Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 80. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich.
Zunächst möchte ich Ihnen Geschäftliches mitteilen. Die Fraktion der CDU zieht ihren Antrag „Mehr Lebensqualität für alle Berlinerinnen und Berliner durch bürgerfreundliche Flugrouten und bessere Lärmschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Großflughafens in Schönefeld (BBI)“ – Drucksache 16/3638 – zurück. Der Antrag wurde in der 73. Sitzung am 25. November 2010 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr überwiesen.
1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Brandstiftungen in Hausfluren und Kellerräumen begegnen – Prävention, Schutz und konsequente Strafverfolgung in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten sicherstellen“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Im Internet gemobbte Schüler werden allein gelassen, viele Lehrer haben eine geringe Medienkompetenz, die vorhandenen PCs werden zu wenig genutzt – die Berliner Schule ist noch nicht im Informationszeitalter angekommen!“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Berlin braucht einen Wechsel – neue Energie statt Atomstrom!“,
4. Antrag der Linksfraktion zum Thema: „Brandstiftungen in Hausfluren und Kellerräumen begegnen – Prävention, Schutz und konsequente Strafverfolgung in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten sicherstellen“,
5. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Startchancengerechtigkeit für alle Berliner Kinder – vorschulische Startklasse und Kitapflicht bei Entwicklungsdefiziten jetzt!“.
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Bitte, Frau Hertel, ergreifen Sie das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktualität dieses Themas muss nicht begründet werden. Aus einem Blick in die Zeitung ergibt sich die Aktualität. Dennoch möchte ich zwei Sätze darüber verlieren, denn das ist ein in seiner Konsequenz tragisches Thema.
Nach einer Erhebung des Deutschen Mieterbundes sterben jährlich 600 Menschen bei einem Wohnungs- oder Hausbrand, von denen allerdings 95 Prozent an einer Rauchvergiftung sterben. Die Diskussion über die möglichen Gegenmaßnahmen, über präventive Maßnahmen und Schutzmaßnahmen wird in der aktuellen Situation geführt, aber sie ist leider nicht neu. Erinnern wir uns an den 9. August 2005. Ich glaube, das war ein recht sonniger, aber dennoch für Berlin schwarzer Tag, denn an diesem Tag verloren acht Menschen anlässlich eines Brandes in der Ufnaustraße ihr Leben. Vor einigen Tagen hatten wir einen ähnlichen Fall in der Sonnenallee, bei dem „nur“ drei Tote zu beklagen waren, aber auch diese drei Toten sind drei zu viel. In beiden Fällen, die auch in der Presse ein großes Echo fanden, befanden sich die Brandherde bzw. die Brandursache im Hausflur, im Hauszugang. Es waren Kinderwagen, die angesteckt wurden, und möglicherweise andere brennbare Materialien, die dort in Brand geraten oder in Brand gesteckt worden sind.
Von den 600 Toten, die vom Deutschen Mieterbund benannt wurden, sind die überwiegende Mehrzahl auf Wohnungsbrände, auf Brandherde zurückzuführen, die in der Wohnung lagen. Das ist die Herdplatte, die nicht ausgeschaltet wird, der Adventskranz, dessen Kerzen nicht korrekt gelöscht werden, und das ist die glimmende Zigarette, die beim Einschlafen vergessen wird.
Ich erwähnte bereits, dass sich schon nach dem Unglück in der Ufnaustraße in der Öffentlichkeit die Diskussion verbreitete, es müssten mehr Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Ein erster Ruf geht dann immer in Richtung Rauchmelder. Auch die Berliner Feuerwehr unterstützt diese Forderung sehr – möglichst flächendeckend und überall. Die Diskussion ist schwierig, denn trotz der Warnungen und der Informationskampagne sind nur 20 Prozent der Berliner Wohnungen mit Rauchmeldern, die Leben retten könnten, ausgestattet. Das heißt, dass 80 Prozent aller Wohnungen und Häuser nicht über eine solche lebensrettende Technik verfügen.
Es stellt sich die Frage: Wie muss man damit umgehen? Ist möglicherweise auch die Politik gefragt, eine verpflichtende Einrichtung von Rauchmeldern durchzusetzen? – Ich hielte das für hilfreich und zielführend, aber die Argumente der Gegner sind durchaus schwerwiegend. Die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes wird darauf in ausgewogener Weise Bezug nehmen müssen, aber wir kommen nicht umhin, das künftig mit einem entsprechenden Gesetz zu regeln und in Berlin die Rauchmelderpflicht einzuführen. – Ich danke Ihnen!
Danke, Frau Kollegin Hertel! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Steuer das Wort. – Bitte, Herr Steuer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beleidigen, drohen, herumpöbeln, das ist der Inhalt der Internetplattform, deren Namen ich vor laufenden Kameras nicht wiederholen möchte, die vor 14 Tagen mit dazu geführt hat, dass ein Berliner Jugendlicher ins Krankenhaus geprügelt wurde. Jeder kann hier seine Mitschüler beleidigen, unwahre Behauptungen aufstellen und mit einem Amoklauf drohen, woraufhin ganze Schulen geschlossen wurden. Es ist unbegreiflich, wie die Internetseite auch nach diesen schrecklichen Vorfällen von dem Betreiber noch im Netz belassen werden kann, und es ist unbegreiflich, dass der Content-Provider diese Seite auf seinem Server lässt. Das ist menschenverachtend und durch nichts zu rechtfertigen.
Es ist auch unbegreiflich, dass die Berliner Polizei eine Woche brauchte, um festzustellen, dass Internetseiten durch den Inhaber oder Provider gelöscht werden müssen. Dies gilt übrigens auch, wenn die Seite gegen deutsches Recht verstößt – von Deutschland aus kann nichts gegen diese Internetseite unternommen werden, da sie auf einem ausländischen Server liegt. Jeder, der nur ein bisschen Ahnung von der Materie hat, hätte Ihnen das sofort sagen können, Herr Körting. Oder wollten Sie vielleicht nur die Politiker schützen, die in den Tagen davor so viel Unsinn in die Öffentlichkeit geblasen hatten, um Aktionismus vorzutäuschen? – Herr Zöllner beispielsweise, der auf die Frage, warum er die Seite nicht sperrt oder auf den Index setzt, sagte, dass man sich darum kümmern müsse. Worum? Welcher Index? Welches Sperren? Der sogenannte Index führt in Deutschland lediglich dazu, dass die Seite bei bestimmten Internetfiltereinstellungen nicht mehr aufgerufen wird. Wer hat auf seinem Computer schon so einen Filter installiert? Ein zentrales Sperren von Internetseiten gibt es in Deutschland nicht, wir haben kein Sperrgesetz. Ihre Senatsverwaltung, Herr Zöllner, hätte Ihnen das sagen sollen, bevor Sie das Interview gegeben haben. Nein, wir können uns nicht hinter rechtlichen Argumenten verstecken, vielmehr müssen wir ehrlich sein, aufklären und Internetnutzer in die Lage versetzen, selbstverantwortlich mit den Gefahren des Internets umzugehen.
Dazu gehört es, sowohl Kinder und Jugendliche kompetent zu machen im Umgang als auch Eltern und Schulen nicht aus der Pflicht zu entlassen.
Hier hat der Senat viel versäumt, denn wie kann es sein, dass Herr Zöllner nun vor Schnellschüssen warnt, während die gefährliche Internetseite, über die wir reden, noch heute auf Schulcomputern in Berlin aufrufbar ist? Hier brauchen wir einen Schnellschuss, Herr Zöllner! Jugendgefährdende und gewaltverherrlichende Internet
Was ist denn in der Berliner Schule passiert, seit der hochgelobte E-Education-Masterplan 2005 in Kraft ist? Haben denn alle Lehrer an echten Fortbildungen teilgenommen?
Schließlich hat jeder vierte Sechsjährige heute schon ein Profil bei Facebook oder einem anderen Portal. In welcher Klasse erfährt ein Schüler zum ersten Mal etwas über die Gefahren des Internets, oder gibt es etwa im Jahr 2011 noch Lehrer, die das Thema Computer und Internet ganz aussparen?
Wo war die Bildungsverwaltung, als am letzten Wochenende 400 Wissenschaftler und Experten aus ganz Deutschland am medienpädagogischen Kongress an der Technischen Universität teilgenommen haben, um genau darüber zu reden, wie gute Medienbildung in der Schule aussehen kann? Warum gibt es an den Schulen in Berlin keinen Jugendmedienschutzbeauftragten wie in Brandenburg und Rheinland-Pfalz? Warum warnt der Datenschutzbeauftragte des Landes erst heute laut vor den Gefahren von Facebook, obwohl die Bundesverbraucherschutzministerin Aigner ihr Facebook-Profil schon vor einem Jahr öffentlichkeitswirksam gelöscht hat?
Warum tun Sie erst heute etwas? – Der Senat hat jahrelang verpennt, was andere bereits machen, das ist die Wahrheit!
[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Verbieten Sie das Internet, Herr Steuer, ganz einfach!]
Schön, dass Sie jetzt aufgewacht sind und gestern zu einem runden Tisch eingeladen haben, dann hat die Aktuelle Stunde heute wenigstens schon etwas gebracht.
Ich freue mich jetzt auf die Begründung der Fraktion der Grünen, warum sie vor 14 Tagen nicht der Auffassung gewesen sind – wie alle anderen Fraktionen –, über Japan und Atomenergie sprechen zu wollen, sondern das heute tun wollen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Steuer! – Es hat nun der Kollege Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zur Begründung der Aktualität – bitte schön, Herr Schäfer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Steuer! Wir wollen nicht über Japan sprechen, sondern über Berlins Beitrag zum Atomausstieg!
Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Rund 250 000 Menschen waren am letzten Samstag auf der Straße und haben für den Ausstieg aus der Atomkraft demonstriert, die Hälfte davon hier in Berlin. Das war die gewaltigste Anti-Atomkraft-Demonstration, die die Bundesrepublik je erlebt hat, und das ist bereits ein Grund, darüber zu sprechen!
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Berlin und in ganz Deutschland will, dass wir die Energiewende deutlich beschleunigen – übrigens auch 68 Prozent der CDU-Wähler in Baden-Württemberg! Für diese gewaltige Aufgabe braucht es das Engagement nicht nur im Bundestag, sondern auch der Parlamentarier in den Landtagen und den Gemeindevertretungen.
Zweifellos sind auch Cybermobbing und Brandstiftung in Berliner Hausfluren wichtige Themen. Frau Hertel! In Berlin wird schon lange eine Pflicht für Rauchmelder diskutiert. Senator Körting hat dies stets abgelehnt und auf freiwillige Lösungen verwiesen, die allesamt nicht funktioniert haben. Wir freuen uns daher, dass sich hier eine Wende bei der Positionierung der SPD abzeichnet.
Wir wollen allerdings nicht nur über Probleme diskutieren, sondern auch über Lösungsansätze. Deshalb werden wir in zwei Wochen einen Gesetzentwurf einbringen, der eine Rauchmelderpflicht in Hausfluren als Mindestanforderung vorschreibt. Wir rufen Sie auf, ebenfalls einen Gesetzesantrag einzubringen, auf dass wir uns in der nächsten Sitzung über Lösungen unterhalten können und nicht nur über Probleme.
Der Atomausstieg braucht mehr als 17 Knopfdrücke zum Ausschalten von 17 Atomkraftwerken. Der Atomausstieg braucht viele, viele, viele detaillierte Maßnahmen, die Atomstrom überflüssig machen, ohne das Klima zu belasten. Michael Müller hat in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses gesagt, jedes Bundesland müsse seinen eigenen Beitrag zu einer schnelleren Energiewende leisten. Darin sind wir uns mit Ihnen einig, Herr Müller!