Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Zu einigen Privatisierungsvorhaben: Das Privatisierungsvorhaben GSW ist auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Rahmenbedingungen werden aktuell kritisch überprüft. Maßgeblich ist ein offensiver Wettbewerb der Investoren zur Zukunftssicherung des Unternehmens, zur Absicherung der Mieter und der Beschäftigten der GSW. Wir benötigen vor allem auch Immobiliensachverstand auf Dauer in Berlin und weiterführende unternehmerische Betätigung der Investoren in dieser Stadt.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das Land Berlin wird seine restlichen Anteile an der GEHAG in Höhe von 25 Prozent veräußern. Das Unternehmen befindet sich nunmehr auf einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage. Die Sicherheit der Mieter und der Beschäftigten der GEHAG wird durch die Fortschreibung der vertraglichen Konditionen aus der Teilprivatisierung 1998 gewährleistet. Nachdem der Abgeordnete Kaczmarek eine Bemerkung zur Vorstandsbesetzung in landeseigenen Gesellschaften gemacht hat, weise ich in aller Bescheidenheit darauf hin, dass nach dem Verkauf des 50-Prozent-Anteils der ehemalige Senator Klemann Mitglied des Vorstands in dieser Gesellschaft wurde.

Durch die Übertragung der Anteile des Landes an der GSG – Gewerbesiedlungsgesellschaft – auf die Landesstrukturbank IBB bekommt die IBB das erforderliche Profil zur effizienten Unterstützung der Berliner Wirtschaft, die Gewerbetreibenden in den Zentren der GSG wirtschaftliche Sicherheit und die GSG wichtige Impulse für ihre unternehmerischen Weiterentwicklung.

Behala und Großmarkt sollen den Kern eines Logistikzentrums in Berlin bilden. Es soll Knotenpunkt des Güterverkehrs zu Wasser, auf der Straße und der Schiene werden. Die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG zur Verlagerung des Hamburger und Lehrter Containerbahnhofs zum Westhafen werden intensiviert.

Die Feuersozietät und Öffentliche Lebensversicherung werden privatisiert. Dazu werden die gesetzgeberischen Maßnahmen in Berlin und Brandenburg zur Aufhebung des Staatsvertrags für die beiden Anstalten sowie deren Rechtsformwechsel in Aktiengesellschaften eingeleitet.

[Gram (CDU): Sagen Sie doch mal was Neues!]

Es ist gelegentlich auch richtig, Dinge noch einmal in der Zielbestimmung darzustellen, auch wenn sie nicht mehr neu sind. –

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Wir werden parallel zu den von mir genannten Verfahren mit der Privatisierung in beiden Ländern im Herbst diesen Jahres beginnen.

Herr Wolf hat in seinem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass man ein Gesamtkonzept für die staatliche Wohnungswirtschaft brauche. Wir werde eine Neuordnung der Beteiligung des Landes an seinen Wohnungsbaugesellschaften vornehmen. Die Wohnungsbaugesellschaften müssen wirtschaftlich so aufgestellt werden, dass sie dem Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt standhalten, den Mietern modernen Wohnraum anbieten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihren Unternehmen Arbeitsplatzsicherheit gewähren können.

Die Privatisierung der Berliner Stadtgüter ist zu vollziehen. Dazu ist eine Aufspaltung in die zu privatisierende Betriebsgesellschaft und in die beim Land Berlin verbleibende Liegenschaftsgesellschaft vorzunehmen.

Ungeachtet der Vermögensaktivierung – nachdem mehrfach Äußerungen zu BVG die Debatte bestimmt haben – weise ich darauf hin, dass ich es für ein sichtbares Zeichen der Gesamtverantwortung des Senats halte, wenn sich der Regierende Bürgermeister diesem Thema sozusagen als Chefsache annimmt und wenn der Verkehrssenator, die Wirtschaftssenatorin und die Finanzsenatorin in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen aktiv an dem Thema arbeiten. Wir nehmen diesen Themenkomplex ernst. Wir werden darauf zu achten haben, dass sich die BVG im Wettbewerb positiv weiterentwickeln kann. Auch hier gilt: Sie muss wettbewerbsfähig sein, und die Arbeitsplätze müssen zukunftssicher sein und gemacht werden.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Der Nachtrag spricht seine eigene Sprache, aber er ist kein Kassensturz. Zu keinem Zeitpunkt ist behauptet worden, der Nachtragshaushalt sei ein Kassensturz. Die Nachschiebeliste zum Nachtragshaushalt haben wir acht Tage nach der Vereidigung des neuen Senats durch den Senat gebracht haben, und wir haben ihn unmittelbar danach dem Hauptausschuss zugeleitet, und er ging in das parlamentarische Verfahren. Den Kassensturz haben wir zugesagt, aber dafür nehmen wir uns etwas mehr Zeit. Denn nachdem wir den Nachtragshaushalt beendet haben, kommt es darauf an, Beständigkeit zu finden, zu Aussagen und Zahlen zu gelangen, die belastbar sind, die nicht zwischen Wochen- oder Monatsfrist revidiert werden müssen.

Vieles, das uns die Vorgängerregierung übergeben hat, ist schlicht undurchschaubar. Wenn jemand sagt, der Nachtragshaushalt sei nicht der große Wurf, dann würde ich dem nicht widersprechen. Er ist ein pragmatischer Ansatz, um auf die aktuellen Probleme zu reagieren. Wir wollen aber auch nicht mit falscher Elle gemessen werden. Schnelles Handeln war und ist unsere Pflicht. Wir haben in den Nachtrag alles aufgenommen, was uns in der Kürze der Zeit ohne längere Diskussionen umsetzungsfähig erschien. Deshalb sind auch kurzfristig umsetzungsfähige Vorschläge aus der 50-Punkte-Liste der CDU übernommen worden. Vollkommenheit oder Schönheit können für diesen Nachtragshaushalt nicht zählen. Über solche Aspekte können wir uns dann bei der Aufstellung des Haushalts 2002 unterhalten.

[Gram (CDU): Warum legen Sie ihn dann nicht vor?]

Dieser Haushalt wird vom neuen Senat nach den Neuwahlen einzubringen sein. Es macht keinen Sinn, einen Haushalt ins parlamentarische Verfahren zu bringen, der von diesem Parlament in dieser Zusammensetzung nicht verabschiedet werden kann. Wir werden so verfahren wie bei den Wahlen 1999, wobei auch erst nach der Konstituierung des neuen Senats ein Haushalt ins Parlament eingebracht wurde.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Der Haushalt 2002 wird uns vor eine schwierige Aufgabe stellen. Das ist nicht der Grund, warum wir ihn jetzt nicht vorlegen; ich habe die Gründe eben genannt. Es macht keinen Sinn, ihn in ein unabgeschlossenes Verfahren zu führen. Aber dieser Haushalt muss vorbehaltlich der Ergebnisse des Kassensturzes möglichst wieder unter der magischen Grenze von 40 Milliarden DM für die bereinigten Ausgaben liegen. Dann rechnen wir zwar mit Euro – es wird eine 20 vorne stehen –, aber dann müssen wir uns damit auseinandersetzen, wieviel hinter dem Komma dazu kommen darf; darüber werden wir zu reden haben. Der Handlungsdruck, den wir aktuell erleben, wird auch in den kommenden Jahren fortbestehen, nicht allein wegen der, sondern auch ohne die Probleme der Bankgesellschaft. Die Finanzsituation des Landes Berlin ist Folge eines in nur zehn Jahren zwischen 1991 und 2000 dramatisch von 16 auf 65 Milliarden DM angestiegenen Schuldenstandes. Die Gründe sind bekannt – Frau Abgeordnete Klotz ist eben noch einmal darauf eingegangen: Es war falsch, Anfang der 90er Jahre übereilt den Rückzug des Bundes aus der Finanzierung Berlins anzutreten; es stellt ein Problem dar, dass die Überwindung der deutschen Teilung dieser Stadt besondere Lasten aufgebürdet hat; schließlich hatten wir bundesweit eine unzureichende Steueraufkommens

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Frau Sen Krajewski

entwicklung Mitte bis Ende der 90er Jahre durch unzureichendes Wirtschaftswachstum wie auch durch hohe Sonderabschreibungen auf Investitionen in den neuen Ländern. Seit 1996 fährt Berlin einen klaren Konsolidierungskurs, und bisher ist die Absenkung der Neuverschuldung planmäßig eingehalten worden, [Gram (CDU): Warum hat denn dann die Regierung gewechselt?] von 7,4 Milliarden DM 1994 auf 3,8 Milliarden DM im Jahr 2000. Das verdient hervorgehoben zu werden – das geht an die Adresse der Vorgängersenate und der Vorgängerfinanzsenatoren Frau Fugmann-Heesing und Herr Kurth. Die Bankenkrise allein ist nicht ursächlich für die Finanzkrise des Landes, [Gram (CDU): Das ist ja ganz neu!] aber sie hat die Lage in einer schon für sich kritischen Situation verschärft und damit dem Standort Berlin nachhaltig geschadet. Ich sehe das ebenso, wie Frau Abgeordnete Klotz es eben gesagt hat: Es ist ein Drama, dass die jahrelange Konsolidierung in dieser Stadt durch die jetzt notwendig gewordene Bankenfinanzierung derartig zurückgeworfen wird. [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen] In einer ohnehin schon außerordentlich angespannten Haushaltssituation werden die Folgehaushalte allein aus den Bankhilfen dieses Jahres – wenn der Senat alles zu tragen hat und das Land Berlin die vollen 4 Milliarden DM zu schultern hätten – wenigstens mit 300 Millionen DM pro Jahr zusätzlich belastet. Damit wird nicht die bisherige Konsolidierungsleistung in Frage gestellt, aber es ist ein empfindlicher Schlag auf dem bisher insgesamt erfolgreichen Weg. Wir müssen also jetzt den finanzpolitischen Kurs neu bestimmen. Nach bisheriger Planung sollte die Neuverschuldung bis 2004 auf etwa 2 Milliarden DM zurückgeführt werden. Spätestens 2009 sollte der Haushalt ausgeglichen sein, also ohne weitere Neuverschuldung auskommen. Von diesen beiden Teilzielen wird nur das zweite fortbestehen können. An 2009 werden wir nicht rütteln. Jede Verlängerung des Zeitraums nach hinten würde unausweichlich den Schuldenstand weiter erhöhen, die Zinslasten noch mehr ansteigen lassen und die Handlungsspielräume noch weiter einengen. Das kann und darf Berlin sich nicht leisten. Bis zum Jahr 2009 wird die Linie aber anders aussehen müssen. Es werden sich Verschiebungen und neue Schwerpunktsetzungen ergeben. Das ist nach derzeitiger Bestandsaufnahme unumgänglich. Ich will an dieser Stelle, weil ich diesen langen Zeitraum bis 2009 im Ausblick habe, kurz auf das Thema Hochschulverträge eingehen, das nicht ein originäres Thema des Nachtragshaushalts 2001 ist. Mit den Hochschulverträgen wird Planungssicherheit für einen wichtigen, mit einer hohen Priorität versehenen Ausgabenblock innerhalb des Berliner Landeshaushalts geschaffen. Ich bin schon froh, dass es gelungen ist, in schwierigster Haushaltslage einen vernünftigen Kompromiss zwischen den Erfordernissen der Haushaltssanierung und der zu Recht geforderten Planungssicherheit für die Hochschulen zu schaffen. In den Verträgen und dem von uns gefassten Auflagenbeschluss ist ein klarer Auftrag an die Universitäten und an uns, an das Land, enthalten, bis Mitte nächsten Jahres Strukturveränderungen vor allem im Bereich der Hochschulklinika auf den Weg zu bringen. Ich verrate Ihnen wahrscheinlich kein Geheimnis, wenn ich sage: Die nötigen Einsparungen im Klinikbereich sind nur dann zu erbringen, wenn wir und auch dieser Bereich selbst zu echten Reformen bereit sind. Ich bin mir sicher, dass alle Beteiligten ihren Beitrag zu optimalen Strukturen in der Hochschulmedizin leisten werden, und ich bin mir mit Adrienne Goehler einig, dass eine schnell einzusetzende Kommission aus Senat und Hochschulexperten sobald wie möglich Strukturvorschläge unterbreiten soll, die mit Beginn der Laufzeit der Verträge, also ab 2003, umgesetzt werden. Die Verträge mit unseren Hochschulen sind Verträge auf Gegenseitigkeit. Die Leistungen der Partner sind aufeinander bezogen. Deshalb kommt es darauf an, diesen dialektischen Prozess fortzusetzen und die notwendigen Reformen möglichst im

Einklang zu finden. Ich sage noch einmal: Mit den Hochschulverträgen wird mittelfristig eine erhebliche Bindung für den Landeshaushalt entstehen, aber wir haben diese Bindung gewollt, weil wir Planungssicherheit für diesen wichtigen Politikbereich wollen. Ich will einen anderen Aspekt im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt 2001 ansprechen, der auch weit über diesen Nachtragshaushalt hinausreicht. Wir werden die Frage nicht aus den Augen verlieren, ob und in welchem Umfang der Bund und die Länder im Hinblick auf die Hauptstadtfunktionen zur Finanzierung hauptstadttypischer zusätzlicher Aufgaben beitragen können. Die Regierungserklärung hat diese Frage bereits aufgenommen. Ich will hier nur ganz wenige Beispiele nennen. Einmal das Stichwort nationales Kulturerbe, das in unserer Stadt wie in keiner anderen in Deutschland vorhanden ist und damit einerseits eine Bereicherung bedeutet, dessen Pflege aber andererseits von einem Stadtstaat schon wegen jahrzehntelang unterlassener Investitionen unmöglich allein geschultert werden kann. Hier ist ein verstärktes Engagement des Bundes erforderlich. [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen] Ein zweites Beispiel ist die im Hauptstadtvertrag von 1992 vereinbarte Zusammenarbeit bei den hauptstadtbedingten Aufgaben für den erforderlichen Bau, Ausbau und die Instandhaltung der Verkehrs- und sonstigen technischen Infrastrukturen. Hier darf man sich aus Berliner Sicht nicht nur auf die Planung und Ausführung beschränken, sondern hier muss auch ein verstärktes Engagement des Bundes hinzukommen. Schließlich, wenn auch oftmals belächelt, wobei ein Berliner Interesse nicht geleugnet werden kann: Es geht nicht an, dass zusätzliche Maßnahmen zur Stadtbildpflege, die zum Teil gerade auf Initiative von Bundesministerien ergriffen werden, allein den Berliner Haushalt belasten. Soweit wenige Beispiele, bei denen wir erwarten, dass der Hauptstadtfunktion Berlins auch durch den Bund stärker Rechnung getragen wird. [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen] Es hat gerade in den letzten Tagen sehr unterschiedliche Analysen der Berliner Finanzsituation gegeben. Da gibt es die Stimmen von außen, die die Krise der Bankgesellschaft zum Anlass für mehr oder weniger genaue Betrachtungen genommen haben. Da gibt es auf der einen Seite die Schwarzmaler. Nach ihrer Auffassung ist die Situation ausweglos. Die einzige Perspektive, so die Schwarzmaler, sei der Gang zum Bund, die Erklärung der extremen Haushaltsnotlage, gegebenenfalls der Gang vors Bundesverfassungsgericht. Genau diese Auffassung teilen wir nicht. Es gibt aber auch andere, besonnenere Stimmen, die sind der Auffassung, dass Berlin seine derzeitige Finanzsituation auch aus eigener Kraft überwinden kann. Halten wir hierzu fest: Zum eingeschlagenen nachhaltigen Konsolidierungskurs gibt es keine Alternative. Das haben bisher auch die heftigsten Kritiker eingestanden. Wir werden diesen Weg weiter verfolgen, mit neuen Schwerpunktsetzungen, Neuverschuldung zurücknehmen, Schuldenzuwachs eindämmen und damit dem Anstieg der Zinsbelastung Einhalt gebieten. Das sind die Herausforderungen an die Finanzpolitik. Und an die Adresse der Schwarzmaler sage ich: Auch die Erklärung einer extremen Haushaltsnotlage befreit nicht von dem Zwang, weiter in ganz erheblichem Umfang konsolidieren zu müssen – vielleicht sogar noch mehr als bisher –; denn Konsolidierungsprogramme sind unverzichtbarer Bestandteil für die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen. So etwas ist nachzulesen beim Bundesverfassungsgericht. An der Sparpolitik können wir also nicht sparen. Wir müssen vielmehr Handlungsfähigkeit wiedererlangen. Wir wollen Generationengerechtigkeit. Wir wollen unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur Schulden vererben. Wir wollen ausreichend für Bildung und Ausbildung vorsorgen. Wir wollen in Köpfe investieren. Und dafür, genau dafür wollen wir unsere Handlungsfähigkeit wiedererlangen – eine Handlungsfähigkeit, die uns durch zu hohe Zinsbelastung teilweise verloren gegangen ist. [Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

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Frau Sen Krajewski

In einem Bereich, der in den letzten Wochen erfolgreich bewältigt werden konnte, ist so etwas wie Planungssicherheit eingekehrt, nämlich bei dem Themenkomplex Länderfinanzausgleich und Solidarpakt. Die erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen zu Länderfinanzausgleich und Solidarpakt sind ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu verlässlichen Rahmenbedingungen. Von dieser Lösung haben alle Bundesländer profitiert. Möglich wurde sie allerdings erst, nachdem der Bundesfinanzminister zusätzliche 1,5 Milliarden DM frisches Geld und eine weitere Milliarde DM zur Tilgungsstreckung beim Fonds Deutsche Einheit in das System eingespeist hatte. Insgesamt werden die Länder ab 2005 im Durchschnitt rund 30 DM je Einwohner mehr zur Verfügung haben als im heutigen System. Berlin wird über rund 50 DM je Einwohner mehr verfügen können, also über 20 DM mehr als der Durchschnitt. Die Beibehaltung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten von 135 % ist das Kernelement für eine Stabilisierung der Einnahmenseite. Die zeitliche Befristung über einen langen Zeitraum bis 2019 schafft einerseits Klarheit, weist andererseits weiteren Reformbestrebungen die erforderliche zeitliche Komponente zu. Die Fortführung des Solidarpakts ermöglicht es, den Aufbau Ost erfolgreich fortzusetzen und die Infrastrukturlücke zu schließen. Berlin wird dafür im vereinbarten Zeitrahmen bis 2019 über 50 Milliarden DM erhalten. Das ist ein schöner Erfolg. Dieser Erfolg wird morgen im Bundesrat durch das Maßstäbegesetz behandelt. Es ist von einer breiten Mehrheit der Zustimmung auszugehen.

Berlin braucht die Solidarität der anderen Länder und die Solidarität des Bundes. Solidarität ist aber immer auch Verpflichtung zum eigenen Handeln. Berlins Beitrag zur Solidarität ist, dass wir die Konsolidierungspolitik konsequent und nachhaltig fortsetzen, dass wir mit gleicher Konsequenz aber auch an der Stärkung der Wirtschaftskraft weiterarbeiten. Als ich vor dreieinhalb Wochen in diesem Saal vereidigt wurde, sagte ich es schon einmal: Wirtschaft und Finanzen sind zwei Seiten einer Medaille. Höhere Wirtschaftskraft bedeutet auch höhere Steuerkraft und damit ein gutes Stück Unabhängigkeit. Das kommt uns und kommt anderen zu Gute. Das verstehen wir unter solidarischem Ausgleich.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wir wollen die aktuelle Aufbruchstimmung nutzen. Dieser Übergangssenat wird noch vor den Wahlen Eckwerte und Projektionen für die nächsten Jahre entwickeln und vorlegen. Diese Planung wird die Orientierung bieten, deren wir für die Haushaltswirtschaft dringend bedürfen. Die Aufbruchstimmung für eine neue, belastbare und gestaltende Finanzpolitik ist da; nun kommt es darauf an, dass wir sie auch nutzen. Wir „packen es an“, dann wird man auch sehen können, dass die Finanzlage Berlins zwar schwierig, aber letztlich doch beherrschbar ist. Wir sind ganz offen. Es wird Veränderungen geben müssen. Der Strukturwandel ist heute wiederholt angesprochen worden. Es wird Verzichte geben, Absenkungen, weniger Geld, Einschnitte, auch unpopuläre Entscheidungen. Das sagen wir mit aller Klarheit, weil wir glauben, dass die Wählerinnen und Wähler letztlich nur den offenen, den ehrlichen Kurs honorieren werden. Wir sagen zugleich auch: Ohne ausreichendes wirtschaftliches Wachstum können unsere Konsolidierungsanstrengungen letztlich nicht von Erfolg gekrönt sein. Mehr denn je werden wir uns auf standortpolitische Notwendigkeiten besinnen müssen. Berlin ist eine „Stadt des Wissens“ und der wissensorientierten Dienstleistungen. Diesen Eckpfeiler unserer Wirtschaftskraft wollen und werden wir nicht aus den Augen verlieren.

[Beifall bei der SPD]

Zu lange haben viele in dem Glauben verharrt, dass die Finanzen letztlich nicht das Problem sein dürften. Jetzt sind die Finanzen das Problem. Aber es gibt für dieses Problem auch Lösungen. „Der Blick auf die finanzielle Lage Berlins ist ein Blick in den Abgrund“, stellte eine große Berliner Tageszeitung fest. Richtig! Aber wir werden beweisen, dass wir im doppelten Sinne schwindelfrei sind. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Frau Senatorin Krajewski, für den Bericht des Senats! – Für den Senat wird weiterhin Frau Senatorin Goehler das Wort ergreifen. Nach der Verabredung, die wir zwischen Senat und Parlament getroffen haben, stehen Ihnen noch etwa sieben Minuten Redezeit zur Verfügung. – Frau Senatorin, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der kurzen Zeit stelle ich eine generelle Beobachtung als Neuberlinerin an den Anfang: Mich verblüfft in den drei Wochen, die ich hier bin, die gemeinsame Vergesslichkeit – um nicht zu sagen: die kollektive Amnesie –, die die CDU befallen hat hinsichtlich ihrer Verantwortung an dem gähnenden schwarzen Haushaltsloch.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU]

Die Psychologin Goehler kann die Amnesie deuten: Sie befällt einen bekanntermaßen als Schutzmechanismus vor einer als unerträglich empfundenen Realität. Das Senatsmitglied hingegen muss Ihnen die Realität, in die Sie uns gebracht haben, vor Augen führen. Wäre Ihr Interesse an der Kontrolle Ihrer Parteifreunde in der Berliner Bankgesellschaft annähernd so groß gewesen wie Ihr heutiges Engagement für die Hochschulverträge, dann müssten wir überhaupt nicht über Streichungen reden. Insofern reden wir eben heute auch über einen Beitrag von Herrn Landowsky zu den Hochschulverträgen; denn ohne das Bankendesaster in Berlin hätten die Hochschulverträge ohne weitere Einsparungen und vor allen Dingen auch ohne jede Aufregung beschlossen werden können.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Zurufe von der CDU]

Zur Sache: Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hat am gestrigen Tag die finanziellen Rahmenbedingungen der Hochschulverträge beschlossen und Auflagen formuliert. Wir haben uns darauf verständigt, eine Expertenkommission einzusetzen, die ein Konzept für eine zukunftssichere und damit dauerhafte Struktur der Berliner Universitätsmedizin erarbeiten wird. Mit Ihrer Zustimmung können die Hochschulverträge für den Planungszeitraum 2003 bis 2005 abgeschlossen werden, und die Vertragshochschulen erhalten eine sichere Zukunft.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Die Vielgesichtigkeit und die Qualität der Berliner Wissenschaftslandschaft ist die Basis, um der Herausforderung der Wissensgesellschaft im 21. Jahrhundert gewachsen zu sein. Ich habe mich als Verantwortliche im Senat von folgenden Grundsätzen leiten lassen: Wir setzen die Politik der großen Koalition nach dem Motto: „Augen zu und durch!“ nicht fort. Wir haben ziemlich genau hingesehen und hart geprüft, wie eine Priorität für den Wissenschaftsstandort Berlin verantwortet werden kann in einer Haushaltslage, die Sie uns hinterlassen haben.

[Kittelmann (CDU): Was Sie in der kurzen Zeit alles geschafft haben!]

Unser Ergebnis liegt ihnen vor. Wir verantworten es, dass den Hochschulen für diesen Drei-Jahres-Zeitraum nahezu 7,5 Milliarden DM rechtsverbindlich zugesagt werden, damit sie sicher planen und ihre Reformen voranbringen können. Das ist ein Ergebnis, das sich außerordentlich gut sehen lassen kann.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zuruf der Frau Abg. Grütters (CDU)]

Und wir glauben, wenn auch nicht leichten Herzens, verantworten zu können, dass wir den beiden Universitätsklinika einen Sparbetrag von 145 Millionen DM in drei Jahren auferlegt haben. Angesichts der bekannten Haushaltssituation habe ich alle Kraft darauf verwandt, noch vor der Sommerpause die Verabschiedung der Hochschulverträge zu erreichen, um den Hochschulen die Chance zur Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

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Frau Sen Goehler

Vorschläge zur Herauslösung der Universitätsmedizin aus den Hochschulverträgen habe ich abgelehnt. Gerade in unsicheren Zeiten kann es nicht angehen, dass wir Rahmenbedingungen für die übrigen Hochschulen vertraglich absichern, aber der Universitätsmedizin diesen gesicherten Rahmen vorenthalten. Von Anfang an habe ich der gestellten Forderung, die es im politischen Raum gab, nach einer jährlichen Absenkung um 150 Millionen DM bei der Universitätsmedizin widersprochen und diese nicht für akzeptabel gehalten. Angesichts dieser Ausgangslage hat mein Haus in harten und intensiven Verhandlungen sowohl mit dem Koalitionspartner als auch mit den Präsidenten der Hochschulen und – ehrlich gesagt, nach einigen Turbulenzen – auch mit den Klinikvorständen ein Ergebnis erzielt. Und ich würde mich freuen, wenn auch die CDU, die ihr Herz für die Hochschulen entdeckt hat, den Hochschulverträgen zustimmen würde.