Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

[Beifall des Abg. Pape (SPD)]

Ich zitiere einige Passagen dieser denkwürdigen Sitzung. Ich werde sie nicht kommentieren. Hören und urteilen Sie selbst! Vizepräsident Stölzl von der CDU eröffnete damals die Debatte. Er meinte:

Heute sperrt die Sozialdemokratie dem Kommunismus die Tür zur Macht in Deutschland wieder auf.

[Beifall bei der CDU]

Und er fand:

Sogar die DKP darf mit ihrer in Moskau ausgebildeten Sozialsenatorin einen unerwarteten, späten Erfolg feiern.

[Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS]

Sein Parteifreund Hoffmann verkündete:

Wir werden als größte Oppositionspartei sachlich, aber kritisch diesen Senat begleiten.

[Heiterkeit bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Er meinte, die Koalition müsse sich auf einen inhaltlich scharfen Wettstreit um die besseren Ideen für unsere Stadt einstellen. Michael Müller, der Fraktionsvorsitzende der SPD, sagte voraus, es werde fünf harte Jahre voller Arbeit geben, aber die Stadt werde sich bewegen und weiter zusammenwachsen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Und von Harald Wolf, damals Fraktionsvorsitzender der PDS, war zu hören:

Ich habe eine Vision, die nicht einfach zu erreichen ist. Sie lautet, dass sich diese Stadt endlich an den Realitäten orientiert. Das ist nicht Glitter. Das ist nicht Glamour. Das ist harte Arbeit. Wir müssen endlich die Anlaufstelle für Investoren haben. Wir wollen endlich die IBB zu einer vernünftigen Förderbank machen.

Und er fügte an, man werde jetzt einmal sehen, ob ein demokratischer Sozialist erfolgreiche Wirtschaftspolitik machen könne.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das waren Ankündigungen, an denen sich heute jeder messen lassen muss.

Für uns von der Linkspartei.PDS war das Regieren erst einmal neu und deshalb auch nicht ganz einfach. Aber wir wurden nicht gezwungen, sondern wollten das so. Wir wollten das so, weil ein Senat, der die ganze Stadt im Blick hat, natürlich besser ist als eine Koalition, deren Wähler vor allem im Westteil der Stadt zu Hause sind. Inzwischen schreibt sogar die „FAZ“, dass in Berlin die Herkunft aus dem Osten oder Westen nicht mehr als poli

tisches Argument eingesetzt werde und – so die „FAZ“ weiter –

das verdankt sich ausgerechnet der Regierungsbeteiligung der PDS.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist nach wie vor nicht so, dass wir nach einer Regierungsbeteiligung so lechzen wie derzeit die Grünen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Wir hatten heftige Debatten in der Koalition, der Fraktion und unserer Partei, aber wir haben dabei nicht immer einen Riesenalarm gemacht. Die Grünen kündigen an, wenn sie mitregieren sollten, sei es künftig wieder so wie in der großen Koalition. Da können sich die Berlinerinnen und Berliner entscheiden.

Wir haben entschieden und gehandelt. Während eine rot-grüne Koalition in Berlin mit einem Scheitern endete, debattieren wir heute über fünf Jahre rot-rote Bilanz. Damit ist klar, dass wir alle Lügen gestraft haben, die meinten, wir hätten nicht den Mut und die Kraft zum Regieren. Wir haben als Team durchgehalten, aber nicht nur das: Wir haben eine Menge erreicht, und darauf können wir stolz sein.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Unser Bürgermeister und Wirtschaftssenator, Harald Wolf, ist keiner, der den Streit mit dem Koalitionspartner um des Streits willen sucht. Er setzt stattdessen in der Koalition mit Geschick und Beharrlichkeit die Interessen unserer Wählerinnen und Wähler um, ohne viele Geräusche zu machen. Seine langjährige politische Erfahrung in Berlin, seine Verlässlichkeit und seine ernsthafte Art haben ihm so viel Akzeptanz verschafft, dass sich nun sogar der IHK-Chef des Vorwurfs erwehren muss, er mache für die Linkspartei.PDS Wahlkampf. Dass Sie das von der Opposition ärgert, kann ich verstehen, aber darüber, wie sehr Sie das ärgert, war ich überrascht. Ich gebe zu, dass ich über diese neue „Schwampelopposition“, die sich mit Sibyll Klotz, Martin Lindner und Nicolas Zimmer zusammengetan hat, etwas verwundert war und darüber, wie Schwarz-Grün-Gelb mit Hilfe von „Focus“ und „Kontraste“ versucht, Harald Wolf irgendetwas ans Zeug zu flicken. Na klar, es ist Wahlkampf. Doch wer meint, die jahrelange Arbeit von Harald Wolf ließe sich durch eine dreiwöchige Schmutzkampagne kaputtmachen, der irrt sich.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Fünftens: Wir haben als erstes Bundesland ein Integrationskonzept verabschiedet, in dem ressortübergrei

fend vielfältige Maßnahmen zur verbesserten Integration zusammengefasst werden, weil wir wollen, dass Berlin eine Einwanderungsstadt ist.

Sechstens: Wir haben ein deutliches Mehr an direkter Demokratie in Berlin durchgesetzt: Bürgerentscheide in den Bezirken, Verbesserung der Konditionen für Volksentscheide auf der Landesebene, in etlichen Bezirken gibt es darüber hinaus Bürgerhaushalte.

Siebtens: Wir haben eine Wirtschaftpolitik etabliert, die sich an den Potentialen der Stadt orientiert. Wir haben eine einheitliche Anlaufstelle für die Wirtschaft geschaffen, die One-Stop-Agency. Wir haben die Investitionsbank Berlin neu organisiert.

Achtens: Trotz der komplizierten Haushaltssituation sind kein städtisches Theater und keine Oper geschlossen worden. Mit der Opernstiftung ist die Grundlage für die Zusammenarbeit aller drei großen Opern und deren dauerhaften Erhalt gelegt worden.

Neuntens: Wir haben den größten Teil der sozialen Infrastruktur in Berlin gesichert, zum einen dadurch, dass es für die Bundesrepublik einmalig lange Laufzeiten für Förderverträge gibt, zum anderen durch das Sozialticket für Arbeitslosengeld-II- Empfänger, das es in dieser Form nur in einem Bundesland gibt, nämlich in Berlin. Arbeitslosengeld-II-Empfangende können für 3 € Opern und Theater und kostenlos die städtischen Bibliotheken nutzen. Durch unsere Ausführungsvorschriften zum Wohnen unter Hartz-IV-Bedingungen werden massenhafte Zwangsumzüge in Berlin ausgeschlossen.

Genauso irregeleitet ist der Versuch, aus einer schwierigen juristischen und historischen Frage, Herr Zimmer, die viel Fingerspitzengefühl verlangt, einen Holzhammer gegen unseren Kultursenator, Thomas Flierl, zu basteln. Wie durchsichtig!

Soll ich Ihnen etwas sagen, liebe Schwampelfreunde? – Unsere Sozialsenatorin ist schon ein bisschen sauer, dass Sie für sie keine Idee für einen Missbilligungsantrag gefunden haben.

[Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Aber vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein.

Thomas Flierl, Heidi Knake-Werner und vor allem Harald Wolf personifizieren auf ausgezeichnete Weise linke Politik, die auf machbare Alternativen setzt und diese auch durchsetzen will und kann. Alle drei wollen und können ihre Arbeit fortsetzen. Ich bin guter Dinge, dass uns dafür viele Berlinerinnen und Berliner ihre Stimme geben werden.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Lassen Sie mich in zehn Punkten Bilanz ziehen, denn dafür ist diese Aktuelle Stunde gedacht, und dann drei Vorhaben für die nächsten Jahre skizzieren. Erstens: Wir haben Berlins Finanzen in Ordnung und die laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen der Stadt in Übereinstimmung gebracht. Das war nicht immer mit einfachen Entscheidungen verbunden. – Herr Zimmer zählte vorhin wieder auf, wo überall fälschlicherweise gekürzt wurde. Er hat keinen Vorschlag gemacht, was man hätte anders machen sollen. – Wir haben dafür gesorgt, dass diese Entscheidungen mit Augenmaß getroffen wurden.

Zweitens: Wir haben Privatisierungen bei Deutschlands größtem Krankenhausverbund Vivates, dem Verkehrsunternehmen BVG, der Stadtreinigung BSR und anderen Unternehmen eine Absage erteilt. Voraussetzung dafür war ein Sanierungskurs, der in schwierigen Debatten mit den Beschäftigten erstritten wurde.

Drittens: Wir haben mit dem Abschluss des Anwendungstarifvertrags für den öffentlichen Dienst dafür gesorgt, dass trotz Haushaltsnotlage betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2009 ausgeschlossen wurden. Gehaltsreduzierungen wurden durch Arbeitszeitverkürzungen ausgeglichen.

Viertens: Wir haben ein neues Schulgesetz mit flexibler Schuleingangsphase, Horten an den Schulen, so viel schulischer Autonomie, wie es sie noch nie gab, einem einheitlichen 10.-Klasse-Abschluss und der Ermöglichung des Abiturs nach zwölf Schuljahren verabschiedet. Wir haben ein neues Unterrichtsfach Ethik eingeführt, das künftig für alle Schülerinnen und Schüler unterrichtet wird.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Fördergelder von Unternehmen – das ist neu in Berlin –, die ihre Auflagen bezüglich Standort und Arbeitsplatzsicherung nicht einhalten, werden konsequent zurückgefordert.

Zehntens: Wir haben einen Wandel im politischen und kulturellen Klima der Stadt befördern können. Das leitet sich nicht nur daraus ab, wie normal mittlerweile die Regierungsbeteiligung unserer Partei empfunden wird, sondern auch – ich weiß, dass das kontrovers gesehen wird – aus einem anderen Umgang mit dem geschichtlichen Erbe. Ich nenne dafür zwei Beispiele: Das RosaLuxemburg-Denkzeichen auf der einen Seite und das erste geschlossene Mauerkonzept auf der anderen Seite, das wir in dieser Stadt erarbeitet haben.

Insgesamt ist das eine sehr positive Bilanz, mit der wir uns sehr selbstbewusst dem Wahlkampf stellen.