Protokoll der Sitzung vom 31.08.2006

b) Beschlussempfehlung

„Berlin qualmfrei“ 2006 (II): Alle Krankenhäuser zu rauchfreien Zonen machen!

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/5379 Antrag der Grünen Drs 15/5043

c) Beschlussempfehlung

Wir wollen keine Menschen diskriminieren, weder Raucherinnen noch Raucher, denn sie sind auch ein Stück weit Opfer ihres Lasters.

Ich betone das heute deswegen so ausdrücklich, weil der EU-Kommissar für Soziales, Herr Vladimir Spidla, in der Öffentlichkeit bekundet hat, dass das EU-Recht Arbeitgeber dazu berechtigt, auch Raucher von der Bewerbung um einen Arbeitsplatz auszuschließen. Dem könnte ich meine Zustimmung niemals geben. Ich finde, das ist eine überzogene Interpretation all der Bemühungen – bundesweit, europaweit –, die darauf zielen, Menschen möglichst vor dem Rauchen und den Ein- und Auswirkungen von Rauchen zu bewahren.

Ich wollte aber damit sagen, dass wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens herstellen wollen, mit dem Rauchen in öffentlichen Räumen missbilligt wird. Mit diesem Antrag leisten wir hierzu einen Beitrag, und ich hoffe sehr, dass die Regierungsbemühungen in dieselbe Richtung Erfolg haben werden. Ich wünsche mir auch, dass der Bereich der Gaststätten ausdrücklich mit einbezogen wird. Das ist eine Angelegenheit, die wir auf Bundesebene diskutieren müssen und hoffentlich dann auch eine große Mehrheit der Bevölkerung im Rücken wissend entscheiden können.

„Berlin qualmfrei“ 2006 (III): Berlin setzt sich ein für ein Tabakwerbeverbot!

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/5380 Antrag der Grünen Drs 15/5044

Das ist der Tagesordnungspunkt 22. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linkspartei.PDS. Frau Kollegin Simon hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass alle Senatoren und Senatorinnen den Verlauf der Tagesordnung sehr genau kennen. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn ich bei der fröhlichen Botschaft, die ich hier verkünden kann, mehr Senatoren und Senatorinnen auf ihren Bänken vorfinden könnte. Das merke ich einfach mal kritisch an.

Ich bringe eine Beschlussempfehlung zur Diskussion und beschränke mich ganz bewusst auf den von allen im Gesundheitsausschuss vertretenen Parteien – mit Ausnahme der FDP – angenommenen Antrag. Wir haben gemeinsam eine Beschlussempfehlung verabschiedet, die dem Nichtraucherschutz in dieser Stadt einen sehr guten Dienst erweist. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass in allen öffentlichen Räumen der Stadt rauchfreie Zonen eingeführt werden. Es ist ein großer Erfolg, dass wir es trotz Wahlkampfgetöse – das auch hier seine Spuren hinterlassen hat – geschafft haben, zu einer gemeinsamen Beschlussempfehlung zu kommen, wie gesagt, mit Ausnahme des Vertreters der FDP. Das ist ein Erfolg und eine sehr konsequente Fortsetzung der Politik, die wir in unserer Stadt zum Thema „Berlin qualmfrei“ gemacht haben. Wir haben damit das Rauchverbot, das wir bereits in Schulen und Kitas ausgesprochen haben, konsequenterweise erweitert. Ich bin sehr froh darüber, dass wir das heute in unserer letzten Plenarsitzung – hoffentlich auch mit großer Mehrheit – verabschieden können. Ich weiß, dass große Teile der Bevölkerung – das zeigen Umfragen immer wieder – ausdrücklich für ein Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen sind, sowie dort, wo viele Menschen auf engem Raum zusammen kommen.

Ich werde nicht über die Schädlichkeit des Rauchens oder über die Gefahren des Passivrauchens sprechen, weil in diesem Raum wohl niemand sitzt, der darüber nicht sehr genau Bescheid weiß. Diese Diskussion hat, zuletzt auch dank einer Initiative, die auf Bundesebene angeschoben wurde, die Medien sehr stark beschäftigt. Ich möchte nur einen kleinen Schlenker machen und darauf hinweisen, dass ich im zuständigen Fachausschuss einen Lapsus begangen habe, als ich davon sprach, dass dieser Antrag auch ein Beitrag zur Diskriminierung von Rauchern sein sollte. Hier hatte ich einen Versprecher getan. Ich meinte selbstverständlich die Diskriminierung des Rauchens, die wir gemeinsam auf den Weg bringen wollen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mein Appell geht dahin, hier ein Beispiel zu setzen, einen Anstoß für weitere Entwicklungen in den anderen Bundesländern und auf Bundesebene zu geben. Wir sollten nicht hinter Iren, Italienern und Spaniern zurückstehen, die es auch geschafft haben, aus ihren Länder weit gehend eine rauchfreie Zone zu machen. Machen wir uns dafür stark, die Bundesrepublik Deutschland zu einer rauchfreien Zone zu machen, und stellen wir uns ganz an die Spitze bei diesem Versuch! – Danke!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Simon! – Es folgt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Kollege Gregor Hoffmann. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine intensive Diskussion im Ausschuss geführt und einen Konsens für einen Antrag gefunden, der auch wirklich umgesetzt werden sollte, und zwar mit aller Kraft. Das Ziel ist vorgegeben: 2007.

Warum ist dies so? – Wir verzeichnen 110 000 bis 140 000 Todesfälle auf Grund tabakbedingten Konsums.

[Hillenberg (SPD): Das ist doch aber meine Gesundheit!]

Das kostet immerhin fast 16 Milliarden €. Einen Schritt zu mehr Rauchfreiheit zu gehen, ist ein richtiger Schritt. Der einzige Grund, darüber überhaupt im Parlament zu diskutieren, ist der Wunsch, auch entsprechende Wirkung zu entfalten und zu verdeutlichen, dass wir mit Nachdruck Veränderungen wollen und dass Rauchen nachgewiesenermaßen gesundheitsgefährdend ist. Die Zahlen müssen

Und man sollte weiter gehen. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit zeigt, dass man es auch in Deutschland erreichen könnte, Gaststätten und Kneipen rauchfrei zu machen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist hierfür vorhanden. Ich denke, der Hotel- und Gaststättenverband hat sich mit seiner bisherigen Politik, sehr zögerlich zu sein und die Auffassung zu vertreten, die Kunden blieben sonst weg, keinen Gefallen getan. Im Gegenteil! Ein Blick nach Italien und Irland zeigt, dass sich in den rauchfreien Gaststätten nun wieder Menschen treffen, die früher dort bewusst nicht hingegangen sind, weil sie Angst vor dem Rauchen hatten. Wenn man den Mut hat, eine solche Situation zu verändern, kann man auch Erfolg haben. Dafür spricht die Akzeptanz in der Bevölkerung. Ich hoffe deshalb auf eine breite Zustimmung. Im Moment scheinen einige draußen zu sein und eine Raucherpause zu nehmen. Das wird sich in Zukunft erübrigen.

Ich möchte meine restliche Redezeit nutzen, um mich für die gute Zusammenarbeit in den letzten 5 Jahren zu bedanken. Ich danke meiner Fraktion, dass sie mir als Neuling die Möglichkeit gegeben hat, in einer Sprecherfunktion in herausragender Position Politik machen zu dürfen. Ich danke der Senatsverwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit, auch wenn wir in unserem Kontrollinteresse nicht allem zugestimmt haben. Ich danke auch der Opposition für die insgesamt vertrauensvolle Zusammenarbeit, wobei unter den gesundheits- und sozialpolitischen Sprechern ohnehin über die Parteigrenzen hinweg große Einigkeit herrscht. Ich wünsche meinen Nachfolgern in diesem Hause für die Gestaltung der Gesundheits- und Sozialpolitik im Interesse der Berlinerinnen und Berliner alles Gute. – Danke schön!

sich endlich nach unten entwickeln, damit es insgesamt qualmfreier wird.

Ich bin sonst nicht oft der Meinung von Frau Simon, aber in diesem Fall unterstütze ich Ihr Vorbringen deutlich: Mehr Qualmfreiheit geht uns alle an, und deswegen sind wir auch alle sehr dafür. Es gibt sicher viel zu dem Thema zu sagen, ich denke aber, dass es wichtig ist, gemeinsam zu einer vernünftigen Abstimmung zu kommen. Eine lange Parlamentsdebatte ist nicht notwendig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Kollege Hoffmann! – Die SPD folgt. Kollege Pape hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich meine voraussichtlich letzte Rede in diesem Haus zu einem Thema halte, das sich nicht im Parteiengezänk verfängt, sondern der Antrag breite Zustimmung findet.

Wir sehen auch in der Bevölkerung, dass sich das Klima in Deutschland zu diesem Thema verändert hat. Im Vorfeld dieses Antrags hat es eine Umfrage unter der Berliner Bevölkerung gegeben, wie es bewertet wird, dass das Rauchen in öffentlichen Gebäuden verboten werden soll. 87 % der Bevölkerung haben gesagt, das fänden sie gut, und sogar 56 % der Raucher – Herr Hillenberg – haben dem zugestimmt. Dies zeigt, dass sich in Deutschland im öffentlichen Bewusstsein etwas verändert hat. Nichtraucherschutz ist allgemein anerkannt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Passivraucher vor den schädlichen Folgen des Rauchens geschützt werden müssen und dass hierfür staatliche Maßnahmen unterstützend notwendig sind.

[Beifall bei der SPD]

Die gesundheitspolitischen Sprecher haben in den letzten Tagen dazu viele Veranstaltungen gemacht, und wir haben – auch für mich überraschend – von den Nichtraucherorganisationen in Berlin gesagt bekommen, dass Berlin auf einem guten Weg ist. Das war vor einigen Jahren noch anders. Da standen sie der Berliner Politik sehr kritisch gegenüber. Deswegen haben wir den Ursprungsantrag der Grünen noch ein wenig abgeändert, indem wir die Aktivitäten, die der Senat mit dem Programm „Berlin qualmfrei“ durchführt, dort mit hineingenommen haben. Wir stehen hier nicht am Anfang eines Weges, sondern wir setzen einen begonnenen Weg konsequent fort.

Ich bin auch der Meinung, dass wir, wenn wir dies heute für öffentliche Einrichtungen und Krankenhäuser beschließen, diesen Weg weiter gehen müssen. Bezüglich der Krankenhäuser – deswegen ist auch das Bremer Beispiel angeführt – muss man sehen, dass es dort durchaus Situationen geben kann – ich denke beispielsweise an die geschlossene Psychiatrie –, in denen ein generelles Rauchverbot schwer durchsetzbar und dem Therapienutzen abträglich sein könnte. Deswegen muss man gucken, wie man individuell auf den einzelnen Patienten eingeht,

wobei das Rauchen in Krankenhäusern aber generell verboten werden soll.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS, den Grünen und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Pape! – Es folgen die Grünen. Das Wort hat die Kollegin Jantzen. – Bitte schön!

Ich freue mich, dass die Beschlussempfehlung zu einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen von der Linkspartei.PDS zur Priorität erhoben wird und wir erste Schritte zu einem besseren Nichtraucherschutz in Berlin gehen. Noch besser wäre es gewesen, wenn der Nichtraucherschutz bereits in der Vergangenheit Priorität bei der Gesundheitsverwaltung und bei der Frau Senatorin gehabt hätte. Dann hätten wir das heute nicht noch einmal hier verhandeln müssen. Aber nichtsdestotrotz ist es ein gutes Zeichen, dass es auch in diesem Parlament eine Mehrheit für einen verbesserten Nichtraucherschutz in öffentlichen Einrichtungen und in Krankenhäusern gibt. Was in anderen Ländern wie Irland, Italien, Schweden oder den USA längst Standard und üblich ist, wird nach langen Diskussionen endlich auch hier positiv diskutiert und findet politische und gesellschaftliche Mehrheiten.

Bündnis 90/Die Grünen setzen auch beim Rauchen auf den Dreiklang von Prävention, Hilfe und Repression. Wir wollen Nichtraucher und Nichtraucherinnen vor den Folgen des Passivrauchens schützen. Wir wollen insbesondere Kinder und Jugendliche vor dem Einstieg in die Nikotinsucht bewahren. Es ist erschreckend, dass immer jüngere Kinder anfangen zu rauchen. Wir wollen zudem Raucherinnen und Rauchern helfen, von der Zigarette wegzukommen, und sie durch rauchfreie Räume dabei unterstützen, beim Nichtrauchen zu bleiben.

Neben individuellen Ausstiegshilfen und Aufklärung muss ein wirksamer Nichtraucherschutz auch ein umfassendes Tabakwerbeverbot und Regelungen zur Rauchfreiheit in öffentlichen Einrichtungen, Krankenhäusern und Gaststätten beinhalten. In Abwandlung des Spruchs von Herrn Liebich in der Aktuellen Stunde sage ich: Ein Anfang im Nichtraucherschutz ist gemacht. Wer eine Fortsetzung will, muss allerdings am 17. September die Grünen wählen. – Danke!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die vorliegenden Anträge zeigen wieder einmal eine grüne Bevormundungspolitik, und die scheint bei der PDS offenbar Priorität zu haben.

Bündnis 90/Die Grünen treten dafür ein, dass öffentliche Einrichtungen, Krankenhäuser und auch Restaurants und Gaststätten rauchfrei werden. Wir wollen ein umfassendes Tabakwerbeverbot. Dazu liegt Ihnen heute auch ein Antrag zur Beschlussfassung vor. Insbesondere im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes ist es wichtig, dass beim Verkauf von Tabakerzeugnissen Einschränkungen vorgenommen werden. Mit dem heutigen Beschluss, dass bis 2007 alle öffentlichen Einrichtungen rauchfrei werden sollen, gehen wir einen ersten und einen aus unserer Sicht noch zaghaften Schritt. Das gilt auch für die Krankenhausbetriebsverordnung, deren Änderung von Staatssekretär Schulte-Sasse lange angekündigt wurde und die nun auch wirklich dahin gehend geändert wird, dass die Krankenhäuser rauchfrei werden und nicht mehr gezwungen sind, Raucherräume einzurichten.

Dass das alles funktioniert, zeigen bereits viele Rathäuser in den Bezirken und auch einzelne Senatsverwaltungen in Berlin sowie das rauchfreie Krankenhaus Waldfriede, wo gestern eine Sitzung der gesundheitspolitischen Sprecher zum Thema Rauchfreiheit stattfand. Das Problem, dass schwerkranke Menschen nicht damit überfallen werden sollen, in ihren letzten Lebenswochen oder tahren noch das Rauchen aufgeben zu müssen, wird dort sehr gut gelöst. Das wird auch mit der Änderung der Krankenhausbetriebsverordnung nach Bremer Modell dann in Berlin möglich sein.

Dieser Beschluss ist ein erster wichtiger und längst überfälliger Schritt. Die Ziele der Gesundheitsverwaltung in der Kampagne „Rauchfrei“ wurden angesprochen. Das hätte aus unserer Sicht längst erfüllt werden können. Es ist ein zaghafter und – wie bereits gesagt – erster Schritt. Wir bedauern vor allem, dass unser Antrag zum umfassenden Tabakwerbeverbot von der Koalition abgelehnt wird. Wie der Zeitung zu entnehmen ist, hat eine Umfrage der Fachstelle für Suchtprävention gezeigt, dass bei rund einem Drittel der Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen Zigarettenautomaten und Tabakwerbung in unmittelbarer Nähe zu finden sind. Die Selbstverpflichtung der Tabakindustrie, im Umkreis von 50 m keine Automaten und im Umkreis von 100 m keine Werbung aufzustellen, ist nicht erfüllt. Deswegen fordere ich Sie noch einmal eindringlich auf, unserem Antrag – der unter Punkt 3 zu finden ist – zuzustimmen. Ohne ein Verbot scheint hierbei nichts zu funktionieren.

[Beifall bei den Grünen]

Das Gleiche gilt auch für die rauchfreien Gaststätten. Was anderswo möglich ist, sollte auch in Deutschland und in der Bundeshauptstadt möglich sein. Auch die Selbstverpflichtung des Hotel- und Gaststättengewerbes hat der näheren Überprüfung nicht standgehalten. Was jetzt an rauchfreien Gaststätten im Internet zu finden ist, das sind fast ausschließlich kleinere Kaffeehaus- oder Fastfood-Ketten. Als rauchfrei ausgegebene Räume entpuppen sich als Nischen oder kleinere Nebenräume, die mitnichten räumlich von den Raucherbereichen abgegrenzt sind. Sie bieten keinen wirksamen Schutz vor Pas

sivrauchen. Ich sehe auch hier dringenden Handlungsbedarf.

[Beifall bei den Grünen – Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS]