Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich darf Sie begrüßen und unsere Gäste, unsere Zuhörer sowie die Medienvertreter ebenfalls sehr herzlich.
Besonders begrüße ich unsere neue Kollegin, Frau Abgeordnete Dr. Nicola Böcker-Giannini von der SPDFraktion, die für Frau Karin Korte nachgerückt ist und heute erstmals an einer Plenarsitzung teilnimmt. – Herzlich willkommen! Auf gute Zusammenarbeit!
Ich habe dann Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
und Lompschers Bilanz beim Wohnungsbau: Baugenehmigungen sinken – Enteignung und Entmachtung verstärken das Problem“
Hebammensuche länger dauert als die Schwangerschaft – die Geburtshilfe in Berlin braucht dringend Hilfe!“
Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der FDP „Wenn die Hebammensuche länger dauert als die Schwangerschaft – die Geburtshilfe in Berlin braucht dringend Hilfe!“ verständigt, sodass ich dieses Thema gleich in der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufe. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Ich möchte dann noch auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 6, 26 bis 30 und 47 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist dies einvernehmlich so beschlossen
Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.
Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Frau Senatorin Breitenbach ist ganztägig entschuldigt. Ebenso Herr Senator Geisel, der heute krankheitsbedingt entschuldigt ist. Ich wünsche von dieser Stelle aus gute Besserung!
Wenn die Hebammensuche länger dauert als die Schwangerschaft – die Geburtshilfe in Berlin braucht dringend Hilfe!
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. In der Runde der Fraktionen beginnt die FDP. Herr Kollege Kluckert hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Rängen! Herzlich willkommen! Für viele ist die Geburt ihres Kindes der schönste Moment im Leben überhaupt. Er ist voll von Emotionen, überwältigenden Gefühlen und voller Aufregung und Vorfreude. Die Aufgabe des Senates wäre es eigentlich, die Rahmenbedingungen für die Geburt so auszugestalten, dass dieser bedeutende Moment auch tatsächlich der glücklichste Moment im Leben junger Mütter und Väter wird.
Doch in Berlin ist das leider nicht so, denn immer häufiger wird die Geburt für werdende Eltern zum stressigsten Moment in ihrem Leben überhaupt. Die Suche nach einer Hebamme dauert beinahe länger als die Schwangerschaft selbst, und so empfiehlt sogar die Vorsitzende des Hebammenverbandes, sich am besten sofort nach dem positiven Schwangerschaftstest um eine Hebamme zu kümmern, da man später unter Umständen keine mehr bekommt. Durch Engpässe in den Kreißsälen kommt es oft zu dramatischen Szenen, nämlich dann, wenn Hochschwangere eine Tortur erleben, weil sie von Klinik zu Klinik gefahren werden müssen auf der Suche nach einem freien Kreißsaal. Und wer es tatsächlich schafft, einen Kreißsaal und eine Hebamme zu finden, erlebt nicht selten, dass die Hebamme an ihre Kapazitätsgrenze stößt und die Grenze des Belastbaren längst überschreitet. All das sind Zustände, die diese Stadt nicht verdient hat und die wir nicht länger akzeptieren wollen.
Das sind nur zwei Überschriften von fast gleichlautenden vielen Überschriften, und viele von Ihnen denken jetzt bestimmt, das sind Überschriften aus der letzten Woche. Das sind sie leider nicht. Es sind Überschriften aus den Jahren 2013 und 2014. So lange sind dem Senat die Probleme bekannt, und so lange hätte er Zeit gehabt, um den Hebammenmangel zu beseitigen.
Die Ursachen sind auch hinreichend bekannt, denn auch diese sind exakt die gleichen, wie sie vor fünf Jahren in den Zeitungen beschrieben wurden. Wir leben in einer wachsenden Stadt. Auf der einen Seite haben wir mehr Geburten, aber auf der anderen Seite haben wir immer weniger Hebammen. Warum ist das eigentlich so?
Ursache Nummer eins ist, dass viele ausgebildete Hebammen in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten können oder nicht mehr arbeiten wollen. Viel zu teure Haftpflichtversicherungen, ohne die man nicht arbeiten darf, sind für Hebammen nicht mehr bezahlbar. Generell ist die Vergütung von Hebammen viel zu gering, um eine eigene Familie ernähren zu können, und, glauben Sie mir, Hebammen gründen gerne selber Familien.
Natürlich reicht das wenige Geld auch nicht für eine Altersversorgung, um später in Form einer adäquaten Rente die Anerkennung zu bekommen, die eine Hebamme mit Sicherheit nach ihrem Berufsleben verdient hätte. Geringe Bezahlung, viele Überstunden, die Arbeitsbedingungen in manchen Kreißsälen sind derartig schlecht – all das hat dazu geführt, dass viele Hebammen ihren Beruf aufgegeben haben.
[Heiterkeit bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]
Und weil diese Ursachen nicht neu und seit Jahren bekannt sind, hätte die Senatorin theoretisch am ersten Tag
im Amt, also vor über 400 Tagen, ein fundiertes Konzept zur Beseitigung des Hebammenmangels erarbeiten können. Aber anstatt dieses zu tun, wurde ein Runder Tisch einberufen und ein Zehn-Punkte-Plan mit dem Titel: „Für eine gute und sichere Geburt“ entwickelt, den man uns heute bestimmt hier noch von der Koalition aus – da bin ich mir sicher – als Erfolg verkaufen wird. Aber dieser Zehn-Punkte-Plan ist aus Sicht der FDP kein Erfolg, denn er enthält nichts Innovatives, nichts Neues und löst die Probleme nicht.
Denn der Plan beschreibt lediglich, wo die Probleme sind. Konkrete und fundierte Vorschläge zur Verbesserung der Situation hat der Senat nicht.
Ich möchte Ihnen das einmal ganz konkret an einigen Beispielen belegen und fange mit Punkt 3 des Plans an, übrigens für mich einer der Punkte, der an erster Stelle hätte stehen müssen. Für den Senat ist es anscheinend nur Punkt 3, nämlich: die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern. Das hört sich erst einmal gut an. Und man könnte meinen, der Aktionsplan beantwortet auch, wie wir die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern wollen. Die Antwort des Senats ist es: Die Krankenhäuser werden sich darüber verständigen, wie sich an allen Berliner Geburtskliniken die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern lassen.