Protocol of the Session on January 29, 2009

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich.]

Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ernst-August Poritz in der Nacht vom 27. auf den 28. Januar 2009 im Alter von 87 Jahren verstarb. ErnstAugust Poritz war von 1979 bis 1991 Mitglied der CDUFraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin und von 1985 bis zu seinem Ausscheiden aus der Politik 1991 auch Alterspräsident des Landesparlaments. Mit seiner direkten Art der Problemlösung und der Ansprache beeindruckte er als langjähriges Mitglied im Petitionsausschuss und im Innenausschuss.

Ernst-August Poritz wurde am 14. April 1921 in Berlin geboren. Er legte 1937 die Mittlere Reife ab und im Jahr 1939 die Kaufmannsgehilfenprüfung. Später war er als Kaufmann im Bereich der Wohnungswirtschaft und Hausverwaltung tätig. 1963 trat Ernst-August Poritz in die CDU ein. Von 1973 bis 1977 engagierte er sich in seinem Kreisverband Spandau als Beauftragter für Organisation und wurde 1977 zum stellvertretenden Kreisvorsitzenden gewählt.

Seine große Leidenschaft galt – wie das bei den Spandauern so ist – dem Sport und hier speziell dem Schützenwesen und dem Schießsport. Für seine überragenden Leistungen und sein herausragendes Engagement im Bereich des Sports erhielt Ernst-August Poritz 1994 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Schon vorher hatte ihn der Landessportbund Berlin im Jahr 2003 zu seinem Ehrenmitglied ernannt.

Schon 1964 war Ernst-August Poritz Vorsteher der Schützengilde in Spandau geworden – der Schützengilde von 1334. 1996 wurde er zum Präsidenten des Schützenverbandes Berlin-Brandenburg gewählt und blieb in dieser Funktion bis zum Jahr 2003. Das Berliner Landesleistungszentrum ist insbesondere auf seinen beharrlichen Einsatz zurückzuführen. Für seine Verdienste im Bereich des Schützenwesens erhielt er unzählige Auszeichnungen, unter anderem auch die Ehrenkreuze in Gold und Silber des Deutschen Schützenbundes.

Im Abgeordnetenhaus gehörte Ernst-August Poritz zu den Gründungsmitgliedern der Sportgemeinschaft des Parlaments. Er war ihr langjähriger Schatzmeister und bis zuletzt Ehrenmitglied. Noch im Dezember letzten Jahres nahm er an der Weihnachtsfeier der Sportgemeinschaft teil.

Mit Ernst-August Poritz verliert Berlin einen engagierten Politiker und Sportfunktionär, der rund 40 Jahre lang die Geschicke des Deutschen Schützenbundes mit bestimmte und leitete. Der Christdemokrat Ernst-August Poritz wird uns mit seiner großen Beharrlichkeit und seinem ausgeprägten Verhandlungsgeschick stets als ein Vorbild für engagierte Sportpolitik in unserer Stadt in guter Erinnerung bleiben.

Wir gedenken Ernst-August Poritz in Hochachtung.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Ernst-August Poritz erhoben. Ich danke Ihnen.

Wir hatten vor zwei Tagen, am 27. Januar 2009, den Holocaust-Gedenktag. Ich möchte für uns alle feststellen, dass wir, das Abgeordneten von Berlin, jegliche Form von Antisemitismus scharf verurteilen. Für Antisemitismus, insbesondere antisemitische Gewalttaten, gibt es keine Rechtfertigungen – weder politisch noch religiös noch sozial.

[Allgemeiner Beifall]

Antisemitismus ist in Deutschland immer noch ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem. Sämtliche jüdischen Einrichtungen in Berlin müssen besonders gesichert werden, und einige stehen unter dauerhaftem Polizeischutz. Alljährlich werden jüdische Denkmäler und Friedhöfe geschändet. 2007 wurden laut Verfassungsschutzbericht in Berlin 212 antisemitisch motivierte Straftaten registriert. Besonders die Zahl der Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund hat sich dramatisch erhöht.

Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass Antisemitismus in allen Schichten der Bevölkerung zu finden ist und häufig mit Antiamerikanismus und Antizionismus einhergeht. Neue Formen des Antisemitismus treten zunehmend in der islamischen Welt auf. Dieser arabische und islamische Antisemitismus ist eine globale Gefahr. – Erwähnt seien nur die Reden des iranischen Präsidenten, der immer wieder – wie er sagt – die „Tilgung Israels von der Landkarte“ fordert.

Vor dem Hintergrund der Geschichte ist die Solidarität mit Israel ein konstitutiver Teil der deutschen Staatsräson. Ich sage auch: Wer an Demonstrationen teilnimmt, bei denen Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen werden, kann kein Partner im Kampf gegen den Antisemitismus sein.

[Allgemeiner Beifall]

Die Solidarisierung mit terroristischen und antisemitischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah sprengt den Rahmen der zulässigen Kritik an der israelischen Politik. Diese Solidarisierung negiert darüber hinaus unsere Werteordnung und die darauf basierende freiheitliche demokratische Grundordnung.

Auch in Berlin kommt es immer wieder zu unerhörten antisemitischen Straftaten. Solche Übergriffe müssen durch die Strafverfolgungsbehörden aufgeklärt und

geahndet werden. Darüber hinaus muss eine Auseinandersetzung mit den Tathintergründen und dem gesellschaftlichen Milieu, in dem antiisraelische und antijüdische Gedanken gedeihen, stattfinden. Antisemitismus muss auf breiter Front vom Staat und von der Zivilgesellschaft bekämpft und in seiner Verbreitung gehemmt werden.

[Allgemeiner Beifall]

Eine besondere Beachtung sollte dabei den Schulen zukommen. Neben der Vermittlung von Geschichtsbewusstsein und dem bewussten Umgang mit historischem Wissen geht es auch um ethische Erziehung. Die Ablehnung des Antisemitismus darf nicht nur erlernt werden, sondern sie muss auch verinnerlicht werden. Die Konfrontation mit den Stätten des Totalitarismus in Berlin ist möglich. So können Jugendliche und Kinder gegen antisemitische Einstellungen immunisiert und Werte wie Menschenwürde und demokratisches Bewusstsein verankert werden.

Ich bin froh und dankbar darüber, dass gestern Hunderte von Berlinerinnen und Berlinern und die Spitzen der im Abgeordnetenhaus vertretenen demokratischen Parteien an der Friedrichstraße gegen die NPD und deren antisemitische Hetzparolen demonstriert haben.

[Allgemeiner Beifall]

Eine zynische Provokation der NPD konnte so durch das Zusammenwirken aller demokratischen Parteien und durch zivilgesellschaftliches Engagement verhindert werden. Gerade das zivilgesellschaftliche Engagement ist notwendig, um die braune Pest erfolgreich bekämpfen zu können. Angesichts der immer noch stark verbreiteten antisemitischen Vorurteile auch in unserer Bevölkerung, dem hohen Aufkommen antisemitischer Hetze im Internet, der hohen Zahl antisemitisch motivierter Straftaten sowie dem Fortbestand antisemitischer Klischees ist es unabdingbar, den Ursachen und Symptomen des Antisemitismus zu begegnen. Antisemitismus stellt nicht nur eine Gefahr für unsere jüdischen Bürgerinnen und Bürger dar, sondern auch für die grundlegenden Werte der Demokratie und für die Achtung und Wahrung der Menschenrechte in unserem Land.

Das Abgeordnetenhaus unterstützt alle Bemühungen, jüdisches Leben und jüdische Kultur zu einem normalen und festen Bestandteil gesellschaftlichen Lebens in Berlin zu machen. Über sechs Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und 70 Jahre nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 hat jüdisches Leben in Berlin wieder Wurzeln geschlagen. Das ist ein Grund zu großer Freude, und es ist auch Anlass zur Dankbarkeit gegenüber der jüdischen Gemeinschaft in unserer Mitte. Neben Kindergärten, Schulen, anderen sozialen und kulturellen Einrichtungen unterstreicht der Aufbau neuer Synagogen diese positive Entwicklung. So ist der Wiederaufbau des Vorderhauses der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße besonders zu erwähnen, aber auch die Eröffnung des jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch durch Rabbiner Teichtal, das zum Großteil durch private Spenden finanziert worden ist. Dank gebührt hier vor allem den zivilge

sellschaftlichen Akteuren, die den Wiederaufbau von Synagogen und anderen Einrichtungen ermöglicht haben.

[Beifall]

Staatliche Institutionen und die Zivilgesellschaft zeigen großes Engagement in der Bekämpfung des Antisemitismus und in der Förderung jüdischen Lebens in Deutschland. Das Berliner Abgeordnetenhaus begrüßt die institutionelle und finanzielle Förderung des Judentums in aller seiner Vielfalt durch den Bund, das Land Berlin und insbesondere auch durch Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, die sich hier engagieren.

Im Kampf gegen den Antisemitismus sind wir wachsam, und wir verteidigen unsere freiheitlichen und demokratischen Werte. Das ist unsere Pflicht, gerade angesichts des Gedenkens an den 27. Januar 1945, und es ist unsere Pflicht gegenüber den Opfern der Naziherrschaft. – Ich danke Ihnen!

[Beifall]

Meine Damen und Herren! Der Kollege Henner Schmidt hat heute Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und eine anregende Sitzung zum Geburtstag!

[Beifall]

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen. Die Fraktionen haben sich jedoch einvernehmlich im Ältestenrat auf ein gemeinsames Thema verständigt, nämlich das Thema „Berlin vor dem Volksentscheid über Ethik- und Religionsunterricht“. Diese Aktuelle Stunde werde ich wie gewohnt unter dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Wenn das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden sollte, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Von den Senatsmitgliedern sind entschuldigt: Herr Senator Dr. Zöllner, der ab ca. 19.15 Uhr abwesend sein wird, um an der Sitzung des Wissenschaftsrates teilzunehmen. Senator Dr. Sarrazin wird ab ca. 15 Uhr anwesend sein, weil er bei der Sitzung zur Vorbereitung der Föderalismuskommission ist.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort zur ersten mündlichen Anfrage hat der Abgeordnete Sven Kohlmeier von der Fraktion der SPD zum Thema:

Zusätzliche Lehrerstellen für Mitte?

Bitte schön, Herr Kohlmeier, Sie haben das Wort!

Ich danke Ihnen! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Erkenntnisse gibt es über die Situation an den Schulen in Mitte nach dem zwischen Senator Prof. Dr. Zöllner und Schulleiterinnen und Schulleitern aus Mitte geführten Gespräch?

2. Trifft es zu, dass der Bezirk Mitte als Ergebnis des Gespräches zusätzliche Stellen zugesagt bekommen hat?

[Unruhe]

Danke schön, Herr Kohlmeier! – Meine Damen und Herren! Können Sie bitte einmal weniger Unruhe im Saal machen und Ihre Gespräche einstellen? Es ist hier schwer verständlich, was die Redner sagen. – Jetzt hat Herr Prof. Zöllner das Wort zur Beantwortung der Frage. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand des Briefes und damit des Gespräches der Schulleiterinnen und Schulleiter des Bezirks Mitte waren im Wesentlichen vier Problembereiche: zunächst die besondere Belastung dieses Bezirkes durch einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und aus sozial belasteten Bereichen; zum Zweiten die Tatsache, dass es Schwierigkeiten bei der Besetzung von Hausmeister- und Sekretärinnenstellen gibt; zum Dritten, dass offensichtlich bei der Umsetzung von Bauvorhaben innerhalb des Bezirkes im Wechselspiel zwischen Schule und entsprechenden Ämtern Schwierigkeiten auftreten und zum Vierten die Abstimmung insgesamt in dem Bezirk selbst.

Der erste Punkt ist ein Punkt, der ganz zentral auch die Verantwortung der Landesebene, das heißt des Senates, betrifft. Ergebnis des Gespräches ist, dass wir einen konstruktiven Austausch nicht nur von Meinungen gehabt haben, etwa über Maßnahmen, die vom Lande ergriffen worden sind oder die möglicherweise in der Zukunft ergriffen werden. Es ist bestätigt und klargestellt worden, dass das Land in den Prinzipien, nach denen es die Lehrerwochenstunden oder die Lehrerstellen an die Schulen zuweist, dem Grundpetitum der Schulleiterinnen und Schulleiter schon seit längerer Zeit gerecht wird. Das heißt – ein Beispiel aus dem Bereich der Grundschule –, dass aus einem Pool, dem sogenannten Strukturbestandteil der Lehrerwochenstundenzuweisung, die sich insgesamt in Berlin in einer Größenordnung von etwa 1 000 Stellen bewegt, allein 270 Stellen in den besonders belasteten Bezirk Mitte gehen.

Dieses Prinzip – und ich habe nur ein Beispiel dargestellt – erstreckt sich auch auf die Unterverteilung der entsprechenden Personalressourcen innerhalb der Schulen. Es ist so, dass zum Beispiel im Bezirk Mitte Schulen, die einen besonders hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten als Schülerinnen und Schüler haben, eine Schüler-LehrerRelation in der Größenordnung von 12 zu 1 haben, während andere Schulen, die eben nicht eine so große Belastung haben, eine Schüler-Lehrer-Relation in der Größenordnung von 18 oder 20 zu 1 haben, was eindeutig belegt, dass die besondere Belastung bei der Zuweisung von Personalressourcen berücksichtigt wird, was ein zentrales Petitum ist. Dieses wird letzten Endes durch die Tatsache verstärkt, dass es auch im Bereich der Integrationsstellen vorgenommen wird.