Protocol of the Session on November 15, 2018

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schmidberger! Erstens: Die Wohnungen, die jetzt noch entstehen – und da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Nelken, die Baufertigstellungsanzeigen in Berlin sind im Vergleich zu anderen großen Städten in Deutschland noch viel schlimmer – sind in Jahren entstanden, in denen Sie noch gar nicht in der Verantwortung gewesen sind. Die sind gar nicht unter Ihrer Zeit entstanden.

[Antje Kapek (GRÜNE): Das waren Sie!]

Zweitens: Wie sehr muss man in der eigenen Regierung eigentlich in der Ecke stehen, wenn man hier vorne so eine populistische Rede hält? Sie sind in Regierungsverantwortung und kriegen in Berlin nichts auf die Reihe!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zurufe von Sebastian Walter (GRÜNE) und Ülker Radziwill (SPD)]

Drittens: Liebe, von mir hochgeschätzte Frau Kollegin Schmidberger! Ihr Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg ist der größte Mietentreiber in Berlin,

[Oh! von den GRÜNEN und der SPD]

der kleinere und mittlere Unternehmen verdrängt, keine Wohnungen baut, keine Wohnungen zulässt. Sie haben überhaupt kein Recht, sich dazu zu äußern, Frau Schmidberger!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zurufe von Ülker Radziwill (SPD) und Steffen Zillich (LINKE)]

Für die Erwiderung haben Sie, Frau Schmidberger, wiederum das Wort.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Nein, Frau Schmidberger findet es total lustig, dass die Opposition genau die Punkte bringt, die sie heute erwartet hat! – Ich kann deswegen gerne noch mal Stellung beziehen. Schauen wir uns die Zahlen doch noch einmal an.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Zum Neubau: Herr Gräff! Sie müssen sich schon entscheiden. Entweder Sie machen so einen Titel, wo Sie behaupten, wir seien an allem schuld, auch daran, dass der Neubau nicht funktioniere – was gerade durch die Zahlen widerlegt wurde, weil wir von 2016 auf 2017 einen Anstieg der Baufertigungszahlen zu verzeichnen haben. Dann ist dieser Titel sozusagen nicht zutreffend – das dazu.

Zweitens: Wenn Sie jetzt aber sagen: Oh! 2017 sind die Zahlen im Vergleich zu 2016 hochgegangen. Das hat ja gar nichts mit Ihrer Regierung zu tun, stattdessen waren wir das! –, dann muss ich Sie schon mal fragen: Wer hat jetzt die Verantwortung für 2017 – Sie oder wir? – Irgendwie müssen Sie sich da mal entscheiden. Sie sind da sehr widersprüchlich.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von Henner Schmidt (FDP) und Steffen Zillich (LINKE)]

Herr Gräff! Wer austeilt, muss auch einstecken können. Wenn Sie so tun, als wäre alles schlecht und wir hätten alle Versprechen gebrochen,

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

und wenn Sie total viel übertreiben, sodass Ihnen noch nicht mal die Leute da draußen glauben, dann muss ich Ihnen sagen: Es ist sehr unglaubwürdig, und die Leute da draußen wissen doch, dass Sie es mit dem Mieterschutz nicht ernst meinen. Wenn Sie es mit dem Mieterschutz wirklich ernst meinten, dann müssten Sie uns dafür kritisieren, dass das Zweckentfremdungsverbotsgesetz nicht scharf genug ist. Dann müssten Sie uns dafür kritisieren, dass das Wohnungsaufsichtsgesetz noch nicht da ist und wir noch keine Häuser beschlagnahmt haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Beifall von Bettina Domer (SPD)]

Dann müssten Sie uns dafür kritisieren, dass wir in der Innenstadt nicht genug ankaufen, um die Leute vor Verdrängung zu schützen. Entscheiden Sie sich mal!

Und zum Schluss noch zu dem schönen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und dem Baustadtrat Florian

Schmidt: Ich weiß genau, was Sie ansprechen. Sie sagen: Oh! Der Herr Schmidt ist so böse, weil er sich mit der CG Gruppe und Herrn Gröner angelegt hat. – Dazu kann ich Ihnen Folgendes sagen: Erst einmal finde ich es witzig, weil Ihr Gedächtnis scheinbar nicht das beste ist. Erinnern Sie sich mal an die letzte Wahlperiode unter Rot-Schwarz. Da gab es ein bisschen Konflikte mit Herrn Gröner und der CG Gruppe um den Steglitzer Kreisel, aber ich werde das jetzt nicht weiter vertiefen. Keine Sorge! Sie können das selber nachlesen.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Ich will hier nur richtigstellen: Sie behaupten, wir hätten am Postcheckamt mehr Wohnungen verhindert. Das Gegenteil ist der Fall.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Es entstehen hier jetzt mehr geförderte Wohnungen als vorher. Geplant sind 244 statt 182 Wohnungen. Insgesamt baut die DEGEWO am Halleschen Ufer jetzt 311 Wohnungen und das komplett im Landesbesitz. Das sind übrigens 29 000 Quadratmeter, 12 000 Quadratmeter mehr als zuletzt die CG Gruppe uns zugestehen wollte. Also bitte! Gucken Sie sich das mal genau an. Vergleichen Sie mal die Quadratmeterzahlen. Sie werden feststellen: Sie haben nicht recht. Tut mir leid!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Anja Kofbinger (GRÜNE): So ist das!]

Dann hat die CDU die Möglichkeit, in einer zweiten Runde für 25 Sekunden das Wort zu ergreifen. – Herr Gräff, Sie haben das Wort!

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ich zähle mit!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Regierenden Bürgermeister gerade etwas versprochen: Ich werde nicht schreien. Ich sage an der Stelle gar nicht, dass Sie alles falsch machen.

[Steffen Zillich (LINKE): Drei Beiträge, und er ändert jedes Mal seinen Ansatz!]

Es ist relativ einfach: Ihr Senat kann es einfach nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Steffen Zillich (LINKE): Rohrkrepierer!]

Nun gebe ich Frau Senatorin Lompscher das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gräff! Vielleicht können Sie ja den Senat dabei unterstützen, dass die CDU in Steglitz-Zehlendorf von ihrem Vorhaben ablässt, in dem neuen Stadtquartier Lichterfelde Süd statt Geschosswohnungsbau mehr Einfamilienhäuser zu errichten und damit die Zahl der Wohnungen dort zu reduzieren.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Sonst sehen wir uns nämlich gezwungen, diesen Bebauungsplan an uns zu ziehen. Das würden wir aber eher ungern tun. Wenn Sie hier so engagiert sind, mache ich mir manchmal Sorgen um Ihre Gesundheit. Es wäre schön, wenn Sie vielleicht dieses Anliegen unterstützen könnten, denn es ist ja ein Projekt, das damals unter SPD- und CDU-Regie in Gang gesetzt worden ist.

Wohl kaum jemand in diesem Haus hat nicht jemand im Bekanntenkreis oder in der Familie, der oder die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche hat oder sogar Angst, die Miete bald nicht mehr zahlen zu können. Die Wohnungsfrage ist eine brisante soziale Frage. Das ist übrigens nicht erst seit gestern so, und das ist auch nicht nur in Berlin so. Weder neu noch zutreffend ist der Vorwurf, diese Koalition würde sich nicht genügend um den Wohnungsneubau kümmern. Deshalb freue ich mich, dass ich in dieser Debatte etwas klarstellen kann.

Vorweg möchte ich aber auch noch eins zum Thema Seriosität sagen: Seriöse Stadtentwicklung und Wohnungspolitik mit sozialen und städtebaulichen Zielen erschöpft sich eben nicht in Zahlenspielen. Völlig klar ist: Den Bedarf an zusätzlichem, insbesondere leistbaren Wohnraum zu decken, ist eine zentrale und keine leichte Aufgabe der aktuellen Politik. Berlin wuchs zwar zuletzt etwas weniger rasant, aber angesichts des starken Zuzugs

(Katrin Schmidberger)

zuvor und des weiter anhaltenden Bevölkerungswachstums und des Investitionsdrucks auch auf den Bestand ist der Wohnungsbedarf ungebrochen. Ich möchte Sie daran erinnern: Noch vor zehn Jahren sind in Berlin Wohnungen abgerissen worden. Erst vor vier Jahren hat der damalige Senat eine neue Wohnraumförderung auf den Weg gebracht, hat die Weichen in Richtung mehr Neubau gestellt. Die neue Koalition hat diesen eingeschlagenen Kurs neu ausgerichtet. Bis 2013 gab es offiziell keinen Wohnungsmangel in dieser Stadt, und neue Wohnungen bauen sich bekanntlich nicht so schnell, wie man Brötchen backen kann.

Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Das zeigen zum Beispiel rund 15 700 fertiggestellte Wohnungen im Jahr 2017. Um das mal zahlenmäßig ins Verhältnis zu setzen: In Hamburg waren es in diesem Jahr 7 920, in München 8 272. Das ist verhältnismäßig viel mehr. Das hat damit zu tun, dass in München schon seit viel längerer Zeit eine aktive Bodenpolitik betrieben wird und die planerische Vorbereitung für die großen neuen Wohngebiete dort natürlich auch schon früher angefangen hat. Die Fertigstellungszahlen 2017 in Berlin: Das war ein Anstieg um 15 Prozent verglichen mit dem Vorjahreswert. Es sind erstmals geförderte Wohnungen errichtet worden. Davon sind inzwischen mehrere Hundert bezugsfertig. Das sind gute Nachrichten für Berlin, denn wir brauchen nicht irgendwelche Wohnungen, sondern wir brauchen solche, die sich die Menschen leisten können.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Dass die aktuellen Quartalszahlen der Baugenehmigungen leicht unter denen des Vorjahres liegen, ist natürlich nicht erfreulich. Wer würde sich darüber freuen? Aber es ist eine Momentaufnahme, die übrigens – das ist hier schon ausgeführt worden – nichts mit den Fertigstellungszahlen dieses Jahres zu tun hat. Auch die Tatsache, dass es vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser betrifft, ist schon genannt worden. Eine Momentaufnahme ist kein Trend. Es gibt unterjährig große Schwankungen. Sie können nicht von mir erwarten, dass ich beispielsweise die Genehmigungszahlen vom Mai dieses Jahres, die im Vergleich zum Vorjahresmonat um 204 Prozent gestiegen waren, als Maßstab nehme. Im Umkehrschluss erwarte ich aber auch von der Opposition ein Mindestmaß an Seriosität im Umgang mit Zahlen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Steffen Zillich (LINKE): Wie es halt passt!]

Die Zahl der von Januar bis September genehmigten Wohnungen liegt mit über 17 000 weiter auf einem hohen Niveau. Wir können aber bedauerlicherweise nicht davon ausgehen, dass jede genehmigte Wohnung gebaut wird. Auch das Thema Bauüberhang mit knapp 60 00 ist erwähnt worden und auch, dass er im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch ist.

Wenn wir heute über Wohnungsmangel und Wohnungsneubau reden, dann lohnt tatsächlich mal ein kleiner Blick auf die Ausgangsbedingungen zur Start dieser Koalition, eben weil es nicht so schnell geht mit dem Bau neuer Wohnungen. Die planerischen Grundlagen für die neuen Stadtquartiere und zahlreichen Wohnungsbauvorhaben waren bei Weitem nicht auf dem Stand, dass man hätte losbauen können. Es ist im Übrigen selten so, dass man einfach so losbauen kann. In aller Regel muss man noch etwas vorbereiten. Der Wohnungsneubau bis 2016 ist quantitativ weit hinter dem seinerzeit schon bestehenden Bedarf zurückgeblieben. Qualitativ wurde mit einem hohen Anteil von Eigentumswohnungen und freifinanzierten hochpreisigen Mietwohnungen am Bedarf schlicht vorbeigebaut. Wohnungsneubau ohne Rücksicht darauf, was für Wohnungen errichtet werden, führt in der Konsequenz dazu, dass immer höhere Anteile am Einkommen für die Miete ausgegeben werden müssen, viele Menschen gar kein Angebot mehr finden, verdrängt werden oder sogar von Wohnungslosigkeit bedroht werden. Das wurde in Berlin viel zu lange ignoriert, und das hat diese Koalition geändert.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Im Ergebnis verzeichnen wir ein rechnerisches Defizit von 77 000 Wohnungen, die in den Jahren 2013 bis 2016 zu wenig gebaut worden sind. Würden wir dieses Defizit nicht vor uns herschieben, hätten wir keinen jährlichen Bedarf von 20 000, sondern von 14 000 Wohnungen. Ich erinnere an die Fertigstellungszahlen vom letzten Jahr: Das waren 15 700. Das heißt, wir haben hier ganz klar den richtigen Kurs. Dieser Senat hat die wohnungspolitischen Schwerpunkte neu definiert. Es geht klar um die Schaffung von zusätzlichem, insbesondere leistbarem Wohnraum und um den Schutz des preiswerten Wohnungsbestandes. Beides gehört untrennbar zusammen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]