Protocol of the Session on May 26, 2011

Login to download PDF

[Benedikt Lux (Grüne): Sie haben doch versprochen, dass mehr Kameras kommen!]

Wer im Bund die Schuldenbremse in der Verfassung verankert, sie in Berlin auch in die Verfassung schreiben will, die gerade armen Ländern jeden Gestaltungsspielraum nimmt, kann nicht mit immer neuen Forderungen nach Mehrausgaben kommen. Wir wissen, dass die geplanten Neueinstellungen an anderen Stellen eingespart werden müssen, und auch das wird schmerzhaft sein.

Ich sage Ihnen auch – um zu Ihrem nächsten Thema zu kommen –: Auch mit 200 Polizisten mehr werden Sie Brandanschläge auf Autos nicht verhindern, die leider wieder gehäuft auftreten.

[Andreas Gram (CDU): Aber mit einer Bekämpfung des Linksextremismus schon!]

Über die Schwierigkeit, diese Straftaten aufzuklären, haben wir hier und im Innenausschuss lang und breit diskutiert. Es liegt an der Art der Tatbegehung. Sie können nicht neben jedes Auto einen Polizisten stellen. Sie

wissen, wenn der Brand bemerkt wird, ist der Täter nicht mehr anwesend.

Der ungeheuerliche Brandanschlag auf die Kabel der Berliner S-Bahn hat mich aus zweierlei Gründen empört. Erstens: Es gibt keinen politischen Grund, der diese Gewalt rechtfertigt, der es rechtfertigt, Zigtausende Berlinerinnen und Berliner für ein diffuses Weltbild in Geiselhaft zu nehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Zweitens: Dass es so leicht sein kann, hochsensible Infrastruktur in diesem Ausmaß zu zerstören, hätte ich mir nicht im Traum einfallen lassen. Wenn wir hier von Sicherheit bei der BVG reden, dann muss man auch die Bahn an ihre Verantwortung erinnern.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Christian Gaebler (SPD) und Frank Zimmermann (SPD)]

Ja, dieser Anschlag hat eine neue Dimension erreicht, ähnlich wie der im Friedrichshainer Polizeiabschnitt, der aber offensichtlich mit dem sogenannten Terrorpaket, mit dem ganzen Arsenal von Abhören, Überwachen, Daten sammeln nicht zu verhindern war. Jetzt ist kluge und klassische Kriminalarbeit nötig, um den Tätern auf die Spur zu kommen, ob bei der Generalbundesanwaltschaft oder hier in Berlin. Ein Erfolg an dieser Stelle würde sehr viel mehr subjektive Sicherheit und Vertrauen in die Polizei herstellen als immer neue Forderungen nach immer neuen Instrumenten. Die Bürgerinnen und Bürger und ihre Gäste fühlen sich sicher in Berlin. Wenn es auf den Bahnhöfen der BVG Unsicherheitsgefühle gibt, dann müssen wir nachsteuern, was wir mit dem Maßnahmepaket des Regierenden Bürgermeisters getan haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Jotzo.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kleineidam hat in einem Punkt recht. Manchmal überkommt einen bei diesem Thema ein gewisses Déjà-vu, wenn auch in umgekehrtem Sinne. Aber ich will mit einem Zitat beginnen:

Mit einem neuen Einsatzkonzept werden Polizei und BVG künftig die Sicherheit im öffentlichen Personennahverkehr verbessern. Das bisher nur auf die U-Bahn beschränkte Einsatzkommando BVG, bei dem Polizisten und Angestellte der Berliner Verkehrsbetriebe gemeinsam auf Streife gingen, ist zum 1. Juli aufgelöst worden. Die Effizienz wird durch gezielte polizeiliche Schwerpunkteinsätze an festgestellten und bekannten Brennpunkten erhöht.

Das war die Pressemitteilung des Senats „Neues Sicherheitskonzept für den öffentlichen Personennahverkehr“ vom 22. Juli 2003. Dieses erste Sicherheitskonzept für den ÖPNV dieser Koalition, das zeigen nicht nur die Gewaltvorfälle der letzten Monate, sondern auch der heutige Kursschwenk dieses Senats, ist komplett gescheitert.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Gram (CDU) und Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Aktuell gibt es wieder eine neue Pressemitteilung des selben Senats mit demselben Titel. Es wird offensichtlich: Jetzt droht der Wahlkampf. Was steckt also drin, was ist von dem neuen Kursschwenk zu halten? – Schauen wir es uns an. Es gibt im Wesentlichen vier neue Maßnahmen. Zunächst gibt es bis zu 60 neue Polizeibeamte für den Bereich ÖPNV, allerdings nur – das haben wir gehört –, wenn sie gerade nichts anderes zu tun haben. Dann gibt es künftig die Doppelstreife mit der BVG – Sie erinnern sich, dass ist die Doppelstreife, die 2003 aufgelöst worden ist, um Effizienz und Sicherheit zu steigern –, und es gibt einen Erfahrungsaustausch zwischen den Beteiligten, und letztlich wollen Sie die Videodaten künftig 48 statt 24 Stunden speichern. Wie ist dieses Konzept zu bewerten? – Ich will es zunächst einmal Ihnen selbst überlassen, diese Bewertung vorzunehmen. Was ist mit der Videospeicherdauer? – Dazu gibt es ein sehr schönes Zitat, das ich Ihnen nicht vorenthalten will.

Ich warne davor, jetzt mit einer falschen Hektik die Frist von 24 oder 48 Stunden zu thematisieren. Das kann man in Ruhe neu überprüfen, aber dazu würde ich gern evaluieren, wie sich das bisherige Gesetz in der Umsetzung bewährt, welche Erfolge wir mit dem bisherigen Gesetz haben und wo es gegebenenfalls Nachbesserungsbedarf gibt.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Solche Schüsse aus der Hüfte würde ich zurzeit nicht vorschlagen. … Diese 24 Stunden reichen für alle Fälle schwerster Kriminalität nach meiner festen Überzeugung aus. … Die Debatte können Sie endlos führen. Sie können sagen: Warum eigentlich 48 Stunden, warum nicht zwei Wochen?

Meine Damen und Herren, wer war das? – Das war selbstverständlich Innensenator Körting, nicht vor mehreren Jahren, nicht 2003, sondern vor zwei Monaten – genau hier im Plenum.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und, Herr Körting, Sie hatten ja recht. Es ist erschreckend, dass Sie offensichtlich schon zwei Monate später nicht mehr die Stärke haben, als Fachmann dem Sicherheitspopulismus Ihrer Senatskollegen entgegenzutreten. Stattdessen flüchten Sie sich in Maßnahmen, die Sie selbst mangels einer Evaluation für ungeeignet halten. Ihre Sicherheitspolitik wider besseres Wissen ist ein Armutszeugnis, das Sie sich selbst ausstellen, Herr Körting. Die von Ihnen geforderte Evaluation hat die FDP übrigens vor einigen Monaten hier im Parlament selbst gefordert.

Allerdings wurde dieser Antrag von Rot-Rot abgelehnt. So viel zu Ihren Aussagen zur Videospeicherung, Herr Körting.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber wie sind die anderen Komponenten Ihres Konzepts zu bewerten? – Auch das haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, schon eindrucksvoll für uns bewertet. Auch hier darf ich ein Zitat aus der Vergangenheit bemühen:

Geradezu pawlowartig wurden von der Opposition – wieder einmal – mehrere Forderungen vorgebracht: mehr und längere Videoaufzeichnungen, mehr Polizei, Polizei wieder auf die Bahnhöfe und in die Bahnen und – wieder einmal aus der Mottenkiste geholt – die Bürgerpolizei. Nicht … einmal alle vier Forderungen zusammen würden das Phänomen, um das es hier geht, beheben oder beseitigen können.

Das war Anja Hertel, die Sicherheitsexpertin der SPD, auch nicht vor mehreren Jahren, das war vor zwei Monaten – auch hier im Hause. Meine Damen und Herren und Frau Hertel! Treffender hätte ich es nicht sagen können. Ihre Bewertung Ihres eigenen Konzepts spricht Bände. So sehr ich sie als Sicherheitsexpertin schätze, so sehr muss ich auch bedauern, was Ihr Senat den Bürgerinnen und Bürgern in unserer Stadt als Sicherheitspolitik zumutet, Frau Hertel.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU]

Seit Ihrer Rede vor zwei Monaten hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert, weder an der Sicherheitslage noch an den Instrumenten, die der Politik zur Verfügung stehen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben sich geflüchtet in einen Sicherheitspopulismus mit Maßnahmen, die selbst Ihre eigenen Sicherheitsexperten als pawlowartigen Reflex bezeichnen – zumindest vor zwei Monaten bezeichneten. Sie mögen ja in acht Wochen viel schlauer geworden sein. Man könnte zu Ihrem Konzept auch einfach „Luftnummer“ sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU]

Und Ihre Unfähigkeit wird auch leider keinen Deut besser dadurch, dass auch die grüne Politikerin Frau Künast die Ausdehnung der Speicherdauer von Videoaufzeichnungen nicht ablehnt. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sitzen wie Frau Künast wider besseres Wissen dem Fetisch der CDU auf, den Berlinerinnen und Berlinern durch immer neue ungeeignete, unwirksame oder unfinanzierbare Maßnahmen Pseudosicherheit vorzugaukeln. Dass Sie das hier heute ernsthaft als Erfolg verkaufen wollen,

[Benedikt Lux (Grüne): Das machen wir aber nicht!]

was Sie selbst vor zwei Monaten noch als Unsinn bezeichnet haben, spricht doch mehr für sich als alles andere. Ihre Sicherheitspolitik ist untauglich. Sie ist richtungs- und orientierungslos. Meine Damen und Herren von der Koalition! Sicherheitspolitisch haben Sie fertig!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wer hat denn noch fertig, Herr Jotzo?]

Was brauchen wir wirklich für den öffentlichen Personennahverkehr, ebenso wie andernorts? Wir brauchen eine Sicherheitspolitik, die weniger Pseudosicherheit und mehr echte Sicherheit leistet. Wir brauchen eine Sicherheitspolitik, die Freiheit und Sicherheit miteinander in Einklang bringt, und wir brauchen eine Sicherheitspolitik, die auch den subjektiven Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung trägt.

Herr Körting! Bisher habe ich Sie für einen Senator gehalten, der eine liberale Sicherheitspolitik umsetzen will. Diesen Weg der liberalen Sicherheitspolitik haben Sie nun verlassen. Sie gehen mit Ihrer rot-roten Koalition gemeinsam mit der CDU und Frau Künast den Weg des Sicherheitspopulismus wider besseres Wissen. Ich kann Ihnen nur zurufen: Gehen Sie diesen Weg nur weiter! – Die FDP-Fraktion wird in diesem Hause weiter dafür stehen, eine wirksame und sinnvolle Sicherheitspolitik mit Maß für Berlin umzusetzen.

[Beifall bei der FDP]

Schon vor Jahren, aber auch detailliert in den letzten Sitzungen, haben wir Ihnen ganz konkrete Vorschläge gemacht, wie Sie das Sicherheitsproblem im ÖPNV in den Griff bekommen können. Wir haben ein integriertes Sicherheitskonzept für den öffentlichen Personennahverkehr gefordert,

[Benedikt Lux (Grüne): Das den Namen nicht verdient!]

mit drei wesentlichen Elementen, das allererste: Gemeinsam mit der Polizei und den Verkehrsbetrieben müssen die Zielgrößen einer zukünftig erforderlichen Sicherheit erst mal definiert werden.

[Benedikt Lux (Grüne): Kaputt-Konzept!]

Allein das haben Sie schon nicht hinbekommen mit Ihrem Konzept. Echte Sicherheit muss vor Ort gewährleistet werden durch schnell verfügbares Personal in Kombination mit effektiven technischen Sicherheitsmaßnahmen. Ein Mehr allein, das zeigt Ihr Konzept sehr deutlich, hilft hier nicht. Das Wie des Einsatzes der Ressourcen ist entscheidend.

Zweitens: Sorgen Sie endlich dafür, dass die Verkehrsbetriebe in ihren Hausordnungen und auch Beförderungsbedingungen das Alkoholkonsumverbot verankern, hinreichend bekannt machen und da, wo das schon geschehen ist, in Zusammenarbeit auch mit der Polizei mal durchsetzen!

[Benedikt Lux (Grüne): Das ist ja besonders liberal!]

Das hat übrigens die CDU mal wieder von uns geguttenbergt.

Das Dritte: Prüfen Sie endlich die Einführung eines geschlossenen Systems, und führen Sie es als Modell auf

geeigneten Bahnhöfen ein! Damit erhalten nur solche Personen Zugang zum ÖPNV, die sich im Besitz eines gültigen Fahrausweises befinden. Und ich sage Ihnen eines: Überall, wo ein solches System im Einsatz ist, steigert es das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste, ebenso wie Kriminalität und Vandalismus gleichermaßen sinken.

[Beifall bei der FDP – Benedikt Lux (Grüne): Sie wollen die Bahn kaputtmachen!]