Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.
Am 8. Februar 2011 ist der frühere Abgeordnete Hans Mertsch im Alter von 83 Jahren verstorben. Mit Hans Mertsch verliert Berlin einen engagierten Politiker, der jahrzehntelang in der Landes- und Kommunalpolitik unserer Stadt tätig war.
Hans Mertsch wurde am 15. April 1927 in Berlin geboren und ging nach der Oberschule in eine kaufmännische Lehre. Von 1944 bis 1945 musste er in der Wehrmacht dienen und geriet in Gefangenschaft. 1946 trat er eine Verwaltungslehre in Berlin an und studierte später berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule für Politik. Beruflich war er im Bezirksamt Wedding tätig und stieg zum stellvertretenden Verwaltungsleiter des städtischen Rudolf-Virchow-Krankenhauses auf.
Hans Mertsch war verheiratet und hatte zwei Kinder. 1946 trat er in den FDGB ein, war Mitbegründer der unabhängigen Gewerkschaftsorganisation – UGO – und später Mitglied der ÖTV sowie der Arbeiterwohlfahrt.
Seine politische Arbeit begann Hans Mertsch bei den Weddinger Falken, wo er nach der Wiederzulassung 1945 Kreisvorsitzender wurde. 1946 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Er diente seiner Partei lange Jahre unter anderem als Abteilungskassierer, Abteilungsvorsitzender, im Weddinger Kreisvorstand und arbeitete viele Jahre als Kreis- und Landesdelegierter.
Von 1971 bis 1985 gehörte Hans Mertsch als Mitglied der SPD-Fraktion dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Die Gesundheitspolitik war sein Feld. Er arbeitete als gesundheitspolitischer Sprecher im Ausschuss für Gesundheit und Umweltschutz, dessen Vorsitzender er jahrelang war. Außerdem war er Mitglied im Ausschuss für Familie, Jugend und Sport, wo er stellvertretender Vorsitzender war.
Er war einer der Ersten in der Berliner Gesundheitspolitik, der in den früheren Siebzigerjahren die furchtbaren epidemischen Folgen der Immunschwäche Aids erkannte, was damals nicht selbstverständlich war. Er setzte sich für Aufklärung und Prävention ein, weil das der einzige wirkliche Schutz vor der Infektion mit dem Virus war und immer noch ist.
Hans Mertsch war ein ruhiger und sachlicher Mensch. Laute Polemik lehnte er ab. Er arbeitete zielstrebig für die Verbesserung der Lebensumstände der Berlinerinnen und Berliner. Seinem Heimatbezirk Wedding, in dem sich auch sein Wahlkreis befand, blieb er sein Leben lang verbunden. Hans Mertsch und seine Arbeit waren über den Kreis der eigenen Fraktion und den Kolleginnen und Kollegen anerkannt und hoch geschätzt.
Wir nehmen Abschied von unserem ehemaligen Kollegen Hans Mertsch und gedenken seiner in Hochachtung.
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Volksentscheid zeigt: Transparenz und Rekommunalisierung sind der richtige Weg“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Keine Politik gegen die Bürger – Rot-Rot darf nach dem Volksentscheid nicht zur Tagesordnung übergehen!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Erfolgreicher Volksentscheid ist ein Misstrauensvotum gegen den rot-roten Senat“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-Rot muss Konsequenzen aus dem Misstrauensvotum ziehen – Schluss mit der Preistreiberei des Senats: Wasserpreise senken und transparente, wettbewerbsfähige Strukturen in der Wasserwirtschaft schaffen!“.
Die Fraktionen haben sich inzwischen einvernehmlich auf das folgende Thema verständigt: „Keine Politik gegen die Bürger – nach dem Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben nicht zur Tagesordnung übergehen“.
Somit rufe ich dieses von allen fünf Fraktionen beantragte Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf und verbinde zudem damit den Tagesordnungspunkt 41: Wasser ist für die Bürger da – Wasserpreise senken und wettbewerbsfähige Strukturen in der Wasserwirtschaft schaffen!, Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3862.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Für die heutige Sitzung liegt eine Entschuldigung für Frau Senatorin Bluhm vor, die bis ca. 20 Uhr abwesend sein
Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich Ihnen vorschlagen, die Fragen Nr. 1 und Nr. 4 zu verbinden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so. Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Lange von der SPD-Fraktion über das Thema
1. Wie bewertet der Senat den Beschluss der von der CDU dominierten BVV Reinickendorf, der den Zusammenschluss der Hanna-Höch-Grundschule und der Greenwich-Oberschule zur ersten Gemeinschaftsschule im Bezirk gegen den ausdrücklichen Willen von Eltern, Schülerinnen und Schülern und der Lehrkräfte sowie aller übrigen Fraktionen in der BVV Reinickendorf gestoppt hat?
2. Wie werden die Gemeinschaftsschulen in den übrigen Berliner Bezirken von Eltern, Schülerschaft und Lehrkräften angenommen, und welche Möglichkeiten sieht der Senat, auch in Reinickendorf eine Gemeinschaftsschule einzurichten?
Danke schön, Frau Kollegin Lange! – Es folgt Herr Kollege Zillich von der Linksfraktion mit einer Frage zum Thema
1. Wie bewertet der Senat, dass die Reinickendorfer CDU aus offensichtlich ideologisch begründeten Vorbehalten gegenüber reformpädagogischen Ansätzen die Gründung einer Gemeinschaftsschule verhindert und sich damit dem erklärten Willen der Eltern und Lehrern und Lehrerinnen der Greenwich-Oberschule und der Hannah-Höch-Schule, der bezirklichen Schul
gremien, des Schulausschusses der BVV und aller anderen in der BVV vertretenen Fraktionen widersetzt?
2. Was wird der Senat unternehmen, damit der Elternwille zur Gründung einer Gemeinschaftsschule auch in Reinickendorf respektiert wird und Reinickendorf nicht der einzige Bezirk in Berlin bleibt, in dem es kein Gemeinschaftsschulangebot gibt?
Danke schön, Herr Kollege Zillich! – Für den Senat antwortet der Bildungssenator Prof. Zöllner – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lange! Sehr geehrter Herr Zillich! Ihre beiden Fragen sind in der Zielrichtung praktisch identisch, sodass ich mir erlaube, sie zusammen zu beantworten.
Der ablehnende Beschluss der CDU-Mehrheit in der BVV Reinickendorf ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar und gegenüber den betroffenen Eltern und Schülerinnen und Schülern nicht zu verantworten.
Mein Haus hat den Antrag der beiden Schulen auf Zusammenlegung zu einer Gemeinschaftsschule ausdrücklich befürwortet und mehrfach, zuletzt im Bildungsausschuss am 20. Januar dieses Jahres, seine deutliche Unterstützung für das Gemeinschaftsschulprojekt in Reinickendorf zum Ausdruck gebracht. In einer für mich nicht nachvollziehbaren Weise ignoriert die Mehrheit der BVV den erklärten Willen von Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrerinnen und Lehrern. Die CDU ignoriert auch den einstimmigen Beschluss des Bezirksschulbeirates und sogar den Beschluss des Schulausschusses der BVV Reinickendorf, die Hannah-Höch-Grundschule und die Greenwich-Schule zur ersten Gemeinschaftsschule im Bezirk Reinickendorf zusammenzulegen. Hier wird deutlich, wie ernst man den Elternwillen in Wirklichkeit nimmt!
Zur zweiten Frage: Viele der derzeit 16 Gemeinschaftsschulen in den anderen Bezirken waren von Beginn an sehr gut nachgefragt. Hierzu zählen z. B. die WalterGropius-Schule in Neukölln, die Heinrich-von-StephanSchule in Mitte, die Reformschule Charlottenburg und die Anna-Seghers-Schule in Treptow-Köpenick. Die FritzKarsen-Schule in Neukölln hatte zuletzt doppelt so viele Anmeldungen wie Plätze, die Wilhelm-von-HumboldtGemeinschaftsschule in Pankow hatte sogar drei Mal so viele Anmeldungen wie Plätze. Auch an den anderen Gemeinschaftsschulen entwickeln sich die Anmeldezahlen positiv und steigen kontinuierlich an. Zunehmend melden auch Eltern ihre Kinder an Gemeinschaftsschulen an, wenn sie eine gymnasiale Bildungsgangempfehlung haben.
Meine formalen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Bezirk sind jedoch begrenzt. Nach § 17a Schulgesetz ist die Zustimmung der bezirklichen Schulbehörde für die Teilnahme an der Pilotphase Gemeinschaftsschule ausdrücklich vorgesehen. Diese Zustimmung kann von keiner anderen Stelle – damit auch nicht von mir – ersetzt werden. Ich kann nur an den Bezirk appellieren, eine pädagogisch sinnvolle und offensichtlich von allen Beteiligten gewollte Schulentwicklung nicht weiter zu behindern und endlich dem Antrag grünes Licht zu geben. Ich werde versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Danke schön, Herr Senator! – Frau Lange hat keine Nachfrage, so folgt die erste Nachfrage des Kollegen Zillich – bitte!
Vielen Dank! – Vielen Dank, Herr Senator, für die Antwort! Die politische Begründung für die Blockade der Reinickendorfer CDU ist ja eine, die sich weniger mit äußeren als mit inneren Schulangelegenheiten befasst – es geht um die Ablehnung integrativer Lernformen. Das ist aber der Weg, den wir auf Landesebene beschreiten wollen, um die Herausforderungen, die vor uns stehen, meistern zu können. Inwieweit wird der Senat – durch die Abwehr und Blockade solcher Methoden – in seiner Kompetenz für innere Schulangelegenheiten untergraben und müsste dem entgegentreten?