Wann genau haben Sie eigentlich erfahren, dass die S-Bahn mal wieder fast komplett versagen würde, und was haben Sie unternommen? – Offensichtlich haben Sie gar nichts unternommen, sonst wäre ja etwas passiert, Herr Wowereit!
Sie haben die Verkehrssenatorin allein gelassen, die zu all den Fragen Rede und Antwort stehen musste.
Auch in diesem Winter war nichts davon zu merken, dass die Lösung der S-Bahnkrise zur Chefsache ausgerufen worden ist. Hören Sie endlich auf, die S-Bahnkrise auszusitzen, Herr Wowereit, Berlin braucht einen Krisenmanager, keinen Aussitzer!
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist immer die gleich Sprechblase!]
In der Analyse sind wir uns alle einig: Was wir hier erleben, sind die Folgen der gescheiterten Unternehmenspolitik eines Herrn Mehdorn, die Bahn zu einem weltweit agierenden Logistikkonzern zu machen.
Dabei wurde das Brot- und Buttergeschäft, die heimische Bahn, an den Rand gedrängt – unsere S-Bahn sollte noch mehr Gewinn für diesen Expansionskurs abliefern. Mit diesem Expansionskurs der Bahn wurde sie über Jahre von sozialdemokratischen Verkehrsministern von Klimt über Bodewig bis Tiefensee – erinnert sich überhaupt noch irgendjemand an die? – mit ihrem Bahnmanager Mehdorn heruntergewirtschaftet.
Auch wenn der Börsengang inzwischen auf Eis liegt, der Expansionskurs wird weitergetrieben, und die Leidtragenden sind nicht nur die Fahrgäste,
Keine Frage, die Bahn und ihre Unternehmenspolitik tragen die Hauptverantwortung für dieses Desaster der Berliner S-Bahn. Man muss aber feststellen – Herr Henkel hat es auch schon angesprochen –, dass nur in Berlin ein solch dramatisches Versagen vorliegt. In München und Hamburg fährt die S-Bahn nahezu geräuschlos, und im Fernverkehr hat sich nach einigen Tagen die Lage schnell wieder entspannt. Nur wir in Berlin müssen seit zwei Jahren den Ausnahmezustand ertragen. Herr Grube hat die Katze aus dem Sack gelassen: Eine Besserung ist auf lange Zeit nicht in Sicht für die Stadt.
Warum funktioniert die S-Bahn in anderen Städten, nur in Berlin nicht? Diese Frage muss man sich schon stellen, Herr Gaebler. – Die Antwort lautet, weil der rot-rote Berliner Senat sich seit Jahren von der Bahn an der Nase herumführen lässt.
Sie haben 2002 den S-Bahnvertrag in vollem Wissen um die renditeorientierte Unternehmenspolitik, die Sie selbst jetzt am lautesten kritisieren, unterschrieben. Warum wird dieser Vertrag der Öffentlichkeit eigentlich vorenthalten? Das könnte man ja auch fragen, wo wir doch inzwischen Verträge en masse veröffentlichen. –Vermutlich weil Sie sich dafür schämen, was Sie damals unterschrieben haben.
Sie wussten damals bereits, dass das Werkstattpersonal drastisch abgebaut werden sollte, und trotzdem wurde die Wartungsfrage in dem Vertrag nicht geregelt – entgegen unserer Forderung. Es gab auch offensichtlich keine Sorge bei Ihnen, dass die Wartungen nicht mehr funktionieren würden. Frau Junge-Reyer! Warum haben Sie da eigentlich nicht nachgehakt?
Im Jahr 2008 haben Sie die Chance vertan, eine Strecke auszuschreiben und damit der Bahn mittels Konkurrenz etwas abzuverlangen.
Weil man sich von der Bahn mal wieder etwas versprechen ließ, nämlich die bessere Anbindung des Flughafens Schönefeld, die Geschichte kennen wir ja. Es war ein klassischer Kuhhandel: Der Wettbewerb wird von der Bahn ferngehalten, dafür sollte es eine gute Anbindung des Flughafens Schönefeld geben. Auch hier hat man sich über den Tisch ziehen lassen, weil die bessere Anbindung des Flughafens mittels S-Bahn so bald nicht kommen wird. Das ist Glaube und Hoffnung – so verfahren Sie als Senat in Sachen S-Bahn!
Herr Wowereit! Ich kann es Ihnen nicht ersparen, die Chronologie Ihrer leeren Worte sieht folgendermaßen aus: Am 13. Juli 2009 verkündete die Landespressestelle: „Grube und Wowereit sehen einen Neuanfang.“ – Am
11. September 2009 – wieder ist etwas bei der S-Bahn schiefgegangen, Zitat Wowereit aus der „Berliner Zeitung“: „Jetzt die letzte Chance für die S-Bahn!“ – Am 13. Januar 2010 in der „Bild“-Zeitung, Zitat des Regierenden Bürgermeisters: „Wir können uns nicht mehr mit unverbindlichen Erklärungen vertrösten lassen!“ – Via „Tagesspiegel“ wurde verkündet: „S-Bahnchaos wird jetzt Chefsache!“ – Am 13. Januar 2010! Dann ist ein Jahr lang nichts mehr passiert. Man hörte nichts mehr von der Chefsache.
Anfang dieses Jahres – da tauchte die Chefsache als Problem wieder auf. Die „dapd“-Meldung vom 7. Januar 2011 lautete, Zitat Wowereit: „Daher müssen wir darauf vertrauen, dass die S-Bahn ihre Probleme endlich in den Griff bekommt.“ – Das ist die ewige alte Leier, das ist eine Chronologie der leeren Worte, passiert ist bis heute gar nichts.
Das Prinzip Hoffnung hilft den Berlinerinnen und Berlinern herzlich wenig, wenn die S-Bahn nicht fährt. Sie wird auf lange Sicht – da hat sich Herr Grube ja endlich mal ehrlich gemacht – keinen vernünftigen Betrieb in der Stadt organisieren können.
Schaut man sich die aktuellen Meldungen an, dass die Bahn Milliarden Euro in neue Züge investieren will, kommt Berlin und die Anschaffung neuer S-Bahnzüge mal wieder nicht vor. Wieder einmal konnten weder Frau Junge-Reyer noch der Regierende Bürgermeister bei der Bahn etwas für die Stadt erreichen. Die Bahn investiert Milliarden, Berlin bekommt davon nichts ab, weil der Senat sich nicht durchsetzen kann – traurig ist das!
Da ist es auch kein Wunder, dass über 80 Prozent der Berlinerinnen und Berliner mit Ihrem Umgang mit der S-Bahnkrise hoch unzufrieden sind. Frau Junge-Reyer! Man hat ja Mitleid, Sie agieren hilflos, Ultimaten werden gestellt ohne Ende, und ja, Sie haben auch die richtige Idee für die Zukunft der S-Bahn, Sie wollen sich nicht länger auf Gedeih und Verderb der Bahn ausliefern. Sie wollen einen neuen Betreiber suchen, aber auch da verweigert Ihnen die Koalition, gar die eigene Fraktion, die Gefolgschaft. Frau Junge-Reyer! So werden Sie die S-Bahnkrise nicht lösen können, eigentlich müssten Sie Platz für jemand Neues machen, der vielleicht bessere, mehrheitsfähigere Ideen in der eigenen Koalition hat. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie das alles bis zur nächsten Wahl aussitzen! Die Berlinerinnen und Berliner erwarten, dass der Senat endlich die Zügel in die Hand nimmt und keine konsequenzlosen Ultimaten mehr stellt.
Auch wenn die S-Bahn davon nicht besser fährt, ich habe es schon gesagt: Wir brauchen Entschädigungen für die Kunden, weil das der Anstand einfach gebietet. Man fragt
sich schon, warum Sie sich nicht mit anderen Anbietern treffen, die sitzen doch hier in der Stadt, damit wenigstens diese Nothilfe leisten können. Viel zu lange haben Sie sich von Rot-Rot auf die Bahn verlassen, und wir sind allesamt verlassen, nicht einmal ein ordentlicher Ersatzverkehr ist organisiert worden, als die Bezirke abgehängt worden sind. Das kann es ja nicht sein, andere Anbieter müssen da angesprochen werden!
Sie behalten Geld ein aus dem S-Bahnvertrag – kaufen Sie bei anderen Anbietern Leistungen ein, oder was passiert mit dem Geld? – Das sind immerhin Millionenbeträge, die für den öffentlichen Nahverkehr vorgesehen sind und diesem auch zugute kommen sollen, auch wenn die S-Bahn den nicht organisieren kann.
Berlin muss in Zukunft die Verantwortung für den Fuhrpark und die Züge übernehmen, wir müssen heraus aus der Abhängigkeit von der Bahn. Deswegen muss die Anschaffung neuer Züge und die Ausschreibung der Leistungen vorbereitet werden. Wir dürfen uns nicht länger von der Bahn erpressen lassen, Herr Henkel, Frau JungeReyer! Sie hat in den letzten zwei Jahren zur Genüge gezeigt, dass sie kein Interesse an einem zuverlässigen S-Bahnbetrieb in Berlin hat, weder heute noch in Zukunft. Dazu können wir nur sagen: Wer uns Berliner nicht will, der hat uns auch nicht verdient!
[Zuruf von der SPD – Joachim Esser (Grüne): Müsst ihr gerade sagen, die ihr überhaupt keine Politik macht!]