Protokoll der Sitzung vom 15.03.2001

[Beifall bei der CDU]

Ich fordere Sie zu einer sachlichen Auseinandersetzung über Alternativen und Konzepte auf. Aber beenden Sie das bloße Krisengerede; es nützt Ihnen nichts und der Stadt auch nichts.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Senator Kurth, für die Begründung der Haushaltssperre durch den Senat.

Wir kommen jetzt zur zweiten Runde der Fraktionen. Es beginnt die Fraktion der SPD, und Herr Dr. Borghorst hat das Wort.

Ich darf Ihnen die Rede von Herrn Dr. Borghorst besonders empfehlen; denn wie mancher von Ihnen weiß, wird er heute das letzte Mal zu uns reden, was wir sehr bedauern. – Herr Dr. Borghorst, Ihre Zeit!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haushalt und soziale Maßnahmen haben immer auch etwas mit Wirtschaft zu tun; denn die Wohltaten, die wir den Menschen in der Stadt zukommen lassen wollen, müssen zunächst erwirtschaftet werden. Das heißt, es müssen Steuern eingenommen werden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Insofern gibt es immer einen sehr engen Zusammenhang zwischen einer florierenden Wirtschaft

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

und den Chancen, eine aktive Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Gestatten Sie mir deshalb – weil das meine letzte Rede in diesem Hause ist – ein paar grundsätzliche Anmerkungen nicht zur Haushaltspolitik, sondern zur Wirtschaftspolitik.

Berlin hat sich in den letzten zehn Jahren in einem dramatischen Strukturwandel befunden. Wir haben uns von einer Industriestadt stärker in Richtung einer Dienstleistungsstadt entwickelt. Wir befinden uns weiterhin sehr stark in diesem Strukturwandel, aber es gibt einen Hoffnungsschimmer. Wir hatten einige Jahre – wie man so schön sagt – Minuswachstum, aber das Wirtschaftswachstum des Jahres 2000 zeigt nach oben, und zwar um 1,3 %. Ich finde, wir haben auch gute Hoffnung, im Jahre 2001 auf ein Wirtschaftswachstum von vielleicht 1,5 bis 2 % zu kommen. Es geht langsam voran. Wir tun alle gut daran, dieses nicht zu zerreden,

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

sondern – das sage ich mit Sorge angesichts der aktuellen Debatten – wir müssen alles tun, damit das Ansehen des Standorts Berlin – wodurch immer, aber vor allem durch Skandale – keinen Schaden erleidet. Das ist von entscheidender Bedeutung. [Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Wir haben weiterhin eine hohe Arbeitslosigkeit in dieser Stadt zu verzeichnen. Sie wissen aus den vergangenen Jahren, dass mich das sehr bewegt hat. Die weiterhin große Herausforderung für Politik und Wirtschaft ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern es kommt darauf an, für die Menschen in dieser Stadt Beschäftigung zu sichern und neue zu schaffen. Ich bin gern bereit und auch dafür, über mehr Flexibilität nachzudenken – auch auf dem Arbeitsmarkt. In den Tarifverträgen der letzten Jahre ist dieses an vielen Stellen von den Tarifvertragsparteien geleistet worden. Ich bin auch bereit, über Verkrustungen und Entbürokratisierung nachzudenken. Aber das Hauptthema ist – man kann es hin- und herschieben, wie man will –: Wir brauchen mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in dieser Region, in dieser Stadt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist die Kernfrage, vor der wir stehen. Deswegen ist es wichtig, dass die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden; dass mehr Investitionen in der Stadt vorgenommen werden; dass Ansiedlungen stattfinden sowohl im industriellen als auch im Dienstleistungsbereich und dass vor allem auch Existenzgründer eine gute Unterstützung und Zukunftsperspektive in unserer Stadt haben. Der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg hat gerade in den letzten Tagen gesagt, es fehlten in der Region Berlin-Brandenburg insgesamt 600 000 wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Deswegen sage ich von dieser Stelle aus und bitte auch herzlich den Bund und alle Länder zu begreifen, dass der Solidarpakt für Ostdeutschland – und damit auch für Berlin – fortgesetzt werden muss. Wir brauchen mindestens noch zehn, fünfzehn Jahre, um die Nachteile im Infrastrukturbereich auszugleichen. Hier muss der Solidarpakt fortgesetzt werden. Ich bitte Sie, dieses auch deutlich zu machen.

[Beifall bei der SPD]

Vieles bleibt zu tun für die positive Entwicklung der Wirtschaft in Berlin, auch vor dem Hintergrund der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD. Gestatten Sie mir nur einige wenige Aspekte. Der erste Punkt: Die Umsetzung des Zukunfts- und Innovationsfonds war für mich immer von großer Bedeutung. Es war keine leichte Sache, 10 % des Verkaufserlöses der Berliner Wasserbetriebe dafür zu reservieren. Wir tun gut daran, dieses zu unterstützen, vor allen Dingen, damit neue Arbeitsplätze in Unternehmen der Stadt geschaffen werden, gerade auch durch eine gute Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Ich weiß, dass es angesichts der Debatte über die Haushaltssperre nicht besonders opportun ist, Folgendes zu sagen, ich sage es aber trotzdem, aus wirtschaftspolitischer Sicht: Jede Chance zur Aufstockung dieses Zukunfts- und Innovationsfonds hilft der Stadt und dem Strukturwandel und damit der Sicherung von Beschäftigung in dieser Stadt.

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Zweiter Punkt – ich weiß, es ist nicht unbedingt populär, aber trotzdem habe ich es gesagt, weil es mir darauf ankommt, deutlich zu machen, dass ein Strukturwandel auf diesem Wege dringend erforderlich ist –: Das Beteiligungsmanagement – ich bin Ihnen dankbar, Herr Kurth, dass sie es in Ihrer Rede angesprochen haben – ist ein sehr leidiges Thema, mit dem sich die große Koalition nicht schmücken kann, weil es viel zu lange gedauert hat, ein solches professionelles Beteiligungsmanagement auf den Weg zu bringen, und zwar für die öffentlichen Unternehmen bzw. für die Unternehmen, an denen das Land Berlin beteiligt ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mehr für die Beschäftigung und auch für neue, interessante Geschäftsfelder in den Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung hätten tun können, wenn wir es intensiver angepackt hätten.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Atzler (CDU) – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Der dritte Punkt, einige wissen das schon, ist ein Steckenpferd. Ich sage es hier deshalb noch einmal, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir eine Landesstrukturbank brauchen. Wir brauchen eine Landesstrukturbank für eine aktive Wirtschaftsförderungspolitik. Deswegen sollten wir uns auch nicht irritieren lassen – Skandale hin, Skandale her. Wir brauchen eine solche Strukturbank, wir brauchen allerdings auch wichtige Strukturreformen in der Investitionsbank des Landes Berlin, damit sie die Existenzgründer und die Unternehmen in der Stadt, vor allem auch die Investoren, die in die Stadt kommen wollen, vernünftig behandelt und ihnen eine akzeptable Zukunftsperspektive aufzeigt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Etwas betrübt macht mich, dass eine Vereinbarung in der Koalition bisher nicht besonders aktiv umgesetzt wurde, und zwar die – so haben wir es formuliert – „neue Initiative für ein Berliner Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Standortentwicklung“. Die Qualifizierung der Arbeitskräfte in der Stadt wird in den kommenden Jahren noch viel bedeutungsvoller werden.

Deswegen glaube ich, dass eine Qualifizierungsoffensive dringend erforderlich ist. Wir müssen uns wieder mehr Gedanken darüber machen, wie ältere Menschen neue Chancen bekommen.

[Beifall des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

Es kann kein Dauerzustand sein, dass 53-jährige Menschen in den Vorruhestand geschickt werden und wir diese Qualifikation nicht mehr nutzen können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Fusion der Region Berlin-Brandenburg werde ich auch in Zukunft – und zwar von einem anderen Ort aus – kämpfen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Berlin und Brandenburg nur eine Chance als gemeinsame Region haben,

[Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

vor allem im internationalen Wettbewerb.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dazu gehören zwei Punkte, einmal der Flughafen Berlin Brandenburg International. Für mich ist und bleibt dies das wichtigste Infrastrukturprojekt für Ostdeutschland und – das sage ich aus meiner beruflichen Betroffenheit – auch für die Lausitz. Die Lausitz schaut auch darauf, was Berlin-Brandenburg macht und wie dieser Flughafen vorangeht. Ich bitte Sie herzlich, sich über alle Parteigrenzen hinweg für den Bau und die Planung dieses internationalen Flughafens einzusetzen, weil es der Beschäftigung und den Menschen in der Region dient.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es war mein Wunschtraum, Abgeordneter im Landtag von Berlin-Brandenburg zu werden. Das wird wahrscheinlich nicht mehr geschehen. Aber die Fusion der beiden Länder ist das wichtigste politische und wirtschaftliche Projekt. Da haben wir alle eine große Verantwortung.

[Beifall bei der SPD]

Wenn ich das richtig sehe, gibt es in allen Parteien starke Bewegungen – auch bei der PDS und bei den Grünen –,

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

in beiden Ländern eine klare Mehrheit dafür zu erreichen. Das ist ganz wichtig; denn wir müssen die Menschen in Berlin davon überzeugen, im Berliner Umland, aber auch in der Uckermark und in anderen Gebieten. Auch an der polnischen Grenze müssen die Menschen überzeugt werden. Hier kommt es auch darauf an, dieses parteiübergreifend vorzunehmen und nicht den Demagogen das Feld zu überlassen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich war 10 Jahre Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Es war für mich eine interessante, schöne und auch spannende Zeit, für Berlin und sicherlich auch für uns alle hier in diesem Hause. Mir hat unterm Strich neben manchen Ärgernissen die Tätigkeit als Abgeordneter viel Freude bereitet. Jetzt übernehme ich eine neue Aufgabe in der Lausitz, Sie wissen das, und auf diese neue Aufgabe freue ich mich. Gestatten Sie mir deshalb, wie folgt zu enden: Uns gemeinsam ein herzliches Glückauf für eine gute Zukunft! – Herzlichen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank, Herr Dr. Borghorst! Der Beifall gibt Ihnen Recht, dass Ihre Arbeit hier im Parlament hoch geschätzt wird. Wir wünschen Ihnen von hier aus auch viel Glück für Ihre zukünftige Arbeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir fahren fort in unserer Debatte zu der Haushaltssperre. für die Fraktion der PDS hat Frau Dr. Schulze das Wort. Sie haben noch fünf Minuten.

(A) (C)

(B) (D)

Ja, Herr Borghorst, auch nach dem herzlichen Beifall von uns wünschen wir Ihnen ein glückliches Händchen für das, was Sie jetzt vorhaben; hoffentlich glücklicher als das, was hier in Berlin vielleicht gebraucht würde.