Protocol of the Session on May 31, 2018

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Frau Burkert-Eulitz hat es erwähnt: Bezeichnenderweise haben sogar Parlamentarier der Koalition, jedenfalls von der Fraktion der Grünen und der Linksfraktion, mitdemonstriert.

[Heiko Melzer (CDU): Gegen sich selbst!]

SPD-Mitglieder gehören zu den Initiatoren der Demonstration.

[Regina Kittler (LINKE): Waren Sie denn da? – Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Nein, war er nicht! – Silke Gebel (GRÜNE): Wo waren Sie?]

Frau Scheeres! Herr Müller! Die Mitglieder Ihrer Partei und Ihre Koalitionspartner setzen jetzt schon auf die Straße, um Druck auf Sie auszuüben.

[Antje Kapek (GRÜNE): Nein, auf bessere Bezahlung!]

Wie finden Sie das?

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Das ist mehr als Streit in der Koalition. – Frau Kapek! Sie waren ja auch da.

[Silke Gebel (GRÜNE): Waren Sie denn da? – Antje Kapek (GRÜNE): Wo waren Sie?]

Das ist mehr als Streit, das ist öffentliches Niedermachen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

(Marianne Burkert-Eulitz)

Die Berlinerinnen und Berliner erwarten aber nicht, dass sich Vertreter der Koalition niedermachen, sondern dass sie die durch ihre Politik hausgemachten Probleme wenigstens entschlossen angehen.

[Beifall bei der CDU – Silke Gebel (GRÜNE): Reden Sie doch mal mit den Eltern!]

Frau Burkert-Eulitz! Ich widerspreche Ihnen auch ganz deutlich darin, dass die Situation in diesen Wochen und Monaten mit der Situation in der vergangenen Wahlperiode vergleichbar ist.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Was ist denn die Ursache dafür, dass das Thema frühkindliche Bildung seit 2016 zum Problem geworden ist? – Frau Burkert-Eulitz! Sie haben recht mit dem, was Sie gesagt haben: Der Hauptgrund sind fehlende Fachkräfte. Wir haben schon in der letzten Wahlperiode oft in diesem Haus vom Fachkräftemangel gesprochen. Nun haben wir den Salat. Flächendeckend fehlen Fachkräfte in Berlin.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin BurkertEulitz?

Jawohl!

Dann bitte schön, Frau Kollegin!

Lieber Herr Kollege Simon! Ist Ihnen bekannt – ich habe mal bei der Parlamentsdokumentation nachgeschaut –, dass wir schon 2013 über Fachkräftemangel und Fachkräftekrise genau hier in diesem Haus gesprochen haben und 2012 wahrscheinlich auch schon, von Anbeginn der letzten Legislatur?

Frau Burkert-Eulitz! Das stelle ich gar nicht in Abrede. Ich habe sogar ausdrücklich gesagt, dass wir in der letzten Legislaturperiode mehrfach über das Thema Fachkräftemangel gesprochen haben. Deshalb brauchen wir eine Steigerung der Attraktivität, und die Fraktionen der rot-schwarzen Koalition in der letzten Wahlperiode haben einen entscheidenden Schritt zur Steigerung der Attraktivität gemacht. Sie haben nämlich den Betreuungsschlüssel im Haushaltsumsetzungsgesetz Anfang 2016 angepackt. Das war eine großartige Leistung, die da erbracht worden ist,

[Beifall bei der CDU]

und eine Leistung, die dazu geführt hat, dass der Beruf attraktiver geworden ist.

Der zweite Punkt zur Steigerung der Attraktivität ist einer, den Sie auch genannt haben: die Bezahlung der Fachkräfte.

[Antje Kapek (GRÜNE): Genau!]

Wir haben etwa 10 000 baulich vorhandene Betreuungsplätze, die von Familien mit Kindern nicht in Anspruch genommen werden können, da Erzieherinnen und Erzieher fehlen. Die Gewerkschaften sprechen davon, dass zurzeit etwa 3 000 Plätze in Berlin fehlen. Führen Sie sich das einmal vor Augen! 10 000 baulich vorhandene Plätze, und 3 000 würden benötigt werden.

[Antje Kapek (GRÜNE): So ein Mundwerk, aber keinen Euro rausgeschafft!]

Die CDU hat aufgrund der Fachkräftesituation in diesem Bereich in Berlin schon im Wahlprogramm 2016 gefordert, die Vergütung der Erzieherinnen und Erzieher, die sich in Berlin nach dem Tarifvertrag der Länder, dem TV-L, richtet, auf das höhere Niveau des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes, TVöD, anzuheben.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Ja, wo ist der Antrag?]

Das würde die Attraktivität des Berufs steigern, und hier gibt es auch einen Konsens. Eine Steigerung der Attraktivität ist ja doch notwendig, um mehr Menschen zu gewinnen, diesen verantwortungsvollen Beruf zu wählen und in ihm möglichst lange zu verweilen. Eine solche Steigerung der Attraktivität ist vorausschauende Politik.

[Beifall bei der CDU]

Leider müssen wir aber in diesem Haus zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2017 nur ein Teil der SPDSenatsriege vorausschauende Politik machen wollte. Das reicht aber nicht. Der SPD-Finanzsenator hat in den Tarifverhandlungen 2017 eine Erhöhung der Vergütung auf das Niveau des TVöD nicht erreicht. Nach diesem ungenügenden Tarifabschluss im ersten Halbjahr, der die erhoffte Attraktivitätssteigerung nicht in dem notwendigen Maß gebracht hat, gab es den Ausbildungsbeginn im zweiten Halbjahr 2017 und den Ausbildungsbeginn im ersten Halbjahr 2018. Zu beiden Terminen haben bestimmt weniger Menschen eine Ausbildung begonnen, als eine solche Ausbildung begonnen hätten, wenn, das Ziel der Gewerkschaften und der CDU, das Niveau der Bezahlung nach dem TV-L schon im ersten Halbjahr 2017 das Niveau des TVöD erreicht hätte. Und noch einmal: Jetzt haben wir den Salat. Es fehlen an allen Ecken und Enden Fachkräfte.

Und was tun Sie? Sie kommen ein Jahr nach Abschluss der letzten Tarifrunde auf die bahnbrechende, hier in Ihrem dringlichen Antrag eingebrachte Idee, das Einkommen der Berliner Erzieherinnen und Erzieher so zu verbessern, dass diese nach dem Niveau des TVöD

vergütet werden. – Da kann ich nur sagen: Besser spät als nie. Zugegeben: Es gibt seit etwa einem Monat Maßnahmen der zuständigen Senatsverwaltung. Bei genauer Betrachtung und in Kenntnis der Ausgangslage lässt sich durch Ihre Maßnahmen aber das wünschenswerte Ziel einer Stärkung der frühkindlichen Bildung nicht erreichen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wir ergreifen Maßnahmen!]

Bei einer der Maßnahmen geht es sogar nur um Mangelverwaltung. Mangelverwaltung: stringent sozialistisch, stringent Humbug! Alle 3 000 Eltern, die einen Kitagutschein haben, brauchen dringend einen Platz. Sie ermöglichen den Bezirksämtern, in den Kitaeigenbetrieben auf ein Platzkontingent für Fälle, die das Bezirksamt für besonders dringend erachtet, zuzugreifen. Das treibt seltsame Stilblüten, wenn die von der Linkspartei gestellte Jugendstadträtin von Mitte nun nur noch Bezirkskinder zulässt. Wir rufen Ihnen zu: Der Kitagutschein gilt für ganz Berlin. Der Kitagutschein ist für jede Familie essentiell, und jeder fehlende Platz ist ein besonders dringender Fall.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Als einzige Idee zur Personalgewinnung haben Sie ein unerprobtes Projekt in Form einer beruflichen Kontaktbörse vorzuweisen. Das ist zu wenig! Sofern Erzieher im notwendigen Umfang nicht eingestellt werden können, werden Sie tatsächlich keine neuen Plätze schaffen, und es leidet zuerst die Vermittlung von frühkindlicher Bildung. Und da behaupten Sie, Sie stärkten die frühkindliche Bildung. Und es leiden letztlich unsere Kinder darunter.

Weshalb vernachlässigen Sie die Tagespflege seit Jahren? Die Anzahl der Tagespflegestellen hat von 1 700 auf nun 1 600, also um über 100 abgenommen. Sorgen Sie dafür, dass wieder mehr Plätze in der Tagespflege entstehen, greifen Sie die Vorschläge der CDU auf!

[Beifall bei der CDU]

Frau Scheeres! Glauben Sie ernsthaft, Sie stärken die frühkindliche Bildung, indem Sie den gerichtlich zuerkannten Anspruch auf Übernahme der Betreuungskosten bis zum 31. Juli 2018 befristen? Weshalb ist der rot-rotgrüne Senat der Meinung, sich der Rechtsprechung eigenmächtig durch eine Fristsetzung zu widersetzen? Die CDU fordert, die Befristung sofort aufzuheben und die Betreuungskosten allen Eltern, die zurzeit keinen Betreuungsplatz erhalten können und in deren Kitagutschein der Betreuungsbeginn bereits verstrichen ist, unbürokratisch zukommen zu lassen.

[Beifall bei der CDU]

Sie, meine Damen und Herren von Rot-Rot-Grün, interessieren sich offenbar nicht für eine familienfreundliche und unbürokratische Lösung. Das bringen Sie nicht nur durch Senatshandeln zum Ausdruck, sondern auch sonst. Gestern saß im Rechtsausschuss ein Mitarbeiter der

Linksfraktion, auf dessen Hemd „Verklagt den Staat!“ aufgedruckt war. Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind suchen, haben aber weder Zeit, Lust und oft auch nicht das nötige Geld, das man zunächst einmal für einen Prozess gegen das Land Berlin vorstrecken muss. Die CDU will nicht, dass ein Rechtsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden muss. Der Staat muss bestehende Ansprüche, die sich gegen ihn richten, auch ohne Urteil erfüllen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir wollen nicht, dass Verwaltungsgerichte durch eine Klagewelle lahmgelegt werden. Wir wollen nicht, dass Anwälte sich eine goldene Nase an Prozessen verdienen, die das Land Berlin nur verlieren kann. Und vor allem: Wir wollen, dass Eltern in ihrer Freizeit Zeit mit ihren Kindern verbringen können und die Zeit nicht für prozessuale Schriftsätze, Gespräche und Termine verwenden müssen. Das ist nicht familienfreundlich, was Sie hier machen!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Berlin steht vor einer Herkulesaufgabe. Mittelfristig müssen zu den schon vorhandenen, aber mangels Erziehern nicht belegbaren 10 000 Plätzen voraussichtlich weitere 10 000 bis 20 000 Plätze hinzukommen. Der Senat hat auch deshalb ein Bauprogramm für modulare Kitabauten auf den Weg gebracht. Bei diesen standardisierten Bauten werden vom Senat etwa 36 000 Euro veranschlagt, um einen neuen Platz zu schaffen. Wenn die freien Träger, die 80 Prozent der Betreuungsplätze in Berlin anbieten und die durch enorme Anstrengungen schon in den vergangenen Jahren viele zehntausend Plätze neu geschaffen haben, beim Land Berlin Mittel aus dem Landesausbauprogramm beantragen, gibt es aber höchstens 20 000 Euro pro Platz. Wo sollen die freien Träger, die schon enorme Eigenmittel für den Ausbau in den letzten Jahren erbracht haben, eigentlich die Differenz hernehmen, noch dazu, da sie in den seltensten Fällen modular und standardisiert werden bauen können? Da ist es doch kein Wunder, dass der Ausbau ins Stocken gerät! Die jetzige Regelung ist nicht zu Ende gedacht. Stringent ist sie im Übrigen auch nicht. In der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung der Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen haben Sie sich mit den Trägern auf eine Kostenübernahme in Höhe von 95 Prozent der anfallenden Kosten geeinigt. Weshalb erstatten Sie beim Ausbau nicht auch 95 Prozent der anfallenden Kosten? – Frau Scheeres, hören Sie auf den Landesjugendhilfeausschuss, hören Sie auf die CDU, ändern Sie das sofort!