beteiligt haben. Ohne das Engagement der Behinderten und ihrer Verbände wäre Berlin ganz sich nicht das erste und bisher leider einzige Bundesland mit einem Gleichstellungsgesetz.
Die Verabschiedung des Gesetzes war das zumindest vorläufige Ende eines sehr, sehr langen Diskussionsprozesses, und es war der Beginn einer zögerlichen und wie wir heute schon gehört haben –
ja, einer endlosen Geschichte, der Beginn der schwierigen Umsetzung. Der Landesbeauftragte Herr Marquard – ich möchte Sie auch sehr herzlich begrüßen im Namen unserer Fraktion – erklärte zum Welttag der Behinderten im Dezember 2000:
Nichts geschieht jedoch im Selbstlauf. Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderungen muss täglich neu erkämpft und erfahrbar gemacht werden.
Er sprach sicher aus leidvoller Erfahrung aus den ersten Monaten seiner Amtszeit. Zunächst einmal musste er nämlich selbst dafür sorgen, dass die Senatsverwaltungen ihn an den Gesetzen und sonstigen Vorhaben, wie es im Gesetz steht, beteiligen, sofern sie die Belange Behinderter berühren. Das ist eine sehr weitgehende Formulierung. Und ich hoffe, dass die Debatte hier heute dazu beiträgt, dass die Verwaltungen, die Senatoren, von denen manche nicht hier sind, aber man kann es ihnen ja weitersagen, tatsächlich in Zukunft daran denken, den Landesbeauftragten frühzeitig zu beteiligen. Auch wenn es Ihnen, Herr Marquard, viel Arbeit macht, wo Sie mir schon wieder leid tun, ist es wichtig, frühzeitig die Behinderten selbst zu beteiligen, damit viele Regelungen, die nachher umständlich zurückgenommen werden müssen, gar nicht erst entstehen.
Es wurde schon angesprochen, wer sich da nicht an das Gesetz gehalten hat: Herr Branoner, der gerade zum Telefon greift, hat ein Rundschreiben erlassen für Ausnahmegenehmigungen nach der Gaststättenverordnung, ohne dass der Landesbeauftragte beteiligt war. Herr Stölzl – vorhin war er noch da, jetzt ist er weg – hat die Regelung zur Ausbildung der Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher auch zunächst ohne die Beteiligung des Landesbeauftragten hinzukriegen versucht. Und selbst die Senatssozialverwaltung ist betroffen. Wenn das stimmt, ist das wirklich ein Skandal. Wie wir gehört haben, wurde noch nicht einmal an dem Bericht, der endlich am Dienstag im Senat beschlossen wurde, der Landesbeauftragte beteiligt. Das finde ich ein Unding. Ich halte es auch für ein Unding, dass wir den Verstößebericht immer noch nicht bekommen haben. Auch der sollte uns längst vorliegen, er ist jährlich zu erstellen.
Frau Schöttler sagt gerade, dass der Landesbeauftragte den Verstößebericht mache. Das ist richtig. Herr Marquard hat, meines Wissens, seinen Beitrag am 28. Februar an die Senatsverwaltung zur weiteren Veranlassung gegeben.
Angesichts der bevorstehenden Debatte hätten sich die Senatsverwaltungen alle mit ihren Stellungnahmen beeilen können. Ich hoffe, wir bekommen den Bericht bald. Dann wird er sicher hier noch zum Thema gemacht werden.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Landesgleichberechtigungsgesetzes müssen wir nämlich heute leider feststellen, dass viele Senatsverwaltungen das Benachteiligungsverbot noch lange nicht begriffen und durchgesetzt haben. Das beim Übergang zur Oberschule von der Schulverwaltung angewendete Verfahren, die raren Integrationsplätze durch Losentscheid zu vergeben, stellt nicht nur nach unserer Auffassung eine massive
Ungleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen dar, er verstößt eklatant gegen das Benachteiligungsverbot.
Hier ist der Senat in Gänze gefordert, endlich Abhilfe zu schaffen. Das Mindeste ist, dass die von Herrn Böger für die Fortsetzung der Integration geforderten 60 Lehrerstellen im nächsten Schuljahr finanziert werden. Da stehen auch wir Abgeordneten in der Pflicht und in der Verantwortung.
Den aktiven Gleichstellungsauftrag unserer Verfassung haben die Verwaltungen allenfalls in Ansätzen begriffen. Auch hier, darauf wurde schon hingewiesen, ist die Senatsschulverwaltung ein schlechtes Beispiel. Im Entwurf des neuen Schulgesetzes wird endlich der Integration der Vorrang eingeräumt. Darauf haben viele Menschen in dieser Stadt lange gewartet. Diese positive Änderung wird aber im nächsten Atemzug wieder zunichtegemacht. Der Haushaltsvorbehalt wird festgeschrieben, und Schulleiterinnen und -leiter sollen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Zukunft nicht aufnehmen dürfen, wenn dem so genannte schutzwürdige Belange der Kinder ohne Behinderungen entgegenstehen. Solche diskriminierenden Vorbehalte, Herr Staatssekretär Härtel – in Vertretung von Herrn Senator Böger – darf es in den Köpfen der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung schlicht und einfach nicht geben. Diese Regelung muss aus dem Gesetz gestrichen werden.
Und ich empfehle der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport – Familie ist ja gestrichen –, dass endlich innerhalb der Verwaltung oder der unterschiedlichen Teilressorts besser zusammengearbeitet wird. Wie Integration aktiv gefördert und weitgehend Realität werden kann, das kann die Schulverwaltung in der Tat von der Jugendabteilung lernen. Im Kitabereich besuchen mittlerweile 75 Prozent der Kinder integrative Einrichtungen. Allein vom letzten Jahr zu diesem Jahr sind 100 neue Integrationsplätze dazugekommen. Woran das liegt, hat uns Frau Schöttler erklärt, wahrscheinlich haben Sie nicht alle gut aufgepasst: Es ist gelungen, in der Kitapersonalverordnung festzulegen, welchen Anteil an zusätzlichem Personal und Stützerzieherinnen einem Kind zusteht. Und da, wo die Plätze eingerichtet werden, wird dieses Personal auch zur Verfügung gestellt.
Und wie ist es in der Schule? Da ist die Zahl der Lehrerstunden festgelegt, und je nachdem, wie die Organisationsrichtlinien jedes Jahr gemacht werden, kommen entweder alle Kinder rein oder nicht. Wir wissen, die meisten oder viele bleiben immer noch außen vor, insbesondere in den Sekundarstufen I und II. Auch da ist dieses Haus in der Verantwortung, wenn es um die nächsten Haushaltsberatungen geht, dafür zu sorgen, dass das in der Schule so selbstverständlich wird wie in der Kita, dass Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen oder Beeinträchtigungen von vornherein zusammen miteinander lernen und spielen.
Verstöße gegen das Gleichberechtigungsgesetz – auch darauf wurde schon hingewiesen – finden sich auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Der SFB lehnt es immer noch ab, wenigstens die „Abendschau“ für Gehörlose in Gebärdensprache zu übersetzen. Bei wichtigen öffentlichen Bauvorhaben ist die Zugänglichkeit für Behinderte nicht gesichert. Das Olympiastadion wurde genannt, da sind die Logen für die sogenannten very important persons wichtiger als die klare Sicht für Rollstuhlfahrer. Und beim Holocaust-Mahnmal muss über die geplanten Steigungen noch einmal nachgedacht werden. Solche wichtigen Bauten und Mahnmale müssen für alle Menschen zugänglich sein.
Die Debatte hat gezeigt, dass in Berlin für die Gleichstellung der Menschen mit und ohne Behinderung viel erreicht wurde. Es bleibt aber auch noch viel zu tun. Es gilt, heute die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Zukunft Menschen mit körper
lichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt teilhaben können – in der Kita, in der Wohnumgebung, im Verkehr, bei der Ausbildung und Arbeit, in der Politik und in den Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Dazu gehören insbesondere der weitere Ausbau Berlins zur barrierefreien Stadt und die Erhaltung des Fahrdienstes für Behinderte, und zwar mindestens in seinem heutigen Umfang.
Das ist eine entscheidende Voraussetzung für die Teilhabe aller am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt. Dazu gehört aber auch der Abbau von Barrieren und Vorurteilen in den Köpfen. Dafür ist eine wichtige Voraussetzung, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung auf Spielplätzen und in Kindergärten und Schulen gemeinsam spielen und lernen. So erfahren und begreifen sie ihre Verschiedenheit als Normalität und gegenseitige Hilfe als etwas Selbstverständliches. Dann werden sie auch als Erwachsene mit und ohne Behinderung selbstverständlich und gleichberechtigt miteinander umgehen.
Vielen Dank, Frau Jantzen! – Ich begrüße bei dieser Gelegenheit herzlich unseren Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky, der die Debatte zum Thema „Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen“ seit geraumer Zeit verfolgt. Ich denke, dass das auch eine Wertschätzung für diese Aufgabe ist.
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Beantwortung der Großen Anfrage kann nur ein erster Schritt sein, um klarzumachen, dass es dem Parlament mit dem Landesgleichberechtigungsgesetz im Land Berlin und der Vorreiterrolle gegenüber dem Bund ernst ist. Deshalb zeichnet sich ab, dass die Ansätze und theoretischen Ausführungen in die richtige Richtung weisen und es bereits erste Erfolge gibt, die durch das Landesgleichberechtigungsgesetz erzielt wurden.
Es ist aber festzustellen, dass noch viele Aufgaben zu lösen sind. Hierbei ist zunächst der Schwerpunkt auf die nachhaltige Umsetzung und Durchsetzung der bestehenden Regelungen zu setzen. Die CDU fordert die schnellstmögliche Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Das heißt Praxis. Dort, wo nach wie vor Lösungen gefragt sind, muss gehandelt werden – eine nicht zu unterschätzende Aufgabe bei ca. 500 000 Menschen mit Behinderungen in Berlin, von denen 340 000 anerkannte Schwerbehinderte sind. Es handelt sich auch nicht um ein Gebiet im gesellschaftlichen Leben, sondern um die gesamte Bandbreite. Doch es gibt besonders entscheidende Punkte: Mobilität, Akzeptanz in der Bevölkerung, schulische Ausbildung, Baurecht und dessen Anwendung sowie die Bedeutung des Marktes. Nach längerer Vorbereitungsphase konnte der Landesbeauftragte für Behinderte endlich in sein neues Büro einziehen. Die Zusammenarbeit mit dem Senat sollte hier weiter verbessert werden.
Es ist ein Erfolg, dass der Telebus auch durch die parlamentarische Forderung der Union in seinem Angebot weiter erhalten werden konnte. Das ist ein entscheidender Schritt zu mehr Mobilität, auch wenn gegenüber 1992 starke Verbesserungen im ÖPNV umgesetzt wurden. Allerdings kann ich die Zahlen, die die Senatorin vorhin nannte, nicht ganz bestätigen. Nach den Unterlagen, die ich gesehen habe, gibt es noch bedeutend mehr Handlungsbedarf als vorhin erwähnt.
Ein aktuelles Beispiel ist die Umrüstung der Fahrscheinautomaten. Bei deren Neuanschaffung muss auf eine behindertenfreundliche Bedienung geachtet werden. Dies war bereits mehrfach Thema in verschiedenen Anhörungen.
Für eine gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben spielt die Anerkennung einer Lebenssituation nicht nur physisch, sondern auch psychisch eine Rolle. Hier müssen wir für mehr Akzeptanz werben, um das Miteinander zu fördern. Nur praktische Maßnahmen werden dazu führen, dass oft durch Ängste und Vorurteile geprägte Einstellungen weiter Bevölkerungsteile gegenüber Menschen mit einem Handikap abgebaut werden.
Für die CDU-Fraktion war die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schulen immer eine Angelegenheit mit hoher Priorität. Dabei ist die Integration ein gleichrangiges Mittel neben der sonderpädagogischen Förderung in Sonderschulen. Die Förderung der Schüler muss dabei im Vordergrund stehen. Wir haben und werden als Union auch weiter für eine ausreichende personelle Ausstattung mit Sonderschullehrern eintreten.
Das barrierefreie Bauen hat starke Auswirkungen insbesondere für die Nutzer von Rollstühlen und Gehhilfen, aber auch für Sehbehinderte, wobei ich besonders an die Kreuzungsüberquerungen, abgesenkte Bürgersteige, Zugänge zu oder auch innerhalb der Wohnbereiche denke. Die Mitsprache oder Beteiligung muss gerade in diesem Bereich, wo es um Beschränkungen geht, dringend und mehr unterstützt werden.
Die Notwendigkeit der Ausgleichsabgabe ist weiterhin gegeben, auch wenn jetzt bis zum Jahr 2003 gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen eine kleine Entlastung durch die Neuregelung erhalten: 20 Beschäftigte und 5 % statt 16 und 6 %. Wichtig ist, dass hier durch Sonderprogramme – das wurde schon angekündigt, ich kann das nur begrüßen – mehr Anreize geschaffen werden, um den Beschäftigungsanteil zu erhöhen. In der Vergangenheit war hier ein guter Ansatz.
Zum Schluss will ich noch auf eine Sache eingehen: Der entscheidende Punkt, den wir alle miteinander bestreiten müssen, ist nicht, dass wir uns nur auf mehrseitige Papiere beziehen und immer vieles schriftlich niederlegen, sondern dass wir das eine oder andere deutlich machen und hier vor allem für die Akzeptanz viel mehr werben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Hoffmann! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Große Anfrage beantwortet und besprochen.
Die Zuhörer in den Rollstühlen, die die Debatte im Plenarsaal verfolgt haben, sind uns auch weiterhin herzlich willkommen. Bleiben Sie, solange Sie wollen, unser Gast.