Protocol of the Session on May 13, 2004

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Lieber Herr Cramer, Sie halten immer wieder dieselbe Rede, ich glaube, seit 1996.

[Dr. Lindner (FDP): Seine Rede ist Kabarett!]

Danke schön, Herr Kollege Kaczmarek! – Für die Fraktion der PDS hat nunmehr Frau Matuschek das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaczmarek! Herr Lindner! Sie verwechseln in einigen Punkten den Gegenstand der Debatte. Wir haben heute hier ein Verwaltungsverfahren auf Antrag der FDP in den Mittelpunkt gestellt, das die Befreiung von der Betriebspflicht zum Inhalt hat. Die Betriebspflicht liegt zurzeit bei der BFG. Ich habe vorhin ausgeführt, was diese Betriebspflicht in Zahlen und Belastungen heißt, nämlich jährlich 15 bis 17 Millionen € Verlust. Die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, haben Sie in keiner Weise auch nur angerissen. Sie heißt: Warum soll ein öffentliches Unternehmen in diesem Fall gezwungen werden, einen Verlustbringer unternehmerisch weiterzuführen?

Die Frage steht innerhalb dieses Verwaltungsverfahrens Befreiung von der Betriebspflicht. Sie vermengen dieses Verfahren mit dem darauf folgenden Verfahren, das dort heißt: Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Flughafen Tempelhof. Sie können dort in diesem Verfahren alle Ihre netten Argumente, dass der Standort so toll sei, dass davon keine Belastungen für die Anwohner ausgingen, dass davon ein unheimlich prosperierendes Wirtschaftsleben abhänge, das können Sie meinetwegen alles in dieses Verfahren – Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses Tempelhof – einbringen. Es ist das gleiche, was wir auch den Anwohnerinnen und Anwohnern von Schönefeld immer wieder gesagt haben. Alle diese Belange, die ein Planfeststellungsverfahren betreffen, sollen auch in dem Planfeststellungsverfahren behandelt werden, und sie werden dort auch behandelt, entsprechend der sachlichen Grundlage und entsprechend den gesetzlichen Gegebenheiten. Das darf man nicht mit der Befreiung von der Betriebspflicht bei einem Verlust bringenden Flughafenbetrieb vermengen.

Also, worum es geht, ist doch letztendlich nicht der Interpretationsstreit um die Frage, ob der Flugverkehr nun in den schwarzen Zahlen ist oder nicht. Wir können uns gern einmal zusammensetzen und uns anhand der Vorlage der Flughafengesellschaft die Zahlen und Verbuchungen, die dort stattgefunden haben, angucken, aber darüber brauchen wir uns doch nicht zu streiten. Es gibt Private, die sagen: Wir wollen keine Staatsknete haben. – Übrigens, Herr Gaebler, was die Staatsknete betrifft, die auch Frau Matuschek bei jeder Gelegenheit anspricht:

[Gaebler (SPD): Cramer war das!]

Frau Matuschek! Wenn immer vom Defizit die Rede ist: Das Defizit von Schönefeld ist größer als das von Tempelhof; wahrscheinlich schließen wir diesen Flughafen dann konsequenterweise auch.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Dieses Defizit wird heute getragen – ich wusste, dass das Beifall bei der PDS gibt – von den Fluggästen, die Gebühren bezahlen. Das wird sozusagen aus Tegel subventioniert. Was Sie wollen, ist, jetzt den Steuerzahler direkt heranzunehmen, denn wenn dort kein Flugverkehr mehr stattfindet, wird das Gebäude und wird das Grundstück zurückfallen an das Land und an den Bund. Dann müssen die Steuerzahler dafür aufkommen. Da frage ich mich ehrlich, was das für eine Position ist. Das ist genau das, was Sie der FDP vorwerfen. Hier werden die Verluste sozialisiert und die Gewinne privatisiert. Das kann doch nicht im Ernst Ihre Position sein. Deshalb lassen Sie es uns ausprobieren, lassen Sie uns die Probe aufs Exempel machen. Wenn es Private gibt, die diesen Flughafen ohne Zuschüsse betreiben wollen, warum sollten wir ihnen dann im Weg stehen? – Wenn uns alle Experten, die das Planungsrecht überschauen, sagen: Es gibt kein planungsrechtliches Risiko für den neuen Flughafen BBI durch Tempelhof – und das haben nun alle mehrfach gesagt, da können Sie die Protokolle des Stadtplanungsausschusses lesen, da können Sie lesen, was die Planfeststellungsbehörde dazu gesagt hat, da können Sie verschiedene Professoren fragen – da sind Rechtsprofessoren ausnahmsweise einer Meinung –, da können Sie sich alles einmal angucken –, warum probieren wir es an dieser Stelle nicht einfach aus? – Ich will Ihnen sagen, warum Sie es nicht ausprobieren wollen: Weil Sie es nicht wollen, basta! Es ist Ihnen schlichtweg egal. Sie wollen angeblich Politik für die Menschen machen. Ich sage Ihnen als Neuköllner Abgeordneter: Wir sind als Neuköllner CDU auch ganz bewusst in den Wahlkampf gegangen und haben gesagt: Wir sind für Tempelhof.

[Doering (PDS): Als Neuköllner aus Rudow!]

Wir haben niemandem vorgemacht, dass wir dagegen sind. Die Menschen in Neukölln und Tempelhof haben diese Position akzeptiert, weil sie ehrlich ist und weil auch ganz klar ist, in erster Linie brauchen wir für diese Stadt Arbeitsplätze, und alles andere kommt danach. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Dr. Lindner (FDP): Schließen Sie die Wohnungsbaugesellschaften, und zwar alle!]

Nun zu den angeblichen Angeboten der Investoren: Wenn sie es ernst meinten – das hatte ich vorhin auch gesagt –, dann müssten sie wenigstens den Ansatz zeigen, dass sie auch zur Betreiberfunktion bereit sind und nicht nur zu einer Partnerschaft mit anderen Betreibern, die dann wahrscheinlich die Kosten tragen sollen. Das ist der Angelpunkt dieser Anträge, man könne Tempelhof angeblich weiter betreiben. Wenn man dort mit ein, zwei, drei oder vier Maschinen fliegen will, dann ist man noch nicht der Flughafenbetreiber. Man hat als Betreiber andere Funktionen. Darum genau geht der Streit: Sind diese Angebote ernst gemeint oder nicht? – Wenn man noch nicht einmal angefragt hat, ob diese Unternehmen eine behördliche Genehmigung für eine Betriebspflicht bekommen könnten, dann sind diese Angebote unseriös. Dann sind das Nebelkerzen. Darum geht der Streit, wenn es heißt, angebliche Investoren betrieben das alles so toll. Sie behaupten das, und wir sagen, das sind unseriöse Angebote. Im Übrigen betrifft das nicht alle ansässigen

Herr Lindner, jetzt ist er weg, wer nicht zuhören kann, lernt auch nicht dazu, aber dann sage ich es Ihnen: Wir

sind in Berlin-Brandenburg eine Luftverkehrsprovinz. Wenn wir uns mit Frankfurt am Main vergleichen – die großkotzigen Berliner wollen sich ja immer mit London, Frankfurt, New York und was weiß ich vergleichen: Wir haben einen Einzugsbereich von 5 Millionen Menschen.

Wir sind 6 Millionen in Berlin-Brandenburg, Herr Regierender Bürgermeister, aber wir haben Flughäfen in unmittelbarer Nachbarschaft – Halle-Leipzig, Dresden, Hannover, Bremen, Hamburg –, die von den Randgebieten Fluggäste abziehen. Deshalb umfasst das Einzugsgebiet 5 Millionen. Frankfurt am Main hat 20 Millionen. Wir haben 3 % Umsteiger. Frankfurt am Main hat 60 %. Wir haben 60 % Kurzstreckenflüge unter 600 km. Wir sind eine Luftverkehrsprovinz. Aber wir wollen internationale Anbindungen, und wir hatten mehrfach Versuche, ohne Umsteigen direkt über den Atlantik zu fliegen. Das war ökonomisch nicht darstellbar. Das ging nur mit Staatsknete, und diese Zeiten sind vorbei. Deshalb haben wir nicht den Direktflug über den Atlantik. Das kann man bedauern, aber so ist es.

Frau Matuschek, zu den Gebühren: Ich kann mich noch erinnern, dass der damalige Bundesverkehrsminister der SPD, Franz Müntefering, als er antrat, gesagt hat: Wir wollen die Flughafengebühr, und wenn das bestehende Recht nicht ausreicht, dann werden wir das Gesetz so machen, dass sie möglich ist. – Mittlerweile ist er Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender. Er sollte sich daran erinnern. Wer das will, kann das möglich machen.

Fluggesellschaften. Außerdem fahren viele Fluggesellschaften zu Recht auch zweigleisig. Sie melden Slots in Tegel und Tempelhof an – nach dem Motto: Wollen wir mal gucken, wo es besser läuft, wo es länger läuft oder wo vielleicht Konkurrenzausschluss läuft –, und dann würden erst die Entscheidungen gefällt werden.

Die Gebühren spare ich mir jetzt, Herr Cramer, Sie werden es nie begreifen, dass das, was Sie über die Gebühren sagen, rechtlich, wirtschaftlich und auch sonst überhaupt nicht mehr aktuell ist, denn so läuft das nicht. Aber das können wir vielleicht bilateral klären. Nachzulesen ist das auch im Protokoll des Ausschusses vom Februar.

Zur Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld: Wir haben hier endlich ein öffentliches Unternehmen, das nach einem schweren Weg jetzt in Gewässer kommt, wo es auf dem richtigen Weg ist. Die Verluste von Schönefeld beruhen u. a. darauf, dass das Planfeststellungsverfahren auch ein teures Verfahren ist. Wenn wir das nicht direkt aus dem Haushalt finanzieren wollen – und das wollen wir nicht –, sondern durch die Betriebserlöse innerhalb der Flughafengesellschaft, dann ist das der Weg, der dort gegangen wird. Dieses Unternehmen ist in den letzten zwei Jahren auf einem guten Weg. Dieses Unternehmen hat Erfolge in der Ansiedlung in Schönefeld, in einer Strukturierung des Unternehmens, Erfolge betriebswirtschaftlicher Art. Das soll man nicht kleinreden, das soll man honorieren. Alle Unterstützung brauchen die Leute, die dort ein öffentliches Unternehmen aus einer schwierigen Situation auf einen guten Weg gebracht haben, und dazu stehen wir auch.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Matuschek! – Für die Grünen hat nunmehr Herr Cramer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist doch noch spannend geworden – das hätte ich gar nicht gedacht –, obwohl sie eine Wiederaufnahme alter Debatten ist.

Herr Kaczmarek, Sie brauchen sich nicht hinter Herrn Diepgen zu verstecken. Sie als Abgeordneter dieses Parlaments haben dem Konsensbeschluss zugestimmt. Bekennen Sie sich dazu. Nennen Sie uns ein Argument, warum Ihre Position heute anders ist. Als Sie zugestimmt haben, flogen mehr Leute von Tempelhof als heute. Da hätte der Flughafen perspektivisch eine andere Zukunft gehabt als heute. Wir sind acht Jahre weiter, das Gegenteil Ihrer damaligen Hoffnungen ist eingetreten. Sie haben damals mit Nein gestimmt, eigentlich müssten Sie heute bei Ihrer Position bleiben. Die Entwicklung hat uns Recht gegeben, den Schließungsbefürwortern, und nicht denen, die ihn offen halten wollen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

[RBm Wowereit: Sechs!]

[Zuruf der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

Wenn es einen politischen Willen gibt, gibt es auch einen juristischen Weg, kann ich Ihnen nur sagen.

Herr Wowereit, deshalb haben Sie sich eigentlich gemeldet: Transparency International. Jetzt könnte ich fragen: Wann haben Sie sich getroffen? Wie oft? Wie weit ist es? Welche Ergebnisse gibt es? – Aber ich nehme Sie beim Wort. Ich finde es toll, dass Sie hier gesagt haben, bei diesem Großprojekt solle eine Antikorruptionsorganisation einbezogen werden. Vielleicht hat der Tempodrom-Skandal ein bisschen nachgeholfen. Deshalb mache ich Ihnen jetzt folgenden Vorschlag. Wir haben einen Antrag dazu im Juni 2003 eingebracht. Zu diesem Antrag gibt es heute die Beschlussempfehlung Ablehnung. Er hat sieben Unterpunkte, aber der Punkt 3 klingt genauso wie das, was Sie vorhin gesagt haben. Ich lese ihn vor:

Der Senat wird beauftragt, gemeinsam mit Transparency International ein Verfahren zur begleitenden Überprüfung von Ausschreibungs- und Vergabeverfahren im Zusammenhang mit dem Bau von BBI zu entwickeln und ins Verfahren zu implementieren.

Jetzt nehme ich Sie, auch als Abgeordneten, beim Wort. Wir stellen diesen Punkt als Antrag hier zur Abstimmung. Stimmen Sie zu, dann haben wir die Mehrheit, dann haben wir alle Zweifel beseitigt.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen worden. Ich komme jetzt zu den Abstimmungen. – Zum Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 15/1810 – Neuer Auftrieb für Berlins Flughäfen – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP bei Enthaltung der Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Zustimmung, jawohl, danke! Die Gegenprobe! – Danke! Letzteres war die Mehrheit, damit ist der Antrag abgelehnt, und zwar durch die Mehrheit der Regierungsfraktionen gegen CDU und FDP. Enthaltungen? – Bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag Drucksache 15/1811 – Flughafen Tempelhof – frühes Rechnen erspart späte Reue – empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP bei Enthaltung der Grünen ebenfalls die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Danke schön! Das sind CDU und FDP. – Die Gegenprobe! Das sind die Regierungsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Bündnis 90/Die Grünen plus Herr Kaczmarek, er hat sich auch enthalten.

[RBm Wowereit: Warum soll ich dem zustimmen, wenn ich es permanent mache?]