Protocol of the Session on November 12, 2009

Login to download PDF

Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass es sich nicht um einen 08/15-Vorgang handelt, sondern um eine Massenimpfung, die es so noch nicht gegeben hat, die nicht mit der saisonalen Grippeimpfung vergleichbar ist und wo auch ein halbes Jahr Vorbereitungszeit nicht wirklich viel ist. Bei einem solch außergewöhnlichen Vorgang gibt es an unterschiedlichen Stellen auch Probleme und ungeklärte Fragen.

Auf der gestrigen Sitzung der Länderminister mit Bundesminister Rösler und den Vertretern des Herstellers

Senatorin Katrin Lompscher

GlaxoSmithKline wurde deutlich, dass insbesondere die Sicherung des Lieferumfangs und damit die Grundlage auch unserer Impfkampagne das größte Problem in den nächsten Wochen und Monaten sein wird und in vielen Bundesländern schon ist. Gerade deswegen erweist sich das Berliner Impfkonzept, das die Empfehlungen der ständigen Impfkommission zur Reihenfolge der zu Impfenden aufgegriffen hat, als der richtige Weg. Herr Minister Rösler hat dies auch gegenüber den Medien und der Bevölkerung entsprechend deutlich kommuniziert. Ich erwarte nach diesem Treffen, dass GlaxoSmithKline seine Zusagen einhält. Eine Garantie kann dafür allerdings niemand übernehmen.

Verabredet wurde auch, dass die Kommunikation des Bundes, der Länder und der Forschungsinstitute noch stärker aufeinander abgestimmt werden soll, um eine eindeutige Information der Bevölkerung sicherzustellen und der Verunsicherung wirksam zu begegnen. Das ist nämlich unsere politische Aufgabe. Es gibt immer wieder neue Entwicklungen, auf die wir reagieren müssen. Dazu gehört insbesondere die sprunghaft angestiegene Impfbereitschaft der Bevölkerung, nachdem es auch in Berlin bedauerlicherweise einen ersten Todesfall gegeben hat.

Abschließend ein paar grundsätzliche Bemerkungen: Wir erleben seit Monaten ein Auf und Ab der Medienberichterstattung. Es gab Schreckensmeldungen und Horrorszenarien nach Todesfällen in Mexiko und Aufregung um die vermeintlich zu geringen Vorräte an Tamiflu. Das haben die meisten wahrscheinlich schon vergessen. Wenige Wochen später, als deutlich wurde, dass die Erkrankungen milde verlaufen, wurde Gesundheitspolitikern und Forschern vorgeworfen, die Lage unnötig zu dramatisieren. Auf einmal wusste jede Zeitung und auch der aufgeklärte Parlamentarier, dass die gesamte Schweinegrippedebatte nur von kapitalhungrigen Pharmafirmen inszeniert ist, denen der Staat – dumm, wie er ist – natürlich die Milliarden in den gierigen Schlund wirft. Nun steigen die Fallzahlen wieder an und somit auch die Zahl der schwerwiegenderen Krankheitsverläufe und Todesfälle, was übrigens alle Experten und Gesundheitsbehörden vorausgesagt haben, und schon wird wieder die andere Schublade aufgezogen: Der Staat hat sich nicht vorbereitet. Die Grippe hat er unterschätzt. Es gibt viel zu wenig Impfstoff und so weiter und so fort.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass beides absurd ist: Es gibt weder einen Grund, dieses Virus zu unterschätzen, noch gibt es einen Grund für Hysterie.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir brauchen einen ernsthaften, aber unaufgeregten Umgang mit dem Virus, und dazu gehört in allererster Linie, dass einfachste Hygieneregeln befolgt werden wie z. B. das häufige und gründliche Händewaschen. Und der zweite wesentliche Präventionsschritt ist dann die Schutzimpfung. Hier muss jeder abwägen, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Jedes Arzneimittel hat vor der Einführung auf dem Markt Entwicklungen und Studien durchlaufen mit dem Ziel – und mit dem Ergebnis, wenn es zugelassen

ist –, schädliche Wirkungen zu erkennen und zu minimieren. Aber es bleibt immer ein Restrisiko. Insofern muss wirklich jeder nach der Beratung mit seinem Arzt selbst entscheiden, welches Risiko er für sich selbst als höher bewertet – das der Erkrankung oder das der Impfung.

Als Gesundheitssenatorin bin ich wie meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern auch auf die Aussagen und Empfehlungen der Bundesinstitute angewiesen – Robert-Koch-Institut, Paul-Ehrlich-Institut. Vor diesem Hintergrund erneuere ich meinen Aufruf, sich impfen zu lassen, und zwar in der empfohlenen Reihenfolge: Helfer zuerst, dann die chronisch Kranken, Kinder und Schwangere, und dann die allgemeine Bevölkerung. Ich werde gemeinsam mit Ärzten, Apothekern und den Gesundheitsbehörden weiter dafür arbeiten, dass dies in immer mehr Praxen möglich wird.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir können keinen Arzt zwingen, die Impfung anzubieten. Deshalb geht auch mein erneuter Appell an die Berliner Ärzteschaft, sich noch breiter an der Impfaktion zu beteiligen, ihren Patientinnen und Patienten den Schutz vor der Erkrankung in Form der Impfung anzubieten und damit auch ihre Kolleginnen und Kollegen, die sich bereits dazu bereit erklärt haben, zu entlasten. Denn je mehr Ärzte sich beteiligen, desto schneller kann sich ein Großteil der Bevölkerung impfen lassen.

Abschließend zitiere ich mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, den neuen FDP-Gesundheitsminister zum Anlauf der Massenimpfung, dem ich selbst als Linke-Senatorin einfach zustimmen kann:

[Mieke Senftleben (FDP): Hört, hört! – Björn Jotzo (FDP): Oh!]

Die größte Impfaktion Deutschlands hat erst vor zwei Wochen begonnen. Erst vor einem halben Jahr wurde der Erreger ausfindig gemacht. Insofern ist das eine Leistung.

Hören Sie also auf mit Ihrem Populismus! Tragen Sie nicht zur Verunsicherung der Bevölkerung bei! Wir stehen vor einer großen Herausforderung, und wir werden diese meistern. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für die zweite Rederunde hat sich niemand angemeldet. Es liegen keine Wortmeldungen vor, und die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

a) I. Lesung

Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin – Wahl des Präsidenten des Rechnungshofs

Antrag der CDU Drs 16/2731

Senatorin Katrin Lompscher

b) I. Lesung

Fachliche Eignung und parteiliche Unabhängigkeit bei der Nachbesetzung des Präsidenten des Rechnungshofes statt sozialdemokratische Versorgungspolitik

Antrag der FDP Drs 16/2737

Ich eröffne die I. Lesung. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU in Person von Herrn Goetze. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg: Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kolleginnen und Kollegen des Rechnungshofes auf der Arbeitsebene weiterhin unabhängig und objektiv eine gute Arbeit zum Wohle Berlins leisten werden. Das ist, glaube ich, unstreitig.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Präsident des Rechnungshofs allerdings hat hier eine Vorbildfunktion, denn er leitet und beaufsichtigt die Tätigkeit des Rechnungshofs. So steht es auch in der Ausschreibung. Daraus resultiert bisher eine Ernennung auf Lebenszeit. Die Unabhängigkeit des Amtes soll dadurch ausdrücklich gewährleistet werden. Wir fordern mit dem vorliegenden Antrag eine zehnjährige Frist mit der Option, dass eine Wiederwahl möglich ist und damit eine Stellung des Präsidenten in diesem Verfahren, das durch eine möglicherweise wiederholte Wahl im Abgeordnetenhaus gekennzeichnet ist.

Der Rechnungshof gilt als ein Instrument des Parlaments. Daher gibt es auch die Wahl im Abgeordnetenhaus. Es gibt allerdings kein Auswahlverfahren durch das Abgeordnetenhaus. Die Exekutive sucht sich denjenigen aus, der sie kontrollieren soll. Deswegen ist allergrößte Sensibilität erforderlich. Das Zustandekommen der jetzt vorliegenden Entscheidung ist für das Parlament völlig intransparent und hat daher auch den Anschein jeder parteipolitischen Besetzung zu vermeiden.

Die Anforderungen in der Ausschreibung fordern vom Präsidenten des Rechnungshofs Unabhängigkeit, hohe Kooperations- und Integrationsfähigkeit auch in Zusammenarbeit mit parlamentarischen Gremien und ein hohes Maß an Souveränität. Daraus ergeben sich für uns folgende Fragen: Gab es oder gibt es unter den Dutzenden von Bewerberinnen und Bewerbern keine geeignetere Kandidatin oder keinen geeigneteren Kandidaten aus den Rechnungshöfen der Länder oder des Bundes, aus den Bereichen der internen Revision oder führende Verwaltungsfachleute?

Frage: Hat es unter den Dutzenden von Bewerberinnen und Bewerbern niemand gegeben ist, der neutraler ist als

Frau Dunger-Löper? Frage: Warum musste eine Besetzung mit einer ausgewiesen parteiischen SPD-Politikerin vorgenommen werden, deren Hauptanliegen in der Zeit von Rot-Rot eine in der Natur der Sache liegende parteiische Amtsführung sowohl im Hauptausschuss des Parlaments wie auch als Staatssekretärin war?

[Beifall bei der CDU]

Frage: Hat nicht jedem Parlamentarier im Hauptausschuss zwingend auffallen müssen, dass die Vertretung des Stadtentwicklungshaushalts entweder von scheinbarer Unwissenheit geprägt war oder aber Merkmale des Verschleierns oder der Desinformation hatte? Ergebnis: Es gibt eine Fehlanzeige bei Unabhängigkeit, bei Kooperations- und Integrationsfähigkeit, bei der Zusammenarbeit mit den parlamentarischen Gremien. Es gibt auch eine Fehlanzeige bei hohem Maß an Souveränität. Diese Ausschreibungskriterien sind durch die Kandidatin alle nicht erfüllt.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Frau Dunger-Löper als Kandidatin ist kein Personalvorschlag, sondern eine Provokation für die CDU. Der Regierende Bürgermeister, der Senat und die Regierungsfraktionen tragen dafür die Verantwortung. Die politischen Folgen im Senat vorherzusehen war man oder wollte man nicht in der Lage sein. Offenbar waren alle Senatoren glücklich, dass sie sich nun bezüglich des Rechnungshofs keine Sorgen mehr machen müssen. Mit Frau Dunger-Löper knallhart auf Parteilinie getrimmt, werden auf die wichtigen politischen Fragen vom Rechnungshofpräsidenten künftig keinerlei Initiativen zu erwarten sein. Eine politische Auseinandersetzung über die Berichte der Rechnungshofpräsidentin wird es künftig wohl kaum mehr geben. Sie wird eher Politik durch die Berichte machen, die sie nicht veranlasst hat. Die strategische Sozialdemokratisierung unserer Stadt geht munter weiter. Klaus Wowereit hat sicherlich einkalkuliert, dass man nach der Entscheidung des Senats und im Umfeld dieser Plenarsitzung schlechte Presse bekommt, aber man angesichts der Tatsache, dass man bis zum Pensionsbeginn von Frau Dunger-Löper mit dem Rechnungshof keine Sorgen mehr hat, das sicherlich aushalten kann.

Dem Filzboden, auf dem diese Koalition agiert, ist ein weiteres Stück hinzugefügt worden.

[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das ist ziemlich unverschämt als Christdemokrat!]

Das Bild des Jammers, das die Kandidatin bei der Behandlung der Vergabe der öffentlichen Beleuchtung in Berlin abgegeben hat, ist noch jedem Hauptausschussmitglied in Erinnerung. Da spekuliert sie über die Verwaltungsgerichtsentscheidung, die just in diesem Moment gefällt wird, erwähnt aber diesen Vorgang mit keiner Silbe. Dieser Vorgang wird – wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Auffassung bleibt – letztlich dazu führen, dass wahrscheinlich in diesem Haus ein Untersuchungsausschuss zu diesem Thema etabliert werden muss. Wir können uns gar nicht richtig vorstellen, wie dies ablaufen

Präsident Walter Momper

soll, wenn dort der Rechnungshofpräsident nicht als Beisitzer und Zuhörer, sondern als Hauptzeuge geladen wird.

Erinnern wir uns, dass in der Vergangenheit im Hauptausschuss in vielerlei Hinsicht bei der Beleuchtung durch Frau Dunger-Löper vielfach mit Recht und Gesetz –

Ich muss Sie einmal unterbrechen. Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege Goetze?

sehr großzügig umgegangen wurde.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Unverschämtheit!]

Diese Kandidatin, der bisher die Einhaltung der Landeshaushaltsordnung so wenig bedeutet hat, soll nun Hüterin des Gesetzes werden. Über diesen Treppenwitz der Berliner Finanzgeschichte können wir nicht lachen. Wir fordern Sie auf, als Mehrheitsfraktion von diesem Wahlvorschlag Abstand zu nehmen. – Vielen Dank!