Protocol of the Session on March 5, 2020

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Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sehr herzlich.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die ehemalige SPD-Abgeordnete Helga Müller ist am 7. Februar im Alter von 88 Jahren verstorben. Sie wurde am 18. November 1931 in Berlin geboren. Nachdem Helga Müller 1951 das Abitur ablegte, folgte eine Ausbildung in der Finanzverwaltung. Sie wurde zunächst Steuersekretärin, und später war sie Steueramtfrau im Finanzamt Neukölln-Nord.

Der SPD trat Helga Müller 1972 bei. Im Jahr 1979 zog sie für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und gehörte dem Parlament etwa zwölf Jahre lang an. Sie wirkte in den Ausschüssen für Justiz, im Ausschuss für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen und in der 9. Wahlperiode als Vorsitzende des Ausschusses für Rechnungsprüfung. Darüber hinaus engagierte sie sich im Hauptausschuss, in den Ausschüssen für Verkehr und Betriebe sowie für Wissenschaft und Forschung. In der 11. Wahlperiode war Helga Müller Beisitzerin im Präsidium.

Auch die ehrenamtliche Betätigung und das gewerkschaftliche Engagement spielten für sie eine Rolle. Von 1975 bis 1979 war Helga Müller ehrenamtliche Jugendrichterin. Sie war darüber hinaus Mitglied des Kuratoriums und des Finanzausschusses des Pestalozzi-FröbelHauses. Vor allem aber engagierte sie sich in unterschiedlichen Funktionen und Ämtern für Neukölln. So war sie zum Beispiel von 1974 bis 1977 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in Neukölln, bevor sie deren Landesvorsitzende wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Anteilnahme gilt der Familie von Helga Müller, einer vielseitig engagierten Frau und einer passionierten Demokratin.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren von Helga Müller erhoben haben.

Der Kollegin Katalin Gennburg von der Fraktion Die Linke darf ich zum heutigen Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Dann kann ich mitteilen, dass es einen neuen Mandatswechsel gegeben hat. Herr Florian Swyter von der Fraktion der FDP hat sein Mandat niedergelegt und wurde bereits in der letzten Plenarsitzung verabschiedet. Bei der Fraktion der FDP ist nachgerückt Herr Alexander Wieberneit. Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus und auf gute Zusammenarbeit, Herr Kollege!

[Allgemeiner Beifall]

Bevor ich zu den weiteren geschäftlichen Mitteilungen komme, muss ich zurückkommen auf die letzte Plenarsitzung vom 20. Februar 2020. Der Abgeordnete Kerker hat in der letzten Plenarsitzung zu einem Beitrag eines Mitgliedes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gerufen: „Kinder sexuell missbrauchen, aber keine Moral!“ – Herr Abgeordneter Kerker, ich rufe Sie dafür nachträglich zur Ordnung!

Als Geschäftliches habe ich mitzuteilen, dass der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1936 „Qualität der Integrationskurse überprüfen – Evaluation der aktuellen Angebote notwendig“ in der 43. Sitzung am 6. Juni 2019 federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie überwiesen wurde. Dieser Antrag wurde von der antragstellenden Fraktion nunmehr zurückgezogen.

Der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2058 „Integrationskurse und Bekämpfung des Antisemitismus“ wurde in der 45. Sitzung am 29. August 2019 federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung überwiesen. Auch dieser Antrag wurden von der antragstellenden Fraktion nunmehr zurückgezogen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „8. März:

Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Freie

Bahn für Antisemiten statt für Oldtimerparade am Ku’damm – Nichthandeln des Innensenators und des Regierenden Bürgermeisters ist beschämend“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „8. März:

Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „8. März: Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Enteignungs

gerede stoppen! – Klassenkampf in Berlin beenden!“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Verkehrs

infrastruktur mutig voranbringen!“

Die Fraktionen haben sich auf das Thema der SPDFraktion „8. März: Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen“ verständigt. Somit werde ich dieses Thema gleich für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen, und zwar in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 36 A – Dringlicher Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/2534 „Istanbul-Konvention umsetzen: Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt verhüten und bekämpfen“. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagessordnungspunkten 3, 5 A, 18 bis 20 sowie 36 A und 36 B in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Dann sind diese Ergänzungen der Tagesordnung einvernehmlich so beschlossen.

Zur Tagesordnung darf ich des Weiteren darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 6 – Wahl einer Richterin des Verfassungsgerichtshofes – vorzuziehen. Dieser Tagesordnungspunkt soll unmittelbar im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 2 – Fragestunde – aufgerufen werden. – Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Die Tagesordnung ist damit so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass auch dazu kein Widerspruch erfolgt. Auch die Konsensliste ist damit so angenommen.

Entschuldigungen des Senats liegen nicht vor.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

8. März: Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen

(auf Antrag der Fraktion der SPD)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 36 A:

Istanbul-Konvention umsetzen: Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt verhüten und bekämpfen

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2534

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs zugestimmt. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der SPD. – Frau Çağlar! Sie haben das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Konsequent und symbolträchtig zum Weltfrauentag legen wir einen Aktionsplan vor, der für Frauen und Minderheiten in Berlin den Schutz und die Unterstützung vor Gewalt, Mobbing und Missbrauch weiter stärkt.

2011 unterzeichneten 13 Mitgliedsstaaten des Europarates in Istanbul das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Dieser völkerrechtliche Vertrag, aufgrund des Unterzeichnungsortes als Istanbul

Konvention bekannt, schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt. Auf seiner Grundlage sollen die verachtenswerten Taten verhütet und bekämpft werden. Für Staaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, ist die Konvention rechtlich verbindlich. Der Konventionstext umfasst alle Formen von geschlechterspezifischer Gewalt gegen Frauen, also körperliche, seelische und sexuelle Gewalt, des Weiteren aber auch Stalking, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung.

Im Februar 2018 ist die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten. Dadurch hat sich Deutschland zu umfassenden Maßnahmen verpflichtet. Alle staatlichen Organe haben die Verpflichtungen der Istanbul-Konvention umzusetzen. Ziele sind einheitliche Standards in der Prävention des Hilfesystems und der Strafverfolgung, dies bedeutet u. a. Gewalt gegen Frauen durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit vorzubeugen. Des Weiteren muss die Unterstützung von Betroffenen durch den Ausbau der Schutz- und Hilfsdienste, den Einsatz von ausgebildeten Fachkräften und die Bereitstellung von Schutzplätzen gewährleistet sein. Zu guter Letzt braucht es wirksame, strafrechtliche Normen und Sanktionsmöglichkeiten, um Gewalt gegen Frauen aufzuklären, zu bestrafen und Sofortschutz durch Kontaktverbote zu gewährleisten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]