Protocol of the Session on September 1, 2011

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 86. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste sowie die Zuhörer und die Medienvertreter ganz herzlich.

Bevor wir zu unserem Tagesgeschäft kommen, bitte ich Sie, sich zu erheben, weil ich eine traurige Pflicht zu erfüllen habe.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Am 30. Juli 2011 ist der frühere Abgeordnete und Senator Peter Ulrich im Alter von 83 Jahren verstorben. Mit Peter Ulrich verliert Berlin einen engagierten Politiker, der über 62 Jahre in der Landes- und Kommunalpolitik unserer Stadt tätig war.

Peter Ulrich wurde am 13. Juli 1928 in Stuttgart geboren. Durch die Kriegs- und Nachkriegswirren kam er 1948 nach Berlin. Nach der Sonderreifeprüfung 1945, auch Kriegsabitur genannt, studierte er an der HumboldtUniversität politische Wissenschaften und Soziologie.

1950 schloss er sein Studium als Diplompolitologe ab. Bereits 1949, nach drei Jahren als Gemeindesekretär in der Berliner Verwaltung, wurde er Erzieher für schwer erziehbare Jugendliche. Auch in den folgenden Jahren bis 1967 war er in verschiedenen Institutionen und Funktionen in der Jugend- und Bildungsarbeit tätig. Mit seiner Ehefrau Heide zog er seine Tochter Anne in Schmargendorf auf.

Von Juni 1981 bis Juni 1985 gehörte Peter Ulrich als Mitglied der SPD-Fraktion dem Abgeordnetenhaus von Berlin an und war von 1983 bis 1985 auch Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion. Seine politische Laufbahn begann er 1965 als Landesjugendpfleger bei der damaligen Senatsverwaltung für Jugend und Sport. Ab 1968 arbeitete Peter Ulrich als Senatsdirektor der Senatsverwaltung für Inneres, bis er 1976 Senatsdirektor der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen wurde. Bereits im Mai 1977 wurde er dann als Senator für Inneres berufen und behielt dieses Amt auch nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im April 1979 bis 1981 bei. Peter Ulrich war Senatsdirektor – was wir heute Staatssekretär nennen – in der Innenverwaltung und Innensenator in der schwierigsten Zeit des RAF-Terrorismus in Deutschland. Er hatte ein wahrhaft schweres Amt.

In den 20 Jahren, in denen Peter Ulrich als Senator und Abgeordneter in herausragender Position für Berlin tätig war, setzte er sich für die Sozial- und Bildungsarbeit, die Sicherheit, vor allen Dingen die innere Sicherheit, die Integration und den Datenschutz, aber auch für eine bürgerfreundliche Verwaltung ein. Als er Abgeordneter war, wurde er Vorsitzender des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses.

Die Arbeit mit Menschen hat Peter Ulrich zur Politik geführt. Bereits im Jahre 1949, als er noch als Erzieher im Jugendhof der Stadt Berlin arbeitete, trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Er diente seiner Partei unter anderem als Kreis- und Landesdelegierter und war von 1981 bis 1985 auch Landesvorsitzender der Berliner Sozialdemokraten.

Peter Ulrich war seit 1956 Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und wurde 1985 ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Universal-Stiftung Helmut Ziegner. Hier konnte er seine berufliche Erfahrung und sein Interesse an der Verbindung von Erziehung und handwerklicher Ausbildung einbringen.

Peter Ulrich hat sich nach Ämtern nie gedrängt. Er wollte nicht im Rampenlicht stehen. Ihm lag mehr die Arbeit an der Sache und der tägliche Umgang mit Menschen. Er war ein Menschenfreund, der seine Umgebung auch bei harter Arbeit mit Wärme umgab. Seine menschliche und ausgleichende Art, mit der er auch politische Probleme zu lösen versuchte, waren die Grundlage für seine Fähigkeit zur Integration.

Peter Ulrich war über die Parteigrenzen hinaus eine angesehene Führungspersönlichkeit, für den die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger immer Ansporn und Auftrag waren.

Wir nehmen Abschied von unserem ehemaligen Kollegen Peter Ulrich und gedenken seiner in Hochachtung.

[Gedenkminute]

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Peter Ulrich erhoben. Ich danke Ihnen.

Bevor wir in unsere Tagesordnung vollständig eintauchen, habe ich noch an einen wichtigen Gedenktag zu erinnern.

Heute ist der 1. September. Das nicht nur der internationale Weltfriedenstag, sondern es jährt sich zum 72. Mal der Überfall von Hitler-Deutschland auf Polen. Auf die Lüge und den Blitzkrieg ab dem 1. September 1939 folgten eine grausame Besatzung Polens und der Massenmord an Juden, Intellektuellen und polnischen Patrioten.

66 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. Deutschland hat in dieser langen Zeit seine Geschichte aufgearbeitet und ist Teil eines gemeinsamen Europas geworden. Das größte Glück liegt aber darin, dass wir heute versöhnt mit unseren Nachbarn zusammenleben können.

Aus Feindschaft ist Respekt geworden, und aus Respekt wurde Freundschaft. So haben sich die polnische und die deutsche Kulturnation wieder viel zu sagen. Ende September wird im Martin-Gropius-Bau die größte Ausstellung stattfinden, die es zum Thema Deutschland und Polen je gegeben hat. Sie trägt den Titel „Tür an Tür. Polen – Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte“.

Das Abgeordnetenhaus wird zur Eröffnung diesen Plenarsaal zur Verfügung stellen.

Die Fraktionen des Abgeordnetenhauses haben sich anlässlich des heutigen Tages auf folgende im Europaausschuss eingebrachte Entschließung verständigt, die Ihnen als Drucksache 16/4389 vorliegt. Es ist dies eine dringliche Beschlussempfehlung gemäß § 21 Abs. 3 Satz 5 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses. – Ich stelle fest, dass der Dringlichkeit nicht widersprochen wird. Der Text lautet:

Freundschaft zwischen Deutschland und Polen – Berlin und Warschau vertiefen ihre Partnerschaft

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: Enge Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sind nach der leidvollen Geschichte Polens für uns Deutsche ein historischer Auftrag. Die dunklen Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte liegen hinter uns, wir dürfen sie jedoch nie vergessen. Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Millionen Menschen verloren durch die verbrecherische Besatzung ihr Leben, der Holocaust löschte auch in Polen millionenfach Leben und blühende jüdische Kultur aus. Aus dieser gemeinsamen Geschichte erwächst unsere Verantwortung für die Zukunft. Der Weltfriedenstag mahnt uns, gemeinsam für den Frieden und für die europäische Einigung einzutreten. Seit dem Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 sind Gewaltverzicht und Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen in Europa geltendes Völkerrecht. Dieser historische Vertrag hat die Weichen für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen gestellt. Mit dem Grenzvertrag von 1990 und dem Nachbarschaftsvertrag von 1991 hat das vereinte Deutschland die Grundlage für eine enge, partnerschaftliche und zukunftsorientierte Zusammenarbeit geschaffen, auch zwischen den beiden Hauptstädten Warschau und Berlin. Beide Städte verbindet eine nun 20-jährige Städtepartnerschaft. Mit der geschlossenen Rahmenvereinbarung über gegenseitige Zusammenarbeit zwischen Berlin und Warschau hat sich eine vertrauensvolle Verbindung zum beiderseitigen Vorteil entwickelt. Durch den stetigen Austausch von Wissen und Erfahrung sind Berlin und Warschau die Vorreiter einer Vertiefung der deutsch-polnischen Beziehung, sie erfüllen diese mit Leben. Der auf polnischer Seite von Vielen erbrachte Vertrauensvorschuss hat diese Partnerschaft möglich gemacht.

Gerade am 50. Jahrestag des Mauerbaus spricht das Abgeordnetenhaus von Berlin Polen für seinen wesentlichen Beitrag zum Ende des Kalten Krieges und zum Fall der Mauer großen Dank aus. Ohne die polnische Freiheitsbewegung wären Deutschland und Berlin heute nicht wiedervereinigt. Im Geist des Nachbarschaftsvertrags von 1991 ist das Ziel Berlins, zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit

und zur Überwindung wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede beizutragen. Für Berlin ist dabei die 2006 ins Leben gerufene Oderpartnerschaft von herausragender Bedeutung. Der Regionalverbund zwischen den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und den Woiwodschaften Großpolen, Westpommern, Niederschlesien und Lubuskie entwickeln sich durch politische und infrastrukturelle Vernetzungen zu einem dynamischen Wirtschaftsraum, der sich mit anderen europäischen Wirtschaftsräumen messen kann.

Nicht erst seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 tragen Deutschland und Polen gemeinsam Verantwortung für Frieden und Verständigung in und außerhalb Europas. Für Polens Schlüsselrolle bei der Gestaltung der europäischen Nachbarschaftspolitik steht Berlin als verlässlicher Partner zur Seite. Wir begrüßen und unterstützen daher die Schwerpunkte der polnischen EU-Ratspräsidentschaft.

Das Abgeordnetenhaus von Berlin bekräftigt das Ziel, die vielfältigen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen auf allen Ebenen auszubauen und die Freundschaft zwischen Deutschen und Polen weiter zu vertiefen.

Meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher, diese Entschließung gibt den Geist der deutsch-polnischen Beziehungen wieder und ist ein richtiger und wichtiger Beitrag zum heutigen 1. September. Eine Aussprache darüber ist nicht gewünscht, sodass Sie nun über die Entschließung Drucksache 16/4389 abstimmen. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön! – Die Gegenprobe! – Das war einstimmig. Enthaltungen sehe ich nicht. Danke schön!

[Allgemeiner Beifall]

Bevor wir zum Geschäftlichen der heutigen Sitzung kommen, möchte ich noch Glückwünsche aussprechen. Zunächst Herrn Dr. Fritz Felgentreu von der SPDFraktion und Herrn Scott Körber von der CDU-Fraktion – beide haben heute Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

[Allgemeiner Beifall]

Geburtstag bei einer historischen Sitzung ist doch etwas Schönes!

Dann gratuliere ich dem Abgeordneten Benedikt Lux von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nachträglich zur Geburt der Tochter Marie am 30. Juni – herzlichen Glückwunsch und alles Gute für Mutter und Kind!

[Allgemeiner Beifall]

Den muslimischen Mitgliedern des Hauses möchte ich zum Zuckerfest herzlich gratulieren. Alles Gute zu diesem hohen muslimischen Feiertag!

[Allgemeiner Beifall]

Dann habe ich noch die Freude, den Nachfolger des Kollegen Zeitz, Herrn Martin Vogel, als neuen Länderbeauftragten für Berlin-Brandenburg, unser Kontaktpartner zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, herzlich zu begrüßen. – Herzlich willkommen, auf eine gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Zum Geschäftlichen teile ich mit, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Antrag „Individuelle Kennzeichnung bei der Polizei“ Drucksache 16/0225 zurückzieht. Der Antrag wurde in der 7. Sitzung am 22. Februar 2007 an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung überwiesen.

Am Montag sind fünf fast gleichlautende Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen. Im Ältestenrat haben sich die Fraktionen auf das folgende Thema verständigt, das ich unter Punkt 3 der Tagesordnung aufrufen werde: Bilanz vor der Wahl – wie steht es um Arbeit, Bildung, Wohnen/Mieten und Sicherheit in Berlin? Die am Montag eingegangenen Einzelanträge haben sich aufgrund des gemeinsamen Themas erledigt.

Ich möchte Sie auf die Konsensliste und das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, so bitte ich um entsprechende Mitteilung.

An Senatsmitgliedern ist für die heutige Sitzung der Regierende Bürgermeister entschuldigt, der ab 18.15 Uhr an der Eröffnungsfeier der Internationalen Funkausstellung teilnimmt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Dr. Felicitas Tesch von der SPD-Fraktion mit der Frage über

Erfolgreicher Schulstart 2011/2012

Bitte schön, Frau Dr. Tesch, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie ist aus Sicht des Senats der Start in das Schuljahr 2011/2012 verlaufen?