Protocol of the Session on January 7, 2021

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Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 69. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.

Auch und gerade im Hinblick auf die derzeitige weiterhin sehr schwierige Zeit möchte ich Ihnen allen ein gutes, aber vor allen Dingen ein gesundes neues Jahr wünschen. Passen Sie alle auf sich und die Kolleginnen und Kollegen auf! – Herzlichen Dank!

Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ich habe eine traurige Mitteilung zu machen. Der ehemalige CDU-Abgeordnete Henning Lemmer ist am 18. Dezember im Alter von 89 Jahren verstorben. Er wurde am 25. November 1931 in Berlin geboren. Nachdem er 1950 das Abitur ablegte, studierte er in Berlin, Köln und Freiburg Jura. 1959 legte Henning Lemmer das zweite juristische Staatsexamen ab. Zunächst übernahm er anwaltschaftliche Tätigkeiten und stellte sich dann von 1960 bis 1971 in den Dienst des Landes Berlin. 1971 wechselte er in das Bundesgesundheitsamt. Der CDU trat Henning Lemmer kurz nach seinem Abitur 1951 bei. Er engagierte sich von 1967 bis 1971 als Bezirksverordneter in Zehlendorf.

Und im Jahr 1971 zog Henning Lemmer für die CDU ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Dem West-Berliner Parlament gehörte er fast zehn Jahre lang an: von 1971 bis 1975 und von 1976 bis 1981. In der 8. Wahlperiode hatte er den Vorsitz des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung inne. Von 1985 bis 1989 übernahm er in Steglitz als Bezirksstadtrat für Gesundheitswesen und Wirtschaft Verantwortung.

Nach seiner aktiven politischen Karriere wurde er bei uns im Haus als Justiziar im Wissenschaftlichen Parlamentsdienst der Verwaltung tätig.

Auch die ehrenamtliche Betätigung spielte für Henning Lemmer eine Rolle. So wirkte er im Vorstand des Unionhilfswerks mit und war Vorsitzender der Unionhilfswerkstiftung. Unsere Anteilnahme gilt der Frau und der Familie von Henning Lemmer.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

Als neues Mitglied des Abgeordnetenhauses und der Fraktion der CDU darf ich Herrn Christian Zander begrüßen. – Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit, Herr Kollege!

[Allgemeiner Beifall]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Gestatten Sie mir eingangs der heutigen Sitzung noch einige Anmerkungen. Die Bilder und Nachrichten, die uns gestern Abend und in der Nacht aus Washington erreicht haben, haben uns alle sehr geschockt. Dieser Angriff auf die Herzkammer der Demokratie in den USA ist ein Alarmsignal für alle Demokratien in der Welt. Für diesen Anschlag gibt es einen klar zu benennenden Verantwortlichen: Es ist Donald Trump. Machen wir uns nichts vor: Es zeigt sich wieder einmal, dass Demokratien fragil sind, wenn sie sich vor gewaltbereiten Antidemokraten nicht hinreichend schützen. Wir in Deutschland wissen: Das gilt sowohl geschichtlich als auch für die politische Gegenwart. Das Wort von den Gemeinsamkeiten der Demokraten muss durch konkretes Handeln untermauert werden. Viele von uns verspüren angesichts der verstörenden Bilder von heute Nacht eine tiefe Traurigkeit. Die USA haben mit der Luftbrücke das Überleben der Stadt und die Freiheit gesichert. Sie haben unsere Bemühungen um demokratische Verhältnisse unterstützt und die Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins vorangetrieben. Die Geschichte unserer Stadt ist eng verknüpft mit der Geschichte der USA, und das werden wir Berlinerinnen und Berliner niemals vergessen.

[Allgemeiner Beifall]

Schauen wir nach vorne. Wir stehen fest an der Seite aller demokratischen Menschen in Amerika. Ganz unpathetisch, aber sehr amerikanisch möchte ich unseren Freunden in den Vereinigten Staaten sagen, und dies sicherlich auch im Namen vieler Berlinerinnen und Berliner: God Bless America! – Vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Unsere heutige Sondersitzung findet statt aufgrund einer Übereinkunft im Ältestenrat und dient ausschließlich der Behandlung von Vorgängen in Bezug zu der Coronapandemie. Die in unserer Geschäftsordnung vorgesehene Ladefrist wurde eingehalten.

Ich verweise auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 2 A, 7 A und 14 A bis F in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ergänzend verweise ich auf die bei der Erstellung der Dringlichkeitsliste noch nicht, aber Ihnen nunmehr als Tischvorlage vorliegende Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 der Verfassung von Berlin, Drucksache 18/3280 „Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diesen Vorgang heute als Tagesordnungspunkt 13 A zu behandeln. Ich gehe davon aus,

dass diesen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Damit ist die dringliche Behandlung dieser Vorgänge beschlossen.

Zum vorgesehenen Tagesordnungspunkt 2 A dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP, Drucksache 18/3276: „Berliner Covid-19-Parlamentsbeteiligungsgesetz“ darf ich

feststellen, dass die Dringlichkeit einvernehmlich beschlossen wurde, sodass die nach unserer Geschäftsordnung erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Abgeordnetenhauses vorliegt.

Zum Ablauf der Plenarsitzung darf ich darauf hinweisen, dass nach Übereinkunft der Fraktionen vier Rederunden vorgesehen sind. Der Regierende Bürgermeister hat die Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema „2021: Gemeinsam Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft aus der Pandemie führen“ angekündigt. Diese erfolgt als Tagesordnungspunkt 1 mit einer anschließenden Aussprache. Dabei erfolgt eine Verbindung mit den Tagesordnungspunkten 7 A Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin, Drucksache 18/3278: „Ergebnisse der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 5. Januar 2021“ und Tagesordnungspunkt 13 A, die Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 der Verfassung von Berlin, Drucksache 18/3280: „Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-Infektionssschutzmaßnahmenverordnung“.

Nach der Aussprache zu der Regierungserklärung folgt Tagesordnungspunkt 2 A, der dringliche Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP, Drucksache 18/3276 „Berliner Covid19-Parlamentsbeteiligungsgesetz“, die erste Lesung mit Beratung.

Anschließend ist eine Rederunde zum Thema Gesundheit vorgesehen. Dazu wird Tagesordnungspunkt 6 vorgezogen und mit den Tagesordnungspunkten 14 B, 14 E und 14 F verbunden. Schließlich folgt eine Rederunde zum Thema Bildung. Dazu wird der Tagesordnungspunkt 3 mit den Tagesordnungspunkten 14 A, 14 C und 14 D verbunden. – Widerspruch höre ich nicht. Damit ist unsere heutige Tagesordnung so beschlossen.

Eine Lüftungspause erfolgt abhängig von der Anzahl der im Plenarsaal befindlichen Personen nach etwa zweieinhalb Stunden, voraussichtlich nach der Aussprache zur Regierungserklärung.

Auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass dazu kein

Widerspruch erfolgt. Auch die Konsensliste ist damit so angenommen.

Entschuldigungen des Senats liegen nicht vor.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, schließlich noch ein folgender, sehr wichtiger, Hinweis. Bedingt durch eine technische Störung ist heute leider keine Wortmeldung durch Knopfdruck möglich. Ich muss Sie daher bitten, sich wie in den Ausschusssitzungen durch Handheben zu melden und es uns nachzusehen, dass wir hier in Zusammenarbeit mit der Technik versuchen, das trotzdem einigermaßen vernünftig zu organisieren.

[Sebastian Czaja (FDP): Willkommen im Lernraum Berlin! – Heiterkeit bei der FDP]

Ach, Herr Kollege! Ich bin mir sicher, Sie haben auch schon mal unter dem Ausfall eines Computers gelitten. Aber schauen wir mal.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin

gemäß Artikel 49 Absatz 3 der Verfassung von Berlin

„2021: Gemeinsam Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft aus der Pandemie führen“

in Verbindung mit

lfd. Nr. 7 A:

Ergebnisse der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 5. Januar 2021

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/3278

und

lfd. Nr. 13 A:

Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/3280

Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

(Präsident Ralf Wieland)

Herr Präsident! Gestatten Sie mir bitte, dass ich mich vor der Regierungserklärung Ihren Ausführungen anschließe. Es sind tatsächlich bedrückende und erschreckende Bilder, die uns gestern Abend aus Washington erreicht haben. Viele Berlinerinnen und Berliner sind Amerika nach wie vor sehr eng und sehr freundschaftlich verbunden. Ich glaube, man muss nicht nur in die Geschichte unserer Stadt gucken, um diese Verbindung immer wieder zu sehen und nachzuempfinden. Es sind nicht nur die Freiheitsglocke auf dem Rathaus Schöneberg oder die Amerika-Gedenkbibliothek, es ist nicht nur so, dass sich noch viele ältere Berlinerinnen und Berliner an das Brummen der Motoren der Rosinenbomber erinnern, als Piloten wie Gail Halvorsen und andere großartige Männer und Frauen uns in einer schweren Stunde unserer Stadt geholfen haben, nein, es sind auch aktuell viele freundschaftliche Verbindungen. Ich möchte daran erinnern, dass unsere älteste Berliner Partnerschaft mit L.A. besteht. Seit über 50 Jahren sind wir der Stadt freundschaftlich verbunden. Heute sind wir Bürgermeister Eric Garcetti freundschaftlich verbunden, und es gibt vielfältige Programme des Austauschs: Ob in den Bereichen Jugend, Kultur, Stadtentwicklung, Wissenschaft, wir arbeiten eng zusammen.

Und ja, meine Damen und Herren, ich habe es gestern Abend auch sofort so empfunden, als ich die Bilder gesehen habe: Ein Angriff auf ein Parlament ist immer ein Angriff auf die Demokratie. Parlamente müssen immer frei von jeder Einflussnahme tagen und diskutieren können. Parlamente und Parlamentarier müssen frei arbeiten können. Es ist gestern Abend ein bewusster Angriff auf die Demokratie gewesen. Jeder Angriff auf ein Parlament weltweit ist ein Angriff auf die Demokratie.

[Allgemeiner Beifall]

Ich hoffe sehr, dass diese unsägliche Politik der Spaltung durch den amtierenden Präsidenten, durch den neu gewählten Präsidenten dann auch beendet werden kann und dass wir uns wieder freundschaftlich mit unseren Freunden in Amerika begegnen können, dass wir mit ihnen gemeinsam in den nächsten Jahren arbeiten können für bessere Lebensbedingungen, für die Hilfe anderer Länder und anderer Menschen, dass wir weiter gemeinsam in Frieden, Freiheit und Demokratie zusammenarbeiten können. Das wünsche ich mir. Ich schließe mich Ihnen an, Herr Präsident: Wir stehen an der Seite unserer amerikanischen Freunde.