Freier Binnenmarkt und nationale Abschottung passen nicht zusammen. Es gibt Übergangszeiten für die Freizügigkeit. Es gibt aber auch Initiativen – darauf wurde hingewiesen –, gerade in den deutschen Grenzstädten zu Polen, diese Zeiten zu verkürzen, weil es Vorteile für beide Seiten der Oder bringt. Darauf sollten wir hinweisen, um bestehende Ängste abzubauen. Aber wir sollten keine Ängste schüren.
Wir alle wissen – Herr Regierender Bürgermeister, Sie gaben mir das Stichwort Verkehr –, dass aus der heutigen Randlage morgen ein Transitland wird. Die Region Berlin-Brandenburg wird in Staus und Abgasen ersticken, wenn es nicht gelingt, den zunehmenden Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Vor die Wahl gestellt, mit dem bestehenden Finanzvolumen des Bundes entweder die für den Güter- und Regionalverkehr besonders wichtige Ostbahn zu sanieren oder die Stadtautobahn zum Treptower Park zu verlängern, entschieden sich SPD und PDS gegen Europa und für Beton im Neuköllner Hinterhof.
Mit dieser Prioritätensetzung werden die Verkehrsprobleme weder gelöst noch die Umweltziele erreicht.
Zu Ihrer Blockade, Herr Regierender Bürgermeister, gegen die Dresdner Bahn in Ihrem Wahlkreis in Lichtenrade: Böse Zungen behaupten, Sie könnten Lärmschutz noch nicht einmal buchstabieren. Lärmschutz spielte in der Tat bei der B 101 oder bei der Teltowkanal-Autobahn auch keine Rolle. Aber gegen die wichtige Eisenbahntrasse, die Berlin mit Prag, Budapest, Ljubljana und Bratislava verbindet, kämpfen Sie in einer unheiligen Allianz aus CDU und SPD, als handele es sich um ein Atomkraftwerk. Deshalb: Politische Winzlinge, die nicht über ihren Gartenzaun schauen können, werden Europa nicht voranbringen.
Besser als Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. April 2004 kann man die Kritik am Senat nicht zusammenfassen:
Eine gespaltene Insel passt nicht in das vereinigte Europa. Das Ergebnis der Volksabstimmung im griechischen Teil Zyperns war ein Rückschlag, im türkischen Teil ein Fortschritt. Die Bestätigung der Inhaftierung der kurdischen Abgeordneten Leyla Zana und ihrer Freunde ebenso wie die Blockade der griechisch-zypriotischen Regierung gegen einen Auftritt des EU-Kommissars Verheugen im dortigen Fernsehen haben uns am Vorabend der Feierlichkeiten noch einmal deutlich vor Augen geführt, welch weiten Weg Europa noch gehen muss.
Nach der Aussöhnung mit unseren westlichen Nachbarn muss nun auch die Verständigung mit unseren mittel- und osteuropäischen Nachbarn gelingen. Daran sollten wir, der Senat und auch die Bevölkerung von Berlin und Brandenburg mitwirken. Die Erfahrung bei der Überwindung der Spaltung Berlins wird dabei sicher nützlich sein.
Wer von uns hätte vor 15 Jahren zu träumen gewagt, dass sich die heutige EU aus diesen 25 Staaten zusammensetzen wird? – Wir freuen uns auf die Begegnung mit den Menschen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, aus Malta und Zypern und heißen sie alle am Vorabend des 1. Mai 2004 in Berlin recht herzlich willkommen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die CDU-Fraktion erhält nun der Kollege Tromp. – Bitte schön!
Herr Präsident! Verehrte Exzellenzen! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist oft gesagt worden: Der 1. Mai ist wahrlich ein historisches Datum.
Nehmen wir Ihr MOE-Konzept. Sie listen eine Vielzahl von Handlungsfeldern auf, um mit den Beitrittsstaaten in Mittel- und Osteuropa zusammenzuarbeiten. Sie
nehmen aber keine Prioritätensetzung vor, geschweige denn, dass Sie bereit sind, dieses auch mit ein wenig Finanzierung zu unterlegen, was man machen muss, wenn man Konzepte umsetzen will. Wir haben im Ausschuss beantragt, dass genau dieses geschieht. Sie lehnen dies ab. Man fragt sich, ob Sie dieses Konzept wirklich umsetzen wollen.
Ins Bild passt auch, dass Sie die Zuschüsse für die heute auch von Ihnen gelobte Europäische Akademie stark zusammenkürzen. Die hat gerade exzellente Kontakte in die mittel- und osteuropäischen Staaten. Die brauchen wir doch eigentlich jetzt. Sie sparen hier an der falschen Stelle. Sie sparen hier an der Zukunft Berlins.
Die Streichung der Zuschüsse für die DeutschPolnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft Ende 2004 ist ein weiteres Beispiel für die verfehlte Europapolitik. Sie entziehen gerade jetzt der mittelständischen Wirtschaft Berlins ein Instrument, um Geschäftskontakte nach Polen zu knüpfen, und dies im Jahr der EU-Osterweiterung. Beileibe, das kann doch nicht der Ansatz sein! Berlin muss seine Aktivitäten darauf legen, stärker als bisher mit den polnischen Regionen zusammenzuarbeiten, zum anderen – wie Sie richtig sagen – mit den europäischen Ballungsräumen. Wenn Sie das in Zukunft beherzigen, werden Sie auch nicht wieder solch eine Niederlage erleben wie beim 3. Kohäsionsbericht, in den Ihre Forderung nach einer Metropolenförderung keinen Eingang gefunden hat. Wenn man starke Partner in Europa hat, dann gelingt so etwas auch in Zukunft. Wir fordern Sie auf, so etwas in Zukunft aktiv zu verfolgen. – Herzlichen Dank!
Herr Regierender Bürgermeister, was diesen Teil Ihrer Regierungserklärung angeht, schließe ich mich Ihrer historischen Bewertung voll und ganz an. Wir Berliner und alle Deutschen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie aus der Vergangenheit gelernt haben, und vor allem, dass sie auch gelernt haben, mit dieser Vergangenheit umzugehen. Das sollte den Nachbarn aus dem mittel- und osteuropäischen Staaten ein Stück Sicherheit geben, wenn wir über die Ansiedlung eines europäischen Zentrums gegen Vertreibung hier in Berlin diskutieren. Sie wissen, dass sich die CDU voll und ganz dafür ausspricht. Das Ganze muss aber mit den Mitgliedsstaaten, die dazukommen, gemeinsam vorangetrieben werden.
Was den Teil Ihrer Regierungserklärung zu Berlin angeht, fällt mir ein altes deutsches Sprichwort ein: Die Botschaft hör´ ich wohl, mir fehlt bloß der Glaube!
[Brauer (PDS): Das ist kein Sprichwort, sondern ein Zitat aus dem „Faust“ von Goethe, und es war auch noch falsch!]
Das Kooperationsabkommen zwischen Berlin und Brandenburg und der polnischen Woiwodschaft Großpolen, das Sie vorhin erwähnten, können Sie nicht ernsthaft als einen Erfolg der Berliner Politik bewerten. Herr Staatssekretär Schmitz hat im Ausschuss deutlich gemacht, dass Berlin selbst keinen aktiven Beitrag dazu geleistet hat, sondern Brandenburg und Großpolen dies vorangetrieben haben und anschließen Berlin eingeladen haben, sich daran zu beteiligen. Das ist ein bisschen zu dünn, um von aktiver Politik zu sprechen.
Die Kontakte zu den anderen Woiwodschaften gibt es, aber sie sind auf Einzelthemen beschränkt. Man hat nicht das Gefühl, dass hier eine ganzheitliche Strategie verfolgt wird, geschweige denn, dass man alle Fäden in der Hand hat. Sie haben nachher den Antrag der CDU zur Abstimmung vorliegen, in dem wir eine strategische Partnerschaft mit den polnischen Woiwodschaften fordern. Die Koalition hat diesen gestern abgelehnt. Das werden Sie nachher sicher auch tun. Das verstehe, wer will. Wir erneuern an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung: Berlin, Brandenburg, die an Deutschland grenzenden Woiwodschaften und die Woiwodschaft Großpolen müssen zusammen eine gemeinsame Region bilden. Es wäre genau das richtige Zeichen, wenn Sie heute in der Regierungserklärung den brandenburgischen Ministerpräsidenten und die Woiwoden dieser Woiwodschaften nach Berlin eingeladen hätten, um gemeinsam dieses Ziel einer gemeinsamen Region voranzutreiben. Das wäre eine Initiative gewesen. Das wäre aktive Europapolitik gewesen. Genau dies lassen Sie aber bis zum heutigen Tage vermissen.
Danke schön, Herr Kollege Tromp! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Krug. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Exzellenzen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Erweiterung der Europäischen Union entsteht in Europa der größte Wirtschaftsraum der Welt, in dem 450 Millionen Menschen leben und friedlich miteinander dieses neue Europa gestalten wollen. Gestatten Sie mir, dass ich gerade diesem Aspekt in der Diskussion um die Chancen und Herausforderungen meine besondere Aufmerksamkeit schenke, denn aus meiner Sicht ist das die fundamentale. Friedliche Zusammenarbeit in Europa, das bedeutet, auch die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs endlich vergessen zu machen. Herr Hahn, diese verhängnisvolle Vergangenheit hinter uns zu lassen, das ist doch das eigentliche Anliegen. Diese Visionen eines friedlichen, einheitlichen Europa, die mit der Erweiterung Wirklichkeit werden, das ist das für uns bewegende Ereignis. Das ist das, was auch emotional verständlich gemacht werden muss. Es ist ein Ereignis zum Jubeln, wie es der polnische Staatspräsident Kwasniewski formulierte. Wir sollten ihm zustimmen.
Lassen Sie mich einige dieser Punkte nennen: Die Weiterentwicklung der Handelsbeziehungen mit den neuen Mitgliedsstaaten – natürlich geht es darum, die OstWest-Aktivitäten zu bündeln und insbesondere die Wirtschaftsförderung mit ihren Möglichkeiten zu nutzen. Das ist der Aspekt, den wir gestern noch einmal durchdiskutiert haben, der entsprechende Voraussetzungen einschließt, schnellstmöglich die Gleichbehandlung von Unternehmen durchzusetzen. Wir wollen die Infrastrukturen weiterentwickeln. Auch das ist ein klares Ziel. Da gucken wir nach Szczecin, Wrocław und Poznań, wie auch zu den anderen Staaten nach Prag, Budapest und Sofia, was wir auch im Visier haben. Die Partnerschaft mit den osteuro
päischen Hauptstädten ist ein wesentlicher Punkt. Die Positionierung von Berlin als Messe- und Kongressstadt, als Stadt der Wissenschaft, einer der wichtigen anderen Punkte. Und natürlich die Zusammenarbeit mit Brandenburg – wer schließt die denn aus? – Herr Hahn und all die Herren, die das kritisieren, kommen Sie doch einmal in den Ausschuss. Wir sitzen zusammen und diskutieren dies mit den Brandenburgern. Nein, hier wird eine sehr konsequente und zielstrebige Arbeit getan. Wenn es Informationsdefizite gibt, sind wir natürlich dabei, diese aufzugreifen und mit der Informationsoffensive voranzubringen. Schauen Sie sich an, was da alles getan wurde: MOE plus, das Businessportal, all das haben wir schon diskutiert. Es müsste eigentlich langsam bekannt sein. Vor allem auch die Mittel-/Osteuropastrategie für die Verwaltungen zu konkretisieren, ist für uns Teil eines langfristigen Programms der Zusammenarbeit. Wenn Frau Michels auf das verwiesen hat, was wir von Europa ab dem Jahr 2006 erwarten, möchte ich darauf verweisen, dass wir in der gegenwärtigen Förderperiode 1,2 Milliarden € europäische Gelder bekommen.
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU) – Zuruf des Abg. Hahn (FDP)]
Wir haben eine wunderbare Chance, gemeinsam um den besten Weg und um eine gute Zukunft zu ringen und dafür unsere Kräfte auszugeben. Dass das kein einfacher Prozess ist, haben wir bereits in vielen Varianten heute schon andiskutiert.
Lassen Sie mich noch zu der Regierungserklärung sagen: Der Regierende Bürgermeister hat einen Katalog von Aktivitäten erläutert. Damit sollte man sich beschäftigen und diesen nicht immer wieder kleinreden. Gehen Sie doch einmal hinaus, gehen Sie doch einmal in die Botschaften, reden Sie mit den Leuten, und stellen Sie das fest, was ich in vielen Gesprächen feststellen konnte: Andere schätzen diese Aktivitäten des Senats und der ihn tragenden Verwaltung sehr hoch ein. – Das sollten wir auch zur Kenntnis nehmen, dass es hier Dinge gibt, die die Wirtschaft von Berlin vorantragen.
Natürlich ist die funktionierende Wirtschaft die wichtigste Grundlage, dass Europa und seine Menschen zusammenwachsen.
Die vielen Anträge, die uns zu dieser Diskussion vorliegen, zeigen, dass man sich im Haus engagiert diesem Thema stellt. Auch der gemeinsame Entschließungsentwurf belegt sehr erfreulich, dass es Einigkeiten in einigen Zielstellungen und auch im Wege gibt. Allerdings – Herr Cramer hat schon von der Inflation der Anträge gesprochen, dem kann man nur zustimmen. Anträge sollten Verwaltungshandeln anregen und nicht bestehende Konzepte wiederholen und damit eine etwas merkwürdige Vermischung der Dinge, die gemacht werden sollen, und der Dinge, die schon gemacht werden, erreichen. Nein, wir haben mit unserem Antrag in acht Punkten die wesentlichen Aufgaben beschrieben, die der Senat aus unserer Sicht vertiefen und weiterentwickeln sollte. Diese Prioritäten hat der Regierende Bürgermeister auch ganz klar gesetzt. Wer sie nicht sieht, sollte sich das genau durchschauen. Das ist auch die Grundlage des langfristigen Positionspapiers zur Zusammenarbeit des Landes Berlin mit Mittel- und Osteuropa, das ausgiebig im Ausschuss diskutiert wurde.
Das gemeinsame Europa ist eine klare Perspektive für unsere Arbeit. Ich denke, dass wir auch in den Regionen klare Vorstellungen haben. Ich möchte hier daran erinnern, dass wir im Europarat, im Ausschuss der Regionen oder auch im Kongress der Gemeinden und Regionen, wo ich noch tätig bin, die Zukunft unserer europäischen regionalen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutieren und Lösungen finden und dabei den Blick weit vorausbringen – wohin, ist schon genannt worden: Wir haben neue Beitrittsstaaten ab dem Jahr 2007. Aber wir wollen auch die weite Zusammenarbeit in Europa. Dazu gehören auch noch Russland und die GUS-Nachfolgestaaten. Wir haben hier ein klares Programm. Wir sind sehr froh, dass es diesen historischen Tag gibt. Mit der Erweiterung der EU wird die Spaltung Europas endgültig überwunden, wir alle gewinnen. Keine Generation hat je die Chance gehabt, eine solche Perspektive zu erarbeiten und an einer solchen Zukunft mitzuwirken. – Danke schön!