Ole von Beust
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, in der Tat: Tolerant, weltoffen und sicher; dann wird es gut werden.
Herr Bürgermeister – Sie haben es auch angesprochen –, ich gebe ganz freimütig zu, daß ich zunächst, als mir die Idee zugetragen wurde und ich sie gelesen hatte, mehr Skepsis als Begeisterung hatte. Das gebe ich ganz ehrlich zu, und, ich glaube, das verbindet uns auch, wenn Sie ehrlich sind. Es war ja nicht so, daß Sie sofort mit wehenden Fahnen gesagt haben, ganz toll, sondern Sie waren aus gutem Grunde zurückhaltend. Denn ein solches Riesenprojekt geht natürlich nur, wenn die Region mitspielt, wenn die Öffentlichkeit mitmacht und wenn die Wirtschaft es unterstützt. Alleine kann es die Stadt nicht machen.
In dem Moment, als deutlich wurde, daß es großes Interesse der Wirtschaft über Hamburg hinaus gibt, großes Interesse der Nachbarländer und eine große Begeisterung der Hamburgerinnen und Hamburger, ist es doch völlig klar, daß die Politiker dieser Stadt sagen, ja, wir wollen es gemeinsam nach Hamburg holen. Das ist doch völlig klar, meine Damen und Herren.
Darum würde ich mich freuen, wenn es trotz Wahlkampf gelingen würde – und bisher ist es doch auch überwiegend gelungen –, zu sagen, dieser Olympia-Plan – es ist doch ganz egal, wie die Wahl ausgeht – ist kein Plan der SPD, der CDU, der Grünen. Es ist eine Idee für ganz Hamburg, und da sollten wir für Hamburg zusammenstehen und keine Parteisüppchen kochen wollen.
Ich denke, diese Stadt hat doch Tradition, bei Projekten, die der ganzen Stadt über Parteigrenzen hinweg etwas bringen, zusammenzustehen. Wir haben bei Airbus zusammengestanden und was erreicht, wir haben beim Länderfinanzausgleich zusammengestanden und was erreicht.
Entschuldigung, wir haben in Sachen Länderfinanzausgleich parteiübergreifend in dem Bündnis für Hamburg gearbeitet. Das wollen Sie jetzt vergessen, das haben wir getan, und wir sollten gemeinsam stolz darauf sein,
denn ich habe das Ziel, diese hanseatische Tradition aufrechtzuerhalten, wenn es um Lebensinteressen dieser Stadt geht, zusammenzustehen. Das werde ich weiter so tun.
Von daher, meine Damen und Herren, kommt es jetzt in der Tat darauf an, zusammenzustehen, denn, ich glaube, ein getrenntes Schlagen und getrennte Wege werden uns schon beim NOK keine guten Karten geben. Da ist es wichtig, daß diese Stadt zusammensteht. Wir wollen das tun, und ich hoffe, die Stadt wird dann gemeinsam das erreichen, was wir wollen: Olympia in Hamburg.
Frau Präsidentin! Der Senat hat im Februar 2000 und im Juni 2001 unter Verantwortung von Bürgermeister Runde Fragen bezüglich dessen Verabschiedung als Sozialsenator im Januar 1994 beantwortet. Durch einen Vermerk aus der BAGS wird nunmehr deutlich, daß die Höhe der sogenannten angefallenen Gesamtkosten dieser Veranstaltung viermal so hoch war wie die in der Senatsantwort angegebene Rechnungssumme des Berufsförderungswerks. Der Kostenträger für diese Differenz ist bislang unklar.
Ich möchte den Bürgermeister fragen – der leider nicht anwesend ist, so frage ich die anwesende Zweite Bürgermeisterin –:
Unter wessen Veranlassung wurde die tatsächliche Gesamthöhe der Kosten verschwiegen und wer die Differenz bezahlt hat?
Wenn keine Gesamtkosten bekannt sind, wieso steht dann in einem Vermerk – ach, ich muß ja die Fragen stellen, die hier aufgeführt sind; dann verzichte ich auf die Zusatzfrage, die Kollegen werden weitere Fragen stellen.
Herr Staatsrat, wenn die Gesamtkosten der Veranstaltung nicht bekannt waren, wie kommt es, daß in dem Vermerk von Herrn Palm, der damals, glaube ich, Abteilungsleiter der Präsidialabteilung war, handschriftlich festgehalten wurde: „Wir müssen die Kosten, die
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vom Berufsförderungswerk in Rechnung gestellt sind, wohl übernehmen; sie machen nur ein Viertel der Gesamtkosten aus.“?
Wenn die Kosten nicht bekannt waren, wie kann er sagen, sie machen ein Viertel der Gesamtkosten aus?
Wenn es sich nur um eine grobe Schätzung handelt, müßten die Gesamtkosten vier mal rund 2000 DM, grob gerechnet also 8000 DM, betragen haben. Das heißt, daß man davon ausgehen kann, daß die Kosten, die nicht vom Berufsförderungswerk gerechnet wurden, also 6000 DM, die Kosten waren, die sich auf Musik und Raumgestaltung aufteilen. Wie teilen sich die Kosten auf diese beiden Positionen auf?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Sie sprachen von Effizienz. Besonders effizient sind Sie bei öffentlichen Unternehmen immer dann gewesen, wenn es darum ging, Ihre eigenen Leute in Spitzenpositionen unterzubringen. Da waren Sie besonders effizient.
Als es beispielsweise darum ging, fast alle vorherigen Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten in Spitzenpositionen der öffentlichen Unternehmen unterzubringen, waren Sie in der Tat Weltmeister, Herr Bürgermeister, großartig.
Als Sie bei der Scheinprivatisierung der Stadtentwässerung den Geschäftsführer und ehemaligen sozialdemokratischen Beamten in die Geschäftsführerposition gebracht haben – der dadurch mal eben sein Gehalt verdoppelt hat –, waren Sie sehr effizient, Herr Bürgermeister, das stimmt.
Sie sprechen davon, daß ich einen Griff in die Trickkiste oder Schatztruhe gemacht hätte. Man kann über alles streiten, aber von einem Senat, der plant, die Schulgebäude und -gelände mal eben für 4 Milliarden DM scheinzuprivatisieren, um dadurch die Haushaltsmisere in den Griff zu bekommen und auf diese Weise eine Kreditauf
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nahme von 4 Milliarden DM zu verhindern, lasse ich mir doch nicht einen Griff in die Trickkiste oder ähnliches vorwerfen. Das ist doch ein Treppenwitz.
Sie haben in Ihrer ganzen Rede nicht darlegen können, warum es staatliche Aufgabe ist, Kfz-Werkstätten oder Wäschereien zu betreiben.
Sie haben mir auch nicht darlegen können, warum es staatliche Aufgabe ist, Hafenrundfahrten zu machen oder Bus-Touristik zu betreiben und am Wochenende in die Heide zu fahren und Rheumadecken zu verkaufen. Das ist doch keine Staatsaufgabe, Herr Bürgermeister, das können Sie doch nicht ernsthaft erzählen.
Und wenn Herr Wagner als Aufsichtsratsvorsitzender der SAGA in eigener Sache spricht und sagt, daß es Piraterie sei, wenn man Wohnungen an Mieterinnen und Mieter verkauft, dann sage ich Ihnen, Herr Wagner, wovor Sie Angst haben. Sie haben Angst davor, die Mieterinnen und Mieter, die von Ihnen jetzt noch in der SAGA gegängelt werden, aus diesem Gängelband zu verlieren. Das ist Ihre Sorge.
Es ist in der Politik alte sozialdemokratische Taktik, daß Sie, jedes Mal dann, wenn Wahlen ins Haus stehen,
Ihren sozialen Mietern Angst machen wollen oder Sie machen Ihnen eine Freude, indem Sie wie durch Geisterhand die Mieten entweder senken oder die Rückzahlung auf einen Zeitpunkt verschieben, der bei den Wahlen günstig ist. Sie haben bisher versucht, die Mieterinnen und Mieter der SAGA als ihre sozialdemokratische Manövriermasse zu mißbrauchen. Die Mietenlüge vor einigen Jahren war eine sozialdemokratische Mietenlüge.
Nein.
Herr Wagner, Sie genießen es, die Menschen zu bevormunden, das weiß ich. Sie genießen Ihre Macht, weil Sie sie schamlos ausnutzen.
Aber wir wollen Mieterinnen und Mieter, und nur die und keine Gesellschaften, die das Recht haben sollen, für sich und ihre Familienangehörigen mit ihren Wohnungen Eigentum zu schaffen. Davon werden wir uns durch Ihre Ideologie nicht abbringen lassen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn der Grundsatz gilt – und für mich gilt er –, erst kommt das Land, dann die Partei, muß man feststellen, daß die Einigung im Länderfinanzausgleich gut für das Land Hamburg ist, und wir freuen uns darüber.
Sie beweist nebenbei auch die Kraft des föderalistischen Prinzips, auch, Herr Bürgermeister, wenn die Räubertruppen aus den verschiedensten Gegenden kamen, vom Rheinland bis Bayern. Sie kamen aus vielen verschiedenen Ecken, und es ist gut, sie gemeinsam in die Flucht geschlagen zu haben.
In diesem Zusammenhang danke ich ausdrücklich dem Bürgermeister für seine Verhandlungsführung. Ich weiß vom hessischen Ministerpräsidenten, daß auch im Kreise der unionsgeführten Länder die konstruktive Art Anerkennung gefunden hat.
Sie haben, Herr Bürgermeister, den ökumenischen Segen angesprochen. Bis zur Heiligsprechung dauert es aber noch ein bißchen, das kann ich Ihnen versichern.
Die wollen wir auch nicht, aber das liegt nicht an uns.
Heilig gesprochen wird auch nur der, der aufrichtig Sünden bereut. Ich weiß nicht, wie das so ist.
Wahlkampf hin oder her, Herr Bürgermeister. Wir haben und werden auch in Zukunft sicherlich viel und oft Gelegenheit haben, uns gegenseitig zu kritisieren, wo wir meinen, daß Kritisieren sinnvoll sei. In diesem Fall ist ein Ergebnis gefunden worden, mit dem die hamburgischen Interessen vernünftig bedient sind, und das ist gut für unsere Stadt.
Das sah nicht immer so aus. Erinnern wir uns an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999, das die Einwohnerwertung in der bisherigen Form in Frage gestellt hat. Wäre nach diesem Urteil und dem Druck großer Flächenstaaten, der Räuberbanden, wie Sie sich ausdrückten, die Einwohnergewichtung womöglich weggefallen, wäre dieses in der Tat eine Katastrophe für unsere Stadt gewesen. Hier bewährt sich die hamburgische Tradition, in Überlebensfragen der Stadt auch über Parteiund Interessengrenzen hinweg zusammenzustehen. Dieses war zumindest in der Vergangenheit in vielen Hafenfragen so, das galt für die Airbus-Ansiedlung, und das galt auch für den Länderfinanzausgleich. Wenn es wirklich brenzlig wird, muß man zusammenstehen, das ist auch unsere Überzeugung.
Nebenbei hat natürlich auch dieses Parlament an dem Ergebnis mitgewirkt. So konnte durch die Einsetzung der Enquete-Kommission Ende November 1999 der Grundstein für die parlamentarische Aufbereitung gelegt werden, und ich halte dieses verfassungsrechtlich für wichtig. Finanzen, Finanzpolitik und die Ordnung der Finanzen zwischen den Ländern sind nicht nur ausschließlich Angelegenheiten der Exekutive, sondern auch eine entscheidende Aufgabe des Parlaments, das sich da auch die Geschicke nicht aus der Hand nehmen lassen darf. Daß neben dem Finanzausgleich zwischen den Ländern und der erfolgreichen Wahrnehmung der hamburgischen Interessen auch die Grundlage für die zukünftige solidarische Behandlung der neuen Länder, die immer noch unsere Hilfe brauchen, geregelt wurde, ist mindestens genauso wichtig. Die neuen Länder brauchen nach wie vor mehr tatkräftige Hilfe auch finanzieller Art als gute Worte oder Betroffenheitserklärungen, sie brauchen nach wie vor unsere Unterstützung.
Summa summarum ist es ein vernünftiges Ergebnis, auch wenn sich dieses in der Praxis beweisen muß. Und so gibt es einige Dinge, die man bei aller Freude ansprechen muß. Ich habe Zweifel, ob die erhöhte Einbeziehung der kommunalen Steuern in den Länderfinanzausgleich auf Dauer wirklich tragen kann. Die Modellrechnungen der Fachleute in der Enquete-Kommission zeigen, daß eine stärkere Berücksichtigung der Gemeindesteuern die bisherigen Zahlerländer Geld kosten kann, also auch Hamburg. Dies mag bei einem Kompromiß dazugehören. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob bei dem Modell des Finanzausgleichs die Berücksichtigung kommunaler Abgaben und, wenn ja, in welcher Höhe, ordnungspolitisch langfristig wirklich vernünftig ist.
Wichtig erscheint mir auch die Frage, ob durch den gefundenen Kompromiß auf Dauer die Änderung der geltenden Zerlegungsregel der Lohnsteuer vom Tisch ist. Die jetzige Regelung, die Einkommen ausschließlich im Wohnsitzland zu versteuern und es nicht zu einer vernünftigen Aufteilung zwischen Wohnsitz und Arbeitsstätte kommen zu lassen, hatte für Hamburg drastische Folgen. Hamburg kostet diese Art der Aufteilung rund 2,5 Milliarden DM, also etwa ein Dreifaches dessen, was wir in den Länderfinanz
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ausgleich gezahlt haben. Die Änderung der jetzigen Regelung des Zerlegungsprinzips, die ich als unsachgemäß empfinde, obwohl sie bei dem jetzt gefundenen Kompromiß vielleicht noch nicht zur Disposition gestellt werden konnte, muß unser Anliegen bleiben, muß eine gemeinsame Aufgabe der Finanzpolitik der Länder sein. Die jetzige Regelung ist in ihrer Struktur – es geht auch um Ordnungspolitik – auf Dauer unbefriedigend, und die gefundene Regelung mit diesen Strukturen darf nicht mit dem Hinweis geopfert werden, man habe sich über den Länderfinanzausgleich geeinigt; hier sind weiter Strukturreformen notwendig.
Von gleicher Bedeutung ist die Notwendigkeit, sogenannte Mischfinanzierungen neu zu regeln. Die Finanzhilfen des Bundes an die Länder, insbesondere bei Investitionen im Bereich der Wohnungsbauförderung, der Städtebauförderung und der Gemeindeverkehrsfinanzierung, sind natürlich ein süßes Gift und im Einzelfall immer wünschenswert, aber auf Dauer widerspricht es dem föderalen Prinzip, wenn der Bund vielleicht in guter Absicht und auch finanziell zunächst lukrativ Kompetenzen an sich zieht und hinterher die Länder vom Bund beglückt werden. Ich plädiere dafür, strukturell zu einer Aufgabenverteilung zu kommen, in der eindeutig festgestellt wird, was Bundesaufgaben, was Landesaufgaben und was kommunale Aufgaben sind. Und ich wünsche mir, daß die Struktur dieser Mischaufgaben, wie wir sie jetzt haben, auf Dauer einer klareren Struktur weicht. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen Einigung wichtig. Wenn wir zu einer Vermischung der Aufgaben der föderalen Ebenen, der nationalen Ebene und jetzt noch der europäischen Ebene kommen – dieser Zustand ist zu beobachten –, führt dies auf Dauer zu einer Struktur in der Bundesrepublik Deutschland, die für den Bürger nicht überschaubar ist. Die Leute wollen wissen, wer für was zuständig ist, wer welches Geld für was gibt. Die Mischung der Aufgaben und der Finanzierung ist auch vom Demokratieprinzip her auf Dauer ein ungesunder Zustand, weil die Menschen im Wissen darum, wer für was zuständig ist und wer es bezahlt, ihre Mitwirkungsentscheidungen und ihre Wahlentscheidungen treffen müssen und wollen. Wer das nicht mehr weiß, wird letztlich im Demokratieprinzip vernebelt.
Von daher kommen trotz dieses Erfolgs im Länderfinanzausgleich und trotz der guten Ergebnisse für Hamburg auf die Bundesrepublik Deutschland und auf uns wichtige Aufgaben zu. Wir dürfen uns aufgrund dieses Kompromisses, der glücklicherweise langfristig ist – Sie haben völlig recht, wenn alle paar Jahre die neue Sau durchs Dorf getrieben wird, haben wir nie Ruhe –, nicht ausruhen und sagen, jetzt haben wir alles in trockenen Tüchern und gehen nicht an die wichtigen anderen Strukturfragen heran, zum Beispiel die Zerlegung der Lohnsteuer oder die Zulässigkeit von Mischfinanzierung. Wir müssen im Sinne einer vernünftigen Finanzpolitik und einer vernünftigen Ordnungspolitik für die Bundesrepublik Deutschland und auch für ein gemeinsames Europa an dieses Thema herangehen.
Vor diesem Hintergrund ist es ein wichtiger Erfolg, und allen Beteiligten sei für diesen Erfolg gedankt. Hamburg kann froh und auch stolz sein, daß es so gekommen ist, aber es kommen wichtige Aufgaben auf uns zu, die wir in den nächsten Jahren gemeinsam lösen müssen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Christier, Sie haben Frau Roth das Vertrauen ausgesprochen. Das ist eine Art Himmelfahrtskommando, was Sie da gemacht haben.
Denn das Vertrauen haben Sie und Ihr Kollege Scholz auch Herrn Wrocklage eine Woche vor dem Rücktritt ausgesprochen. Das Vertrauen haben Sie damals Frau FischerMenzel ausgesprochen. Das sagt überhaupt nichts. Wenn Sie das Vertrauen aussprechen, ist es fast ein Alarmsignal, daß der Rücktritt kurz bevorsteht. Und das ist ja auch gut so.
Ich will Ihnen sagen, warum dieser Rücktritt fällig ist und wir diesen Rücktritt beantragt haben, und zwar aus drei Gründen.
Erstens: Das Krisenmanagement von Frau Roth, in welchem Fall auch immer, auch in diesem jüngsten Fall, ist eine einzige Katastrophe.
Zweitens: Der Umgang mit Menschen, der eigentlich für eine Sozialsenatorin ein besonders sensibler Bereich sein sollte, ist zynisch und überheblich.
Drittens: Der Umgang mit der Wahrheit ist höchst zweifelhaft. Ich will Ihnen auch alle drei Punkte begründen, warum.
Zunächst einmal die Art und Weise des Krisenmanagements, wie die Behörde, speziell Frau Roth, mit den aufkommenden Vorwürfen in bezug auf die „LachsbrötchenAffäre“ umgegangen ist.
Es gab innerhalb von zehn, vierzehn Tagen völlig verschiedene sich widersprechende Stellungnahmen.
Das stimmt, das ist bei ihr nichts Neues. Schlimm genug.
Zunächst einmal, als die ersten Vorwürfe kamen, war alles in Ordnung, es war nichts dran. Das war das erste.
Dann kam das zweite. Nicht aufgrund eigener Einsicht, sondern aufgrund des öffentlichen Drucks hieß es, man werde die Unterlagen sicherstellen, sie sollen sorgfältig geprüft werden. Erst war nichts dran. Dann sagt man, vielleicht ist doch etwas dran, und es wird sichergestellt und geprüft.
Dann – dritter Schritt – wird mitgeteilt, daß – nebenbei ohne Prüfung – sofort und unverzüglich sämtliche Gelder gestrichen werden.
Dann kam der vierte Schritt. Da hat nämlich die Presse gemerkt, daß an „sofort“ nichts dran war, und nach zwei, drei Tagen einmal nachgefragt, ob die Gelder eigentlich gesperrt worden sind. Da hieß es, nein, wir arbeiten am Bescheid. Von „sofort“ war keine Rede mehr, sondern der Bescheid müßte erst erstellt werden. Dann kam dieser Bescheid – das war der nächste Schritt – und dann kam jetzt der fünfte Schritt: April, April, die Gelder fließen doch wieder.
Fünf verschiedene Stellungnahmen innerhalb von zehn Tagen. Das ist Ihr katastrophales Krisenmanagement, Frau Roth. So gehen Sie hier mit den Menschen um.
Ich frage mich, ob Sie sich einmal in die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Vereins versetzt haben.
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Wie müssen sich eigentlich die Leute fühlen, die über ihr eigenes, persönliches, menschliches, berufliches Schicksal innerhalb von zehn Tagen fünf verschiedene Varianten hören müssen. Das ist zynisch, wie Sie mit den Leuten umgehen.
Sie denken nur an sich. Sie denken nur daran, wie Sie Ihren Kopf aus der Schlinge ziehen, und Sie vergessen das Schicksal dieser Menschen, die leider Gottes auf Sie angewiesen sind, Frau Roth. So ist es. Das ist die Wahrheit, nichts anderes.
Was mich wundert, ist
ach, Frau Hajduk bellt wieder vor sich hin –, daß in diesem Zusammenhang eigentlich keiner von Ihnen über die Frage nachgedacht hat und nicht einmal von Herrn Dr. Christier oder auch von den Grünen problematisiert wurde, was eigentlich bereits Belastendes oder Zweifelhaftes in dieser Angelegenheit vorlag, nicht nur, was die Frage der Bezahlung der Brötchen angeht.
Ich finde es überheblich, mit welcher Nonchalance Sie darüber hinweggehen, daß von diesem Verein, mit Duldung der Behörde, ABM-Kräfte schamlos eingesetzt wurden, Wahlkampfpropaganda für die SPD zu machen. Das finde ich schamlos, und sie finden kein Wort des Bedauerns dafür.
Ich erlaube mir, aus dem Brief einer Mitarbeiterin an die Behörde, deren Name der Behörde vorliegt, vorzulesen, was diese Frau darüber geschrieben hat.
Das Datum: 20. November 1999.
Moment. Es geht doch nicht darum, ob die Behörde wie, wann gehandelt hat, sondern in welchem zynischen Umgang mit den Menschen sie hier zunächst umgeht. Dazu komme ich noch, Herr Dr. Schmidt.
Mit Ihrer politischen Moral scheint es auch nicht weit her zu sein, Herr Dr. Schmidt.
Immer dann, wenn es Ihr rotgrünes Weltbild stört, sind Ihre moralischen Vorstellungen dahin.
Diese Frau schreibt zunächst etwas zu den Aktionen, die von dem Verein durchgeführt werden, und dann folgendes:
„Dazu gehören nicht nur die monatlich regelmäßig stattgefundenen Demonstrationen anläßlich der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen, sondern auch Aktionen zur ,politischen Aufklärung‘ mit einem Stand auf Wochenmärkten mit dem Ziel, die Bevölkerung zur Abwahl der Kohl-Regierung zu animieren.“
Das haben die Menschen dort sehr empfunden, und so haben Sie sich verhalten.
Die Frau führt weiter aus:
„Die dazugehörigen Unterlagen habe ich im Ordner am ,Info-Stand‘ abgelegt.“
Dann schreibt sie weiter:
„Die Teilnahme an den sogenannten Jagoda-Tagen war ,freiwillig obligatorisch‘. Der stete Druck, der auf uns lastete, die Sorge, den mühsam erstrampelten ABM-Arbeitsplatz nach einem Jahr zu verlieren, weil man sich nicht dem Willen des Geschäftsführers beugte, hat uns immer alle mitgehen lassen. Und nicht wenige haben sich dafür geschämt.“
So ist dieser Verein mit Ihrer Duldung mit den Menschen umgegangen, meine Damen und Herren. Das finde ich ungeheuerlich, und dafür sollte hier einmal eine Entschuldigung kommen.
Was Sie getan haben, ist, daß Sie im nachhinein die Mittel...
Was Sie getan haben, ist, daß Sie im nachhinein die Mittel gesperrt haben – das war auch notwendig –, allerdings erst, als Ihnen das Wasser – wie immer in solchen Fällen – bis zum Hals gestanden hat und Sie nicht mehr anders konnten. Denn die Rechenschaftsberichte des Vereins – und das werden wir ja sehen – haben diese Aktionen alle vorher dezidiert aufgeführt, über die Sie sich hinterher, als Sie nicht mehr anders konnten, moralisch empört haben. Sie haben es vorher gewußt, und es war keine Empörung bei Ihnen. Geschwiegen haben Sie und es duldend und freudig zur Kenntnis genommen. Das ist Ihre Haltung gewesen, nichts anderes.
Dann, meine Damen und Herren, zu der Frage, wer die Wahrheit gesagt hat.
Frau Roth hat in dem Interview des Norddeutschen Rundfunks gesagt, daß es erst am 8. Januar
Hinweise gab, daß solche Einnahmen überhaupt möglich seien. Das war ihre Einlassung im NDR-Interview. Demgegenüber liegt das Schreiben von Herrn Pumm vor. Herr Hackbusch hat daraus sehr weiträumig zitiert. Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, was in diesem Schreiben steht. Da steht drin:
„Tatsächlich verhält es sich anders. Wie Sie wissen, wird der Verein regelmäßig von Ihrer Behörde geprüft. Die
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letzte Prüfung hat Ende 2000 stattgefunden. In der Prüfung werden sämtliche Unterlagen vorgelegt. Sie stehen mithin den Prüfern insgesamt zur Verfügung.“
Dann werden die Unterlagen genannt, und weiter heißt es:
„Die Einnahmen aus der Lieferung von Lebensmitteln an einzelne Gewerkschaften sind in der Position Spenden im Jahresabschluß verbucht worden. Ich darf auf die Positionen 4010 (1977) und 3530 (ab 1998) des Jahresabschlusses verweisen. Ich stelle nach allem fest,“
so schreibt Herr Pumm weiter –
„daß die Behörde von sämtlichen Einnahmen Kenntnis hatte.“
Das steht also genau im diametralen Gegensatz zu dem, was Frau Roth gesagt hat. Das heißt unter dem Strich: Einer von den beiden sagt nicht die Wahrheit. Die Aussagen widersprechen sich vollständig, denn Ihr Kollege Abgeordneter Pumm habe entlarvt, daß die Senatorin etwas ganz anderes gesagt hat.
Die Behörde hat doch sämtliche Unterlagen gehabt. Sie wollen doch nicht ernsthaft sagen, Herr Christier, die Behörde hatte Kenntnis, aber Frau Roth habe davon nichts gewußt. Das wäre doch erbärmlich!
Sie trägt doch die Verantwortung für diese Behörde.
Der Verein sagte, daß er jährlich abgerechnet habe. Sämtliche Unterlagen hätten vorgelegen, auch die Unterlagen über die finanziellen Einnahmen. Frau Roth sagte, sie hätte erst am 8. Juni davon erfahren. Das stellt einen riesigen Gegensatz dar. Einer von beiden sagt nicht die Wahrheit.
Ich bitte um Verständnis, daß ich der Auffassung bin, daß in diesem Fall zumindest die erste Anscheinvermutung naheliegt, daß es Frau Roth ist, die nicht die Wahrheit sagt.
Wenn Sie meinen, Herr Pumm sagt nicht die Wahrheit, dann sagen Sie es. Das möchte ich auch gern hören, denn einer von beiden kann es nur sein.
Ich will Ihnen auch sagen, warum.
Erstens hat die Behörde auf diverse Kleine Anfragen der Kollegin Blumenthal im Vorwege der ganzen Geschichte über Monate hinweg nicht die Wahrheit gesagt. Zunächst hieß es, es gebe nur anonyme Hinweise; dann hieß es, daß die Behörde sich geirrt hätte, indem sie sagte, daß es auch namentliche Hinweise geben würde. Danach hieß es, daß diese Hinweise erst seit kurzem vorlägen, und dann wurde zugegeben, daß die Hinweise schon im März vorigen Jahres bekannt gewesen seien. Hier haben Sie innerhalb von Monaten vier verschiedene Antworten auf die gleiche Frage gegeben.
Da sollen wir Ihnen noch glauben! Das können wir beim besten Willen nicht. Wer hier die Unwahrheit gesagt hat, setzt sich zumindest dem Verdacht aus, auch in diesem Fall die Unwahrheit gesagt zu haben.
Das ist eine naheliegende Erkenntnis.
Zweitens: Es liegt eine Anfrage des Kollegen Wersich zum gesamten Sachverhalt vor. Zur Frage, ob die Behörde zu dem Zeitpunkt Kenntnis hatte, als Frau Roth gesagt hat, daß sie keine Kenntnis habe, und, wenn ja, welche, antwortete die Behörde: Das müssen wir prüfen.
Das heißt, zunächst sagte sie, sie habe es erst am 8. Juni erfahren. Dann wurde nachgefragt, was sie genau erfahren habe. Die Antwort lautete: Das unterliegt im Moment der Prüfung. Was denn nun? Entweder wissen Sie es, oder Sie prüfen es.
Das heißt, unter dem Strich liegt zumindest der Verdacht sehr nahe, daß erstens bei der Beantwortung diverser Kleiner Anfragen – das ist eine Behauptung, die nachweisbar ist – die Unwahrheit gesagt wurde.
Zweitens sagt Frau Roth: Ich habe es erst am 8. Juni erfahren. Als dann detailliert nachgefragt wurde, was, wie und wo, sagte sie: Nein, ich würde es erst prüfen.
Drittens haben wir völlig diametrale Aussagen von Herrn Pumm und Frau Roth.
Wer ein solches Krisenmanagement macht, wer so mit der Wahrheit und mit Mitarbeiterinnen einer ABM-Initiative umgeht, der darf in Hamburg nicht Senator sein.
Ich warne Sie davor – aber das müssen Sie selbst wissen, wie Sie sich verhalten – zu glauben, daß Sie mit der Ausrede, zunächst einmal zu prüfen – und die Prüfungen dauern am besten bis zum 24. September,
also möglichst schön lange –, daß nicht weitere Dinge herauskommen würden und daß man damit durchkommt, weil alles eine böse Kampagne, am besten eine Intrige von Frau Blumenthal oder – das wollen Sie uns ja weismachen – irgendeiner Zeitung sei,
der täuscht sich über das Ausmaß dieser Geschichte.
Es ist die Spitze eines Eisberges. Stück für Stück tauchen in den letzten Jahren immer neue Fälle auf, wo mit staatlichen Mitteln der Mißbrauch des Filzes und hinterher die Vertuschung betrieben wurde. Ich sage Ihnen, daß sich die Bürger dieser Stadt dieses nicht länger von Ihnen gefallen lassen werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Herr Dr. Schmidt! Die Reaktionen auf Ihre Rede – nicht Ihre Rede – und auf völlig harmlose Zwischenrufe des Kollegen Engels zeigen: Bei Ihnen liegen die Nerven blank, weil Ihnen das Wasser bis zum Hals steht.
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Herr Grund, Ihre Nerven glänzen besonders. Ihnen geht es nicht – und Ihnen, Dr. Schmidt, da ich Sie persönlich schätze, möchte ich das nicht absprechen – um die Wahrhaftigkeit und die Besorgnis, um die politische Moral, Ihnen geht es nur um Machterhalt und nichts anderes,
und da reagieren Sie besonders empfindlich.
Herr Dr. Schmidt, Sie haben alles sehr feinsinnig analysiert. Ich habe jetzt nicht die Möglichkeit, alles nachzuprüfen. Das werden Sie mir nachsehen können.
Aber Entschuldigung. Wenn Herr Dr. Schmidt hier einen Mitschnitt aus einer Fernsehaufzeichnung zitiert, die ich gar nicht zitiert habe, dann kann ich das nicht vorher nachprüfen. Ich weiß doch nicht vorher, was er sagt. Ich bin doch kein Prophet.
Herr Dr. Schmidt, bei all Ihrer menschlich nachvollziehbaren hohen Einschätzung, die Sie von sich selber offensichtlich haben, bitte ich Sie, zumindest einmal zu fragen: Glauben Sie denn wirklich, daß alle Journalistinnen und Journalisten, die über diese Pressekonferenz geschrieben haben, von der „taz“ bis hin zur „Bild“-Zeitung unisono berichtet und kommentiert haben, auch über die Stimmung dort, sich irren und Opfer einer gigantischen Verschwörung gewesen sind? Diese Behauptung ist doch abenteuerlich.
Das ist auch eine Wertungsfrage, was man glaubt oder nicht glaubt.
Aber, Herr Dr. Schmidt, wenn das alles nicht so gewesen ist, warum hat sich Frau Roth denn hier dafür entschuldigt? Das verstehe ich beim besten Willen nicht.
Da ist sogar dem Kollegen Röder – das habe ich noch in Erinnerung – der Vorwurf gemacht worden, daß er, obwohl Frau Roth gesagt hat, daß es ihr leid täte und sie sich entschuldigt hat, trotzdem noch einmal darauf hingewiesen hat. Ihm ist gesagt worden, das sei unerhört, die Frau entschuldigt sich, bringt die Sache in Ordnung und Herr Röder sagt das noch einmal. Jetzt hat sie alles nicht so gesagt. Ja, was denn nun, Dr. Schmidt? So einfach ist das nun auch nicht. Man wird sich doch nicht für etwas entschuldigen, was man nicht gemacht hat.
Aber ich habe, weil ich persönlich die Entschuldigung akzeptiere, diese Geschichte gar nicht mehr angesprochen.
Nein. Ich rede von heute, Herr Dr. Schmidt. Bei allem Bemühen um Wahrhaftigkeit, das gilt auch für Sie selber. Ich zitiere von heute. Ich habe heute zu diesem Vorfall überhaupt nichts getan und werde es auch nicht tun, weil mit der Bemerkung von Frau Roth für mich die Sache aus der Welt ist. Die ist für mich in Ordnung.
Dann möchte ich gerne dazu Stellung nehmen, was Sie zu den Anfragen gesagt haben. Das war sophistisch, feinsinnig, aber völlig unpolitisch, denn, meine Damen und Herren, Anfragen müssen natürlich dem Geiste nach genau beantwortet werden und nicht der sophistischen Auslegung nach einzelnen Kommatavorschriften. Das ist völlig unpolitisch.
Sie, der in den vergangenen Jahren immer – und das erinnere ich noch gut – für die Abgeordnetenrechte mit Feuer und Schwert eingetreten ist, versuchen nun zu rechtfertigen, daß auf die erste Anfrage gesagt wurde, es gab nur anonyme Hinweise und die seien vom November 1999, und bei der nächsten Anfrage gesagt wurde, nein, es gab nicht nur anonyme, es gab auch konkrete Hinweise, und bei der dritten Anfrage gesagt wurde, es gab konkrete Hinweise und die waren nicht vom November 1999, sondern schon vom März 1998. Dann zu sagen, das ist nun alles in Ordnung, das hat mit politischer Wahrhaftigkeit nichts mehr zu tun. Hier sollte vertuscht werden.
Wenn, lieber Dr. Schmidt, so schwerwiegende Vorwürfe des Mißbrauches einer Arbeitsloseninitiative kommen, einer Arbeitsloseninitiative, die Steuergelder erhält, die vom Arbeitsamt mit unterstützt wird, wo es um Schicksale von Menschen geht...
Warum lachen Sie eigentlich, wenn es um Schicksale von Menschen geht?
Ich wundere mich heutzutage über Sozialdemokraten. Was ist aus Ihnen eigentlich geworden?
Wenn es Hinweise gibt, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist, und Sie sagen, aufgrund dieser Hinweise ist ein Brief geschrieben worden, und der Verein gesagt hat, nein, es ist alles in Ordnung, und da hat die Behörde gesagt, prima, ich habe ja gesagt, es ist alles in Ordnung, also ist nichts. Das ist Ihre Art von Prüfung, die Sie von der Behörde verlangen. Das ist ja kümmerlich, Dr. Schmidt. Man muß doch solchen Dingen vernünftig nachgehen.
Wenn es in dem Schreiben von Herrn Pumm nicht nur allgemein heißt, alle Unterlagen seien überstellt worden – und ich bin überzeugt, aber das mag die Prüfung ergeben, da will ich nichts behaupten, was ich nicht weiß,
das ist nur eine These,
damit mir nicht etwas vorgehalten wird, daß der Verein auch Berichte über seine Aktivitäten gemacht hat, unter
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anderem auch die Demonstrationen –, so bin ich mir ziemlich sicher, daß diese Berichte auch an die Behörde gegangen sind und bereits vor diesem Hinweis – hätte man diese Berichte gelesen – hätten bekannt sein müssen. Das wird die Prüfung ergeben. Das behaupte ich.
Nur, Herr Pumm sagt in dem Schreiben in bezug auf die Buchungsunterlagen, es liegen sämtliche Prüfungsordner vor und in diesen Buchungsordnern befanden sich auch die Rechnungsstellungen gegenüber den Gewerkschaften für in Rechnung gestellte Lebensmittel einschließlich der Empfangsscheine, die bei der Belieferung einzeln aufgeführt wurden. Sie sagen nun, das lag alles vor, aber leider lag es im falschen Ordner, darum konnten wir es nicht wissen. Wie prüfen Sie eigentlich Unterlagen? Wie machen Sie das eigentlich? Ungründlich, oberflächlich, eine Hand wäscht die andere. Das ist Ihre Art der Politik.
Ja, Herr Grund, ich weiß.
Das heißt, es lagen die Unterlagen vor und man sagt kleinlaut, sie lagen vor, wir haben nur nicht reingeguckt. Es lagen Beschwerden vor, und man sagt kleinlaut, ja, wir haben doch nachgefragt, ob alles in Ordnung ist, und das reicht Ihnen, lieber Dr. Schmidt, als parlamentarische Kontrolle der größten Behörde dieser Stadt aus. Was ist eigentlich aus den Grünen geworden? Ein Jammertal ist das.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach der Erklärung nahezu sämtlicher Richterinnen und Richter am Hamburgischen Landgericht muß man leider für diese Stadt feststellen, daß die Hamburger Justiz am Ende ist,
und das ist das traurige Ergebnis sozialdemokratischer Justizpolitik. Das ist Alarmstufe Rot für die Rechtsstaatlichkeit in unserer Stadt, denn was heißt das nach den Stellungnahmen der Richterinnen und Richter konkret? Das heißt, daß es in Zukunft vermehrt – das hat es in der Vergangenheit schon gegeben, aber in Zukunft wird es vermehrt stattfinden – zu Entlassungen von Beschuldigten aus der Untersuchungshaft kommt, weil ein Strafverfahren nicht fristgerecht begonnen werden kann, daß Beweisverluste eintreten, daß Straftaten verjähren. Besonders schlimm ist, daß die Richterinnen und Richter beklagen, daß es zum Dealen, wie sie sich ausdrücken, zum Feilschen mit Straftätern über das Strafmaß kommt, weil aufgrund der Personalnot anders nicht vorgegangen werden kann. Das ist ein Armutszeugnis für die Justiz, meine Damen und Herren.
Die Verantwortung dafür trägt dieser Senat und ganz speziell Justizsenatorin Frau Peschel-Gutzeit, die trotz dieser Umstände, trotz des Hilferufs von über 200 Richterinnen und Richtern, trotz der vielen Tatsachen lapidar, arrogant und überheblich erklärt: „Ich kann nicht mehr tun.“ Das ist nicht doll, Frau Senatorin, das ist zu wenig.
Wenn Sie stolz dazu im „Hamburger Abendblatt“ sagen:
„Ich finde dieses Amt immer noch sehr reizvoll.“
und auf die Frage des Reporters:
„Auch über den 23. September hinaus?“
antworten:
„Ich würde, wenn das gewünscht ist, auch für die Zukunft zur Verfügung stehen.“
prophezeie ich Ihnen eines: Von keinem Menschen in dieser Stadt wird das gewünscht, Frau Peschel-Gutzeit, da bin ich mir sicher.
Mir scheint, daß der typische hamburgische Senatsvirus, Realitätsferne und Ohnmächtigkeit gegenüber den Problemen dieser Stadt, nun auch endgültig auf die Justizsenatorin übergegriffen hat. Die von den Richterinnen und Richtern geschilderten Probleme sind nicht neu. Wenn es ein neuer Hilferuf wäre, könnte man sagen, man hat es nicht gewußt und wie reagiert man jetzt? Aber bereits vor gut einem Jahr haben einige Richterinnen und Richter in ähnlicher Weise auf die Konsequenzen der falschen Justizpolitik hingewiesen. Wir haben des häufigeren hier im Parlament über die Mängel und Schwierigkeiten der Justiz diskutiert. Die Richter und vor allem die Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte haben in Einzelgesprächen seit Monaten die Justizsenatorin auf diese Umstände hingewiesen, und wie ist ihre lapidare Antwort? „Ich kann nicht mehr tun.“ Das ist erbärmlich.
Begründet wird dieses mit fiskalischen Interessen der Stadt. Sie scheinen eines zu übersehen: Bei der Funktionsfähigkeit der Justiz geht es nicht um eine fiskalisch disponible Masse, es geht um Verfassungsgrundsätze, es geht um Gewaltenteilung, es geht um die konsequente Durchsetzung des staatlichen Gewaltenmonopols, und es geht um Rechtsstaatlichkeit mit all ihren Auswirkungen. Hier mit fiskalischen Gründen zu argumentieren, ist schlicht unzulässig.
Und es zeigt wie in der Innenpolitik das gestörte Verhältnis von Sozialdemokraten zu Recht und Ordnung; auch das wird hier deutlich.
Wenn Sie es für normal halten, daß Richter gezwungen sind, aufgrund Ihrer Politik mit Straftätern und deren Verteidigern um ein milderes Strafmaß zu feilschen, zu dealen, weil die Justiz ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden kann, dann ist das für mich ein gestörtes Verhältnis zu Recht und Ordnung, und das darf so nicht weitergehen.
Wenn Sie vor diesem Hintergrund der berechtigten Forderungen der Justiz und unserer Vorschläge lapidar und völlig unsachgemäß mit Finanzargumenten kommen, sei mir ein Hinweis erlaubt: Wenn fast 500 Millionen DM in dieser Stadt ohne Rechenschaftslegung durch einen Zuwendungsbericht an alle möglichen Vereine und Vereinigungen gehen, viel Mißbrauch geschieht, vom Fall Pape bis zum Fall Pumm, und Sie vor diesem Hintergrund sagen, die 15 Millionen DM für die Justiz seien nicht da, ist das eine ganz miserable Politik und es ist unaufrichtig.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Sie beschränken sich wie immer auf Ihre reine sozialdemokratische Binnensicht, sind realitätsfern, beratungsresistent
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und haben den Blick für das politisch und juristisch Notwendige verloren. Dieses trifft oder traf nicht nur Herrn Wrocklage, das trifft genauso Frau Peschel-Gutzeit und erst recht, das werden wir weiter sehen, Frau Roth. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich würde gerne in einem Punkt und vielleicht auch für zukünftige Debatten an das anknüpfen, was Herr Röder zu Berlin sagte und was die Senatorin dazu gesagt hat. Nicht zur Frage der persönlichen Betroffenheit, ob man sich äußern darf oder nicht. Da teile ich die Meinung von Herrn Röder, aber eine Stilfrage muß jeder für sich selber wissen.
Ich bitte, folgendes zu erinnern. Sie werden nachher noch das Thema Berlin und die Finanzpolitik diskutieren. Hier erlaube ich mir einmal, für die Zukunft Ihre Wunderwaffe, Herrn Wowereit, zu zitieren, was dieser im Dezember letzten Jahres im Berliner Abgeordnetenhaus zur Finanzpolitik und zur großen Koalition in Berlin gesagt hat. Herr Wowereit sagt folgendes:
„Seit zehn Jahren regiert in Berlin eine große Koalition aus CDU und SPD, das ist heute schon ausgesprochen worden. Und ich stelle fest, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Diese Koalition hat Großes bewirkt.“
Das sagte Herr Wowereit noch vor sechs Monaten, meine Damen und Herren.
Zur Finanzpolitik sagte er vor sechs Monaten:
„Die SPD-Fraktion begrüßt es ausdrücklich, Herr Senator Kurth, daß Sie den Kurs von Frau Fugmann-Heesing konsequent weiter verfolgen... Die SPD-Fraktion wird Sie bei diesem Kurs auch weiterhin unterstützen.“
Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. Sie haben alles gemeinsam mitgetragen. Berufen Sie sich bitte nicht auf Berlin. Das ist in diesem Zusammenhang zutiefst unaufrichtig und unseriös.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute nicht das isolierte Scheitern eines zurückgetretenen Innensenators, sondern das Scheitern der SPD-Innenpolitik.
Hartmuth Wrocklage ist nicht die Ursache,
er ist das Symptom Ihrer Misere, meine Damen und Herren.
Eine Misere, die dadurch entstanden ist, daß Sie seit langem ein gespanntes Verhältnis zu den Erfordernissen der Inneren Sicherheit haben. Leugnen, schönreden, schleifen lassen, das war Ihre Devise in den letzten Jahren und Monaten, und damit kommen Sie nicht weiter durch. Das ist deutlich geworden.
Die politische Verantwortung dafür trägt nicht isoliert der zurückgetretene Innensenator, sondern dafür trägt die SPD insgesamt und allen voran der mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Erste Bürgermeister die Verantwortung. Er ist verantwortlich für diese Entwicklung.
Wie sieht diese Bilanz aus? Ich komme gern auf das zurück, was der Kollege Zuckerer über die Untersuchung von Bertelsmann gesagt hat, daß man natürlich nicht Unvergleichliches vergleichen kann und daß es natürlich, wenn es um Innere Sicherheit geht – da hat er recht –, vernünftig, fair und richtig ist, Flächenstaaten nicht mit Stadtstaaten zu vergleichen, sondern Ballungszentren zu vergleichen, Großstädte zu vergleichen.
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Gucken wir uns doch einmal diesen Vergleich an. Die Statistik des Bundes weist eindeutig aus – das wird morgen wieder im „Stern“ stehen, ist heute vorab veröffentlicht –: Hamburg die deutsche Hauptstadt des Verbrechens. Das haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, mit zu vertreten.
Um es konkreter zu machen, möchte ich an dieser Stelle eine Anregung aufgreifen, Herr Runde, die Ihr Amtsvorgänger, Herr Dr. Voscherau, neulich in der „Welt“ – glaube ich – oder im „Hamburger Abendblatt“ gemacht hat. Da hat er gesagt, es wäre unsinnig, Hamburg mit New York zu vergleichen, sondern Hamburg wäre vergleichbar mit München.
Vergleichen wir einmal Hamburg mit München. Sie haben vorhin so gerne Bayern zitiert, Frau Brinkmann. Wir tun das also. Vergleichen wir also Hamburg mit München.
Straftaten insgesamt, das heißt Straftaten pro 100 000 Einwohner: München 9263, Hamburg 16 675, fast das Doppelte wie München.
Gewaltkriminalität: In München ist das Risiko, Opfer eines Gewaltdeliktes zu werden, nur halb so groß wie in Hamburg.
Raubdelikte, Fallzahl: München 72, Hamburg 349. Das Risiko, ausgeraubt zu werden, ist in Hamburg fünfmal so groß wie in München. Das ist die traurige Wahrheit, meine Damen und Herren.
Das Risiko, auf der Straße Opfer eines Verbrechens von Straßenraub zu werden, ist in Hamburg elfmal so groß wie in München.
Das Risiko, daß ein Kraftfahrzeug gestohlen wird, ist in Hamburg sechsmal so groß. Der Diebstahl aus Kraftfahrzeugen ist in Hamburg viermal so groß. Ich nehme gern die Voscherau-Idee auf und vergleiche mit München, und wenn ich das tue, ist das eine katastrophale Situation, die wir in Hamburg zu beklagen haben. Das ist die Wirklichkeit.
Nun kann man natürlich sagen, was sagen diese Taten aus? Es wäre ja nicht so schlimm, wenn die Polizei so gut ausgestattet wäre und eine hohe Aufklärungsquote damit korrespondieren würde. Wie sieht die Aufklärungsquote bei den Straftaten insgesamt aus? München: 58,1 Prozent, Hamburg nur 43,4 Prozent. Gewaltkriminalität: Aufklärungsquote München 75,2 Prozent, Hamburg 52 Prozent. Meine Damen und Herren, das ist das blamable Zeugnis für Ihre Politik, und da hilft Schönreden und Wegtauchen nicht mehr weiter.
Nun hört man hier und da, daß sich jetzt einiges ändern soll, getreu dem Volksmund „Neue Besen kehren gut“. Meine Damen und Herren, wenn ich dieses Bild einmal aufnehme, ist der neue Besen in Wirklichkeit ein ganz alter Schrubber.
44 Jahre SPD-Dominanz und jahrelanger Parteivorsitz durch Olaf Scholz haben diese Angelegenheit mitverant
wortet. Sie können sich nicht aus der Verantwortung ziehen.
Wenn Sie jetzt Neues ankündigen und plötzlich neue Worte und neue Töne durch die Gegend pfeifen, dann hat das nichts mit Einsicht, nichts mit Glaubwürdigkeit zu tun. Es ist schlichtweg die nackte Angst vor der Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung. Glaubwürdigkeit – Fehlanzeige, Opportunismus ist es und nichts anderes.
Aber ich bin überzeugt, daß die Probleme und Misere Ihrer Politik und das Scheitern von Wrocklage und Ihrer Innenpolitik nicht nur im Inhaltlichen und in verfehlter Politik begründet ist, sondern auch in der Art und Weise, wie Sie in Hamburg Politik machen, in der Innenpolitik und in anderen Bereichen auch. Ihre Arroganz und Überheblichkeit ist an nichts mehr zu überbieten
und ist mit die wesentliche Ursache für das Scheitern Ihrer Politik und Ihre Misere.
Die Art und Weise, wie Sie mit Kritikern umgehen, wie Sie niemals in der Lage sind, einmal einen Fehler zuzugeben. Die ganze Zeit – auch heute – habe ich niemals von Ihnen die Stärke gehört, einen Fehler zuzugeben. Das ist ein Armutszeugnis, Arroganz, Überheblichkeit und Unverfrorenheit.