Protocol of the Session on October 7, 2010

Login to download PDF

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 71. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich. Besonders begrüße ich die jungen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. – Herzlich willkommen! Danke, dass Sie so viel Interesse an unserer Arbeit haben!

[Allgemeiner Beifall]

Dann kann ich gratulieren. Nach einer 20-jährigen Probezeit hat sich ein Mitglied unseres Hauses gestern getraut. Der Kollege Gernot Klemm von der Linksfraktion und sein Lebensgefährte haben geheiratet. Ich gratuliere ganz herzlich zur Verpartnerung. – Alles Gute! Viel Erfolg!

[Allgemeiner Beifall]

Endlich mal eine gute Nachricht!

[Heiterkeit]

Dann geht es weiter mit Geschäftlichem – Zurückziehen eines Antrags. Der Antrag der Fraktion der Grünen über „Lehrbeauftragte angemessen absichern – Qualität von Lehre stärken“ auf Drucksache 16/0556 wurde in der 13. Sitzung am 7. Juni 2010 an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung überwiesen und wird nunmehr zurückgezogen.

Dann gibt es eine Änderung der Federführung zu verkünden, und zwar: Der Antrag der Fraktion der Grünen über „Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes“ auf Drucksache 16/2428 wurde in der 48. Sitzung am 28. Mai 2009 federführend an den Ausschuss für Verfassung und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen. Dieser erhält nunmehr die Federführung und der Rechtsausschuss die Mitberatung. – Widerspruch höre ich nicht.

Dann komme ich zur heutigen Tagesordnung. Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Neues Ladenöffnungsgesetz schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Handel und Verbraucher“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Mobbing gegen nicht-islamische Schüler, Behinderungen des Unterrichts, islamisch-arabischer Gruppendruck – statt Gesetzeslyrik muss der Senat endlich die Integrationsprobleme lösen!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Sozialen Zusammenhalt stärken statt schwarz-gelber Trickserei bei Regelsätzen und rot-rotem Chaos um die Jobcenter“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Wann reagiert der Senat endlich auf die anhaltende Schlechtleistung der S-Bahn? Berlin braucht geregelten Wettbewerb und keine unfinanzierbaren Rekommunalisierungsfantasien im ÖPNV“.

Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Koalitionsfraktionen das Wort, nämlich dem Kollegen Stroedter von der SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Stroedter, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass ich die nächste gute Nachricht, die Sie eingefordert haben, Herr Präsident, jetzt bringen kann. SPD und Linke beantragen als Aktuelle Stunde „Neues Ladenöffnungsgesetz schafft Klarheit und Rechtssicherheit für Handel und Verbraucher“. Ich glaube, das ist eine Erfolgsstory.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir ziehen die richtigen Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und legen ein neues und gutes Ladenöffnungsgesetz vor, und das auch trotz aller Kritik, die es im Vorfeld gegeben hat, rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft, sodass auch dort sich niemand Sorgen machen muss.

Ich will einige Punkte nennen. Wir haben weiterhin zehn offene Sonntage. Auch da hat es manches Fragezeichen gegeben. Ich finde gut, dass wir das haben. Wir haben acht Sonntage, die durch die zuständige Senatsverwaltung festgelegt werden, und zwei Sonntage durch die Bezirksämter aufgrund besonderer Ereignisse wie Jubiläen, Straßenfeste und andere. Wir haben gesichert, dass zwei Sonntage im Advent geöffnet sein werden. Mit Sicherheit – ich greife da nicht voraus – wird der vierte Sonntag dabei sein. Das ist der Sonntag, den sich der Handel, aber auch zunehmend die Verbraucher wünschen, denn da wird am meisten eingekauft. Es wird letzten Endes immer später eingekauft.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Wir haben auch sichergestellt, Herr Kollege Dietmann, dass der Handel lange in Vorbereitung weiß, wann geöffnet ist. Wir werden ein halbes Jahr vorher die Daten festlegen, sodass es daher Planungssicherheit gibt.

Wir haben, was die Bahnhöfe betrifft, eine erweiterte Reisebedarfslösung gefunden, die dazu führt, dass auf allen Fernbahnhöfen, also Hauptbahnhof, Ostbahnhof, Südkreuz, Gesundbrunnen und Spandau sowie auf Bahnhöfen mit besonders langlaufenden Regionalzügen wie Zoo, Friedrichstraße, Alexanderplatz, Potsdamer Platz, Wannsee, Lichterfelde-Ost und Lichtenberg Waren des täglichen Verbrauchs, insbesondere Erzeugnisse für den allgemeinen Lebens- und Haushaltsbedarf, Reisegepäck, Reisetaschen, Fan- und Geschenkartikel sowie Sehhilfen angeboten werden,

[Zurufe von der CDU]

zu Deutsch, alles außer Schuhe und Kleidung. Ganz eindeutig. Wir hätten uns, ich sage das auch so deutlich, als SPD-Fraktion natürlich vorstellen können, dass man den Hauptbahnhof komplett geöffnet hätte.

[Beifall bei der CDU – Ah! von der CDU und der FDP]

Das wollen die Kollegen hören. – Aber man muss auf der anderen Seite sagen: Wir haben natürlich jetzt eine hohe Rechtssicherheit dadurch, dass wir alle Bahnhöfe gleichgestellt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Gelächter bei der CDU]

Der Antrag der CDU im Wirtschaftsausschuss hatte das Problem, dass es eine reine Lex Hauptbahnhof war, und alle anderen Bahnhöfe wären dann geschlossen gewesen. Das gehört auch zu der Debatte. Das wissen die Kollegen, was ich damit meine.

Wir haben weiterhin die Sonderregelung für den Flughafen Tegel. Auch das ist wichtig. Was mir besonders wichtig ist, ist, gerade in Zeiten, wie wir sie im Augenblick in der Debatte haben, wenn man sich Stuttgart anschaut, was sich da abspielt, dass wir einen Konsens haben.

[Gelächter von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Wir haben hohe Unterstützung bekommen und Zusammenarbeit bei der Erstellung des Gesetzes sowohl durch die IHK, durch den Einzelhandelsverband, durch die Kirchen als auch durch Verdi. Es ist eigentlich kaum noch vorstellbar, dass man das überhaupt hinbekommt, dass alle mitziehen. Und wenn man das Echo jetzt sieht, dass alle Verbände und Organisationen sich dahinterstellen, dass wir ein positives Medienecho haben, dann können wir das sehr gut nicht nur verkaufen, sondern das zeigt, das ein Konsens in unserer Gesellschaft möglich ist. Ich möchte mich ausdrücklich bei den einzelnen Organisationen und Verbänden bedanken, dass sie gemeinsam an diesem Gesetz mitgewirkt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir glauben, dass letzten Endes alle Beteiligten – Handel, Angestellte und Kunden – zufrieden sein können. Wir haben ein gutes Ladenöffnungsgesetz. Ich gestatte mir zu sagen: Auch dieses Gesetz ist wieder ein Beweis für die Handlungsfähigkeit dieser Koalition. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Gelächter bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Stroedter! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Henkel, der Fraktionsvorsitzende, das Wort! – Bitte schön, Herr Henkel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ARD hat vor einigen Wochen einen bemerkenswerten Film mit

dem Titel „Kampf im Klassenzimmer“ ausgestrahlt, der auf sehr aufwühlende Weise zeigt, welch Martyrium deutsche Schüler häufig durchmachen – genau dort, wo sie in der Minderheit sind. Es geht um Kinder und Jugendliche, die vor allem in Brennpunktschulen mit hohem Migrantenanteil schlimme Erfahrungen machen, die Mobbing, deutschfeindlichen Sprüchen und Gewalt ausgesetzt sind. Dabei spielt nicht nur die Nationalität eine Rolle, häufig wird eine Konfliktlinie zwischen Muslimen auf der einen Seite und Nichtmuslimen auf der anderen Seite aufgemacht. Über dieses Phänomen, das gerade an Berliner Schulen nicht zu leugnen ist,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

wollen meine Fraktion und ich in der Aktuellen Stunde diskutieren, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Fehlentwicklungen nicht verschwiegen werden dürfen, sondern dass diese Debatte ins Parlament gehört.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die leider viel zu früh verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig hat in ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ einiges von dem niedergeschrieben,

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

was ihr Direktoren insbesondere aus Neukölln über den Alltag an ihren Schulen berichtet haben. Sie schreibt:

So heißt es unter den Schülern, Deutsche seien schwul, man brauche die Deutschen nicht, Araber und Türken seien sowieso bald in der Mehrheit, und dann werde ohnehin alles anders.

Diese Hasstiraden, die verbalen Einschüchterungen deutscher Kinder erfüllen uns als Union mit großer Sorge.

[Beifall bei der CDU]

Es muss doch aufrütteln, wenn Berliner Hauptschullehrer in einem Interview erklären, dass deutsche Schüler von ihren ausländischen Klassenkameraden systematisch als Hunde bezeichnet würden, dass muslimische Schüler sich weigern würden, Töpfe zu benutzen, weil darin Schweinefleisch gekocht worden sein könnte. Angesichts dessen frage ich mich: Wenn das keine Parallelgesellschaften sind, was dann?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn das Deutsche an manchen Schulen keinen Platz mehr hat, wenn Deutschsein gar zum Makel wird, dann muss auch der Letzte begreifen, dass in unserer Stadt etwas gewaltig schiefläuft.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir als Union sind jedenfalls nicht bereit, stillschweigend einer Entwicklung zuzusehen, bei der deutsche Schüler wegen ihrer Herkunft unterdrückt, beschimpft oder geschlagen werden. Wer diese Intoleranz hinnimmt, der wacht eines Tages in einer Gesellschaft auf, die er nicht wiedererkennt, und das wollen wir nicht. Deshalb begrüße ich es sehr, dass einige Direktoren und Lehrer endlich mehr Druck ausüben und nicht mehr bereit sind, diese Missstände, die es gibt, unter der Decke zu halten.