Ich nehme den Vorschlag von Herrn Förster gerne auf, dass ich länger reden darf, weil ich Geburtstag habe. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Wir reden heute über die Volksinitiative zur Rummelsburger Bucht und damit auch über den Stand des stadtpolitischen Paradigmenwechsels, den sich diese Koalition vorgenommen hat und damit auch darüber, wie
Zumindest möchte ich erst einmal sagen, ein großer Dank geht auf jeden Fall auch an die Initiative, dass sie sich drangemacht hat, diese Auseinandersetzung noch in das Parlament zu tragen, zu einem Zeitpunkt, als es schon mit dem Bebauungsplan ziemlich weit fortgeschritten war. Immerhin hat die Initiative 34 707 Unterschriften vorgelegt. – Vielen Dank dafür!
Insbesondere dass die Volksinitiative einen rot-rot-grünen Senat mit dieser Auseinandersetzung konfrontiert, ist bemerkenswert, denn wir haben einiges versprochen. Die Dramatik der Auseinandersetzung über die Volksinitiative ist eben auch die Nagelprobe für den Politikwechsel in dieser Stadt. Ich habe zu Ehren der Initiative und aller stadtpolitischen Bewegungen heute mal mein Lieblingszitat des Sozialpsychologen Alexander Mitscherlich mitgebracht. Ich zitiere:
Da die Verankerung des in den Städten aufwachsenden Menschen in seiner Kindheit mit weit mehr Enttäuschungen, Beschränkungen, Verzichten, Verboten belastet ist, als dies bei vernünftigem Bedenken seiner Bedürfnisse notwendig wäre, wächst zwar ein stadtgeborener Bürger auf, aber keiner, dem diese seine Stadt wirkliches Interesse, wirklichen Respekt abnötigt. Er ist zu früh auf die egoistischen Regulationen vom Typus „Das Betreten des Rasens ist verboten“ getroffen, um später anders als egoistisch sich seinen Weg durch das „Dickicht der Städte“ bahnen zu können.
Wollen wir also diesen in die Sozialpathologie führenden Zirkel durchbrechen, so müssen wir dem Kind und Jugendlichen den ihm angemessenen Spielraum – im unmittelbaren Wortsinn – schaffen und gegen alle sonstigen Zweckmäßigkeitserwägungen offenhalten. Das wird nur gelingen, wenn unermüdlich Aufklärungsarbeit geleistet, wenn kräftig wiedergekäut wird, bis es auch der letzte Stadtverordnete verstanden hat. Bis er verstanden hat, dass er nicht nur für die Legung einer neuen Straßentrasse, sondern ebenso für die Schaffung eines Spielplatzes Boden in der Stadt enteignen kann.
Ist das nicht ein schönes Zitat? Von 1965. – Ich will ganz klar sagen an die Initiative, auch im Sinne Mitscherlichs: Durch den Einsatz der Initiative reden wir heute überhaupt erst darüber, dass wir mehr Sozialwohnungen für den B-Plan haben, eine mögliche Verhinderung auch von Coral World im Raum steht und über Ersatzplätze für
die Wagenplätze gesprochen wird. Wir reden nicht zuletzt über die Zukunft der Stadtentwicklung, das ist doch ganz klar. Es ist eben auch ganz klar, dass wir hier alle kollektiv mit drinhängen. Das ist Chance und Dilemma zugleich. Keiner kann sich entziehen und sagen, er hätte damit nichts zu tun. Wir haben ein Problem in ganz Berlin mit uralten Planungen, die uns Probleme bereiten, und wir haben auch ein Problem mit einer zweistufigen Verwaltung.
Das ist doch klar. Die Initiative hat auch in der Anhörung deutlich gemacht, dass es um die Zukunft geht, um die Zukunft der Bürgerbeteiligung, um ein Miteinander von Bezirken und Senat. Das sage ich auch ganz kollektiv, weil Sie sich, Herr Schneider, aufregen, an unsere Genossen in Lichtenberg.
Hier gehen wir gemeinsam mit einem Problem vom Platz, weil es eben um progressive Stadtentwicklung geht und aufgrund der Vorläufe, die unwirksam werden. Es ist natürlich ein Fehler gewesen, dass wir diese letzten Grundstücke verkauft haben. Das will ich auch noch mal klar sagen.
Wir haben gestern im Ausschuss auch über die Europacity geredet, und es gibt eine Verbindung auch zur Rummelsburger Bucht. Wir reden hier über städtebauliche Sünden, und ich sage bewusst Sünden, im Gegensatz zu Frau Spranger, über die, die Sprache des Ausverkaufs sprechen und wo die Zeit über solche Planungen hinweggegangen ist, wo man auch mal hier und da sagen kann: Das war wirklich ein Fehler. Insofern auch der Vorschlag von uns, tatsächlich ein Quartiersmanagement für neue Stadtquartiere einzurichten. Die Europacity braucht ein Quartiersmanagement. Das ist ein Problemquartier. Es muss jetzt erst einmal als soziales Gefüge eingerichtet werden.
Mit Blick auf die Anhörung im Ausschuss will ich auch noch einmal sagen: Ich nehme Herrn Verrycken beim Wort, dass er gesagt hat, man muss perspektivisch darüber nachdenken, wie man die Rückabwicklung von veralteten Planungen auch finanziell untersetzt. Insofern wünsche ich mir tatsächlich mehr Entschlossenheit. Es wäre mehr Entschlossenheit auch für unsere Stellungnahme gut gewesen. Die war nicht ganz einfach herzustellen. Aber wenn sogar CDU und FDP auch gestern im Ausschuss gesagt haben, sie plädieren für ein Ablaufdatum von Bebauungsplänen, kann ich nur sagen: Super, das machen wir. – Nur zur Erinnerung: Herr Evers hat gesagt, wir müssen Spekulationsspiralen durchbrechen.
Da nehmen wir Sie beim Wort. Wir gehen hier entschlossen voran und danken sehr dafür, dass die Initiative all diese Prozesse angeregt hat. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin sehr froh, dass die Volksinitiative „Bucht für alle“ die B-Planaufstellung Rummelsburger Bucht vom Bezirk noch mal hochgehoben hat und auf Landesebene thematisiert, obwohl das für uns auch ein Zwiespalt ist, denn es fehlt uns einerseits die Möglichkeit, das Verfahren wieder zurückzudrehen, und andererseits hat aber die Volksinitiative an ganz vielen Stellen absolut recht.
Deswegen haben auch im Bezirk unsere Bezirksverordneten in der BVV Lichtenberg aus guten Gründen dagegen gestimmt, und wir merken, dass der Konflikt wehtut, aber wenigstens für die Zukunft sollten wir daraus lernen.
In den Neunzigern, als die Planung begann, hatten wir in Berlin endlos viel Platz für soziokulturelle Nutzungen. Wir hatten billige Wohnungen. Selbst nach der Jahrtausendwende gab es noch lange keinen Run auf die Flächen an der Rummelsburger Bucht. Inzwischen hat sich die Situation hier in Berlin aber grundlegend geändert. Wir haben heute eine ganz hohe Bodenspekulation, ein Boom auf die freien Flächen. Wir haben eine starke Verdrängung, und heute fehlt uns günstiger Raum zum Wohnen, für Kultur, für Subkultur, für soziale Infrastruktur und sogar für Gewerbe. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Berlin vor einer blinden Verwertung zu schützen. Es ist ein Fehler, wenn wir Investorinnen und Inverstoren auf Gedeih und inzwischen leider vor allem auf Verderb hinterherlaufen. Wir müssen das Selbstbewusstsein haben, im Interesse Berlins, Forderungen zu stellen, und wir müssen den Mut haben, auch mal Nein zu sagen, wenn es eben nicht passt.
Die Investorinnen und Inverstoren, die wir brauchen, das sind die, die Berlin verstehen, und das gilt natürlich auch ganz besonders für den Tourismus. Man redet weltweit über sanften Tourismus, und auch hier in Berlin haben wir ökologische und soziale Nischen, die wir erhalten wollen und müssen. Deshalb haben wir ein Tourismuskonzept in Berlin, und das beruht auf den Kriterien Stadtverträglichkeit und Akzeptanz, Ökologie und Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Die Coral World zeichnet sich aus durch fehlende Stadtverträglichkeit und Akzeptanz, denn wir bräuchten den Raum eigentlich für andere Nutzungen und gegen die Verdrängung. Die Anwohnerinnen und Anwohner wurden in die Entscheidungen nicht einbezogen, und wir merken an der Volksinitiative und über 34 000 Unterschriften, dass die Akzeptanz fehlt. Die ökologische Verträglichkeit des Projekts ist zu bezweifeln.
Außerdem würde das Preisniveau einfach zu hoch sein, wenn man es mit den Projekten vergleicht, die in der Hinsicht schon existieren. Eine durchschnittliche Berliner Familie wird sich das nicht leisten können.
Dann bleibt noch die Frage der Verkehrsanbindung. Ja, die Rummelsburger Bucht liegt ganz nah am Ostkreuz. Die Verkehrsanbindung an den ÖPNV ist da sehr gut. Wer aber nachher wirklich mit der S-Bahn kommt oder ob nicht doch die Pkws dann im Wohngebiet einfach ziellos rumstehen, das wird sich dann zeigen. Das alles widerspricht unserem Tourismuskonzept, weil es Berlin mehr schadet als nützt, das ist kein nachhaltiger Tourismus.
Der B-Plan ist rechtsgültig, wir können nicht alles auf null stellen – das haben wir schon mehrfach gehört –, so gerne wir das wollen. Die Übernahme der Flächen in Landeseigentum, das ist ein Ziel, das wir haben, das aber nicht einfach und direkt zu erfüllen ist. Aber sobald die Investorinnen und Investoren ihren Pflichten nicht einhalten, die Planungsabsicht ändern, ihre Grundstücke verkaufen, dann muss das Land zuschlagen und zurückkaufen, wenn es irgendwie möglich ist.
Der Nutzungsvertrag für die Grünfläche mit der Coral World ist der nächste Stachel im Fleisch. Hier wollen wir mindestens eine Nachverhandlung, sodass die Verlängerungsoption gestrichen wird, denn öffentliche Grünflächen gehören nicht privatisiert und müssen vollständig und jederzeit allen zur Verfügung stehen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Stefan Förster (FDP): Dann muss es aber auch gepflegt werden von irgendjemand! – Georg Pazderski (AfD): So ist es!]
Die Verdrängung der Anwohnerinnen und Anwohner ist der dritte schmerzhafte Punkt: Wir brauchen mindestens Ersatzflächen für die „Rummels Bucht“ und die Wagenplätze, und die Ausrede: „Es war doch eine Zwischennutzung und alle wussten Bescheid“ – ist bei der engen Raumsituation hier in Berlin keine Begründung, die Betroffenen alleinzulassen und auf der Straße auszusetzen.
Die Schiedsstelle ist eine Idee, die ich sehr gut finde, wir sollten die weiterverfolgen und sehen, wie wir das konzeptionell in das Konzept der Anlaufstellen integrieren können.
Die Lehre aus dieser Causa Rummelsburger Bucht für unsere Planungspraxis ist für mich: Wir müssen gerade bei langen Planungsverfahren immer wieder hinterfragen, wir brauchen eine regelmäßige Zielkontrolle, es darf kein Tabu sein, Entwicklungsziele zu ändern, selbst wenn es einmal Geld kostet, das nennt man dann Planungsschaden. Aber die Frage ist: Was ist ein Planungsschaden?
Wenn wir für die veränderten Bedürfnisse einstehen und das vielleicht einmal Geld kostet oder wenn wir über Jahrzehnte das falsche Haus zum falschen Preis und die falsche Nutzung am falschen Platz ertragen müssen? – Das ist doch der Schaden, der nicht wieder gutzumachen ist, und den wollen wir bitte nicht wieder verursachen. – Danke!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßt die AfD-Fraktion Initiativen, die die Möglichkeiten der direkten Demokratie nutzen, ausdrücklich. Mehr direkte Demokratie ist auch uns ein wesentliches programmatisches Anliegen. Deshalb hat unsere Fraktion auch der Initiative „Bucht für alle“, die die notwendigen Unterschriften gesammelt hat, in der Anhörung aufmerksam zugehört und ihr Anliegen interessiert zur Kenntnis genommen.
Allerdings mussten wir während der Anhörung feststellen, dass eine Vertrauensperson der Initiative unsere Fraktion in beschämender und aggressiver Weise beleidigte und uns vorhielt, keine demokratische Partei zu sein. Dabei wird offenbar von den Herrschaften völlig übersehen, dass uns 231 000 Bürger dieser Stadt gewählt haben, und wir als demokratisch legitimierte Abgeordnete gemäß unserer Verfassung die Interessen der Berliner vertreten.
Wenn man sich dann den Twitter-Account der Initiative „Bucht für alle“ anschaut, spricht das, ehrlich gesagt, Bände. Da werden fleißig Beiträge von der radikalen Linken retweetet, die steckbriefartig aktive Polizisten mit Foto denunzieren, es wird Antifa-Propaganda verbreitet, um Solidarität mit den Linksautonomen der Rigaer Straße geworben usw.; kurz: Alle linksautonomen und linksradikalen Hotspots Berlins finden sich hier wieder. Offenbar haben wir es hier mit Initiatoren zu tun, die staatliches Recht und Ordnung in Frage stellen. Wir alle kennen die anhaltenden Probleme und das Staatsversagen im linksradikalen Milieu.