Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Steuer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Jantzen das Wort. – Bitte schön, Frau Jantzen!

Meine Damen und Herren! Wir möchten heute mit Ihnen darüber reden, dass nach den Schulen jetzt die Kitas Alarm schlagen: „Berlins Bildungssystem ruft nach Hilfe – Exzellenz muss in der Kita beginnen“. Wir haben dieses Thema angemeldet, weil in der letzten Woche nun auch die Kitaleiterinnen und -leiter sowie die Erzieherinnen und Erzieher sogenannte Brandbriefe an den Bildungssenator geschrieben haben. Das Fundament für eine gute Bildung und für Bildungschancen wird in der Kita gelegt, und es ist allen bereits seit Langem klar, dass mit der aktuellen Personalausstattung der Bildungsauftrag in den Kindertagesstätten und die hohen Qualitätsstandards nicht erfüllt werden können. So beschreiben es auch die Erzieher/-innen und Leiter/-innen in ihren Briefen an den Senator.

Offenbar wissen sich die Beschäftigten im Berliner Bildungssystem nicht anders zu helfen, als mit sogenannten Brandbriefen um Hilfe zu rufen – wie aktuell nun auch die Grundschullehrerinnen und -lehrer in den sogenannten

Brennpunktbezirken. Die offene Auseinandersetzung mit den Erziehern/-innen und Leitern/-innen scheute der Senator Zöllner. Heute ist er leider auch nicht zugegen. Bei der Veranstaltung des Kitabündnisses am Mittwoch war er auch nur mit einem Grußwort vertreten und hat damit die 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer doch sehr enttäuscht. Es wäre dringend nötig, dass der Senator sich den Nöten der Erzieher/-innen, Leiter/-innen und Kitafachberater/-innen stellt und sich vielleicht auch einmal wissenschaftliche Erkenntnisse anhört.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Den Ernst der Lage hat er nämlich offenbar noch nicht begriffen. Bildungsprogramm, Sprachlerntagebuch, verstärkte Zusammenarbeit mit Eltern, Dokumentation, Fortbildung und Evaluation – die Anforderungen an die pädagogische Arbeit in den Kitas sind enorm gestiegen, und die Erzieher/-innen geben wirklich ihr Bestes, nämlich auch ihre Gesundheit, um mit einem Personalschlüssel von vorgestern den Anforderungen von heute gerecht zu werden.

[Beifall bei den Grünen]

Ein permanent schlechtes Gewissen, die Kinder nicht genug zu fördern, sowie Vor- und Nachbereitung in der Freizeit statt in der Arbeitszeit, das macht krank. Aktuell und dringlich ist unser Thema auch deshalb, weil sich ein dramatischer Erzieherinnen- und Erziehermangel in dieser Stadt abzeichnet. Bereits jetzt finden Eltern für ihre Kinder keine Plätze, weil die Kitas zwar Räume haben, aber keine qualifizierten Erzieherinnen und Erzieher mehr finden. Ähnlich wie bei den Lehrerinnen und Lehrern werben andere Länder qualifizierte Kräfte ab, denn auch dort werden Krippenplätze und Ganztagsschulen ausgebaut. Rot-Rot ist also dringlich gefordert, die Situation in den Kitas zu verbessern und eine gute Bildung und Betreuung unserer Jüngsten in dieser Stadt zu sichern.

Die Kitas brauchen eine bessere Personalausstattung, das ist seit Jahren klar. Auch Senator Zöllner hat deutlich gemacht, dass er gemeinsam mit den Betroffenen jetzt für Verbesserungen streiten will. SPD und Linkspartei überbieten sich gerade mit Ankündigungen, was verbessert werden soll. Von 40 bis 71 Millionen Euro reicht die Spannweite der angekündigten Verbesserungen. Leider finden sich weder im Nachtragshaushalt, der gerade verhandelt wird, noch in dem aktuell den Verbänden zur Anhörung zugegangenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der beitragsfreien Förderung im Kindergarten und zur Änderung weiterer Vorschriften genaue Angaben, wie Sie diese Versprechen erfüllen wollen.

Die Betroffenen und auch wir sind es leid, mit schönen Worten hingehalten zu werden. Wir und sie wollen wissen, welche Verbesserungen wann in den Kitas ankommen, und deshalb wollen wir heute in der Aktuellen Stunde mit Ihnen darüber debattieren. Klare Zusagen sind längst überfällig.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Bereits im August 2008 – also fast vor einem Jahr – haben die Kitaträger dem Senat eine Studie vorgelegt, die ergeben hat, dass etwa ein Viertel der Arbeitszeit für sogenannte mittelbare pädagogische Arbeit und für Leitungsaufgaben notwendig ist. Das ist die Zeit, die dann, wenn die Erzieherinnen sie ernst nehmen, der Arbeit mit den Kindern und der individuellen Förderung der Kinder verlorengeht. Aus dieser Studie resultiert auch die Forderung des Kita-Bündnisses und des LEAK-Volksbegehrens nach mindestens fünf Stunden mehr für Vor- und Nachbereitung, Dokumentation, Elterngespräche und anderes.

Herr Zöllner und seine Verwaltung haben sich zu dieser Studie bis heute nicht geäußert. Das ist eigentlich schon ein Skandal, und deshalb haben wir volles Verständnis dafür, dass die Kitaträger die weiteren Gespräche über Qualitätsvereinbarungen erst einmal eingestellt haben. Denn wer Qualität verlangt, muss auch für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen. Nur mit einer kleineren Erzieherinnen- bzw. Erzieher-Kind-Relation kann die gewünschte bessere individuelle Förderung tatsächlich gelingen. Die Erzieherinnen bzw. Erzieher und die Kitaträger gehen seit Jahren in Vorleistung, gute Qualität zu bieten. Jetzt ist die Koalition am Zug, den vielen Lippenbekenntnissen zur Bedeutung der frühkindlichen Erziehung für die Chancengleichheit und den Bildungserfolg der Kinder müssen endlich Taten folgen. Exzellenz beginnt in der Kita. Meine Damen und Herren von der Koalition, verspielen Sie diese nicht!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Jetzt hat für die FDP-Fraktion der Kollege Kluckert das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion möchte mit Ihnen in der Aktuellen Stunde darüber sprechen, ob und inwiefern Innensenator Körting ein Sicherheitsrisiko für Berlin geworden ist. Herr Körting, war sich vor einer Woche nicht zu schade, in einer ganz weit links stehenden Zeitung – dem „Neuen Deutschland“ – über aktuelle Aspekte des Rechtsextremismus zu sprechen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Sie fragt ja keiner!]

Ob man das gerade in dieser Zeitung machen muss, ist eine Frage des persönlichen Stils und des Geschmacks. Herr Doering! Darüber wollen wir nicht mit Ihnen diskutieren.

[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Sie fragt ja keiner, das ist das Problem!]

Aber wenn der Innensenator in der Presse mitteilt, dass die Länder Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz unter ihren sozialdemokratischen Innenministern die V-Leute des Verfassungsschutzes aus den Führungsgremien der NPD abgezogen haben, dann muss sich das Abgeordnetenhaus mit diesem Vorfall und auch mit diesem Innensenator beschäftigen.

[Beifall bei der FDP]

Wir müssen uns mit diesem Vorfall beschäftigen, weil es gefährlich und dumm ist, wenn ein Innensenator öffentlich mitteilt, wie die V-Mann-Strategie des Berliner Verfassungsschutzes hinsichtlich namentlich benannter, konkret benannter Verfassungsfeinde aussieht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und wir müssen uns mit diesem Vorfall beschäftigen, weil es niederträchtig und boshaft ist, wenn ein Berliner Innensenator die Staatsgeheimnisse anderer Bundesländer im „Neuen Deutschland“ ausplaudert.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Anja Hertel (SPD): Ein bisschen tiefer!]

Wer kann mit einem solchen Innensenator noch vertrauensvoll zusammenarbeiten?

[Ralf Hillenberg (SPD): Ich! – Weitere Zurufe von der SPD: Wir!]

Damit bin ich bei meinem ersten Punkt: Wir wollen mit Ihnen in der Aktuellen Stunde darüber debattieren, was es für Berlin bedeutet, dass der Berliner Innensenator nicht mehr das Vertrauen seiner Kollegen im Bund und in den Ländern genießt.

[Anja Hertel (SPD): Woher wollen Sie das wissen?]

Was bedeutet es für Berlin, wenn der sozialdemokratische Innenminister Schleswig-Holsteins sagt, einen derartigen Vertrauensbruch wie den von Senator Körting habe er noch nicht erlebt? Wir wollen von Ihnen eine Antwort auf die Frage, ob für die Berlinerinnen und Berliner nun auch eine erhöhte Gefährdung der Sicherheit droht, denn der Bund und die anderen Länder werden es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sicherheitsrelevante Informationen mit Berlin austauschen werden.

[Beifall bei der FDP]

Zum Zweiten möchte sich die FDP-Fraktion mit Ihnen darüber unterhalten, wie Sie es bewerten, dass der Innensenator Dienstgeheimnisse verraten hat. Diejenigen von uns, die in der G-10-Kommission tätig sind, wissen ganz genau, dass auch die Frage, welcher Extremist nicht vom Verfassungsschutz abgehört wird, strengster Geheimhaltung unterliegt. Wer solche Informationen in die Öffentlichkeit trägt, der macht sich strafbar. Nichts anderes kann für den Einsatz von V-Leuten gelten. Herr Körting kann nur froh darüber sein, dass seine sozialdemokratischen Innenminister-Kollegen zwar enttäuscht sind, aber nicht die erforderliche Ermächtigung für die Strafverfolgung

geben. Ansonsten wäre nämlich sein Ausfall ganz schnell ein Ermittlungsfall für die Staatsanwaltschaft.

[Beifall bei der FDP]

Schließlich müssen wir uns darüber unterhalten, was die ganze Angelegenheit besonders ärgerlich macht, nämlich das Motiv des Innensenators. Für parteipolitische Nummern Staatsgeheimnisse zu verraten und Vertrauen zu zerstören ist schäbig und kann von uns nicht akzeptiert werden. Deshalb sollten wir uns mit diesem Thema heute befassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über das Thema der Fraktion der FDP, da sich hierzu im Ältestenrat eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP, die SPD und die Linke. Das war die Mehrheit. Gegenstimmen? – Das sind die CDU und die Grünen. – Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Enthaltungen sehe ich keine. Die anderen beantragten Themen habe damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Dann möchte ich abwesende Senatsmitglieder entschuldigen. Herr Senator Dr. Zöllner ist ganztägig abwesend, weil er auf der Kultusministerkonferenz in Stralsund ist. Herr Senator Dr. Sarrazin wird ab ca. 15.45 Uhr abwesend sein, um die Föderalismuskommission II zu besuchen. Der Regierende Bürgermeister wird ab 15.45 Uhr abwesend und danach wieder bis ca. 20.00 Uhr anwesend sein, um zur Föderalismuskommission II sowie zur A-Länder-Vorbesprechung zu gehen. Zudem hat er gerade telefonisch mitteilen lassen, dass er noch bei der Eröffnung des Neuen Museums festgehalten wird, aber in ca. 10 bis 15 Minuten eintreffen wird.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Herr Kollege Sven Kohlmeier von der Fraktion der SPD hat das Wort zu seiner Mündlichen Anfrage über

Altersgerechte Unterbringung älterer Strafgefangener

Das fragt ein junger Abgeordneter. –

[Volker Ratzmann (Grüne): Zu Recht!]

Bitte schön, Herr Kohlmeier!

Ich danke Ihnen, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Beabsichtigt der Senat, besondere Abteilungen für ältere Strafgefangene einzurichten?

2. Wenn nein: Welche Alternativen sieht der Senat für eine altersgerechte Betreuung dieser Gefangenen?