Protokoll der Sitzung vom 27.06.2002

Daraus ergibt sich nun leider bei manchen die Auffassung. dass das ein ausreichendes Maß an innovationsfreudigkeit und Bürgerfreundlichkeit sei, mit dem man endlich einmal zufrieden sein könne. Andere sind aber der Auffassung. dass sich im Zuge der praktischen Anwendung des Gesetzentwurfs Mängel und Defizite gezeigt haben, die man im Interesse einer möglichst unkomplizierten Handhabung dieses Rechts schnellstens abstellen sollte. Zudem ist die Entwicklung international und auch innerhalb der Bundesrepublik weiter vorangegangen, sodass sich auch hieraus ein Änderungsbedarf ergibt.

Deshalb haben wir Ihnen bereits im Oktober des vergangenen Jahres einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser folgte entsprechenden Änderungsvorschlägen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der SPD, haben diesen Gesetzentwurf in 1. Lesung abgelehnt, also nicht einmal der Überweisung in den Ausschuss für würdig befunden.

Für diese Ablehnung könnte es mindestens zwei Gründe geben. Es kann - erstens - sein, dass Sie getreu der von der CDU diktierten Maxime gehandelt haben, keinen PDS-Anträgen zuzustimmen und schon gar nicht Gesetzentwürfen. Sie können sich denken. dass wir diesen Grund unsererseits nicht akzeptieren müssen und auch nicht akzeptieren werden. Vielleicht hahen Sie sich - zweitens - damals auch durch die Vielzahl der Einzelregelungen überfordert gefühlt und deshalb sicherheitshalber

abgelehnt. Das wäre zwar menschlich, der Sache allerdings wenig dienlich. Am Rande sei erwähnt, dass die Koalition offensichtlich wenig von diesem Thema hält und zudem die Spannungen zwischen dem Landesbeauftragten und dem Innenministerium das Übrige tun. Unter dem Strich gesehen war die Ablehnung aus unserer Sicht welliger eine Kritik an der Sache als viel mehr eine Prinzipienfrage.

Wir haben uns inzwischen insbesondere noch einmal mit der Frage beschäftigt, in welchen Punkten der Handlungsbedarf am dringendsten ist und wie dieser auch am leichtesten vermittelbar ist. Im Ergebnis dieser Überlegungen ist der vorliegende Gesetzentwurf entstanden, der überschaubar gestaltet ist und sich auf zwei wesentliche Punkte konzentriert.

Punkt I ist die Tatsache, dass das Akteneinsichtsgesetz keine Frist für den Zeitraum der Bearbeitung von Akteneinsichtsanträgen festgelegt hat. Es bleibt damit immer der Verwaltung überlassen, wie viel Zeit sie sich für die Entscheidung über einen solchen Antrag auf Akteneinsicht nimmt. So besteht immer die Möglichkeit, dass vor allem unangenehme Akteneinsichtsanträge durch die Zeit erledigt werden können.

Die Einführung einer Fristenregelung. wie wir sie vorgeschlagen haben, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Sie setzt natürlich voraus, dass Verwaltungen ihre Organisation auf eine zügige Bearbeitung solcher Anträge einstellen. Das dürfte vor allem deswegen kein Problem sein, weil sich nach der bisherigen Erfahrung die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht in Grenzen hält und der damit verbundene Aufwand deutlich unter den ursprünglichen Erwartungen liegt. Nicht zuletzt deshalb ist es auch angemessen. diese Frist auf einen Monat festzusetzen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die Kommunalverfassung eine solche Bearbeitungsfrist für alle Petitionen schon vorschreibt.

Der zweite Punkt der von uns vorgeschlagenen Novellierung zielt darauf ab, durch eine Ergänzung in § 6 Abs. 1 für den Fall der Ablehnung eines Akteneinsichtsantrages vorzuschreiben, dass der Antragsteller im Ablehnungsbescheid auf die Möglichkeit hinzuweisen ist. sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht zu wenden. Dieses Anrufungsrecht ist vielen möglicherweise nicht bekannt und es sollte durch eine solche Hinweispflicht popularisiert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie wir Inh unserem Gesetzentwurf im Oktober vergangenen Jahres bereits deutlich gemacht haben, sehen wir einen weitaus größeren Änderungsbedarf. Um jedoch überhaupt voranzukommen und dem Akteneinsichtsrecht zu einer größeren Verbreitung zu verhelfen, konzentrieren wir uns auf diese beiden Punkte. die ja inhaltlich auch unstrittig sein dürften. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die vom Ausschuss für hmeres vorgeschlagene und vom gesamten Landta g beschlossene Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht für das Jahr 2000. Die Stellungnahme meldet genau zu diesen beiden Punkten den Novellierungsbedarf an.

Ich gehe davon aus, dass ein Prozess des Nachdenkens auch in der Koalition stattgefunden hat, nachdem Sie mit unserem Ge

setzentwurf vom Oktober vergangenen Jahres auch diese Bearheitungs- und Hinweispflicht weggestimmt haben. Ich hoffe, dass Sie es sich nicht wieder so leicht machen und diesmal einer Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für inneres zustimmen. Dieses Verfahren würde auch in keiner Weise dem widersprechen, dass die Landesregierung beauftragt ist, eine solche Gesetzesänderung vorzunehmen. Wie Sie sicher alle wissen, ist das Innenministerium zurzeit offensichtlich hoch belastet, wenn nicht überfordert; denn alle Kapazitäten müssen auf die Gemeindegebietsreform und die Polizeistrukturreform konzentriert werden. Wie Sie auch wissen, akzeptieren wir das nicht, weil wir von vornherein vor dem knappen Zeitplan gewarnt haben, den leider die Betroffenen in den Gemeinden und bei der Polizei jetzt ausbaden müssen.

insofern ist der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf der Versuch zur Beschleuni gung eines inhaltlich konsensfähigen Vorhabens, bevor uns wie in anderen Fällen die Landesregierung im August dann signalisiert. dass sie die gesetzte Frist nicht einhalten kann. Sehen Sie also unseren Vorschlag einfach als eine Art Hilfeleistung für die Landesregierung.

Ich bitte Sie um Zustimmung zur Überweisung in den Ausschuss für Inneres. - Vielen Dank.

(Beifall hei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort erhält jetzt die Fraktion der SPD, Herr Abgeordneter Schulze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Der Gesetzentwurf ist nicht der Versuch der Beschleunigung eines Vorhabens, das vom Innenausschuss beschlossen wurde und dem sich der Landtag im Rahmen der Stellungnahme angeschlossen hat, sondern es ist der Versuch der Vorführung und des Ausbrechens aus einer Vereinbarung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das wundert mich nicht, weil seit Jahren von der PDS immerwieder versucht wird, Dinge, die wir ohnehin besprochen haben. neu aufzuwärmen, uns einen Ring durch die Nase zu ziehen und uns dann durch die Arena zu führen. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Übrigens sind Sie auch Spitzenreiter hei Anträgen und Entschließungsanträgen.

(Widerspruch bei der PDS)

Ich möchte noch auf etwas hinweisen - für diejenigen, die es nicht wissen. Das Akteneinsichtsgesetz ist 1998 nach langwierigen Diskussionen und vor allem auf Initiative der SPD-Fraktion hier im Landtag, damals noch mit absoluter Mehrheit der SPD, eingeführt worden. Es ist ein gutes Gesetz. ein relativ kurzes Gesetz. Deswegen ist es auch so praktisch. Gesetze werden nicht dadurch besser, dass man sie kompliziert und alle möglichen Dinge hinzufügt, wie Sie das in Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf gemacht haben. Hier handelt es sich um zwei kleine Änderungen.

Der Innenausschuss hat sich mit diesem Thema beschäftigt und hat diesem Hohen Hause bereits eine Beschlussempfehlung zugeleitet und die Landesregierung entsprechend beauftragt. Was Sie jetzt versuchen, ist, von links zu überholen, nach dem alten Ulbricht-Wort „Überholen, ohne einzuholen". Deswegen werden wir dabei nicht mitmachen.

Der Hinweis auf kanadisches Bundesrecht, den Sie hier vorbringen, ist sehr amüsant, aber hilft uns in der Sache nicht weiter. Wir vertrauen darauf, dass die Landesregierung dem Beschluss des Landtages nachkommen wird. Selbst wenn die Frist bis 31. August nicht 100%ig eingehalten werden sollte. ist das noch kein Beinbruch. Aber diese Art und Weise. bei Dingen, die wir besprochen haben, von hinten durch die Brust ins Auge zu schießen, werden wir nicht mitmachen. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, weil Sie damit versuchen, uns hier vorzuführen, was ich persönlich auch unanständig finde. Das ist eine Art und Weise. mit der Sie immer wieder versuchen. Themen für sich zu besetzen und zu reklamieren, die gar nicht Ihre Themen sind. Genauso wenig, wie das Akteneinsichtsrecht auf Ihrem Mist gewachsen ist, können Sie sich als Partei der deutschen Einheit bezeichnen. Wer das glaubt, zieht sich die Hosen auch mit der Kneifzange an.

(Beifall bei SPD und CDU - Zuruf von der PDS: Getroffe- ne Hunde bellen! - Gegenruf von der SPD: Deswegen schreien Sie so!)

Das Wort erhält die Fraktion der DVU, Herr Abgeordneter Claus.

Herr Präsident? Meine Damen! Meine Herren! Artikel 21 Abs. 4 der brandenburgischen Verfassung ermöglicht jedermann das Recht auf Akteneinsicht mit der Einschränkung, dass öffentliche oder private lnteressen nicht entgegenstehen.

Die Akteneinsicht ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Näheres Fiber den verfassungsmäßig garantierten Anspruch wurde im Akteneinsichts- und Infonnationszugangsgesetz vom 10. März 1998 geregelt.

Bei jedem Gesetz zeigt sich erst nach einiger Zeit. ob noch gewisse Lücken vorhanden sind, die entweder durch den Gesetzgeber oder durch das Gericht geschlossen werden müssen.

Fest steht, dass es nicht möglich ist, alle Lebenssachverhalte in Gesetzesform zu gießen; denn dann wird nicht nur der ohnehin schon vorhandene Gesettzesdschungel noch undurchsichtiger sein.

Man muss auch berücksichtigen. dass sich im Laufe der Jahre Änderungen in den Anschauungen herausbilden. Die DVUFraktion lehnt die Nr. 2 des PDS-Antrages ab, weil die Frist von einem Monat nicht in jedem Fall zu wahren ist. So könnten der aktenführenden Behörde zum Beispiel Anforderungen anderer Behörden oder Gerichte vorliegen. Deshalb muss die verbindliche Festschreibung auf einen Monat scheitern.

Es ist dem Antragsteller unbenommen, nach drei Monaten eine

Untätigkeitsklage zu erheben. Dies ist unseres Erachtens auch der Zeitraum, der zu gewähren ist, wenn nicht besondere Hintergründe entgegenstehen. Legen Sie noch zwei Monate drauf. damit wir darüber reden können,

Zu Nr. I des Antra ges. Die DVU-Fraktion hält folgende Formulierung für sinnvoll:

„Eine Ablehnung des Antrages ist von der aktentährenden Behörde schriftlich zu begründen und mit einer Rechtsinlaelbelehrlin g zu versehen. die den Hinweis auf § 11 Abs. 2 Satz 1 enthält"

Wir halten es aus Gründen der Rechtsklarheit für sinnvoll, den Satz 7 in § 6 Abs. 1 in dieser Form zu ergänzen.

Juristische Kleinkrämerei wollen wir auf keinen Fall. Der Gesetzeswirrwarr ist ohnehin groß genug und wird von den Bürgerinnen und Bürgern im Lande nicht mehr oder kaum noch verstanden.

Des Weiteren möge die Landesregierung im Ausschuss darüber berichten, binnen welcher Frist die Akten bislang zur Verfügung gestellt wurden und in welchen speziellen Fällen es Verzögerungen gab. Es erscheint uns nicht angemessen. zum Vergleich das Umweltinformationsgesetz, das eine Zweimonatsfrist vorsieht, heranzuziehen.

Das Akteneinsichtsrecht hat einen streng persönlichen Charakter. Die Behörde muss sorgfältig prüfen, oh Dritte nicht möglicherweise zu Unrecht Kenntnis über persönliche Daten erlangen.

Meine Damen und Herren von der PDS, einer Ausschussüberweisung stimmen wir zu. Die Landesregierung wird sicherlich darlegen können, oh ein dringendes Bedürfnis für eine Gesetzesänderung besteht. Wie Sie wissen, ist Staatssekretär Lancelle im Innenausschuss immer anwesend.

(Lachen der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

Er wird uns berichten, ob das Bedürfnis besteht oder nicht. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall hei der DVII)

Ich danke Herrn Abgeordneten Claus. - Ich gebe der Abgeordneten Richstein für die Fraktion der CDU das Wort.

HeuT Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Kaiser-Nicht. Sie unterschätzen uns, wenn Sie meinen, dass wir durch ihre Gesetzentwürfe überfordert wären.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Das haben wir nicht gesagt!)

- Nein. Sie sagten, wir hätten ihn vielleicht nicht verstanden.

Wir haben ihren Gesetzentwurf damals mit Bedacht abgelehnt. Von denjenigen, die Fristen einfordern, sollte man auch annehmen, dass sie Fristen wahren. Daher kann ich mich im Grunde

genommen den Worten meines Kollegen Schulze anschließen, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass wir im Landtag am 18. April einstimmig der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zugestimmt haben, mit der wir die Landesregierung mit einer Frist his zum 3 I. August 2002 aufgefordert haben. die Gesetzesänderung in einem Gesetzentwurf einzubringen. die Sie jetzt wieder unterbuttern wollen.

(Frau Osten [ PDS1: Das ist ein normaler Antrag! Das hat nichts mit Unterbuttern zu tun!)

Ich zitiere einen Teil Ihres Redebeitrages aus der Sitzung am I B. April:

„Die Koalition hat ihrerseits mit einer Beschlussempfehlung aufgewartet. in der sie diesen dritten Punkt aufgreift und von der Landesregierung mit konkreter Terminsetzung die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Novellierung des Akteneinsichtsrechtsgesetzes verlangt. Ich halte es für außerordentlich und hin froh, dass sich die Koalition in dieser Frage bewegt hat.„

Ihre Freude hat keine zwei Monate an gedauert. Ihre Geduld ist jetzt zu Ende, aber wir möchten gern bis zum 31.08. abwarten, bis uns die Landeregierung - ich hin relativ sicher, dass sie die Frist auch einhalten wird - einen Gesetzentwurf vorlegt. Vielen Dank.