Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 43. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter recht herzlich.
Zu Beginn der Plenarsitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.
Im Alter von 84 Jahren starb am 2. März in Karlsruhe der frühere Berliner Abgeordnete, ehemalige Bundesinnenminister und langjährige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ernst Benda.
Ernst Benda war von 1954 bis 1957 Mitglied der CDUFraktion des Berliner Abgeordnetenhauses, bevor er in den Bundestag wechselte.
Ernst Benda wurde am 15. Januar 1925 als Sohn eines Ingenieurs in Berlin geboren. Nach dem Krieg studierte er erst an der Humboldt-Universität, dann an der neu gegründeten Freien Universität Jura. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern der Freien Universität.
1946 trat er in die CDU in Berlin ein und wurde noch vor Ende seines Studiums in die Spandauer Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Gleichzeitig führte er die Berliner Junge Union.
1957 wechselte Ernst Benda in den Deutschen Bundestag. 1965 trug er maßgeblich dazu bei, dass in Deutschland Mord vor dem Hintergrund der Nazi-Verbrechen nicht verjähren kann. Von April 1968 bis Oktober 1969 war Ernst Benda Bundesminister des Innern in der Großen Koalition. Die Notstandsgesetze waren im Wesentlichen sein Werk.
Im November 1971 wurde Ernst Benda zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes gewählt. In seine Amtszeit fallen das Urteil gegen die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch, die Ablehnung der Freilassung der RAF-Häftlinge im Zusammenhang mit der SchleyerEntführung und das Urteil zur Volkszählung, mit dem das Bundesverfassungsgericht den Grundstein für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland gelegt hat. Ohne Zweifel gehörte Ernst Benda zu den bedeutenden Juristen der Nachkriegszeit in Deutschland.
Ernst Benda blieb auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Ende 1983 weiterhin gesellschaftspolitisch aktiv. Er war von 1992 bis 2008 – das ist eine wirklich lange Zeit – Vorsitzender des Medienrates Berlin-Brandenburg, unumstritten und hoch geachtet.
Ernst Benda war ein nachdenklicher und kritischer Politiker und Richter, der mit hohem Verantwortungsbewusstsein und großer juristischer Kompetenz wegweisende Entscheidungen für unser Land getroffen hat.
In unserer Mitte hat heute Frau Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und gute Gesundheit, Frau Dr. Knake-Werner!
Frau Prof. Dr. Stefanie Schulze von der Linksfraktion hat ihr Mandat niedergelegt. Frau Minka Dott ist für sie nachgerückt. – Herzlich willkommen, Frau Dott! Wir kennen uns ja bereits aus dem Parlament; auf eine gute Zusammenarbeit! Wir freuen uns!
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Geschäftliches mitzuteilen. Zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/1928, ist die schriftliche Antwort des Senats, Drucksache 16/2156, zum Thema „Finanzpolitische, wirtschaftliche und soziale Fragen der internationalen Bankenkrise für Berlin“ eingegangen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt die Überweisung der Drucksachen 16/1928 und 16/2156 an den Hauptausschuss. Die Zustimmung des Senats hierzu habe ich eingeholt. – Vom Parlament höre ich auch keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/1929, ist ebenfalls die schriftliche Antwort des Senats, Drucksache 16/2187, zum Thema „Viel Geld im märkischen Sand, wenig Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln – wie zukunftsfähig ist die ÖPNVAnbindung von BBI?“ eingegangen.
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für alle durch den Berlin-Pass sichern“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Senat chaotisiert die Schulentwicklungsplanung: Strukturreform ohne Rechtsgrundlage, keine Gremienbeteiligungen, Gymnasien vor der Schließung“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Herr Zöllner: nach den Schulen jetzt die Kitas – Berlins Bildungssystem ruft nach Hilfe. Exzellenz muss in der Kita beginnen“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Ist Senator Körting ein Sicherheitsrisiko – wie kann der Verfassungsschutz sicher und effektiv arbeiten, wenn der zuständige Senator alles ausplaudert?“
Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich für die Regierungsfraktion Frau Kollegin Breitenbach von der Linksfraktion auf. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Zeiten der Wirtschaftskrise, in der auch die Arbeitslosigkeit immer größer wird und immer mehr Menschen von Armut bedroht sind, ist es in der Tat aktuell und wichtig, über das Thema der gesellschaftlichen Teilhabe zu reden. Das wollten wir heute eigentlich mit Ihnen tun, und zwar am Beispiel Berlin-Pass. Er ermöglicht vielen Menschen mit einem geringen Einkommen, die in dieser Stadt leben, den Zugang zu Freizeit- und Kultureinrichtungen, und er garantiert ihnen die Mobilität. Das alles sind zentrale Voraussetzungen für eine gesellschaftliche Teilhabe, die mit dem Berlin-Pass geschaffen werden konnten.
Als Koalition hätten wir uns heute auch gern mit Ihnen über Ihre Kritik verständigt, die Sie formuliert hatten, meine Damen und Herren von der Opposition, an dem angeblichen Chaos in den Bürgerämtern – von dem Herr Hoffmann sprach. Wir hätten auch gern von Ihnen gewusst, wie Sie eigentlich den Wunsch des RdB bewerten, der den Berlin-Pass über die Bürgerämter ausgeben wollte. Und wir hätten uns gern darüber verständigt, wie Sie es bewerten, dass ein gemeinsames Prozedere vereinbart wurde, in dem auch vereinbart wurde, dass die Bezirke zusätzliches Geld bekommen. In der Zwischenzeit, meine Damen und Herren von der Opposition, ist zumindest Frau Vogelsang von der CDU, Stadträtin aus Neukölln, verstummt. Möglicherweise hat sie andere Probleme.
Und die Senatorin hat darüber berichtet, dass nach einem Gespräch mit den zuständigen Bezirksstadträtinnen und -räten zumindest die Stadträtinnen und -räte, die von einem Engpass berichten konnten – denn das war nicht in allen Bürgerämtern der Fall – zugesagt haben, dass sich die Situation auch dort entspannen wird. Dies ist jetzt eingetreten.
Wir möchten auch gern in Zukunft mit Ihnen über gesellschaftliche Teilhabe reden, und ich denke, das werden wir auch tun, aber an einem anderen Punkt. Vor dem Hintergrund, dass sich die Situation mit dem Berlin-Pass entspannt hat, verschieben wir dieses Thema und haben uns als Koalition entschlossen, dem Antrag der FDP zuzustimmen. – Vielen Dank!
Danke, Frau Kollegin Breitenbach! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Steuer das Wort. – Bitte schön, Herr Steuer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gesamte Stadt diskutiert in diesen Wochen über die beste Verwendung der Mittel aus dem Konjunkturpaket. 900 Millionen Euro beträgt der Sanierungsstau an den Berliner Schulen mittlerweile, und er hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Doch statt darauf zu reagieren, hat der Senat das Schulsanierungsprogramm um 10 Millionen Euro gekürzt. Vielerorts regnet es durch, zieht es durch die Fenster, die Fliesen fallen von der Wand, die Tafel quietscht, es fehlt an Lernmaterial. Das ist die Bilanz von dreizehn Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik.
Jetzt bekommen wir die Chance – und deshalb wollen wir heute darüber reden –, 200 Millionen Euro oder mehr für die Sanierung der Schulen in Berlin auszugeben und damit rund ein Drittel des Sanierungsstaus abzubauen.
Doch Sie entscheiden sich dafür, meine Damen und Herren von der Koalition, mit den Mitteln in erster Linie eine unausgegorene, nur in Umrissen erkennbare und durch kein Gremium legitimierte Schulstrukturreform durchzuführen – quasi durch die Hintertür.
Die Bezirke wissen überhaupt nicht, wie viele Schüler nach der Strukturreform auf welche Schulen gehen werden. Sie sollen jetzt innerhalb von 14 Tagen ihre Planungsunterlagen einreichen und den Bedarf anmelden, und quasi im Blindflug sollen die Mittel so möglichst schnell ausgegeben werden. Ihre Politik ist in diesem Fall unverantwortlich, nicht legitimiert und gefährlich, weil Sie riskieren, dass nicht alle Mittel aus dem Konjunkturpaket rechtzeitig ausgegeben werden können. Wir müssen heute darüber reden, dass keine Mittel verfallen und dass dieser Blindflug schnell beendet wird.
Es wäre fahrlässig, wenn wir heute nicht darüber sprechen würden und Sie einfach weitermachen ließen, Ihre Pläne umzusetzen und die Stadt weiter zu chaotisieren. Wir können das nicht zulassen! Konkretisieren Sie Ihre Strukturpläne schnell, legen Sie sie dem Parlament vor und warten Sie den Beschluss des Abgeordnetenhauses zunächst ab! Erst dann können die Dinge umgesetzt werden und nicht vorher und nicht über die Hintertür der Bezirke.
Es kann doch nicht sein, dass Sie kleine Schulen schließen wollen, um anderswo Klassenräume anzubauen und dafür die Konjunkturpaketmittel zu verwenden.
So lange in dieser Stadt in den Schulen noch irgendwo der Putz von den Wänden fällt und es durch die Fenster zieht, so lange können nicht Klassenräume an anderer Stelle angebaut und die Mittel verschwendet werden.
Ihre Politik geht in die völlig falsche Richtung. Um zu einer Sekundarschule zu kommen, ist es auch richtig, kleine, pädagogisch gut organisierte, übersichtliche Schulen zu erhalten. Es ist Unsinn, kleine Schulstandorte zu schließen. Nein, es geht auch anders! Die Schulen können miteinander kooperieren, auch unter dem Dach einer Sekundarschule. Es ist doch schizophren, dass die CarlFriedrich-Zelter-Schule in diesen Tagen den Preis des Bundespräsidenten als beste Schule bekommt, die es gibt, und sie gleichzeitig geschlossen werden soll. Das ist schizophrene Bildungspolitik.
Offensichtlich hat der Bildungssenator dies erkannt und in letzter Minute seine Teilnahme an der Preisverleihung an der Schule abgesagt. Aber wo leben wir eigentlich, dass die engagiertesten und besten Schulen geschlossen werden sollen und Sie gleichzeitig Konjunkturpaketmittel nehmen und anderswo Klassenräume neu bauen! Das ist Bildungspolitik vom grünen Tisch ohne Sinn und Verstand, und deshalb wollen wir heute darüber sprechen, wie wir diesen Unsinn stoppen und die Konjunkturpaketmittel verantwortungsvoll in erster Linie für Schulsanierungen ausgeben können. – Danke sehr!