aber nicht nur die Lehrer, sondern auch die Schulleitungen und Schulaufsichtsbeamten. Angeblich haben – das konnten wir einem Interview entnehmen – seit 2005 bereits 27 000 Fortbildungen stattgefunden, also hat jeder Lehrer an einer Fortbildung teilgenommen. Was sind das eigentlich für Fortbildungen? – Bereits ein dreistündiger Kurs zum Thema „Der Einsatz von Excel-Tabellen im Mathematikunterricht“ gilt als Fortbildung. Das kann aber mit medienkompetenten Lehrern nicht gemeint sein. So macht man 27 000 Lehrerinnen und Lehrer nicht fit für das 21. Jahrhundert.
Der E-Education-Masterplan hat viele gute Ziele und Ideen, die unterstützenswert waren, nur fehlen ihm die Verbindlichkeit, die überprüfbaren Ziele. Wie eklatant die Situation von der Wunschvorstellung abweicht, zeigen die Schulinspektionsberichte. In nur 9 Prozent des Berliner Unterrichts werden überhaupt Computer eingesetzt – so wenig wie in keinem anderen OECD-Land überhaupt. Dabei steht mittlerweile in jedem dritten Klassenraum in Berlin ein Computer, und in 10 Prozent der Klassen hängt ein Whiteboard, aber die Ausstattung ist nicht alles, und wohlfeile Masterpläne sind es auch nicht. Es hängt von der praktischen Umsetzung ab.
Ich mache mir deswegen ausdrücklich die drei zentralen Forderungen des bundesweiten medienpädagogischen Kongresses, an dem ich am letzten Wochenende teilgenommen habe, zu eigen. Danach darf kein Jugendlicher die Schule ohne grundlegende Medienbildung verlassen. Das verlangt die verbindliche Verankerung in den Prüfungen und Lehrplänen aller Fächer. Keine Lehrperson
darf ihre Ausbildung ohne Kompetenz zur Medienbildung abschließen. Zugleich muss die Entwicklung der Kompetenz zur Medienbildung ein verbindlicher Bestandteil der Fort- und Weiterbildung sein. Das erfordert die Formulierung von akkreditierungsrelevanten Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz und die Aufnahme in das System der Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Und drittens: Jede Schule muss ein fächer- und jahrgangsübergreifendes Medienbildungskonzept als Teil des Schulprogramms entwickeln und umsetzen.
Praktisch gesagt: Die Schüler müssen schon in der Grundschule etwas über die Gefahren der Social Communities erfahren. Heute ist die Realität anders herum: Die Schüler bringen den Lehrern bei, wie man ein Facebook-Profil anlegt. Jeder vierte Sechsjährige hat bereits ein Profil. Facebook boomt, und die meisten gehen mit ihren Daten dort völlig sorglos um. Es werden Urlaube gepostet, Handynummern, das Liebesleben, und alles, ohne sich darüber Gedanken zu machen, womit die vermeintliche Gratisseite Facebook eigentlich ihr Geld verdient.
Wie berät sie die Berliner Eltern? – Überhaupt nicht! Fehlanzeige! Warum gibt es an den Berliner Schulen keine Jugendmedienschutzbeauftragten wie in Brandenburg und Rheinland-Pfalz? Es wäre gut, wenn sich wenigstens ein Lehrer an jeder Schule für dieses Thema verantwortlich fühlen würde, die Schulen in die Pflicht zu nehmen und dafür zu sorgen, dass keine jugendgefährdenden oder gewaltverherrlichenden Internetseiten auf Schulcomputern aufrufbar sind, aber das ist in Berlin nicht der Fall. Hier können an Schulcomputern Pornografie, Extremismus, Hass und jeder Dreck aufgerufen werden. Ja, die Berliner Schüler können sogar Einträge auf der schlimmen Internetseite verfassen, über die wir heute reden. Das ist ein unhaltbarer Zustand!
Es gibt andere Bundesländer, da kontrolliert die Polizei, ob die Schulcomputer sicher sind. Was passiert in Berlin? – Zurzeit gehen zwei Mitarbeiter der Senatsverwaltung durch die Schulen und zählen in den Sekretariaten per Hand die Anzahl der Computer, wie uns jüngst im Hauptausschuss erklärt worden ist. Das ist doch Steinzeit, was wir in Berlin erleben!
Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte Mitte letzten Jahres noch einmal gemahnt, dass in jedem Unterrichtsfach die Themen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte fest verankert werden müssten. Was ist seitdem passiert? Wie haben Sie auf die mahnenden Worte des Berliner Datenschutzbeauftragten reagiert? – Mir ist nichts davon bekannt. Nein, es ist nicht viel passiert seit dem Inkrafttreten des E-EducationMasterplans 2005.
Ich kann nur hoffen, dass Sie durch die schlimmen Erlebnisse mit dieser Internetseite jetzt endlich aufgewacht sind und dass auch die Aktuelle Stunde heute einen Beitrag dazu leisten konnte. Immerhin haben Sie gestern zu einem Runden Tisch geladen, der Sie, Herr Senator Zöllner, hoffentlich medienkompetenter gemacht hat, als Sie vorher waren. Sie sind heute erstmals mit einem iPad in den Plenarsaal gekommen. Ich werte das als äußeres Zeichen dafür, dass auch Sie mehr Medienkompetenz bekommen wollen, denn es hilft schon, wenn man selbst medienkompetent ist, um es dann anderen besser vermitteln zu können.
Der Knopf ist oben rechts, Herr Jotzo. Die Frage ist, ob das Wissen darüber hinausgeht. – Es reicht eben nicht aus, sich ein iPad zu kaufen oder zu Runden Tischen einzuladen, sondern es muss langfristig und nachhaltig etwas getan werden, um Medienkompetenz dauerhaft in den Lehrplänen zu verankern. Es muss regelmäßig evaluiert werden, und Medienkompetenz muss sowohl hausaufgaben- als auch prüfungsrelevant sein. Computer müssen sicher sein, und Eltern müssen ausreichend aufgeklärt werden. Das ist die Pflicht des Berliner Senats.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nein, Herr Steuer hat eigentlich gar nichts zu der angemeldeten Aktuellen Stunde gesagt,
jedenfalls nur indirekt, aber ich werde es tun. Ich gehe mal direkt auf das ein, was Sie hier so wunderbar formuliert haben.
Die jüngsten Fälle von Cybermobbing, über die wir in der Presse lesen mussten, sind auf das Schärfste zu verurteilen und strafrechtlich zu ahnden. Ich glaube, darüber sind wir uns fraktionsübergreifend einig.
Es hat nur durch seine Verbreitung im Internet eine andere Quantität und damit auch eine andere Qualität erhalten. Früher wurden in der Schule Pulte oder Toilettenwände beschmiert, und man schob sich Zettelchen zu. Der Verbreitungsgrad war deutlich geringer, die Schmiererei
en konnten wieder entfernt werden und blieben nicht ewig für alle lesbar. Und was ich hier auch betonen möchte: Es war nicht so anonym. Diese Anonymität trägt entscheidend dazu bei, dass die Hemmschwellen sinken und das Mobbing immer perfider wird.
Obwohl das Cybermobbing offensichtlich häufiger an Gymnasien als an anderen Schulen stattfindet, tritt es manchmal auch aus der Anonymität heraus und führt zu tätlichen Angriffen wie in dem geschilderten Fall, in dem ein Schüler seine gemobbte Freundin verteidigen wollte und selbst brutal zusammengeschlagen wurde. Diese Taten sind widerlich, unmenschlich und zu verabscheuen.
Insofern muss man das Mobbing im Netz stets im Zusammenhang mit realen körperlichen Angriffen sehen. Auch Androhungen von Amokläufen müssen hier sehr ernst genommen werden.
[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP) – Christian Gaebler (SPD): Sie hat zehn Minuten Redezeit, warten Sie doch mal ab!]
Wenn Herr Gaebler und Frau Senftleben ihre Zwiegespräche beendet haben, fahre ich fort. – Danke sehr! – Deshalb sind nach wie vor alle an der Schule Tätigen dazu aufgefordert, die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu demokratischen und gewaltfreien Menschen zu erziehen, wie es § 1 des Schulgesetzes verlangt, der seit Jahrzehnten praktisch unverändert geblieben ist und seine Gültigkeit noch immer hat. Diese Erziehung gehört übrigens in jedes Fach, von Mathematik bis Sport, hier kann sich kein Pädagoge vor seiner Aufgabe drücken.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Dr. Tesch! Letztens haben Sie uns noch vorgeworfen, wir würden dieses Thema missbrauchen und daraus Wahlkampfgetöse machen, heute stellen Sie richtigerweise fest, dass Cybermobbing kein neues Phänomen ist und angegangen werden muss. Was hat innerhalb der letzten drei Tage stattgefunden, dass Sie endlich begriffen haben, dass das ein ernstzunehmendes Thema ist?
[Beifall bei den Grünen und der CDU – Christian Gaebler (SPD): Sie wollten heute gar nicht darüber reden, Sie haben dagegen gestimmt!]
Danke! – Herr Mutlu! Sie können es später im Plenarprotokoll nachlesen, die ersten Sätze waren identisch mit meiner Presseerklärung. Es hat sich also überhaupt nichts geändert, ich habe es schon immer so gesehen. Ich habe nicht Ihnen, sondern Frau Senftleben vorgeworfen, dass sie dieses sensible Thema missbraucht, um Wahlkampf zu machen. Am Ende meiner Rede werde ich noch einmal darauf eingehen.
Heute morgen habe ich lange an meinem Schreibtisch gesessen, und es ist mir sehr schwer gefallen – normalerweise schreibe ich eine Plenarrede so runter –,
heute ist es mir sehr schwer gefallen, die richtigen Worte zu finden. Ich empfinde es als eine Gratwanderung: Einerseits sind wir alle hier Demokraten und Demokratinnen,
dazu gehört auch die Erziehung zu Gewaltfreiheit, und da müssten wir alle an einem Strang ziehen und uns nicht gegenseitig irgendwelche Dinge vorwerfen. Aber ich komme auf die Formulierung der CDU-Fraktion zurück, die ich sehr interessant finde. Darin enthalten ist der Vorwurf, die Schüler werden allein gelassen, die Lehrer haben keine Medienkompetenz, es gibt dabei auch keine Schülerinnen und keine Lehrerinnen – das ist typisch CDU. Aber was gibt es überhaupt nicht? – Die Eltern! Wo bleiben in dieser Formulierung die Eltern?