Protocol of the Session on September 13, 2007

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 17. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich zwei Gratulationen zu überbringen, und zwar hat heute der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Herr Thomas, Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute, vor allem Gesundheit!

[Beifall]

Eine langjährig dienende Kraft in diesem Plenarsaal und in diesem Haus – Herr Hübenthal – hat heute auch Geburtstag. – Herr Hübenthal! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

[Beifall]

Sie wissen es: Nichts ist schöner, als seinen Geburtstag im Abgeordnetenhaus zu verbringen. Alles Gute beiden Geburtstagskindern!

Zum Geschäftlichen: Erstens habe ich die Zurückziehung des Antrags der Fraktion der CDU über „Umgehend Mängel beim Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderung beseitigen – Defizite innerhalb des Systems abbauen – neue Konzeptionen entwickeln“ auf Drucksache 16/0692 – eingebracht in der 15. Sitzung am 5. Juli 2007, dort vertagt und jetzt durch die antragstellende Fraktion zurückgezogen – bekanntzugeben.

Dann eine zusätzliche Überweisung an einen Ausschuss: Der Antrag der Fraktion der CDU über „Klarstellung des § 14 Abs 4 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg“ auf Drucksache 16/0619 – eingebracht in der 14. Sitzung am 21. Juni 2007 und überwiesen an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg – wird nunmehr auf Antrag der Fraktion der CDU zusätzlich an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten überwiesen. Die Federführung erhält der für Medien zuständige Ausschuss.

Am Montag, dem 10. September 2007 sind die folgenden vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen.

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Situation in der Jugendstrafanstalt Plötzensee: Sicherungs- und Schutzmaßnahmen zügig umsetzen“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Kein Freispruch für Senatorin von der Aue: Drogenschmuggel, Personalmangel, Anarchie – Herr Wowereit – nutzen Sie endlich Ihre Richtlinienkompetenz!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Die Senatorinnen Lompscher und von der Aue sind überfor

dert – Herr Wowereit – nutzen Sie endlich Ihre Richtlinienkompetenz“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Justizskandal um Drogen, Gewalt und Lügen: Frau von der Aue ist eine Belastung für Berlin! Herr Wowereit – nutzen Sie endlich Ihre Richtlinienkompetenz!“.

Ich lasse über das Thema der Fraktion der CDU abstimmen, da sich zu diesem Thema nach der Vorbesprechung und in den folgenden Absprachen eine Mehrheit abzeichnet. Wer dem Antrag der CDU und dem Thema seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind wohl alle Fraktionen. – Gegenstimmen sehe ich nicht, auch keine Enthaltungen. Dann ist das einstimmig so beschlossen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, so bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Nun rufe ich

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

auf. Das Wort zu ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Dr. Felicitas Tesch von der SPD zu dem Thema

Beginn des Schuljahres 2007/2008

Bitte schön, Frau Dr. Tesch! Sie haben das Wort.

Danke! – Ich frage den Senat:

1. Wie ist aus Sicht des Senats der Start in das Schuljahr 2007/2008 verlaufen?

2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, das Verfahren zur Nachsteuerung der Lehrkräfteausstattung weiter zu optimieren?

[Zuruf von den Grünen: Peinlich!]

Danke schön! – Der Senator für Bildung, Herr Prof. Zöllner, hat das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! – Zur Frage 1: Jedes Schuljahr wird überall in Deutschland aufgrund von Prognosen geplant. Es kommt also darauf an, möglichst treffsichere Prognosen zu erarbeiten.

[Gelächter bei den Grünen]

Lassen Sie mich kurz die Genese unserer Schülerzahlprognose erläutern. Monatelang, bis zum Beginn des Schuljahres, wurde meinem Haus unterstellt, unsere Prognose vom 19. Januar 2007 gebe viel zu wenig Schülerinnen und Schüler an. Bei der ersten Abfrage der Schülerzahl am 27. April 2007 meldeten die Schulen 6 776 Schülerinnen und Schüler über der Prognose. Das wären – um die Größenordnung beurteilen zu können – ca. 450 Vollzeitstellen gewesen, die zusätzlich zu unserem Einstellungskorridor von 450 gefordert wurden.

Bei der zweiten Abfrage am 24. August 2007 – wohlgemerkt: noch einen Tag vor Schulbeginn – meldeten die Schulen 3 500 Schülerinnen und Schüler mehr als in der Prognose vorhergesagt. Das wären immerhin 230 Vollzeitstellen mehr gewesen, als die Prognose anzeigte.

Zum Stichtag am 6. September 2007 habe ich bei den allgemeinbildenden Schulen eine Schnellabfrage der tatsächlich vorhandenen Schülerzahl gestartet. Ergebnis: Wir haben 397 Schülerinnen und Schüler mehr als prognostiziert. In Anbetracht unserer Gesamtzahl von über 300 000 Schülerinnen und Schülern ist das eine Abweichung zur Januarprognose meines Hauses von 0,1 Prozent. Eine solche Genauigkeit wünsche ich allen Prognosen dieser Bundesrepublik Deutschland.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der sich aus der geringfügigen Abweichung ergebende Mehrbedarf von 26 Vollzeitstellen wird derzeit mit unbefristeten Einstellungen gedeckt. Zusätzlich sind im Januar 2007 im Vergleich zur Planungsgrundlage Lehrkräfte im Umfang von 75 Stellen zusätzlich ausgeschieden. Auch diese Lehrkräfte werden derzeit durch unbefristete Einstellungen ersetzt. Mit diesen Neueinstellungen in dem Umfang von 101 Stellen, die als Reaktion auf im Vorfeld nicht planbare Entwicklungen vorgenommen werden, sind die allgemeinbildenden Berliner Schulen insgesamt mit 100 Prozent ausgestattet.

Noch einmal zurück zur Schülerzahlprognose: Diese Prognose war punktgenau – im Gegensatz zu vielen Meldungen aus Schulen. Nur an acht der fast 800 Berliner Schulen stimmte die Schülerzahl mit der Meldung der Schule überein. Das erfordert logischerweise weitere Umsetzungen von Lehrkräften, um eine gleichmäßige, gute personelle Ausstattung der Berliner Schulen sicherzustellen. Die Außenstellen meines Hauses versuchen, diese Umsetzungen in den nächsten zwei Wochen weitgehend schonend vorzunehmen.

Ich glaube – zumindest hoffe ich das –, Ihnen sind die Schwierigkeiten wenigstens ansatzweise klar. Tiefgreifende Änderungen des Verfahrens und der Zumessung waren zu diesem Schuljahr nicht möglich. Das Mögliche haben wir getan.

Erstens: Wir statten die Berliner Schulen in diesem Schuljahr erstmals mit 100 Prozent netto aus. 100 Prozent netto

meint nicht nur die Stundentafel, sondern Zuschläge für Sprachförderung, Sozialzuschläge, Mittel für Integration und Ähnliches.

Zweitens: 100 Prozent netto heißt, alle länger als drei Monat kranken, sogenannte dauerkranken Lehrkräfte, die der Schule real nie zur Verfügung standen, werden in das Budget einer Schule nicht mehr eingerechnet. Berlinweit sind das aktuell 4,8 Prozent, d. h. 1 109 Vollzeitstellen. Dafür stellen wir für den Krankheitszeitraum befristet Vertretungskräfte ein.

Drittens: Alle Schulen erhalten zusätzlich ein Vertretungsbudget von 3 Prozent ihres Personalbedarfs, das sie selbst zeitnah und flexibel bei kurzfristigen Erkrankungen einsetzen können. Ich habe im Übrigen ein Weiteres getan, den Schulen kurzfristig zu helfen: Schulen, denen noch eine Lehrkraft zu 100 Prozent fehlt, können ihre Vertretungsmittel nutzen, um die Zeit bis zur Ankunft dieser Lehrkraft zu überbrücken. Diese Mittel werden ihnen aus meinem Hause erstattet, so dass es nicht auf ihre Badehose geht.

Zur zweiten Frage: Mit einer Ausstattung von derzeit 103 Prozent plus Finanzierung der im Augenblick 4,8 Prozent Dauerkranken haben wir gute Arbeit geleistet. Kann man damit zufrieden sein? – Mit der Ausstattung ja; darüber hinaus bin ich mit dem Verfahren natürlich nicht zufrieden. Auch wenn es bisher stets Praxis war – für mich, und das sage ich ganz offen, ist es nicht akzeptabel, dass wir bis zum Eintreffen der Erstklässler eine Woche nach Schulanfang nicht sicher wissen, wie viele Schülerinnen und Schüler an einer Schule tatsächlich sind. Das Verfahren zur Organisation des Schuljahres muss dringend verbessert werden, um die Notwendigkeit zur Nachsteuerung der Lehrkräfte auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Eine von mir – übrigens schon Ende letzten Jahres – einberufene Projektgruppe aus Schulpraktikern, Verwaltungsmitarbeitern, externen Experten und Eltern hat dazu Vorschläge erarbeitet, die ich auf Ihre Umsetzbarkeit prüfe und in einen Zeit- und Maßnahmeplan zerlegen lasse. Lassen Sie mich einige Beispiele hierzu nennen: Der erste Schlüssel ist eine zentrale Schülerdatei mit Grunddaten. Jede Schülerin, jeder Schüler darf dort nur ein Mal auftauchen, und wir müssen wissen, an welcher Schule sie oder er geführt wird. Wir haben eine solche Datei bereits für alle Kita- und Hortkinder.

[Zuruf von den Grünen]

Dieses System ist mit dem Einwohnermeldeamt verbunden; es gibt dadurch keine Doppelanmeldungen. Es soll mir keiner sagen, dass mit einer solchen Schülerdatei der Datenschutz verletzt würde. Wer von mir eine ordentliche Planung des Schuljahres fordert – und das mit Recht fordert –, muss auch mindestens das Handwerkzeug des 21. Jahrhunderts dafür zur Verfügung stellen. Es geht dabei auch um die Lehrkräfte: Alle Planung wird zur Makulatur, wenn Lehrkräfte kurzfristig und jederzeit die Höhe ihres Lehrdeputats verändern können. Dies möchte ich auf

einen Stichtag begrenzen – bis zum 15. Januar für das nächste Schuljahr. Natürlich müssen wir darüber hinaus auch das Verfahren selbst verbessern. Dazu zählt für mich unter anderem ein schlankeres Mitbestimmungsverfahren, ein früherer Abschluss der Umsetzung von Lehrkräften, eine frühere Prognose, die durch die Schülerdatei möglich sein wird, und des Weiteren – und hier brauche ich die Hilfe meiner Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken – eine frühere Zuordnung der Kinder zu den ersten Klassen und eine frühere Festlegung der Zahl der fünften und siebten Klassen. Was ich dazu an Voraussetzungen schaffen kann, werde ich tun.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen zentralen Punkt für eine moderne Schule hinweisen: Eigenverantwortung und Ergebnisverantwortung brauchen nicht nur Gestaltungskraft, sondern auch Gestaltungsmacht.

[Zurufe von den Grünen]

Diese sollen die Schulen erhalten. Ich prüfe derzeit – entsprechend den Empfehlungen der Projektgruppe – einen Wechsel im System der Lehrkräftezuweisung. Schulen sollen Budgets in drei Bereichen bekommen, über deren innere Ausgestaltung sie selbst entscheiden können: einen Grundbedarf, Stundentafel und z. B. Teilungsunterricht, sodann einen Strukturbedarf, z. B. Migranten- und Integrationszuschlag, sowie einen Profilbedarf, eine Schulprogrammgestaltung.

[Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Wir müssen von einer regelfixierten Detailsteuerung von oben wegkommen und Schulen auf dem Weg zu lernfähigen, selbststeuernden Systemen unterstützen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]