Protocol of the Session on January 13, 2011

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Ich will auch die schwarz-grüne Annäherung nicht stören, aber ich würde trotzdem gerne ein paar sachliche Töne zur S-Bahn bringen.

Liebe Frau Pop! Gerade Ihren Schlusssatz habe ich nicht verstanden. Ich bin Berliner, ich möchte auch gerne hier bleiben und weiterhin mit der S-Bahn fahren. Wen Sie gemeint haben, ist mir völlig schleierhaft. Auch der Regierende Bürgermeister ist Berliner und kümmert sich um

diese Sache vor Ort, deshalb bleiben Sie da, wie auch bei vielem anderen, im Ungewissen und im Vagen. Es ist bedauerlich, dass Frau Künast nicht selbst etwas dazu sagen konnte, vielleicht wäre das erhellender gewesen, aber darauf komme ich später noch zurück.

Wir haben schon mehrfach das Thema S-Bahn gehabt, es wird auch auf der politischen Tagesordnung bleiben – leider, weil wir natürlich viel lieber nicht mehr über die S-Bahn reden, sondern mit ihr fahren würden, das muss das Ziel sein. Die Erkenntnisse aus der Ausschusssitzung von Montag sind: Auch die Bahn hat kein kurzfristiges Lösungskonzept, gibt erstmalig zu, dass kurzfristig kein störungsfreier Betrieb erreicht werden kann. Damit ist alles Geschrei über die Verantwortung des Senats für mangelnden Druck auf die Bahn als hohle Effekthascherei entlarvt. Wenn hier etwas gescheitert ist, dann die brachiale Strategie einer vom Börsenwahn getriebenen Bahnspitze.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Hier wurden die politischen Vorgaben für eine effiziente Unternehmensführung bis hin zu einem rücksichtslosen Ausschlachten der S-Bahn Berlin pervertiert, um mit den so eingesparten Geldern zum Beispiel Logistikunternehmen in den USA einkaufen zu können. Das ist die Wahrheit über die Ursachen des S-Bahndebakels, und hier muss es ein Umdenken geben. Deshalb: Schluss mit den Börsenfantasien für die Bahn, Schluss mit dem Träumen vom Global Player Deutsche Bahn!

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Wir wollen, dass die Bahn zunächst einmal ihr Kerngeschäft in Ordnung bringt und hält, und das ist die Personenbeförderung im Fern- und Nahverkehr in Deutschland – nicht in Abu Dhabi, in Ungarn oder in Nordengland. Hier in Deutschland wollen wir einen pünktlichen und zuverlässigen Zugverkehr. Das ist der grundgesetzliche Auftrag der Deutschen Bahn, und der muss zu allererst erfüllt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die aktuelle Situation bei der S-Bahn hat sich stabilisiert. Dafür gilt unser Dank, übrigens auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich wirklich bis zur Erschöpfung vor Ort dafür einsetzen, dass mit dem, was vorhanden ist, irgendwie noch zu arbeiten und den Fahrgästen ein Service zu bieten ist. Wir danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der S-Bahn Berlin GmbH! Sie machen einen starken Job, werden von der Konzernspitze dabei aber nicht immer vorbehaltlos unterstützt. Deshalb Dank an sie von uns Abgeordneten und aus der Stadt heraus.

[Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der Linksfraktion]

Eine dauerhafte Sicherheit hinsichtlich der Einsatzstärke gibt es aber nicht. Daran ist nicht das Wetter schuld, sondern der ruinöse Sparkurs, durch den Werkstattkapazitäten, Personal und Know-how fehlen. Die Schuld nur bei

den Fahrzeugen zu suchen und sich in kleinteiligen technischen Details zu verlieren, wie es Herr Dr. Grube am Montag gemacht hat, greift zu kurz. Das belegt auch der Brief des ehemaligen S-Bahngeschäftsführers Constantin, der heute in den Medien behandelt wird. Hierzu ist festzustellen: Die Firma Bombardier hat ein Fahrzeug geliefert, wie es die Bahn bestellt hat. Das Lastenheft, quasi der Bestellzettel, ist von der Bahn bestätigt und vom Unternehmen abgearbeitet worden. Die Deutsche Bahn und das Eisenbahnbundesamt haben die Züge abgenommen und eine Betriebsgenehmigung erteilt. Sie sind jahrelang ohne Probleme mit hoher Verfügbarkeit gefahren.

Die ersten Probleme traten justament dann auf, als der im Auftrag der Herren Mehdorn und Homburg eingesetzte Sparkommissar und Technikgeschäftsführer Thon zwei Jahre im Amt war. Sein Programm und das von Herrn Homburg mit dem Namen „Optimierung S-Bahn Berlin“ – OSB – ist die Ursache. Massive Streichungen beim Werkstatt- und Betriebspersonal, Umstellung der Instandhaltung, nur noch Reaktion auf Störungen statt vorausschauender Wartung, Verlängerung der Wartungsintervalle, Abbau der Fahrzeugreserven, Verschrottung voll fahrtauglicher Fahrzeuge, immer weniger Verfügbarkeit, immer mehr Ausfälle, immer schlechterer Service waren die Folge. Das kann ein Herr Grube vielleicht nicht aus eigener Erfahrung wissen, und ein Herr Homburg wird es ihm nicht sagen, weil er das Ganze ja mit angezettelt hat. Warum sich Herr Dr. Grube allerdings weiter von SBahnbankrotteur Homburg die Sprechzettel schreiben lässt, das ist nicht zu verstehen.

Bahnvorstand Homburg ist seit zwei Jahren damit beschäftigt, die S-Bahnkrise zu beschönigen, die Aufklärung zu verschleppen und die Berlinerinnen und Berliner im Regen stehen zu lassen. Solange dieser Mann Verantwortung für die Berliner S-Bahn trägt, wird sich keine Besserung einstellen. Deswegen, Herr Dr. Grube: Ziehen Sie endlich die Konsequenzen aus dieser Leidensgeschichte! Schicken Sie Herrn Homburg in die Wüste, nach Katar zum Beispiel – das wäre ein echtes Signal des Aufbruchs für Berlin!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Grube! Ihr Auftritt im Verkehrsausschuss war der Offenbarungseid einer hilflosen Bahnführung. Dabei ist der Aufgabenzettel eigentlich recht übersichtlich:

Stellen Sie bei der S-Bahn dauerhaft mehr Werkstattpersonal ein! Das derzeitige Verfahren, im Störungsfall schnell bundesweit Mechaniker aus anderen Bahnwerkstätten nach Berlin zu karren, ist keine Lösung, die zur schnellen Schadensbeseitigung führt. Bauen Sie die Werkstätten aus! Die Wiedereröffnung in Friedrichsfelde kann nur ein erster Schritt sein.

Führen Sie wieder die vorausschauende Instandhaltung ein! Solange diese praktiziert wurde, gab es weder Winter- noch Sommerchaos. Sorgen Sie dafür, dass DB Netz alle Weichen im S-Bahnnetz betriebsfähig hält, mit leistungsfähigen Heizungen ausstattet und dass ausreichend

eigenes Personal zur Störungsbeseitigung vorhanden ist! Wenn bei einer Störung immer erst einmal eine Telefonkette bis zum fünften Subunternehmer ausgelöst werden muss, ist es kein Wunder, wenn die Beseitigung Wochen dauert.

Weisen Sie DB Station und Service an, endlich die Interessen der S-Bahnfahrgäste in den Mittelpunkt der Investitionsplanung zu stellen! Statten Sie alle Bahnhöfe mit den neuen Fahrzielanzeigen und Ansagemöglichkeiten aus, was Herr Thon übrigens schon für 2007 versprochen hatte! Und setzen Sie ausreichend Info- und Servicepersonal auf den Bahnhöfen ein!

Es wurde, auch vom Regierenden Bürgermeister, schon angesprochen: Sorgen Sie schnell für Klarheit hinsichtlich der weiteren Entschädigungsleistungen für die Fahrgäste! Ihre Ausflüchte, es gäbe noch Abstimmungsbedarf mit der BVG, sind mehr als lächerlich. Sorgen Sie auch für eine Entschädigung der Gewerbetreibenden, die auf den Bahnhöfen ohne Kunden dasitzen, aber weiter ihre Mieten an die Bahntöchter bezahlen müssen!

Legen Sie endlich einen Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen vor; legen Sie dar, wann und wo das von Ihnen zugesagte Geld investiert wird! Und schaffen Sie Klarheit über die angekündigte Beschaffung neuer SBahnfahrzeuge! Denn hier, und nur hier liegt der Schlüssel für die mittel- und langfristige Lösung der Probleme. Das Land Berlin wird die Beschaffung neuer Fahrzeuge in den Mittelpunkt stellen.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Wir dürfen deshalb auch keine Zeit mit Streitigkeiten über mögliche Betreiber vergeuden. Eine Ausschreibung zum jetzigen Zeitpunkt würde die Beschaffung von Fahrzeugen erheblich verzögern. Deshalb muss jetzt alle Kraft auf die schnelle Entwicklung und Bestellung der neuen Fahrzeuggeneration für die S-Bahn Berlin konzentriert werden. Hier müssen Bahn und Bund ihre Ankündigungen zur Beschaffung präzisieren, gegebenenfalls muss sich das Land selbst an der Beschaffung beteiligen, um Einfluss darauf und die anschließende Verfügbarkeit nehmen zu können. Aber zunächst sind Bund und Bahn in der Pflicht, ihren Worten auch konkrete Taten folgen zu lassen.

Die Senatorin wird nachher sicher auch auf die Initiative des Landes Berlin auf Bundesebene eingehen. Inzwischen haben auch andere Bundesländer erkannt, dass es sich nicht um ein hausgemachtes Berliner Problem handelt. Insofern müssen wir alle gemeinsam für eine Wiederbelebung der Gemeinwohlorientierung eintreten.

Wir stehen hier als SPD in besonderer Verantwortung. Die Berliner SPD hatte schon lange auf die Fehler der Bahnreform hingewiesen und die Börsenstrategie kritisiert. Dennoch haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten daran mitgewirkt. Jetzt arbeiten wir gemeinsam auf Bundes- und Landesebene daran, den entstandenen Schaden wieder in Ordnung zu bringen und für die

Zukunft Veränderungen der Bahnpolitik dauerhaft abzusichern. Hier stehen wir in der Verantwortung, und wir stellen uns ihr auch.

Ich muss aber auch darauf hinweisen, dass viele andere an dem großen Rad mitgedreht haben und deshalb auch mit in der Verantwortung standen, heute aber mit all dem nichts zu tun haben wollen. Ich fange einmal mit einem gewissen Albert Schmidt von den Grünen an. Er war jahrelang im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Er hat das alles passieren lassen und alles mitgemacht. Zu nennen ist auch die Kandidatin Nr. 1 der Grünen, Frau Renate Künast. Was hat sie eigentlich damals unternommen, um diesen Börsenwahn zu stoppen? Mit welchem Recht stellt sie sich jetzt hin, wirft Klaus Wowereit Versagen vor und sagt, sie würde alles ganz anders machen? Damals war sie in der Bundesregierung, und sie hat nichts, aber auch gar nichts getan, um die Entwicklung aufzuhalten, die zum S-Bahndebakel geführt hat.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Diese Bahnpolitik wurde von einer Bundesregierung verantwortet, der auch Frau Künast von 2001 bis 2005 als Ministerin angehörte. Das gehört zur Wahrheit dazu, liebe Grüne, und der sollten Sie sich auch einmal stellen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin EichstädtBohlig?

Bitte, Frau Eichstädt-Bohlig! – Getroffene Hunde bellen.

Bitte schön, Frau Eichstädt-Bohlig!

Herr Gaebler! Ist Ihnen bekannt, dass in der Zeit der rotgrünen Regierung zwar der Minister Stolpe und dann später unter der rot-schwarzen Regierung der Minister Tiefensee, beide SPD, sehr wohl und sehr intensiv die Privatisierung der Bahn vorangetrieben haben, dass aber die Parlamentarier aller Fraktionen – der Grünen, der Sozialdemokraten, der CDU, der FDP – gegen dieses Projekt waren? Ist Ihnen das bekannt?

Meine zweite Frage: Ist Ihnen bekannt, dass der Bundestagsabgeordnete Albert Schmidt sehr bewusst sein Aufsichtsratsmandat bei der Deutschen Bahn niedergelegt hat, weil er nicht bereit war, diese Strategie mitzutragen?

[Beifall bei den Grünen]

Bitte schön, Herr Kollege!

Liebe Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig! Ich habe ja gar nicht vom Parlament gesprochen, ich habe von der Bundesregierung gesprochen und von der Bundesministerin Künast. Die Bundesregierung hat damals mit SPD-, aber auch mit Grünen-Ministern, auch mit der Ministerin Künast, einen Kurs für die Bahn beschlossen und umgesetzt, der zu den heutigen Problemen geführt hat. Da können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem Sie auf den Bundestag verweisen. Sie waren dabei, Frau Künast vorneweg, und sie hat nichts dagegen unternommen. Das können wir hier festhalten, und das haben Sie auch nicht bestritten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Genau so ist es, Frau Eichstädt-Bohlig! Stellen Sie sich doch einmal Ihrer Verantwortung! Sie sind immer nie dabei gewesen. Sie wollen immer alles anders machen, aber Sie sind nie dabei gewesen, wenn Sie die Verantwortung hatten.

[Zurufe von den Grünen]

Insofern ist es doch hochgradig lächerlich, wenn sich jetzt Frau Künast hinstellt und sagt, sie würde als Senat etwas ganz anderes machen. Sie hat es damals in der Bundesregierung nicht gemacht und sie würde es auch im Senat nicht machen.

[Zurufe von den Grünen]

Deshalb hören Sie auf mit Ihrem Gerede,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

das ist alles nur Phrasendrescherei von Ihnen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Herr Kollege! Damit ist die Frage beantwortet, und Sie bekommen noch 30 Sekunden Redezeit hinzu.