlin sind schon genannt worden – Loveparade, Christopher-Street-Day, Karneval der Kulturen. All das spielt eine große Rolle, weil es Bilder in die Welt schickt, weil damit auch Bilder von der Stadt vorhanden sind, weil es neugierig macht nicht nur diejenigen, die gerade an diesem Ereignis teilnehmen, sondern auch andere. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen nach Südamerika gereist sind in ihrem Leben, nur weil sie Karnevalbilder gesehen haben und sie das so neugierig gemacht hat, dass sie gesagt haben: Irgendwann muss ich da auch mal hin und mir das anschauen. Das alles sollte man nicht unterschätzen. Wir brauchen Bilder in der Welt.
Die Kongresse nehmen zu, die Messe nimmt zu. Die Tourismusmesse war ein Erfolg, ich muss darauf nicht weiter eingehen. Ich möchte hier ausdrücklich allen Beteiligten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Messe Berlin GmbH, für ihr diesbezügliches Engagement ebenso herzlich danken wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tourismusmarketing GmbH, auch der Partner für Berlin GmbH – alles Einrichtungen, die sich darum sorgen, dass Berlin von großem Interesse für Besucherinnen und Besucher bleibt.
Bevor ich noch zu ein paar Punkten komme, die ich kritisch sehe, will ich aber auch sagen, auch in Anbetracht der Diskussionen zum Zuwanderungsgesetz und in Anbetracht der Diskussionen, wie sich Ausländerinnen und Ausländer, generell Nichtdeutsche in diesem Land fühlen können. Das Schädlichste – das ist nicht mein Hauptmotiv, mir geht es in erster Linie um das Humanistische dabei – für Tourismus ist jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Darüber sollte man sich im Klaren sein.
Dann kommen Touristen nämlich nicht. Und deshalb ist es mir so wichtig, gerade für Berlin auch den Ruf einer in jeder Hinsicht toleranten, einer auch für Nichtdeutsche in jeder Hinsicht sicheren Stadt zu entwickeln. Das gehört wirklich zusammen, und das ist ganz wichtig für die Entscheidung von Touristinnen und Touristen. Und ich gehe davon aus, dass wir da alle einer Meinung sind und dass deshalb auch die CDU ausnahmsweise dazu mal klatschen könnte.
Und übrigens, Berlin ist auch eine relativ sichere Stadt im Vergleich mit andern. Das muss man sagen. Wir stehen beim Tourismus jetzt in Europa an vierter Stelle nach Paris, Rom und London. Den Wettbewerb sollten wir aufnehmen. Aber dazu müssen natürlich ein paar Dinge noch entwickelt werden. Ich habe ja gesagt, dass das mit dem Tourismus logischerweise während der Mauer alles nicht so toll war, auch gar nicht sein konnte. Und wir sind nicht richtig aufs Neue eingestellt. Natürlich stimmt unsere Beschilderung nicht. Sie müssen sich mal die Stadt in Berlin aus der Sicht einer die deutsche Sprache nicht beherrschenden Touristin versuchen anzusehen und danach die Beschilderung zu verfolgen. Die findet sich nicht zurecht. Es wird zu wenig auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen, es wird einfach zu wenig geleitet. Das kostet alles Geld, das weiß ich. Aber die Fragen müssen wir einfach mal wirklich aufgreifen. – Ebenso mit einem Parkleitsystem, das gibt es nun in anderen Städten, dass man irgendwie erfährt, wo ein Parkplatz sein könnte und dazu noch ein freier. Das kann durchaus sinnvoll sein, gerade auch für Touristinnen und Touristen, wenn wir diesbezüglich mal ein paar Ideen entwickelten, wie wir hier weiterkämen einfach in der Information. Natürlich gehörte dazu auch, dass man vielleicht für den Kulturbereich an einer Stelle alle wesentlichen Karten erwerben könnte, das ist alles wahr. Hier gibt es viele Dinge, die man noch entwickeln kann. Aber das Fehlen nimmt der Stadt nicht die Attraktivität.
Es ist ja erstaunlich, wie viele junge Leute kommen. Ich glaube, das lag bisher weniger an der Regierung und weniger an anderen, sondern einfach daran, dass hier eine neue Art von Leben entstanden ist, die neugierig macht, die die Leute auch unmittelbar erleben wollen. Und dass das Ganze auch positive wirtschaftliche Folgen hat, ist ja völlig unbestritten. Auf Arbeitsplätze, auf Umsätze, auf Steuereinnahmen wurde hingewiesen. Ich muss das jetzt hier alles nicht en detail ausführen.
Aber so Kleinigkeiten sind schon schwierig. Sie sehen, ich habe einen Satz auf einer Pressekonferenz gesagt, dass ich mir das etwas leichter vorstellen könnte, Stühle vor ein Restaurant zu stellen, dass man das vielleicht umdreht; dass ich nicht ewig lange eine Genehmigung beantragen muss, sondern mit der Anmeldung gilt die Genehmigung als erteilt, es sei denn, das Tiefbauamt erhebt Widerspruch. Man kann es ja auch umdrehen, es dadurch unbürokratischer machen. Die Bezirke bekämen trotzdem ihre Gebühren dafür, das heißt, es muss gar nicht weniger Geld sein. Man könnte es doch einfach versuchen, es so zu gestalten, dass es ohne viele Probleme sich absolvieren ließe. Und nur dann, wenn es einen Konfliktfall gibt, muss man selbstverständlich diesen entscheiden. Was ich da schon wieder alles für Briefe bekommen habe, warum das eine oder andere nicht ginge und weshalb die Welt dabei zusammenbräche. Ich kann nur sagen, das ist eine Mentalität, die müssen wir uns abgewöhnen. Wenn wir schon in Kleinigkeiten solche Schwierigkeiten haben, wie soll das erst bei größeren Problemen aussehen? Ich bin da einigermaßen entschlossen, auch einiges umzusetzen. Natürlich, Lärmschutz, der Schutz der Ruhe der Anwohnerinnen und Anwohner, ist auch kein zu unterschätzendes Thema. Immer sind es Fragen von Kompromissen, die muss man auch finden, und das muss man auch mit berücksichtigen. Darüber bin ich mir doch völlig im Klaren. Es hängt vielleicht auch ein bisschen von der Gegend ab. Mitte, Kreuzberg, Prenzlauer Berg – da sieht es vielleicht ein bisschen anders aus als in anderen Bezirken. Auch darüber muss man sich verständigen. Ich sage nur, zu einer Touristenstadt gehört natürlich auch ein spätes Leben, ein Leben in Abendstunden und gelegentlich sogar in Nachtstunden. Daran
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muss man sich gewöhnen, wenn man dann für Touristinnen und Touristen auch attraktiv sein will. Und da müssen wir einfach die notwendigen Kompromisse miteinander finden.
Für Berlinerinnen und Berliner sieht das anders aus, das ist völlig klar. Aber Sie wissen ja auch, Herr Steffel, dass Sie sich, wenn Sie verreisen, anders verhalten als in Berlin. Nun sagen die einen, zum Glück, die anderen zum Unglück – wie dem auch sei. Man hat halt, wenn man auf Reisen ist, auch ein anderes Zeitgefühl, ein anderes Erlebnisbedürfnis. Und das muss man einfach akzeptieren, wenn Touristinnen und Touristen nach Berlin kommen, dass das hier auch so ist.
Wir brauchen ein anderes Bild dieser Stadt. Ich habe das jetzt auch langsam satt. Dass wir hier riesige Finanzprobleme haben, das haben wir ja nun der ganzen Welt erklärt, das wissen ja inzwischen alle. Dass wir darüber auch ernsthaft miteinander diskutieren müssen, wissen wir auch. Dass wir eine riesige Bankenkrise haben, wissen wir auch. Dass das grob ungerecht ist, dass die Berlinerinnen und Berliner das austragen müssen, das wissen wir auch. Und wir müssen darüber auch sehr ernsthaft, sehr transparent, sehr offen miteinander diskutieren. Aber wir sollten auch nicht ein Bild dieser Stadt entwerfen, das letztlich dazu führte, dass das Interesse an dieser Stadt abnimmt und höchstens noch Mitleid und Häme über uns weltweit oder auch deutschlandweit zustande kommt.
Das schadet dem Tourismus. Lassen Sie uns auch gemeinsam daran arbeiten, das Positive, die Chancen dieser Stadt herauszustellen, das ist für Investoren und für Unternehmen genauso wichtig wie für die Entwicklung des Tourismus. Und deshalb, so eine Rede wie heute hier vom Kollegen von der FDP, von Herrn von Lüdeke, die möchte ich gern im Zusammenhang mit Tourismus in diesem Abgeordnetenhaus nicht mehr erleben.
Wenn das einer gehört hätte, der je hier hätte herreisen wollen, der hätte gesagt, um Gottes Willen, da begebe ich mich nicht hin. Nein, da haben wir alle eine gemeinsame Pflicht. Und deshalb sage ich Ihnen, mir ist ein weiteres Thema sehr ernst: Auch die soziale Frage ist wichtig. Ich meine, das ist nicht mein Motiv. Ich möchte keine Armut in einer Stadt. Aber ich sage Ihnen: Auch Armut baut Tourismus ab und nicht etwa auf, weil sie nämlich eine Stadt nicht attraktiv macht. Deshalb bleiben die sozialen Herausforderungen dieser Stadt für uns wichtig, nicht nur aus diesem Grunde, aber auch aus diesem Grunde. Es ist ein Nebenmotiv, das dabei entsteht.
Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, den Tourismus in dieser Stadt zu entwickeln. Sie haben ja viele Vorschläge gemacht. Wir werden sie alle einzeln prüfen. Manches ist bundesgesetzlich zu regeln, manches können wir auch selbst machen. Vieles können wir diesbezüglich vereinfachen, können wir attraktiver machen. Aber auch das Parlament kann einen Beitrag dazu leisten. Nicht jede Debatte in diesem Hause ist dazu angetan, Touristinnen und Touristen anzulocken. Die Regierung wird ihren Beitrag dazu leisten, die Stadt attraktiver zu machen. Ich wäre fast glücklich, wenn die Opposition es auch täte. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rzepka! Ihr Vortrag geht meines Erachtens in die völlig falsche Richtung. Und ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Was Sie hier bieten, ist im Kern eine Rechtfertigung für Schwarzarbeit, ist im Kern eine Bagatellisierung des Problems. Sie sagen, die Höhe der Steuern und Abgaben ist schuld daran, dass Zuflucht zur Schwarzarbeit gewählt wird,
also müssten Steuern und Abgaben gesenkt werden, und dann gäbe es sozusagen nicht mehr so viel Anreiz für Schwarzarbeit.
Stellen Sie sich mal vor, es handelt sich hier um regelrechte Kriminalität. Das ist so, als ob sich jemand hinstellte und nach dem zwölften Überfall auf Juweliere erklärte, die Diamanten müssten jetzt nur noch halb so teuer sein, dann gäbe es weniger Gründe zum Überfall, weil sich mehr Leute Diamanten leisten könnten. Ich finde, dieses Argument ist einfach absurd.
Es gibt eine Pflicht zur Entrichtung von Steuern und zur Zahlung von Abgaben. Sie sind dieselben, die sich hier hinstellen und in Kürze schwer kritisieren werden, dass das Land Berlin weniger investiert als in den vergangenen Jahren. Und gleichzeitig wollen Sie uns den Hahn abdrehen, mit dem wir das Geld bekommen könnten, um zu investieren. Das ist auch alles in sich nicht logisch, was Sie hier anbieten. Das ist der falsche Weg.
Schwarzarbeit ist ein großes Übel. Aber ich bin überhaupt nicht bereit, sie in irgendeiner Form wie Sie zu rechtfertigen mit der Höhe von Steuern und Abgaben. Natürlich ist es immer bequemer, wenn man keine Steuern und keine Abgaben bezahlen muss. Aber damit verstößt man gegen geltendes Recht der Bundesrepublik Deutschland und begeht Straftaten. Und Kriminalität sollte in diesem Hause nicht entschuldigt und gerechtfertigt werden, sondern es sollten Methoden aufgezeigt werden, wie man sie wirksam bekämpfen kann.
Ja, selbstverständlich!
Also, abgesehen davon, dass Ihre Frage mit Schwarzarbeit gar nichts zu tun hat, beschreiben Sie hier durchaus zutreffend ein Problem, aber wiederum falsch herum.
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Zunächst einmal ist es richtig, dass wir den Ausstieg über Scheinselbstständigkeit, über eine enorme Ausdehnung von damals 620-DM-Jobs aus der Versicherungspflicht versucht haben, zu stoppen, d. h. nicht wir, sondern die Bundesregierung. Das war auch dringend erforderlich, weil uns anderenfalls die Versicherungssysteme zusammengebrochen wären, wieder mit ganz erheblichen Folgen. Dann hätte es nämlich nur noch eine Variante gegeben, wieder die Steuern zuerhöhen, damit der Staat entsprechende Zahlungen zuschießen kann.
Zweitens: Dass die Länder und auch die Kommunen dazu neigen, zunehmend zu verbeamten, um ihre Lohnnebenkostenstruktur zu reduzieren, ist zugegebenermaßen ein Problem. Im übrigen auch kurz gedacht, weil man zwar im ersten Moment für eine Beamtin und einen Beamten weniger zahlt als für eine Angestellte oder einen Angestellten, aber wenn sie erst einmal in Pension gehen, dann hat man als Land oder als Kommune große Zahlungsprobleme. Ich bin kein Anhänger von ausgedehnter Verbeamtung, und ich sage sogar, dass es ein Fehler war, bei der Vereinigung nicht den Umstand genutzt zu haben, dass es das Beamtenrecht in der früheren DDR nicht gegeben hat, um zu sagen, wir reduzieren das dort gleich auf die Kernbereiche, wie Richter, Polizei, die Leitung von Ministerien, und führen im übrigen die Verbeamtung dort erst gar nicht ein und lassen sie, so ausgeufert wie sie in der alten Bundesrepublik existierte, dort auslaufen.
Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um das zu realisieren. Es ist leider damals von der Regierung unter Helmut Kohl versäumt worden. Das wäre eine gute Chance gewesen. Sie glauben doch nicht im Ernst daran, dass ich ein Anhänger davon bin, dass jede Lehrerin und jeder Lehrer und jede Professorin und jeder Professor einer Universität verbeamtet wird. Ich halte das sowieso für einen völlig falschen Stil: Wieso muss ein Professor Beamter sein? Ich glaube, das ist auch ziemlich einmalig in unseren Breitengraden. Da rennen Sie bei mir offene Türen ein.
Nur eines sage ich auch, wir müssen trotzdem auf den Punkt zurückkommen: Ich bin ein großer Gegner der Schwarzarbeit. Was Sie hier geliefert haben – lesen Sie es sich noch einmal durch –, ist im Klartext eine Art Rechtfertigung von Schwarzarbeit, und das ist nicht hinnehmbar. Sie können sich ja für niedrigere Steuern einsetzen. Sie können sich auch für niedrigere Abgaben einsetzen, Sie sollten aber nicht versuchen, über dieses Thema Schwarzarbeit zu rechtfertigen.
Denn gerade weil Sie seit Jahren so reden, und gerade auch die Damen und Herren von der FDP, dass Abgaben und Steuern zu hoch sind, haben Sie ja geradezu eine gesellschaftliche Akzeptanz für Schwarzarbeit geschaffen
und den kriminellen Gehalt daran im Bewusstsein der Menschen immer stärker reduziert. Und dann passiert wirklich das, was Sie beschrieben haben. Wenn die gesellschaftliche Akzeptanz für eine bestimmte Form von Kriminalität zunimmt, wird es immer schwerer, sie zu verfolgen.
Ich komme zu meiner eigentlichen Rede nicht, aber das macht gar nichts.
Also, noch mal langsam. Ich komme gleich auf das Begehren der Bundestagsfraktion. Ich wehre mich zunächst dagegen, dass Sie mit dem ewigen Zusammenhang von Höhe von Steuern und Abgaben und Schwarzarbeit ein Scheinrechtfertigung von Schwarzarbeit argumentativ bieten.
Das ist genau so, als ob ein anderer versuchte, mit der Höhe der Preise Diebstähle zu rechtfertigen und zu sagen, wenn es in den Warenhäusern nur halb so teuer wäre, würde auch weniger geklaut werden.
Das ist wahrscheinlich auch wahr, aber es wäre niemals eine Entschuldigung für Diebstahl. Das ist das Erste.
Jetzt zweitens: Nein, mit Lohnsteuer hat das nichts zu tun, was die PDS-Bundestagsfraktion gefordert hat und wozu ich auch stehe, weil ich durchaus einer derjenigen bin, die das immer vertreten und vorangetrieben haben, ist, dass wir in Deutschland mal irgendwann einen differenzierten Mehrwertsteuersatz bekommen. Ich könnte ihn mir dreistufig vorstellen, nämlich die berühmten 7 % hätte ich gerne ausgedehnt auf Handwerksleistungen, und zwar im Interesse der Arbeitsplätze und im Interesse der Ökologie. Denn ich hätte es gerne, wenn sich die Reparatur wieder mehr lohnen würde als die Neuanschaffung. Das steckt hinter dem Gedanken, in diesem Bereich die Mehrwertsteuer auf 7 % herabzusetzen. Es würde diesen Unternehmen auch zu Gute kommen. Da kann man auch über Kinderkleidung, über Medikamente und über andere Bereiche nachdenken.
Die Bundestagsfraktion hatte allerdings – das müssen Sie hinzufügen – im Gegenzug vorgeschlagen, für eine bestimmte Gruppe von Luxusprodukten die Mehrwertsteuer um 7 % zu erhöhen. Das sollte sich gegenseitig ausgleichen, weil ich immer der Meinung bin, wer sich ein Kollier leisten kann, lieber Herr Steffel, der zahlt dann auch noch einmal 7 % Mehrwertsteuer mehr. Das tut ihm dann auch nicht mehr weh, und dann hätten wir wieder einmal etwas mehr sozialer Gerechtigkeit. Darum geht es in dem Antrag der Bundestagsfraktion.
Es gibt noch eine weitere Überlegung von mir, darüber muss man nachdenken, das wäre eine wirklich grundsätzliche Reform: wie lange wir noch Lohnnebenkosten nach der Bruttolohnsumme eines Unternehmens berechnen. Als Bismarck das einführte, machte es Sinn, weil damals ein Unternehmen dann groß und stark war, wenn es viele Beschäftigte hatte. Heute sind wir in einer anderen Situation. Es gibt Unternehmen, die arbeitsintensiv sind, und die haben die gleiche Wertschöpfung wie andere Unternehmen mit einer viel geringeren Zahl von Arbeitskräften. Da habe ich immer vorgeschlagen, einmal darüber nachzudenken, ob für Unternehmen – nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – eine Abgabe nach der Wertschöpfung in die Versicherungssysteme nicht das geeignete Instrument wäre als die Abgabe nach der Bruttolohnsumme, wie sie heute berechnet wird. Das ist aber ein anderes Thema.
Kommen wir zurück zur Schwarzarbeit, die ja wirklich ein großes Problem ist. Ich wollte nur darauf hingewiesen haben, dass es keinen Grund gibt, sie zu rechtfertigen, und was Sie hier geliefert haben, ist letztlich eine Rechtfertigung und eine Entschuldigung der Schwarzarbeit.
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Na, warten wir es mal ab, so weit ich weiß, ist er ganz offiziell beschäftigt.
Das mag ein Unterschied sein, wenn es keine entschuldigende Erklärung wäre. Ich sage noch einmal: Es ist über Jahre von verschiedenen Verbänden, nicht nur von CDU und FDP, so argumentiert worden, dass eben die Bagatellisierung im Bewusstsein stattgefunden hat.
Ich komme auf mein Beispiel zurück: Es kann doch sein, dass viele Produkte tatsächlich zu teuer sind. Es gibt dennoch keine Rechtfertigung, sie zu stehlen.
Also muss ich zunächst einmal den Diebstahl verurteilen, und dann kann ich mich über Preisstrukturen unterhalten.
[Beifall des Abg. Pewestorff (PDS): Und im Kern kritisieren Sie den Preis für Arbeit in Deutschland und sagen, der müsste niedriger sein, und dann gäbe es weniger Schwarzarbeit. Das stimmt letztlich gar nicht. Selbst wenn Sie die Abgaben und Steuern halbieren, ist es immer noch billiger, gar keine Abgaben und Steuern zu zahlen. Deshalb würde es auch in diesem Falle Schwarzarbeit geben. [Niedergesäß (CDU): Erklären Sie doch mal endlich, wie Sie die Schwarzarbeit abschaffen wollen! – Pewestorff (PDS): Kann er doch gar nicht, wenn Sie so viele Fragen stellen!]
Aber Sie haben einen Punkt angesprochen, den ich für sehr begründet halte und auf den ich auch eingehen will: Das ist nämlich die Frage der Standards in Europa. Aber da müssen wir wieder zu Helmut Kohl zurück kommen. Sehen Sie, ich bin für die Europäische Union. Ich bin auch für den Binnenmarkt, und ich bin auch für den Euro. Aber ich habe vor dem Euro gesagt, dass die Reihenfolge stimmen muss. Wir müssen erst Standards versuchen, zu harmonisieren und dann die gemeinsame Währung einführen und nicht versuchen, über eine gemeinsame Währung die Standards zu harmonisieren, weil es dann nach unten geht. Und das gilt für Steuern, das gilt für Abgaben, das gilt für Löhne, das gilt für juristische Standards, das gilt für ökologische Standards.
Darüber müssen Sie sich gar nicht aufregen, das ist einfach so. Das ist politisch nicht geleistet worden. Selbst Helmut Kohl hat damals gesagt: Erst die politische Union, dann die Währungsunion. Dann hat er es doch andersherum gemacht, weil er die politische Union nicht hinbekommen hat. Das ist doch heute unser Problem, wenn Sie mit Löhnen aus Osteuropa und anderen Beispielen operieren.
Aber wir sind uns doch einig in der Frage, dass man Schwarzarbeit bekämpfen muss und dass sie ein wachsendes großes Problem ist. Nämlich erstens für das Steueraufkommen in der Bundesrepublik Deutschland und zweitens für unsere Versiche
rungssysteme, und vor allem – und das ist, was mich am meisten ärgert – das ist nun ein Bereich, wo der Satz gilt: Der Ehrliche ist der Dumme. Und das muss überwunden werden, auch zum Schutz jener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und jener Unternehmen, die ehrlich Steuern zahlen, die ehrlich ihre Abführungen machen, wo Tariflöhne bezahlt werden. Die haben ein Recht darauf, auch von uns geschützt zu werden gegen jene, die sich über Schwarzarbeit billig rechnen.
Und das Erste, das hier geschehen muss, ist, dass es nie wieder eine Form direkter oder indirekter Unterstützung des Staates für Schwarzarbeit dadurch geben darf, dass er selber akzeptiert, dass bei ihm schwarz gebaut oder gewirtschaftet wird. Das ist das Erste, das wir durchsetzen müssen.
Da hat die Vorgängerregierung, besser gesagt das Abgeordnetenhaus in der letzten Legislaturperiode, ein Gesetz beschlossen. Sie wissen, dass es dagegen sogar eine Verfassungsklage gibt. Wir werden dieses Ziel weiter verfolgen.
Ob das jetzt so dramatisch zugenommen hat im letzten Jahr, wie Sie behaupten, kann ich gar nicht sagen, denn Sie wissen selbst, dass das alles Schätzungen sind. Es ist ja eine Dunkelziffer, sie kriegen das ja nicht wirklich registriert. Aber dass es ein großes Problem ist, das will ich überhaupt nicht bestreiten, und dass wir uns diesem Problem energisch stellen müssen, ist ebenso richtig.
Lassen Sie mich noch etwas sagen: Das ist allerdings eine Forderung, die nicht nur an die Politik geht, sondern auch an die jeweilige Branche. Ich nenne einmal ein positives Beispiel: Die Gebäudereinigerinnung hat geahnt, dass dieses Problem auch für sie gewaltig wird. Daraufhin haben die Unternehmen selbst finanziert – ohne Staat –
eine eigene Regulierungsbehörde geschaffen und kontrollieren, ob in den Unternehmen der Gebäudereinigung Tariflöhne bezahlt, ordentlich Steuern bezahlt werden etc.
Dann stellen sie ein kleines Zertifikat aus. Und jetzt müssen wir als öffentliche Hand diese von der Innung selbst geschaffene Regulierungsbehörde anrufen, bevor wir einen Auftrag vergeben, damit klar ist, es handelt sich um ein Unternehmen, in dem Tariflöhne bezahlt werden etc.
Noch einen Satz, sofort. Sie können sofort wieder etwas sagen. –
Jetzt kommen die ersten Gebäudereiniger und sagen, sie wollen diese Überbürokratie loswerden. Im Kern wollen sie die Kontrolle loswerden, um Schwarzarbeit zu ermöglichen. Da kann ich nur der Gebäudereinigerinnung raten, bei ihrer Struktur zu bleiben. Und ich erwarte auch von der Bauwirtschaft, dass sie selber einmal Initiativen unternimmt, nicht nur die Politik, die auch, aber dass wir gemeinsam Initiativen unternehmen, um Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft wenigstens schrittweise zurückzudrängen. – So und jetzt Ihre Frage.
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Abgesehen davon, dass Sie immer erst die Bewertung vornehmen sollen, nachdem Sie meine Antwort gehört haben – –
Nein, das verstehe ich nicht darunter, deshalb habe ich von Harmonisierung gesprochen. Harmonisierung ist etwas völlig anderes. Harmonisierung setzt voraus, dass sich die Unterschiede in einem Maß bewegen, wie es sich für eine einheitliche Union als verträglich darstellt. Diese Unterschiede sind inzwischen zu groß geworden in Europa. Das ist unser Problem. Sie haben z. B., wenn ich ein ganz anderes Beispiel nennen kann, das ist keine Union, in den Vereinigten Staaten von Amerika in verschiedenen Bundesstaaten unterschiedliche Steuern, unterschiedliche Abgaben. Das geht selbst in einem Staat. Aber sie müssen bestimmte Grenzen wahren. Wenn die Unterschiede zu groß werden, dann ist das nicht mehr regulierbar, weil man das mit anderen Vorteilen in einer Region nicht mehr ausgleichen kann. Das ist heute ein Problem der Europäischen Union. Wir sollten uns da bemühen.
Übrigens Bundesfinanzminister Waigel, der Ihnen vielleicht etwas näher steht als mir, hat kurz vor seinem Ausscheiden aus seinem Amt gesagt: Wir brauchen jetzt eine Steuerharmonisierung, nicht Angleichung, aber Harmonisierung in Europa, weil die Unterschiede zu groß sind und das letztlich dazu führt, dass alle Staaten in Europa, ihre Länder und Kommunen verarmen. Insofern wird das ein Thema sein, das uns noch beschäftigt. Ich spreche nicht von Gleichstellung, das ist völlig falsch, aber eine Harmonisierung in gewisser Hinsicht, dass das eine mit dem anderen in der Europäischen Union etwas zu tun hat, brauchen wir schon. – Und die Aufgabe werden wir auch bekommen, wenn Osteuropa Mitglied der Europäischen Union wird, mit Residenzmöglichkeiten und was alles damit verbunden ist, das wissen Sie, dass das Herausforderungen sind.
Lassen Sie mich auf die Maßnahmen eingehen, die Sie ja wissen wollten, was hier geschehen kann.
Da hat auch schon der vorherige Senat eine Menge getan. Das wissen Sie, es gibt ein Berliner Konzept, das nicht nur auf Repression setzt, sondern auch auf Prävention, auch auf Öffentlichkeitsarbeit. Das Herzstück des Berliner Verfolgungskonzepts bildet die 1998 schon gegründete Gemeinsame Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit, die die Ermittlungskompetenzen des Landeskriminalamts Berlin, des Landesarbeitsamts Berlin-Brandenburg, des Hauptzollamts für Prüfungen in Berlin und einzelfallbezogen auch der Steuerfahndungsstelle beim Berliner Finanzamt zu einem einheitlichen Verfolgungsinstrument zusammenfasst. Diese GES ist auch durchaus erfolgreich. Es gibt auch noch andere Bereiche, die diesbezüglich aktiv werden.
104 000 Ermittlungsverfahren hat es bereits gegeben, davon rund 68 000 Straf- und 36 000 Ordnungswidrigkeitsverfahren. Es gab auch zunehmend Bußgelder, es gab auch Geldstrafen, es gab auch Freiheitsstrafen in diesem Bereich. Das heißt, auch die Justiz nimmt diesen Bereich immer ernster. Nur ändert es nichts an der Größe der Dunkelziffer.
Das Problem besteht einfach darin, das haben Sie ja richtig beschrieben, wenn eine bestimmte Kriminalität einen bestimmten Quantitätssprung macht, ist sie von der Gesellschaft nicht mehr beherrschbar. Wenn es in einer Spanne von 3, 4, 5, 6 Prozent der Fälle stattfindet, dann ist es verfolgbar und beherrschbar. Wenn es etwa die 20-Prozentgrenze erreicht, dann läuft es aus allen Ufern, dann ist es auch mit staatlichen Behörden, da können sie das Personal noch so aufstocken, letztlich nicht mehr regulierbar. Wir sind inzwischen in der Lage, in jeder Stunde einen Betrieb, eine Baustelle, auch am Wochenende in Berlin zu kontrollieren. Das geschieht auch. Und wir wollen auch die Instrumente diesbezüglich noch verbessern.
Ja, sofort, Herr Präsident! – Letztlich waren wir auch in der Lage, deutlich mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend einzufordern. Das sind inzwischen riesige Beträge. Ich sage einmal, was die 163 Verfahren im Jahr 2001 gebracht haben: 5,2 Millionen § an Sozialversicherungsbeiträgen wurden nachgefordert, dazu kamen noch 1,5 Millionen § Säumniszuschläge. Es gibt auch Fälle von Unternehmen auf der Schwarzen Liste, die öffentliche Aufträge nicht mehr bekommen, weil sie Schwarzarbeit organisiert hatten etc.
Natürlich fällt bei den Kontrollen auch auf, dass darunter gelegentlich Personen sind, jetzt nehme ich einmal nicht die Unternehmen, die sie beschäftigen, was schon ein schwerer Vorwurf ist, sondern dass wir auch Menschen antreffen, die so arbeiten und die zugleich noch Arbeitslosengeld bekommen oder eben Sozialhilfe begehren und auch kassieren. Das ist nicht in Ordnung. Das ist unsauber, und deshalb stelle ich mich ganz und gar dagegen und sage: Von Parteispende bis zur Schwarzarbeit – wir müssen endlich wieder lernen, Gesetze ernst zu nehmen, sie nicht mir irgendwelchen Umständen, auch nicht mit der Höhe von Steuern und Abgaben zu rechtfertigen und damit zu bagatellisieren, sonst werden wir der ganzen Sache nicht Herr. – Und jetzt bitte die nächste Frage!
Ich glaube, dass wir diese Instrumente ausbauen müssen. Ich füge hinzu, ich kann Ihnen auch noch die Zahl der Strafanzeigen nennen, es waren immerhin über 4 000 im letzten Jahr, das ist schon eine ganze Menge. Das ändert, wie gesagt, alles an der Dunkelziffer nichts.
Sie haben ein Spezialproblem angesprochen, das sind die ungesetzlich in Berlin lebenden Nichtdeutschen. Bei ihnen ist ja noch eine kleine Entschuldigung zu finden, weil sie nämlich gar nicht arbeiten dürfen, bleibt ihnen nur der Weg, entweder machen sie es illegal oder gar nicht, im Unterschied zu anderen, die immer noch die Wahl haben. Nur die Unternehmen, die sie beschäftigen, beschäftigen sie oft unter katastrophalen Bedingungen, beuten sie schamlos aus. Menschenverachtend ist das, was dort teilweise geschieht. Deshalb müssen wir auch dieses genauso energisch bekämpfen. Wer die Notlage eines Menschen ausnutzt, um ihn mit einem Hungerlohn abzuspeisen, muss unser erklärter Gegner sein, und zwar der Gegner des gesamten Parlaments.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir mit der Tariftreueerklärung einen Weg gegangen sind, um auch in der Baubranche mehr Ordnung zu schaffen, denn natürlich ist die Baubranche auch auf öffentliche Aufträge angewiesen. Nun wissen
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Sie alle, wie das läuft. Ich schildere Ihnen einmal ein Gespräch. Neulich war ein nicht ganz unvermögender Mensch bei mir, der ein Bauvorhaben in Berlin vorhat, ein Bauvorhaben, das auf unterschiedliche Begeisterung stößt, insbesondere bei Leuten, die architektonisch interessiert sind. Er bat mich um Unterstützung. Das ist ja auch ganz egal, für irgendeinen Außenbezirk, es ist nicht wichtig, worum es in der Sache ging. Wichtig ist etwas anderes. Ich habe dann zu ihm gesagt, ich bin ja bereit, Sie ganz und gar zu unterstützen, auch wenn ich weiß, dass ich mich dann mit vielen Leuten anlegen muss, aber ich habe nur eine Frage: Können Sie mir garantieren, dass Sie überwiegend Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter aus der Region, und zwar zu Tariflöhnen beschäftigen werden? – Da sagte er: Wissen Sie, ich vergebe einen Auftrag an ein Unternehmen, und das ist dann für den Rest zuständig. – Darauf antwortete ich: Das kenne ich, die Tour mit den Subunternehmen kenne ich, und dann weiß ich auch, wie viel Schwarzarbeiter dabei sind. Ich frage Sie noch einmal: Sind Sie bereit, mir das zu garantieren? – Zunächst wollte er nicht, erst nach langem Zögern gab er nach, wandte aber ein, dass dann der Bau viel teurer würde. Darauf erwiderte ich, dass das sein könne, er aber nicht im Ernst eine Unterstützung von mir erwarten könne, wenn ich diese Garantie nicht erhielte. – So erwarte ich, dass wir an die Dinge herangehen. Es gibt nämlich auch Leute, die etwas von uns wollen. In diesen Fällen muss man deutlich werden und sagen: Ja, zu gesetzlichen und tariflichen Dingen geht das alles in Ordnung, da darf man dann auch nicht selbstgeschmäcklerisch sein. Denn wir haben ein Riesenproblem in der Baubranche. Öffentliche Investitionen gehen zurück, private Investitionen nehmen auch nicht zu. Das ist in ganz Deutschland so. Wir haben viele arbeitslose Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter. Das, was es noch an Arbeitsplätzen gibt, wird dann oft durch Schwarzarbeit kaputt gemacht. Das ist nicht hinnehmbar, dagegen müssen wir wirksam vorgehen – und zwar vorbildlich zunächst als öffentliche Hand.
Das gilt sowohl für die Bundesebene als auch für die Landesebene und für alle Kommunen in ganz Deutschland.
Ich habe nicht alles geschafft, was ich Ihnen sagen wollte, aber auf Grund der Zwischenfragen konnte ich mich dann zu anderen Dingen äußern.
Wir werden der Bekämpfung von Schwarzarbeit große Aufmerksamkeit widmen. Wir lernen hier auch ein bisschen von Dänemark. Dort gibt es in der Baubranche selbst Regularien, wie auch durch die Bauunternehmen selbst wirksam Schwarzarbeit bekämpft wird. Ich lade die Baubranche ein, wenn wir Zeit haben, gemeinsam nach Dänemark zu fahren, um diese Erfahrungen zu studieren und so viel es geht davon auch in Berlin umzusetzen. An uns wird es nicht scheitern. Wir werden keinen Regulierungsstaat aufmachen, kein Überwachungsstaat werden, aber wir werden die notwendigen gesetzlichen Schritte gehen und auch die vorhandenen Instrumentarien nutzen, um Schwarzarbeit noch wirksamer zu bekämpfen, unabhängig davon, wen sie betreffen, denn es ist zweifellos ein Übel unserer Gesellschaft. Unabhängig davon werden wir über Reformen in der Abgabenund in der Steuerpolitik diskutieren müssen, ich habe Ihnen dazu Beispiele genannt. Aber ich wiederhole es noch einmal: So lange unsere Steuergesetze gelten und so lange unsere Abgabengesetze gelten, hat niemand in dieser Gesellschaft das Recht, für sich in Anspruch zu nehmen, mit welcher Begründung auch immer, sie zu umgehen. Das kommt nicht in Frage, das werden wir nicht dulden. Das werden wir auch nicht als Rechtfertigung akzeptieren, und deshalb hoffe ich, dass wir gemeinsam gegen Schwarzarbeit kämpfen und Sie aufhören, sie zu bagatellisieren.
Nein. – Dann haben wir auch eine Chance, denn Schwarzarbeit im Baugewerbe, im Gaststättenwesen ist es noch komplizierter, bekämpfen wir nur wirksam mit der Bauwirtschaft
zusammen. Sie muss ihren Teil der Aufgabe leisten, wir werden unseren Teil der Aufgabe leisten. Dann können wir schrittweise diesem Übel begegnen. Dass es dringend erforderlich ist, darin sind wir uns einig.
Wenn der Herr Fraktionsvorsitzende der CDU repliziert, dann bin ich ihm wenigstens zwei Antworten schuldig. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich nicht alles vortragen konnte. Wir haben beispielsweise vor, nicht nur was das Arbeitnehmerentsendegesetz betrifft, sondern was die Generalunternehmerhaftung betrifft,
ja, es ist doch von Ihnen eingeführt worden. Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich darüber aufregen. Die Frage ist doch, ob wir es durchgesetzt bekommen. Das ist das Problem in der Praxis. Da werden wir andere Wege gehen, um es Realität werden zu lassen.
Aber noch einmal zu Ihren zwei grundsätzlichen Bemerkungen: Es stört mich schon, ich habe hier ein Prinzip kritisiert. Ich habe gar nicht mit Ihnen über die Höhe von Steuern und Abgaben diskutiert. Ich habe darüber diskutiert, dass Sie sagen, die Höhe der Preise sei die Ursache für Diebstahl.
Natürlich, genau das sagen Sie und nichts anderes. Damit rechtfertigen Sie Diebstahl.
Denn das ist Diebstahl, die Schwarzarbeit, und die Notlage von Menschen wird ausgenutzt.
Die zweite Bemerkung: Ich sage gar nicht, dass höhere Steuern zu höheren Einnahmen führen, das hängt ganz von der Situation ab. Ich nenne nur die Steuergeschenke, auch unter der Regierung Kohl, die immer gemacht wurden mit der Begründung, danach gäbe es riesige Investitionen und es würden massenhaft Arbeitsplätze entstehen. Das Geld war futsch für den Staat, aber Arbeitsplätze sind nicht entstanden, und Investitionen hat es auch keine gegeben. Beide Logiken scheinen mir so nicht zu stimmen. Es kommt auf das richtige Maß an. Die selben Unternehmen, die sich über zu hohe Steuern beklagen, fordern auf der anderen Seite von der öffentlichen Hand ständig mehr Ausgaben.
Hier müssen wir uns einfach einmal über den Weg einig werden. Ich bin kein Anhänger höherer Steuern. Das, was diese Regierung macht, dazu sind wir gezwungen. Das haben wir nicht gern gemacht. Es war ein Vergleich zum theoretisch Denkbaren, im Interesse der Wirtschaft deutlich weniger, notwendig deshalb, weil sich dieses Land in einer tiefen Haushaltskrise befindet,
auch Dank der Bankgesellschaft und daran ist die CDU nicht völlig unbeteiligt. Ich finde deshalb, Sie sollten hier moralisch etwas kürzer treten bei der diesbezüglichen Argumentation.
Wir haben das mit Sicherheit nicht gern gemacht, aber wir hatten keine andere Wahl.
Herr Präsident! Herr Kollege Hillenberg! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Darf ich ausnahmsweise mit der Beantwortung der zweiten Frage beginnen? – Dann möchte ich gern Folgendes dazu sagen: Es ist in den Medien immer der Eindruck vermittelt worden – sicherlich nicht böswillig, sondern durch fehlerhafte Informationen –, dass es um eine Verlagerung der Produktionsstätte, der Abfüllstätte von Berlin nach Brandenburg ginge. Das ist aber nicht der Fall, sondern es geht in Wirklichkeit um etwas anderes: Bei „Spreequell“ wird das Getränk in Glasflaschen abgefüllt. Glasflaschen nehmen beim Verkauf nur noch einen geringen prozentualen Anteil von etwas über 16 % ein – wahrscheinlich weil den Kundinnen und Kunden das Tragen der Glasflaschen zu schwer ist. Deswegen wird heute der wesentlich größere Teil solcher Getränke in Plastikflaschen abgefüllt. Der Konzern hatte eine Investition geplant, um eine neue Anlage in Weißensee zu errichten und dort dann in Plastikflaschen abfüllen zu können. In dieser Phase der Planung hat sich für den Konzern die Möglichkeit ergeben, dass es bereits solche Anlagen in Brandenburg, bei anderen Firmen gibt. Sie könnten denen den Auftrag erteilen – dort gibt es noch freie Kapazitäten –, dort abfüllen zu lassen. Auf diese Art und Weise sparte sich der Konzern in Berlin jegliche Investitionssumme. Das war – nach meiner Kenntnis waren es in diesem Fall keine Förderprogramme aus Brandenburg, aber ich muss es mit einem Fragezeichen versehen – das entscheidende Motiv für die Konzernleitung, zu sagen: Wenn wir dann diese Investition überhaupt nicht benötigen, die mehrere Millionen Euro betrüge, dann ist es für uns viel einfacher, den Abfüllauftrag nach Brandenburg zu geben, allerdings mit dem leichten Handikap, dass es sich dann nicht mehr um das gleiche Wasser handelte, was bei Getränken schon ein gewisses Problem darstellt. Die anderen Dinge – Konzessionsgebühren usw. – spielten überhaupt nicht die entscheidende Rolle. Das war die Kernfrage.
Wir haben sehr viele Hilfen angeboten – auch was die Kreditierung und anderes betrifft –, um zu erreichen, dass man sich doch für die Investition in Berlin entscheidet, deren Notwendigkeit wir nicht bestreiten können.
Auch der Betriebsrat war in dieser Hinsicht ausgesprochen kooperativ. Die Konzernleitung hat sich bis zum heutigen Tage von dem Vorhaben nicht abbringen lassen. Es ist zunächst erreicht worden, im Wege eines Kompromisses, dass die Konzernleitung auf die Schließung jetzt sofort verzichtet und zunächst zugesichert hat, dass noch ein gesamtes Jahr der Standort auf jeden Fall erhalten wird und dass in dieser Zeit auch die Abfüllung nach wie vor an diesem Standort in Weißensee stattfinden wird. Dann allerdings soll eine andere Abfüllvariante in Brandenburg gefunden werden. Immerhin gibt uns dieses Jahr die Chance, gerade für die dann freizusetzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Lösung zu suchen, und zwar mit dem Konzern zusammen, der auch prüfen will, ob bei anderen eigenen Unternehmen eine Unterbringung möglich ist. Und wir werden diesbezüglich auch helfen. In diesem Zusammenhang ist
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dann auch vereinbart worden – das wird auch noch schriftlich erfolgen –, dass auf jeden Fall die Vertriebsgesellschaft von Spreequell in Berlin bleibt. Das sind aber „nur“ 23 Arbeitsplätze, die allerdings dauerhaft verblieben. Das ist der Stand von gestern, das habe ich gestern auch den Medien so mitgeteilt. Heute hat es weitere Gespräche gegeben und damit eine zusätzliche Möglichkeit, die jetzt geprüft und erörtert wird, wo es vielleicht doch noch möglich ist, den Standort dauerhaft einschließlich der Abfüllanlage in Berlin zu erhalten. Da habe ich Signale bekommen, nachdem ich welche ausgesendet hatte. Ich muss das auch mit anderen Senatoren besprechen. Die Konzernleitung hat mich diesbezüglich um Verschwiegenheit gebeten. Das will ich jetzt auch einhalten, denn wenn ich es nicht einhielte, hätte sie einen Grund, es nicht zu realisieren. Den will ich ihr nicht geben. Diesbezüglich bitte ich um Verständnis. Das ist keine ganz leichte Frage, die Sie in diesem Zusammenhang aufgeworfen haben. Wir sind dabei, sie zu klären. Deshalb bin ich, neben dem Teilerfolg von gestern, begrenzt optimistisch, dass noch ein weiterer Erfolg entstehen könnte. – Im Mai nächsten Jahres wäre die Vereinbarung sowieso abgelaufen gewesen, was die Sicherung der Arbeitsplätze im Zusammenhang mit früher gewährten Fördermitteln betrifft, in diesem Jahr nicht. Deshalb habe ich ja auch sofort ursprünglich Forderungen formuliert. Gesichert bis heute ist, dass auf jeden Fall bis April nächsten Jahres der Betrieb aufrechterhalten wird. Und wir sind jetzt wieder neu in Gesprächen, um sogar noch eine andere, dauerhafte Lösung für diese Arbeitsplätze und den Standort zu erreichen.
Zunächst noch mal zu der ersten Problematik: Da nur der Auftrag vergeben werden soll, nunmehr im nächsten Jahr – zumindest ist das der Stand von gestern –, wäre das keine Arbeitsplatzverlagerung gewesen, weil in dem Unternehmen dort, das dann die Abfüllarbeiten verrichtet, weitere Arbeitskräfte dafür nicht benötigt werden. Die haben einfach freie Kapazitäten, und in diese würde der Konzern praktisch einsteigen. Insofern wäre es ein reiner Arbeitsplatzabbau; die brauchten vielleicht maximal 5 bis 10 neue Arbeitskräfte in diesem Zusammenhang, wenn überhaupt. Dieses Problem wäre also auch bei einem gemeinsamen Bundesland entstanden, wenn sozusagen eine Firma eine Produktionsstätte einstellt und sagt, wir können diesen Auftrag an einer anderen Produktionsstätte erledigen lassen, wo es noch freie Kapazitäten gibt, dann ist es eben nicht eine Verschiebung von Arbeitsplätzen von A nach B, sondern es ist schlicht und einfach ein Wegfall von Arbeitsplätzen. Mit dieser Problematik haben wir es hier zu tun oder hätten wir es zu tun, wenn es denn so bliebe. Zu der zweiten Frage: Natürlich sehen Sie aus dieser Konkurrenzsituation heraus, wie wichtig gerade wirtschaftlich eine Fusion von Brandenburg und Berlin wäre. Deshalb streben wir
Zunächst wollte ich nur sagen, dass ich die Verwechslung völlig wertneutral hinnehme. Ich fühle mich da auch nicht im Geringsten beeinträchtigt. – Zum Zweiten: Mittelfristig ist ja völlig klar, in dem Moment, in dem wir eine Länderfusion mit Brandenburg anstreben, sind wir ohnehin verpflichtet, all das anzugleichen. Das muss in den Verhandlungen geklärt werden, welche Gebühren dann in einem gemeinsamen Bundesland gelten. Sie kennen die augenblickliche Haushaltssituation in Berlin. Wir haben uns in der Koalition verpflichtet, in zwei Fällen auch Gebühren zu erhöhen. In den übrigen Fällen, haben wir gesagt, werden wir das nicht tun. Eine Senkung halte ich gegenwärtig nicht für realistisch. Was aber den konkreten Fall anbelangt, kann ich Ihnen nach meinem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Konzernleitung versichern: Es war nicht das Motiv. Das stand zwar in den Zeitungen, aber es war nicht das Motiv. Sondern das Motiv war, dass hier – ich sage es noch mal – eine Investition erforderlich gewesen wäre und auch erforderlich bleibt, wenn das Unternehmen hier bleiben sollte, um eine neue Anlage zu installieren und die zu verschrotten, die sie bisher haben, um eben von Glas- auf Plastikflaschen überzugehen, und dass das Unternehmen in Brandenburg – da gibt es kein vergleichbares in Berlin – diese Anlage bereits besitzt und freie Kapazitäten hat, so dass sie sich einfach die gesamte Investition sparen könnten. Das war ihre Überlegung. Ich habe sie auch extra gefragt, sie haben gesagt: Nein. Natürlich hätten sie es gern, wenn sie gesenkt werden würden, aber das war nicht der Grund ihrer Entscheidung.
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Ich muss Ihnen zustimmen. Bei dem Gespräch stellte sich heraus, dass auch das eine Rolle spielte, also das Verhältnis von Einwegflaschen, Mehrwegflaschen, wie Sie es beschrieben haben. Das Entscheidende war aber dennoch das Kundenverhalten in Bezug auf den Kauf. Aber sie haben gesagt, das andere spielte zweifelslos mit eine Rolle, weil das eine eher angenommen wird als das andere. Dass dazu Regularien in der Bundesgesetzgebung erforderlich sind, zustimmt. In welchem Umfang das geschehen solle, dazu müsste ich noch mit unserem Koalitionspartner verhandeln.
Die Konzernleitung behauptet zumindest, das ganz Entscheidende sei das Kaufverhalten der Kunden, und da sei das Entscheidende das Gewicht. Es mache sehr viel aus, was auch weitere Folgen hat: Bei Plastikflaschen, sagen sie, werden doch häufig Kästen gekauft. Das macht man bei Glasflaschen nicht mehr, da werden nur noch einzelne Flaschen gekauft, und das hat dann auch Folgen für den gesamten Umsatz in diesem Bereich. Der Anteil an Glasflaschen hierbei beträgt etwa 16,6 %.
Zu befürchten ist deshalb auch der Übergang beim Bier zu Plastikflaschen, wobei ich Ihnen ganz klar sage: Vom Reinheitsgebot etc. her gibt es nichts Besseres als Glas.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin! Dem Senat liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Berlinerinnen und Berliner durch den Kauf von Fonds so genannter Steuersparmodelle geschädigt wurden beziehungsweise überschuldet sind. Dem Senat ist aber aus der Beratungstätigkeit der Verbraucherzentrale im Rahmen der Spar- und Anlagenberatung bekannt, dass Anfragen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu Beteiligungen an Steuersparmodellen stark zunehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher auch von Falschberatungen mit zum Teil existentiellen Auswirkungen betroffen sind. Die Verbraucherzentrale hat zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher ein Merkblatt „Chancen und Risiken von Steuersparmodellen“ herausgegeben.
Zu Ihrer zweiten Frage: Eine Gesetzesinitiative des Landes Berlin mit dem Ziel, die Gerichte zur Anwendung der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu bewegen, ist nicht erforderlich, da der Bundesgerichtshof, der den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hatte, und mit ihm alle anderen deutschen Gerichte an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gebunden sind. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bedeutet, dass Kunden ein unbefristetes Widerrufsrecht haben, wenn der „Verkäufer“ – hier der Fondsvertreiber – bei Haustürgeschäften unaufgefordert im Privatbereich der Verbraucherinnen und Verbraucher Geschäftsabschlüsse tätigt, ohne dass der „Verkäufer“ den Kunden über das Widerrufsrecht belehrt hat. Dieses hat zur Folge, dass alle deutschen Gerichte – übrigens sogar alle Gerichte der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – bei der Entscheidung über solche inhaltsgleichen Fallkonstellationen gezwungen sind, der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu folgen.
Frau Kollegin! Jetzt haben wir eine europäische Grundsatzentscheidung. Ich gehe davon aus, dass die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der gesamten Tendenz dazu führen wird, dass die deutschen Gerichte die Rechtsprechung diesbezüglich verbraucherinnen- und verbraucherfreundlicher gestalten werden. Bis dahin lag eine solche Entscheidung nicht vor. Wie Sie wissen, mahlen die Mühlen in der Justiz etwas langsam, aber tendenziell wird sich eine andere Rechtsprechung durchsetzen.
Nein! Wenn uns die Zahl derjenigen, die sich beteiligen, nicht bekannt ist, wäre eine Erfassung über die Finanzämter, welche Art von Steuereinsparungen dadurch im Land Berlin
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erfolgt, sehr kompliziert. Ob es sich lohnte, dieses statistisch festzuhalten, muss vielleicht noch einmal erörtert und geprüft werden. Zur Zeit liegt uns diesbezüglich mit Sicherheit schon deshalb keine Übersicht vor, weil die Steuereinsparungen nicht in dieser Form erfasst werden. Die Gründe können ganz verschieden sein. Diese Art von Beteiligung ist der eine Grund. Es gibt noch andere Gründe: Die Finanzämter müssten – das erforderte eine ungeheuere Aufstockung – jeden Fall von Steuereinsparung gesondert erfassen, um diese statistisch auszuweisen. Ob das realisierbar wäre, weiß ich nicht; darüber müssten wir noch beraten. Interessant wäre die Information schon, aber nicht, wenn sie mit einem riesigen, nicht finanzierbaren Aufwand verbunden wäre.
Ich glaube, Ihre Frage beantwortet sich von selbst. Wenn ein Dritter keine Haftung übernimmt, liegt auch keine Haftung eines Dritten vor. Insofern gibt es sehr unterschiedliche Formen der Risiken, die dabei eingegangen werden. Dass bei der Berliner Bankgesellschaft eine risikofreie Variante mit Hilfe des Landes gewählt worden ist, ist einer der schwerwiegenden Kritikpunkte an dieser Bankgesellschaft und auch an den damaligen Entscheidungen und Vereinbarungen des Senats.
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Buchholz! Zwischen 1991 und 1993 hat das Unternehmen Zuwendungen aus Wirtschaftsförderungsmitteln für die Beseitigung von Grundstücksmängeln in Höhe eines hohen einstelligen Millionenbetrages erhalten. Damit war in Übereinstimmung mit dem Erbbaurechtsvertrag die Verpflichtung verbunden, den Betrieb bis zum 31. Dezember 2003 aufrechtzuerhalten und das Grundstück in vollem Umfang und ausschließlich für Omnibusbau, den Bau von Busstellen sowie für den Omnibusservicebetrieb zu nutzen. Diese Verpflichtung wurde nur bis zum 31. Dezember 2001 eingehalten.
Deshalb nun gleich zu Ihrer Frage 2: Die durch Rechtsprechung verfestigte Rechtslage ist insofern eindeutig, als zwischen dem privaten Zuwendungsempfänger und dem staatlichen Zuwendungsgeber die finanziellen Risiken angemessen verteilt werden müssen. Danach kann das allgemeine Produktionsrisiko, das aus wirtschaftlichen Gründen zur Stilllegung eines Betriebes führt, leider nicht einseitig zur Rückforderung der gesamten Zuwendung dem Unternehmer aufgebürdet werden. Dieser Vor
gabe entsprechend wurde der auf die Restlaufzeit des Bindungszeitraums entfallende Teilbetrag zurückgefordert. Die Rückzahlung ist auch am 20. Dezember 2001 erfolgt.
Ich bin in der Schwierigkeit, aus bestimmten datenrechtlichen Gründen nicht genau die Fördersummen sagen zu dürfen. Damit darf ich auch nicht genau sagen, wie hoch der Teilbetrag ist, weil man dann Rückschlüsse ziehen kann. Deshalb formuliere ich meine Antwort so: Es war ein hoher einstelliger Millionenbetrag, der hingeflossen ist, und es ist ein kleiner, aber immerhin auch noch einstelliger Millionenbetrag, der zurückgekommen ist.
Sorry, das kann ich Ihnen nicht sagen! Das weiß ich nicht. Ich weiß nur von einem Besuch, dass unter anderem die Tatsache, dass wir gerade dort auch Busse kaufen, im Zusammenhang mit bestimmten Plänen – so sage ich mal – des Unternehmens, dort abzubauen, eine große Rolle spielte. Dort lag von uns so ein wenig die Drohung in der Luft, dass man natürlich auch Aufträge, die an andere Stellen, an MAN, gehen, noch einmal neu prüfen kann, wenn dort sozusagen nicht ordnungsgemäß geliefert wird. Darüber gibt es auch Verhandlungen. Aber inwiefern sie sich jetzt an der Ausschreibung beteiligt haben, ist mir nicht bekannt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zunächst eine Klarstellung: Ich teile den Titel der im FDP-Antrag enthaltenen Unterstellung nicht, dass die Misere am Arbeitsmarkt durch neue Formen der Arbeitsmarktpolitik tatsächlich real beendet werden könnte. Ich halte das für ein Überfrachten von Arbeitsmarktpolitik. Noch so viele neue Formen der Arbeitsmarktpolitik werden die Arbeitslosigkeit nicht auf ein Niveau senken können, welches wir als erträglich bezeichneten.
Wer die Diskussion über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an der Frage neuer oder alter Formen der Arbeitsmarktpolitik hochzieht, der betreibt in meinen Augen ein gefährliches Spiel mit den Erwartungen der arbeitslosen Berlinerinnen und Berliner.
Wir können in Berlin keine Diskussion gebrauchen, die nach dem Muster der aktuellen bundesweiten Debatte über die Arbeitsvermittlung läuft und so tut, als läge es allein an den Mängeln der Arbeitsvermittlung durch die Bundesanstalt für Arbeit und deren statistische Erfassung, dass wir in Berlin und in Deutschland eine lang anhaltende hohe Massenarbeitslosigkeit haben. Das schafft Stimmungen, aber keine Lösungen.
Gewiss, wie die Arbeitsvermittlung, so ist die Arbeitsmarktpolitik ein Teil des Problems und ein Teil der Lösungen – aber eben nur ein Teil, und zwar der kleinere.
Nun komme ich zu einigen der aufgeworfenen Fragen: Zunächst einmal weiß ich gar nicht, ob sich der Senat ernsthaft vorgenommen hat, Arbeitgebern geeignete Arbeitskräfte zu vermitteln, was Herr Kurth für unmöglich hielt. – Dabei ist er das beste Beispiel dafür, dass das funktioniert. Aber trotzdem wird es nicht unsere Aufgabe werden.
Ich wundere mich auch sehr, dass von der FDP und auch von der CDU kritisiert wird, dass die Arbeitsämter nur 10 % ihrer Tätigkeit mit Vermittlung verbringen. Ich frage Sie: Wer hat denn jahrelang einen ideologischen Kampf zur Kontrolle der Arbeits
losen geführt und diesbezüglich die Arbeitsämter mit immer neue Aufgaben überhäuft, mit der Vorstellung, es würde so viele geben, die sich entzögen und gar nicht bereit wären, einer Arbeit nachzugehen, so dass die diesbezüglichen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit ständig angehäuft wurden, mit der Folge, dass weniger Zeit für die eigentliche Vermittlungstätigkeit übrig geblieben ist.
Und was den ersten Tag anbelangt, wo die gar nicht erst zum Arbeitsamt gehen sollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sondern gleich zu irgendeinem privaten Arbeitsvermittler, so darf ich Sie daran erinnern: Es handelt sich auch noch um ein Versicherungsverhältnis, es geht auch noch um Arbeitslosengeld, und das muss schon irgendwie ausgezahlt und verwaltet werden. Also, so einfach, wie es die FDP darstellt, ist es nicht. Das alles ändert übrigens nichts daran, sich ernsthaft über neue Strukturen in der Bundesanstalt für Arbeit Gedanken zu machen, wie sie ein moderner Dienstleister werden kann, was sie heute zweifellos noch nicht ist, wie man viele Dinge auch entbürokratisieren kann und wie man die Vermittlungstätigkeit deutlich stärken kann.
Ich habe auch überhaupt nichts dagegen und bin darin ideologisch völlig frei, dass private Arbeitsvermittler erfolgreich wirken und dass man sich die Arbeit teilt. Nur, so zu tun, als ob allein mit privaten Arbeitsvermittlern das gesamte Problem der Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht bestünde, das nenne ich das Wecken einer gefährlichen Illusion.
Was werden Private machen? –
Sie werden versuchen, Unternehmen zu vertreten, die besonders geeignete Leute suchen, und sie werden eher hoch qualifizierte Arbeitslose vertreten, von denen sie überzeugt sind, durch eine relativ zügige Vermittlung schnell ihre Gebühren zu kassieren. Die Problemfälle, wie die Geringqualifizierten, die Langzeitarbeitslosen, bleiben dann bei der Bundesanstalt für Arbeit. Dagegen ist im Übrigen auch gar nichts zu sagen. – Ich will ja nur, dass keine Illusionen in diesem Zusammenhang vermittelt werden und dass wir keine falsche Konkurrenz aufmachen, sondern die richtige Mischung finden. Das ist mein Anliegen.
Wir haben in Berlin nach wie vor eine Arbeitslosigkeit, die durch die Umstrukturierungsprozesse aus früheren Jahren geprägt ist, und zwar im Ostteil wie im Westteil. Wie nirgendwo sonst erforderte die Vereinigung in Berlin eine Neuausrichtung der wirtschaftlichen Strukturen und den Wandel von Industrie- zu Dienstleistungsarbeitsplätzen, den Aufbau lebensfähiger Wirtschaftsstrukturen – auch ohne westdeutsche Subventionen –, kurz: die Entwicklung eines neuen Leitbildes der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik. Im Jahr 1995 gab es in Berlin rund 213 400 Frauen und Männer ohne Arbeit – das waren damals 13,6 %. Im Jahr 2001 betrug im Durchschnitt die Zahl der Arbeitslosen 272 300. Das ist eine Quote von 17,9 %. Das Niveau der Arbeitslosigkeit in Berlin ist nach wie vor doppelt so hoch wie in den westlichen Bundesländern und inzwischen auch höher als in Thüringen. Ohne die Entlastungen durch den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen des Landes Berlin und der Bundesanstalt für Arbeit wäre der Arbeitslosenbestand noch um mehr als 20 % höher. Das muss man auch sehen.
Deshalb sage ich in diesem Zusammenhang: So wichtig die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt ist, ist Arbeitsmarktpolitik immer auch Nothilfe für sonst beschäftigungslose Menschen. Deshalb wird es immer verschiedene Instrumente geben, die man einsetzen muss, um beschäftigungslosen Menschen in irgendeiner Form zu einer sinnvollen Beschäftigung zu verhelfen. Wenn Herr Kurth erklärt, dass sich Arbeitsmarktpolitik ausschließlich an den Interessen der Wirtschaft zu orientieren habe, ist das eine extrem einseitige Sicht.
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Bm Dr. Gysi
Sie hat sich in erster Linie an den Interessen der Arbeitslosen zu orientieren, aber selbstverständlich die Interessen der Wirtschaft mit zu berücksichtigen, weil es sonst nicht zusammenpasst. Aber wir müssen diesen Zusammenhang auch wirklich erkennen und herstellen.
Wir müssen das bisherige Instrument ABM überdenken. Es ist richtig, dass es aus einer Zeit stammt, die langanhaltende Sockelarbeitslosigkeit mit einem hohen Anteil geringqualifizierter Arbeitslose kaum kannte. Rund 43 % der Arbeitslosen in Berlin verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wir werden zukünftig stärker in Berlin auf das Instrument – bisher bekannt als Vergabe-ABM – setzen müssen. Dadurch erhöhen sich die Chancen für einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt und wird eine effektivere Verzahnung mit handwerklichen Betrieben möglich.
Mir geht es nicht darum, den Widerspruch zwischen ABM und den Interessen gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen zu verschärfen, sondern eine Art von Verbindung herzustellen, die letztlich von gegenseitigem Interesse ist. Es wäre natürlich viel günstiger, wenn wir überhaupt keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen benötigten und alle ihren Erwerbsarbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt fänden. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Ich sage auch deutlich, dass das seit dem 1. Januar 2002 in Kraft getretene Job-Aqtiv-Gesetz, das für Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren und Vermitteln steht, es uns erleichtert, Arbeitsmarktpolitik zu verbessern, auch hier in Berlin. Es geht um die individuellen Fähigkeiten und Chancen Arbeitsloser, die gestärkt werden sollen. Vor allem hoffe ich, dass die Umsetzung, der Gebrauch der neuen bundesgesetzlichen Handlungsspielräume der Arbeitsmarktpolitik dazu beiträgt, Arbeitslose, die resigniert haben, die sich auf ein Leben in Arbeitslosigkeit eingerichtet haben, wieder zu motivieren.
Das wird nur gelingen, wenn deutlich wird, dass sich die Mühen von Weiterbildung, Qualifikation und Bewerbung wirklich lohnen und zu einem existenzsichernden Arbeitsplatz verhelfen können. Die neuen flexibleren Gestaltungsspielräume etwa für ältere Arbeitslose, für Eingliederungspläne, für frühzeitige Umqualifizierung, für die Unterstützung allein Erziehender oder für die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern werden wir seitens des Landes gemeinsam und mit allen Akteuren der Arbeitsmarktpolitik nutzen.
In manchem war Berlin Vorreiter, etwa bei der Jobrotation, das in der Stadt bereits seit 1996 in Modellprojekten erfolgreich erprobt worden ist. Wir werden das arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm straffen und fortschreiben. Sozialverträgliche Flexibilität, bezirkliche Bündnisse für Wirtschaft und Arbeit, Stadtteilund Produktivgenossenschaften sollen eine stärkere beschäftigungspolitische Rolle spielen. Wir werden die knappen Mittel zielgenauer einsetzen und eine stärkere Ausrichtung der Instrumente der Arbeitsförderung auf jene Personengruppen vornehmen, die in besonderem Maß von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dazu zählen Langzeitarbeitslose, Jugendliche, ältere Personen, Ausländerinnen und Ausländer, Schwerbehinderte, Geringqualifizierte, Sozialhilfe Empfangende.
Wir werden insbesondere auch dafür streiten, dass die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zumindest dem Frauenanteil zugute kommen, der auch dem Anteil an den Arbeitslosen entspricht, und damit dem Grad der Betroffenheit von Frauen durch Arbeitslosigkeit gerecht werden.
Der Senat wird auch alles daran setzen, die Kofinanzierung von Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit wie ABM und SAM auch weiterhin sicherzustellen. In diesem Zusammenhang werden wir gemeinsam mit den Arbeitsämtern neue Möglichkeiten der Beschäftigung schaffen, die Infrastrukturförderung BSI ausschöpfen. Ich verstehe auch die Kritik von Frau Dr. Klotz in diesem Zusammenhang wirklich nicht. Meine Senatsverwaltung
ist unmittelbar nach der Wahl in dieser Frage schon aktiv geworden. Alle Anträge sind gestellt und inzwischen auch vom Hauptausschuss gebilligt.
Selbstverständlich werden alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen fortgesetzt werden auch nach dem Artikel der Verfassung, der uns dafür zur Verfügung steht. Im Übrigen ist dieser neue Senat wirklich nur geringfügig beteiligt. Dies betrifft zumindest einen Teil, nämlich den der Haushaltskrise, in der wir uns gegenwärtig befinden. Diese hat eine schwierige Situation heraufbeschworen. Die Planungen in diesem Haus in diesem Maßnahmenbereich waren noch während der Übergangssenatszeit nicht so weitreichend, dass ich auf alles hätte einfach zurückgreifen können. Das ist in diesem Zusammenhang auch eine Wahrheit! Diese Maßnahmen werden fortgesetzt werden. Das ist das Entscheidende. Das konnte ich auch in einem Gespräch mit dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes klären. Dies gilt auch schon für neue Strukturen hinsichtlich mehr Vergabe-ABM, neue Formen von Arbeitsmarktpolitik und weiteres. Daran wird es also nicht scheitern.
Natürlich braucht man dafür auch Geld. Da haben Sie Recht. Das müssen wir zur Verfügung stellen. Ich habe auch im Senat ganz klar gesagt, dass Arbeitslosigkeit wesentlich teurer als Arbeitsmarktpolitik ist, vor allem wenn man sie effektiv und erfolgreich gestaltet.
Wir haben in Berlin noch ein besonderes Problem, das sich verzahnt, weil wir sehr viele nichtdeutsche Arbeitslose haben. Insofern müssen Sprachkurse und ähnliches hinzukommen, wenn wir erfolgreich Arbeitsmarktpolitik betreiben wollen. Das alles wissen Sie. Das muss ich Ihnen jetzt nicht im Einzelnen aufzählen. Wir haben vorhin viel über Bildungspolitik in der Regierungserklärung gehört. Sie wissen, wie viel leichter es ist, hochgebildete, hochqualifizierte Menschen in Arbeit zu vermitteln als geringqualifizierte. Deshalb gibt es auch hier einen wichtigen Zusammenhang.
Letztlich sage ich deutlich, dass wir dabei auch die Interessen der Unternehmen zu berücksichtigen haben werden. Das gilt für die Vermittlung von Arbeitskräften, das gilt aber auch für die Verhinderung einer falschen Konkurrenz. Wir dürfen ABM nicht dazu benutzen, dass der Malermeister in Konkurs gehen muss, weil er nicht mehr die notwendigen Aufträge erhält. Hier wird es immer auch Kollisionen und immer auch Widersprüche geben. Das ist bei einer solch hohen Zahl von Arbeitslosen gar nicht zu vermeiden. Gerade durch die Verbindung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik versprechen wir uns hier bessere Lösungen, weil wir einfach mit den Problemen und den Interessen beider Seiten ständig konfrontiert werden, was eher dazu veranlasst, einen Kompromiss zu finden, die Dinge besser in den Griff zu bekommen. Deshalb habe ich in diesem Zusammenhang auch über sogenannte Vergabe-ABM gesprochen, die zumindest für die Wirtschaft leichter zu ertragen sind als KonkurrenzABM, die mit dem ersten Arbeitsmarkt und ihren Unternehmen zu tun haben.
In diesem Sinne bin ich sicher, dass wir in Zukunft besser kommunizieren können, dass Arbeitsmarktpolitik zweifellos eine große Rolle spielen wird, dass wir moderne Dienstleistungen wie Job-Points und vieles andere mehr brauchen, dass wir Staatliches und Privates miteinander verbinden werden, dass wir aber auch die Akteure der Wirtschaft und die Akteure der Arbeitsmarktpolitik näher zusammenführen müssen, wenn wir diesbezüglich erfolgreich sein wollen. Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten werden wir alle nutzen. Dass sie noch nicht ganz dem entsprechen, was wir uns vorstellen, ist auch klar. Wir sind dort in Opposition. Immerhin sind uns weitere Möglichkeiten gegeben, die gerade Berlin dringend benötigt.
Letztlich möchte ich noch anmerken, dass zu einer vernünftigen Arbeitsmarktpolitik gehört, uns als Region Berlin-Brandenburg zu verstehen. Auch die Arbeitsmarktfragen werden wir nicht
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