Protocol of the Session on March 8, 2007

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Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 8. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich.]

Ich möchte mit Ihnen unseres Ehrenbürgers Prof. Dr. Heinz Berggruen gedenken, der am 23. Februar 2007 im Alter von 93 Jahren verstorben ist.

Am 2. März haben die Familie, die Repräsentanten des Staates und der gesellschaftlichen Gruppen und mit ihnen die Berlinerinnen und Berliner von Heinz Berggruen Abschied genommen.

Mit Prof. Dr. Heinz Berggruen verlieren Berlin und Deutschland nicht nur einen bedeutenden Kunstkenner, Sammler und Mäzen, sondern auch einen herausragenden Sohn unserer Stadt.

1996 kehrte Heinz Berggruen in seine Heimatstadt Berlin zurück, 60 Jahre nachdem ihn das nationalsozialistische Deutschland in die Emigration vertrieben hatte. Seine wertvolle und umfangreiche Sammlung von Werken der Klassischen Moderne wurde in Berlin ausgestellt. Schließlich überließ Heinz Berggruen diese Sammlung der Stadt Berlin. Mit dieser großherzigen Geste wollte er einen Beitrag zur Versöhnung leisten und seine Liebe zu Berlin zum Ausdruck bringen. Berlin und seine Menschen erwiderten diese Liebe gerne und verliehen ihm im Jahre 2004 die Würde eines Ehrenbürgers von Berlin.

In seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde am 10. Juni 2004 sagte Heinz Berggruen:

Als ich mich vor acht Jahren, mit meinen geliebten Bildern im Gepäck, zur Rückkehr in Deutschlands Hauptstadt entschlossen hatte, war mir stets bewusst, dass nur wenige Meter von der Villa Max Liebermann am Wannsee die teuflische, die verbrecherische Strategie des Holocaust entworfen wurde.

Ich habe aber auch gewusst, dass es in den Jahren der Hitlerdiktatur viele Berliner gegeben hat, die unter stetiger Lebensgefahr Mitbürger jüdischen Glaubens versteckt und sie damit gerettet haben. Diese Tatsache und der Umstand, dass ich bei meiner Rückkehr aufrichtigen Demokraten humanistischer Gesinnung begegnet bin, haben mich keinen Augenblick an der Richtigkeit meiner Entscheidung zweifeln lassen.

Heinz Berggruen hat seinem Berlin und den Menschen in dieser Stadt großes Vertrauen entgegengebracht und mit dem Überlassen seiner einzigartigen Sammlung eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart gebaut.

Mit dem Tod Heinz Berggruens haben wir nicht nur einen leidenschaftlichen und engagierten Kunstliebhaber, sondern auch den Menschen Heinz Berggruen verloren, der mit seiner zurückhaltenden und bescheidenen Art ein wunderbarer Botschafter unserer Stadt war. Berlin wird sein Lebenswerk, das er vertrauensvoll in unsere Hände gelegt hat, bewahren und immer in Ehren halten. Berlin trauert mit Hochachtung und tiefer Dankbarkeit um seinen Ehrenbürger Heinz Berggruen, einen liebenswerten Menschen und einen treuen Bürger Berlins.

[Gedenkminute]

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Heinz Berggruen erhoben. – Ich danke Ihnen!

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich uns alle auf einen Vorgang aufmerksam machen, der von Bedeutung ist. Mit Empörung und Bestürzung haben wir die Nachricht vom Anschlag auf die jüdische Kindertagesstätte Gan Israel aufgenommen. Eine Rauchbombe wurde durch eine Fensterscheibe in die Kita geworfen und das Gebäude mit Hakenkreuzen und antisemitischen Parolen beschmiert.

Das Abgeordnetenhaus von Berlin verurteilt diese kriminelle Tat.

[Allgemeiner Beifall]

Die Sicherheitsbehörden sind aufgefordert, alles zu tun, um die Täter aufzuspüren und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Mit diesem ruchlosen Anschlag auf eine jüdische Einrichtung, in der kleine Kinder betreut werden, haben die antisemitischen Aktionen eine neue, erschreckende Dimension erfahren. Mit diesem widerlichen und verabscheuungswürdigen Anschlag sollen offenbar Kinder und Eltern gezielt in Angst und Schrecken versetzt werden.

Für das Abgeordnetenhaus von Berlin will ich den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern versichern, dass wir an ihrer Seite stehen und alles tun werden, um sie vor solchen Gewalttaten zu schützen.

[Allgemeiner Beifall]

Jüdisches Leben und jüdische Kultur sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens in Berlin. Darauf sind wir stolz. Unsere Verantwortung für die Menschen und vor unserer Geschichte gebietet es, dem Antisemitismus, dem Rechtsextremismus und der Gewalt entschlossen entgegenzutreten.

[Allgemeiner Beifall]

Wir werden alles daran setzen, dass jüdische Menschen in unserer Mitte sicher leben können und Berlin eine Stadt der Toleranz bleibt. – Ich danke Ihnen!

[Allgemeiner Beifall]

Dann komme ich zum Geschäftlichen. Am Montag, dem 5. Februar, sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „100 Jahre internationale Frauenbewegung: Bilanz und Ausblick Berliner Frauenpolitik“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Nach dem Gesprächsangebot des Bundes: Tempelhof-Blockade aufgeben und Optionen vorbehaltlos prüfen!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „8. März 2007 in Berlin: immer noch Gewalt gegen Frauen, niedrige Löhne und geringere Karrierechancen“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Jetzt handeln für einen innovativen und klimaschonenden Energiemix der Zukunft in Berlin!“.

Bereits im Ältestenrat am Dienstag hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zurückgezogen.

Zur Begründung der Aktualität rufe ich auf Frau Baba als Sprecherin für Linksfraktion und SPD. – Bitte schön, Frau Baba, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie uns heute am Internationalen Frauentag darüber sprechen, wie es um die Geschlechtergerechtigkeit unter den gegenwärtigen Bedingungen steht, wie wir ganz konkret hier in Berlin Chancengleichheit von Frauen und Männern verwirklichen. Lassen Sie uns heute darüber sprechen, was wir erreicht haben und welche Ziele wir verfolgen. Lassen Sie uns darüber sprechen, an welche Grenzen wir stoßen und welcher Handlungsbedarf auch über Berlin hinaus auf Bundesebene besteht. Nun könnten Sie vielleicht denken, der Internationale Frauentag geht immerhin auf die 100 zu, und überhaupt sollte doch jeder Tag Frauentag sein. Weshalb müssen wir den Tag im Rahmen einer Aktuellen Stunde besonders hervorheben?

In der Tat, 1910, auf Antrag von Clara Zetkin und Käte Duncker, von der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz beschlossen, hat der Frauentag eine wechselvolle Geschichte erlebt, mit wütenden Protestkundgebungen gegen Hungerlöhne und machtvollen Demonstrationen gegen den Krieg, mit grenzüberschreitenden Streikaufrufen und getragen von überparteilicher Solidarität. Das Frauenwahlrecht wurde erkämpft und gleicher Lohn für gleiche Arbeit ins Gesetz geschrieben. Formal ist die Gleichberechtigung von Männern und Frauen erreicht.

Dennoch: Der Internationale Frauentag hat nichts von seiner Bedeutung als Kampftag für die Rechte der Frauen verloren.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Jetzt stoßen zum Beispiel die unterschiedlichen Traditionen von Ost und West aufeinander, und gerade jetzt sollten die Erfahrungen der Frauen aus dem Osten gefragt sein. Sie haben lange praktizieren dürfen, was zurzeit die Gemüter so erregt. Da muss man nicht nur nach Frankreich oder Finnland fahren, sondern kann die Nachbarin und die Kollegin befragen. Der Internationale Frauentag ist ein guter Tag dafür.

Der Internationale Frauentag ist jedenfalls der richtige Tag, hier im Saal ist der richtige Ort, und die hier Versammelten sind das richtige Auditorium, heute die Rechte und Leistungen von Frauen in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen,

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

sich darüber klar zu werden, warum Frauen trotz formaler rechtlicher Gleichstellung im Alltag noch immer um ihre Rechte und Gleichberechtigung kämpfen müssen.

Die Europäische Kommission hat das Jahr 2007 zum europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle erklärt. Davon soll in den Mitgliedsländern ein Impuls für die Gewährleistung der Grundrechte und Chancengleichheit gegen Unterdrückung und Gewalt ausgehen. Es geht um Chancengleichheit insgesamt, um Respekt, um Toleranz, um Anerkennung und Vielfalt von demokratischer Teilhabe aller, unabhängig von ethnischer, religiöser, sozialer Herkunft und Geschlecht. Deutschland kann sich europaweit keineswegs zu den Vorbildern rechnen, und uns machen nicht nur Schweden und Frankreich etwas vor, sondern auch Länder wie Spanien und Irland laufen uns vielfach den Rang ab, weil sie in riesigen Schritten aufholen und das Tempo machen.

Die Gründung der überparteilichen Fraueninitiative „Berlin – Stadt der Frauen“ ging 1992 aus dem Abgeordnetenhaus hervor. Die damaligen frauenpolitischen Sprecherinnen aller Fraktionen kamen überein, dass Frauenfragen über Parteigrenzen hinweg diskutiert werden müssen. Die ÜPFI – diese drollige Abkürzung sollten hier im Hause inzwischen alle kennen – ist ein breites Bündnis politisch engagierter Frauen aus Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses, des Senats, der Gewerkschaften, Hochschulen, Medien, Frauenprojekten, von dem die Berliner Politik schon viele Impulse empfing. Der Frauenbericht, der uns eine gute Einschätzung zur Situation der Frauen in Berlin liefert, geht auf ihre Initiative zurück.

Inzwischen wurde natürlich viel erreicht, aber Gleichberechtigung ist kein Geschenk und kein Luxusgut. Die Emanzipation will jeden Tag neu errungen sein, erst dann ist jeder Tag Frauentag. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Baba! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Pflüger zur Begründung der Aktualität das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Pflüger!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Flughafen Tempelhof nur für Frauen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt, erneut über das Thema Tempelhof zu sprechen,

[Beifall bei der CDU]

weil wir der Auffassung sind, dass es nach den Äußerungen des Kanzleramtsministers Thomas de Maizière seit der letzten Woche eine neue Lage zum Thema Tempelhof gibt.

Herr Müller! Wir beide haben am 15. Februar 2007 bei TV Berlin eine Fernsehdiskussion zum Thema Tempelhof gehabt, und dort haben Sie Folgendes gesagt: Trotz der juristischen Risiken, die wir alle sehen, wollen wir ernsthaft über das Thema Tempelhof reden, und zwar mit dem Bund.