Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 46. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich. Besonders begrüße ich eine Besuchergruppe mit neuen Mitarbeitern der Berliner Stadtreinigung.
Als neue Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen begrüße ich Frau Vera Junker. – Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit!
Die AfD-Fraktion hat am Dienstag turnusmäßig Vorstandswahlen durchgeführt. Dabei wurde der bisherige Vorstand im Amt bestätigt. Stellvertretend für den gesamten Vorstand darf ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Pazderski zur Wiederwahl gratulieren. Herr Abgeordneter Hansel wurde ebenfalls erneut zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. – Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch!
Herrn Staatssekretär Dr. Torsten Wöhlert darf ich zum heutigen Geburtstag gratulieren. – Alles Gute für Sie!
Und abschließend: Frau Abgeordnete Dr. Nicola BöckerGiannini von der SPD-Fraktion hat geheiratet. – Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch!
Als Geschäftliches habe ich mitzuteilen: Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
E-Akte in Sicht, mit Windows 7 auf Chaos programmiert. Rot-Rot-Grün schreibt die digitale Zukunft Berlins ab.“
Sicherheitsarchitektur mit rissigem Fundament – Justiz, Justizvollzug und Polizei am Rande der Leistungsfähigkeit“
Eine einvernehmliche Verständigung der Fraktionen über das heutige Thema der Aktuellen Stunde ist nicht erfolgt. Ich lasse daher abstimmen, und zwar über den Antrag der Fraktion Die Linke. Wer wie die Fraktion Die Linke für die Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema „Wohnungslosenhilfe stärken“ ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – AfD und ein fraktionsloser Kollege. Enthaltungen? – Bei FDP, CDU und dem anderen fraktionslosen Abgeordneten. Dann werde ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge als Tagesordnungspunkte 6, 6 A, 6 B, 6 C, 23 bis 26 und 38 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Dann ist die Tagesordnung einvernehmlich so beschlossen.
Ich darf Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hinweisen – und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion Die Linke. – Frau Fuchs, Sie haben das Wort!
Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch heute möchte ich als Erstes den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Wohnungslosenhilfe danken. Vielen Dank für die Arbeit, die Sie Tag und Nacht für wohnungslose Menschen in dieser Stadt leisten!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]
Die Wohnungslosenpolitik ist ein Feld mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen. Es gibt nicht mehr die
klassische Gruppe: männlich, mittleren Alters der wohnungs- und obdachlosen Menschen. Die Klientel und damit auch die Problemlagen haben sich deutlich verändert. Wir reden inzwischen z. B. von Familien mit Kindern, Frauen, pflegebedürftigen Menschen oder auch Menschen mit starken medizinischen Problemen.
Aber schauen wir uns erst einmal an, was im Bereich der Wohnungslosenpolitik bisher erreicht wurde. Wir haben mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 pro Jahr 12 Millionen Euro in den Bereich der Wohnungslosenpolitik gesteckt, um die vielfältigen Probleme zu lösen. Mit diesem Geld wurde unter anderem die Straßensozialarbeit aufgestockt, hier vor allem auch die Sozialarbeit für Kinder und Jugendliche, die auf den Straßen in Berlin leben. Mit dieser Straßensozialarbeit wird Vertrauen aufgebaut und werden gemeinsam mit den Betroffenen Wege gesucht, wieder in die eigenen vier Wände zu kommen. Dieser Senat hat das Platzangebot der Kältehilfe verdoppelt. Auch für diesen Winter sind wir bereits auf einem guten Weg, die 1 200 Plätze mit Start der Kältehilfesaison anbieten zu können. Ein wichtiger Schritt, um diese Plätze rechtzeitig zur Verfügung stellen zu können, war die Einrichtung der Koordinierungsstelle. Diese Kältehilfesaison startet in Berlin nun bereits im Oktober und endet erst im April.
Auch die Bezirke, die über die sozialen Wohnhilfen eine wichtige Arbeit für in Not geratene Menschen leisten, erhalten seit dem Doppelhaushalt 2018/2019 1,2 Millionen Euro mehr, um diesen wichtigen Bereich auszubauen. Auch die Prävention wurde mitgedacht. Es wurde die Sozialberatung in den Bezirken finanziert. Hier geht es natürlich darum, den Menschen zu helfen, bevor sie ihre Wohnung verlieren.
Auch die bezirklichen Schuldnerberatungen wurden gestärkt. Hier muss immer darauf geachtet werden, dass es sich meist um unterschiedliche Problemlagen handelt. Es geht um Mietschulden, Energieschulden und weitere Schulden, die die Menschen tief in die Schuldenfalle getrieben haben. Diese Koalition bekämpft die Armut, nicht die Armen in dieser Gesellschaft.
Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Bei allen Anstrengungen, die unternommen werden – obdachlose Menschen gehören zu unserer Stadt und zu unserer Gesellschaft.
Wir werden die Probleme, die seit Jahren nicht angegangen wurden, nicht in zwei, drei oder vier Jahren lösen. Wir alle wissen es, ich will es trotzdem noch einmal betonen: Die Leitlinien der Wohnungslosenpolitik in Berlin sind seit 20 Jahren nicht angefasst worden. Heute, fast auf den Tag genau 20 Jahre später, werden im Abge
ordnetenhaus die neuen Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und der Wohnungslosenpolitik diskutiert. Ich finde, das zeigt sehr deutlich, welchen Stellenwert das Thema Wohnungslosenpolitik bis zum Jahr 2016 hatte. Und das sollte sich vielleicht der eine oder andere Kollege auf der Zunge zergehen lassen, bevor er gleich wieder reflexmäßig lospoltert, dass diese Koalition im Bereich Wohnungslosenpolitik nicht genug tut: Diese Koalition hat sich die Überarbeitung der Leitlinien vorgenommen. Es gab seit 1999 viele Anläufe zur Überarbeitung, aber keiner hat zu einem Ergebnis geführt. Rot-Rot-Grün hat die Wohnungslosenpolitik zu einem sozialpolitischen
In der Herangehensweise zeigt sich der deutliche Paradigmenwechsel im Umgang mit wohnungslosen und obdachlosen Menschen und diesem Politikfeld. Die Senatsverwaltung ist die Überarbeitung übrigens nicht in ihrem stillen Kämmerlein angegangen. Es wurde vielmehr eine Strategiekonferenz einberufen. Zum ersten Mal wurde in dieser Stadt ein wirklich breiter Dialog über das Thema Wohnungslosigkeit gestartet. Es wurden alle Beteiligten an einen Tisch geholt: die Verwaltungen, und zwar alle, die Vereine, die Verbände und vor allem auch die Betroffenen. Hier wurde also nicht über wohnungs- und obdachlose Menschen gesprochen, sondern mit ihnen. Es tagten neun Arbeitsgruppen fast ein Jahr lang, und es gab eine weitere Strategiekonferenz, in der der Senatsverwaltung wichtige Aufgaben ins Hausaufgabenheft für die Überarbeitung der Leitlinien geschrieben wurden.
Nun sind sie also da, die neuen Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und der Wohnungslosenpolitik. Ihnen liegt das Papier vor. Sie haben es sicher alle gelesen, daher möchte ich nur einige Punkte herausgreifen. Als Erstes möchte ich den Bereich Prävention und Wohnraumverlust ansprechen. Dieser Bereich wird in den Leitlinien in zwei Phasen aufgeteilt. Die erste Phase bedeutet: Anzeichen für drohenden Wohnungsverlust liegen vor. – Hier muss unkompliziert mit den Menschen Kontakt aufgenommen werden, und es muss zu einer engen Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure – also der betroffenen Person, der Vermieter, der Leistungserbringer, der Jobcenter, der Schulen usw. – kommen. Auch wenn es für uns alle logisch und notwendig erscheint: Das wurde so noch nicht aufgeschrieben und entsprechend auch nicht angegangen. Es geht hier auch um Kontrollmechanismen, um Ratenvereinbarungen, um die direkte Überweisung der Miete und die Mietschuldenübernahme vor dem Verlust des Wohnraums.