Protocol of the Session on November 14, 2019

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Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1 und lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 31

Ein Familienfördergesetz für Berlin

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2295

In der Fraktion beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es hat das Wort Frau Abgeordnete BurkertEulitz. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen legen Ihnen heute einen Antrag mit einem klaren Auftrag an den Senat vor, so schnell als möglich ein beratungs- und beschlussfähiges Landesfamilienfördergesetz vorzulegen. Das ist neben der Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut eines der wichtigsten familienpolitischen Vorhaben im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag. Wir unterstützen den Senat aktiv dabei, dieses Gesetz zu erarbeiten. Ein Abwarten und ein Verschieben in eine ferne Zukunft soll es nicht geben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP]

Denn Berlin ist die Stadt der Familien. Immer mehr junge Menschen leben in unserer Stadt und gründen Familien. Dies bringt wachsende Herausforderungen für unsere Familieninfrastruktur wie in der institutionellen Förderung von Kindern und Jugendlichen in Kitas, Schulen und in der Jugendarbeit.

Familie – das kann in Berlin sehr vieles bedeuten. Hier treffen die unterschiedlichsten Familienkonstellationen aufeinander: Patchwork, getrennt lebende Eltern, Pflegefamilien, gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Regenbogenfamilien und die klassische drei- bis neun- oder noch mehr-köpfige Familie. Beim Aufwachsen von kleinen und großen Kindern in der Pubertät und darüber hinaus, in Krisenzeiten und bei Veränderungen müssen sich Familien vielen Herausforderungen stellen. Dabei brauchen sie Unterstützung, Begleitung und gegenseitigen Austausch, aber auch Orte, an denen sie gemeinsam mit ihren Kindern eine gute Zeit verbringen können. Dieser Bedarf wächst weiter. Die Fragen und Herausfor

derungen, denen sich Familien stellen müssen, werden komplexer.

Hinzu kommt, dass Berlin die Hauptstadt der Kinderarmut ist. Auch hier gibt es viel zu tun. Das bringt Stress in die Familien. Sie brauchen oft zusätzliche Unterstützung, damit das Aufwachsen ihrer Kinder gelingen kann.

Was soll das Familienfördergesetz leisten? – Familienförderung stellt die individuelle Familie in ihrer Vielseitigkeit, mit ihren Fragen, Problemen und Bedarfen in den Mittelpunkt. Das klingt gut, aber wie sieht die Realität aus? – Im zuständigen Bundesrecht gibt es für die Familienförderung lediglich eine Art Generalklausel, die nur statuiert, dass es überhaupt irgendwelche Angebote an Familien geben soll. Es gibt keine Konkretisierung und keinen Rechtsanspruch. Das reicht uns auf gar keinen Fall – Berliner Familien brauchen mehr!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir wollen den Weg, auf den sich Bremen, SachsenAnhalt und Thüringen gemacht haben, und ein Familienfördergesetz etablieren, das genau auf Berlin zugeschnittene Angebote benennt, Strukturen in den Bezirken beschreibt, einheitliche Standards setzt und die Finanzierung für diese Angebote dauerhaft sichert.

Die Bezirke sind sehr unterschiedlich ausgestattet. Jede Familie hat ein Recht, überall gute Bedingungen der Förderung vorzufinden. Auch sind die Angebote oft nicht dauerhaft abgesichert, finanzieren sich aus den verschiedensten Töpfen. Die Bezirke brauchen eine solide Basisausstattung an Angeboten, die zuverlässig finanziert werden. Festzuschreiben sind die stadtweite dauerhafte Absicherung der Familienzentren und ihr Ausbau in den Bezirken, Familienservicebüros.

Wir wollen den Ausbau von Gruppenangeboten zur Partizipation oder Begleitung der Übergänge von der Kita an die Grundschule, aufsuchende und begleitende Beratungsangebote für Familien, den Ausbau von Patenschaften, Eltern- und Bildungswegbegleitung, Gesundheitsförderung und viele Dinge mehr.

Wie Politik parteiübergreifend zusammenkommt, zeigt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Sein Jugendamt sowie viele aktive Träger und Engagierte haben sich schon seit vielen Jahren auf einen guten Weg gemacht, an dem wir uns orientieren könnten. Auch andere Bezirke haben bereits ein sehr dichtes Netz von Angeboten ausgebaut, andere hinken noch weit hinterher. Diese Angebote werden aber überall benötigt, denn die Fragen – wie ernähre ich mein neugeborenes Kind? Wie gehe ich mit der Pubertät meines Kindes um? Wie erspare ich meinem Kind in einer Trennungssituation möglichst Leid? – sind Fragen, mit denen sich alle Familien in dieser Stadt auseinandersetzen. Alle brauchen Unterstützung.

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und der CDU – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Paul Fresdorf (FDP)]

Aus den Reihen der beiden demokratischen Oppositionsfraktionen habe ich schon Stimmen gehört, die uns dabei unterstützen wollen, weil auch sie eine Notwendigkeit für ein Familienfördergesetz sehen. Darüber freue ich mich. Inhaltlich werden wir streiten, das ist gut. Die Familien in Berlin haben es verdient, dass wir sie als Land und in den Bezirken mit aller Kraft unterstützen, denn sie und ihre Kinder sind die Zukunft unserer Stadt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Nein! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Dann hat jetzt Herr Abgeordneter Simon für die CDUFraktion das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Heute besprechen wir den Antrag „Ein Familienfördergesetz für Berlin“, ein Antrag, den Rot-RotGrün eingebracht hat. Weshalb besprechen wir diesen Antrag heute, weshalb beraten wir ihn? – Wir beraten ihn, weil im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2016 steht, dass der Senat im Rahmen eines breiten Beteiligungsprozesses ein Familienfördergesetz auf den Weg bringen wird, das auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Dann geschah – nichts,

[Christian Gräff (CDU): Ui!]

jedenfalls nichts, was erkennen ließ, dass der Senat einen breiten Beteiligungsprozess starten wird, um ein Familienfördergesetz auf den Weg zu bringen. Also fragte die CDU nach. Der rot-rot-grüne Senat antwortete 2017 auf die schriftliche Anfrage der Kollegin DemirbükenWegner, dass beabsichtigt sei, in der zweiten Hälfte der Wahlperiode ein Familienfördergesetz einzubringen. Dem solle ein breiter Beteiligungsprozess zeitlich vorgelagert werden. Wer möchte, kann das unter der Drucksache Nr. 18/10661 nachlesen.

Dann geschah – nichts, jedenfalls nichts, was erkennen ließ, dass der Senat einen breiten Beteiligungsprozess starten wird, um ein Familienfördergesetz auf den Weg zu bringen. Also brachte die CDU-Fraktion den Antrag „Zusagen einhalten – Umgehend ein Familienfördergesetz auf den Weg bringen“ ins Parlament ein.

[Heiko Melzer (CDU): Ist auch vernünftig!]

Diesen Antrag behandelten wir im Plenum – also hier – in erster Lesung, im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familien, im Hauptausschuss, sodann berieten wir ihn in zweiter Lesung wieder im Plenum. Das war 2018. – Zurück: Der Koalitionsvertrag stammt aus 2016. – Wie verhielt sich Rot-Rot-Grün zu dem Antrag? – Sie lehnten ihn ab.

[Christian Goiny (CDU): Unerhört!]

Wer nun aber dachte, Rot-Rot-Grün würde wenigstens jetzt den breiten Beteiligungsprozess anstoßen und auf den Weg bringen, wurde enttäuscht, denn es geschah –

[Heiko Melzer (CDU): Nichts!]

nichts, jedenfalls nichts, was erkennen ließ, dass ein breiter Beteiligungsprozess gestartet wird, um ein Familienfördergesetz auf den Weg zu bringen. Im Gegenteil: Mitarbeiter der SPD-geführten Bildungsverwaltung ließen durchblicken, dass es zunehmend unwahrscheinlich werde, dass der rot-rot-grüne Senat dieses Vorhaben in dieser Wahlperiode überhaupt auf den Weg bringen würde.

[Zuruf von Andreas Otto (GRÜNE)]

Die CDU-Fraktion hat Verständnis dafür, dass grüne und linke Politikerinnen und Politiker an die Decke gegangen sind und wir jetzt diesen Antrag beraten, denn: Wozu schließt man einen Koalitionsvertrag? – Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten, liebe SPD! Diesen wichtigen Grundsatz vertraten schon die Römer.

[Zurufe von Frank Zimmermann (SPD) und Christian Goiny (CDU)]

Ich finde es konsequent, dass Grüne und Linke nun darauf dringen, mit einem Parlamentsbeschluss die SPDgeführte Bildungsverwaltung auf den richtigen Weg zu bringen. Auch die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass ein Familienfördergesetz Berlin gut tun würde. Deshalb haben wir nachgefragt, deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, und deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

Dieses Familienfördergesetz, das ja nach Ihrem Koalitionsvertrag auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen soll, brauchen die Familien in Berlin ebenso wie entschlossenes und schnelles Handeln für mehr Kindergartenplätze, für mehr Plätze in der Tagesbetreuung, bei Tagesmüttern und Tagesvätern. Tausende Eltern suchen einen Platz für ihren Nachwuchs, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Dieses Problem ist in diesem Ausmaß in dieser Wahlperiode entstanden, in der Wahlperiode, in der Sie von Rot-Rot-Grün es sich vorgenommen hatten, ein Familienfördergesetz auf den Weg zu

(Marianne Burkert-Eulitz)

bringen. Also: Die Worte aus dem Koalitionsvertrag, an die Sie Ihr eigener Antrag erinnert, sind gut. Taten sind besser. Packen Sie es an! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Franz Kerker (AfD)]