Mitarbeitenden die Umfrage zu Karrierewünschen und Karrierehemmnissen gemacht, wie sie das selbst wahrnehmen, wo es hakt, von dienstlichen Beurteilungen, Teilzeitbeschäftigung.
Wenn sich mir diese Möglichkeit eröffnet, hier etwas zu zur Frauenförderung in der Justiz zu sagen, muss ich das wahrnehmen. Das werdet ihr verstehen. Das ist ja auch noch eine Oppositionsfrage. Die Wissbegierde der FDPFraktion erfülle ich gern. Sie können sich dann das eine oder andere für die Frage der Zusammensetzung der zukünftigen FDP-Fraktion abgucken. Da ist noch viel Luft nach oben, wenn ich mir das so angucke. Was die Frauenförderung angeht, ist die FDP jetzt nicht gerade führend, möchte ich ganz deutlich sagen.
Die Berliner Justiz ist das aber sehr wohl. Wir haben diese Umfrage gemacht. Die ist ausgewertet worden. Es gab dabei eine sehr hohe Beteiligung. Das war ausgesprochen erfreulich. An die zwei Drittel der Frauen haben sich beteiligt. Das haben wir ausgewertet, um daraus noch klüger zu werden. Wir haben uns dem Thema – das wussten wir vorher schon – Teilzeit sehr intensiv angenommen: Ist Teilzeit ein Karrierehemmnis? Wie wird das bei dienstlichen Beurteilungen berücksichtigt? – Es wurde häufig geschildert, dass bei Männern, die häufiger Vollzeit arbeiten, steht: „Er war dann noch bereit, überobligatorisch dies und jenes zu machen“. Das ist bei Teilzeitbeschäftigung in der Regel nicht der Fall. Da haben wir gesagt: Das wollen wir alles aus den dienstlichen Beurteilungen herausnehmen, um die Ungerechtigkeit hier zu beseitigen.
Lange Rede – kurzer Sinn: 37 ist, glaube ich, erreicht. Wir können das auch gern noch vertiefend im Ausschuss behandeln. Wir sind noch nicht am Ende, aber es ist durch eine ganze Reihe von Maßnahmen gelungen, den Anteil von R 2 und gerade auch R 3 beim Kammergericht und bei der Generalstaatsanwaltschaft deutlich zu erhöhen. Wenn Sie sich die Zahlen von 2016 und heute angucken, sind wir auf einem sehr guten Weg. Am Oberverwaltungsgericht ist das noch nicht in dem Umfang gelungen. Dort sind wir bei den Frauenquoten, gerade bei R 3, noch weit davon entfernt. Da bin ich mit dem Präsidenten im Gespräch.
Das ist eine dauernde Aufgabe. Ich entscheide das ja nicht alles allein, wie Sie wissen. Da geht es auch um die Fragen: Wer spricht Frauen an, um Karrierewege aufzuzeigen? Gendernotenspiegel – werden Frauen schlechter beurteilt als Männer? Da sind wir in der Auswertung. Hängt das womöglich auch vom Beurteilenden ab? Beurteilen Männer Frauen schlechter als Männer, und beurteilen Frauen Frauen schlechter als Männer? Diese Erhebung läuft aktuell. Auch davon verspreche ich mir weite
re Erkenntnisse. Das ist unser gemeinsames Ziel, und davon lasse ich auch nicht ab. Es kommt immer wieder Kritik aus dem Apparat, jetzt gerade wieder von der Staatsanwaltschaft, was ich betreiben würde, sei Männerdiskriminierung. Davon kann keine Rede sein. Es geht darum, den vielen guten Frauen in der Justiz gleiche Chancen einzuräumen, damit sie die Karriere genauso gut wie die Männer machen können. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Senator! Damit ist die Fragestunde für heute beendet. Es ist jetzt 12.38 Uhr, das heißt, wir setzen um 13.20 Uhr die Sitzung fort. Bis dahin ist Lüftungspause, und ich darf Sie bitten, den Saal zu verlassen.
Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin – 18. Wahlperiode – zur Untersuchung des Ermittlungsvorgehens im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016
Zunächst erhält der Vorsitzende des 1. Untersuchungsausschusses das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege Lenz!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegen vier Jahre intensiver Arbeit hinter uns. Am 6. Juli 2017 wurde der 1. Untersuchungssauschuss Terroranschlag Breitscheidplatz eingesetzt. Die letzte Sitzung fand vor der Sommerpause am 21. Juni 2021 statt. Der Bericht, das Ergebnis unserer Arbeit, umfasst mehr als 1 000 Seiten, genau genommen sind es 1 235 Seiten inklusive der Sondervoten der anderen Fraktionen.
Wir alle miteinander hatten, ich glaube, das kann ich auch im Namen aller sagen, eine große Verantwortung zu tragen; die haben wir auch gespürt, vor allem gegenüber den Opfern und deren Angehörigen, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit, denn dieser Anschlag hat nicht nur unglaubliches Leid erzeugt, er war auch ein Angriff auf unsere Art zu leben, auf unsere ganze Gesellschaft. In diesen Tagen wird uns schmerzlich bewusst, dass das Thema des islamistischen Extremismus weiter hohe Aktualität genießt.
Unser Auftrag war es nach unserem gemeinsamen Verständnis – und da, glaube ich, kann ich auch im Namen aller Mitglieder des Ausschusses sprechen –, nach Fehlern und Missständen zu suchen, um besser zu verstehen und nachzuvollziehen, wie es zu dem Anschlag kommen konnte. Wir hatten nach unserem gemeinsamen Verständnis auch den Auftrag, im Ergebnis durch die Aufarbeitung Schlussfolgerungen und Lehren zu ermöglichen, immer mit dem Ziel, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solcher Anschlag erneut ereignet, verringert wird, auch wenn natürlich klar ist, dass es in einem freiheitlichen Rechtsstaat niemals absolute Sicherheit geben kann.
Es ging uns darum, die Fehler nicht wie im Strafrecht individuell einer Person zuzuweisen, sondern Schwachstellen und Fehler herauszuarbeiten, auch strukturelle Fehler, um diese dann öffentlich zu benennen und Schlussfolgerungen zu ermöglichen, immer mit dem Ziel, dass unsere Sicherheitsbehörden besser werden, nicht mit dem Ziel, die Sicherheitsbehörden an den Pranger zu stellen.
Ob wir dieser Verantwortung gerecht geworden sind, müssen andere beurteilen, ich kann Ihnen aber im Namen aller versichern: Wir haben unser Bestes gegeben, und zwar gemeinsam.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]
Wir – das waren an dieser Stelle die Mitglieder des Untersuchungsausschusses aller Fraktionen – haben über Parteigrenzen hinweg zusammengewirkt und in der Regel an einem Strang gezogen. Wir waren nicht immer in allen Punkten einig; es gab durchaus Unterschiede. Am Ende ist es aber immer gelungen, eine gemeinsame Linie zu finden, im Interesse der Aufklärung, im Interesse der Erfüllung unseres Auftrages. Für dieses kollegiale Miteinander möchte ich mich bei allen Kollegen bedanken.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]
Dass das so möglich war, hat natürlich auch damit zu tun, dass wir im Hintergrund ein extrem gut funktionierendes Ausschussbüro hatten. Ich weiß, dass Beamte es nicht so gerne hören – sie sagen, das sei selbstverständlich; sie wollen auch nicht das Licht der Öffentlichkeit suchen –, ich möchte es dennoch an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Auf Sie konnten wir uns immer verlassen, Herr Bosenius mit Ihrem gesamten Team; ich werde jetzt nicht alle Namen nennen, es waren viele. Das galt nicht nur für mich als Vorsitzenden, es galt für alle Mitglieder des Ausschusses. Sie waren immer ansprechbar, im Grunde zu jeder Tages- und Nachtzeit und für alle Fragen; es war eine komplizierte Materie. Dafür herzlichen Dank im Namen aller!
Ich möchte mich auch bei den Vertretern der Opfer bedanken, die den Prozess begleitet haben. Auch hier waren wir nicht immer einig, aber wir haben immer eine Lösung gefunden, sozusagen in ein Miteinander zu kommen. Das war die ganzen vier Jahre des Aufklärungsprozesses so, und auch dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.
Sogar bei der Presse möchte ich mich bedanken. Das war natürlich oft noch schwieriger, aber selbst da ist es gelungen, angemessen zu agieren. Wir haben für jedes Problem eine Lösung gefunden. Auch das ist nicht selbstverständlich; es war eben ein ganz besonderes Thema, das wir zu bewältigen hatten.
[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN, der AfD und der FDP]
Bevor ich zu den inhaltlichen Ergebnissen komme, möchte ich noch ein paar Worte zum Verfahren sagen. Wir haben 64 Sitzungen durchgeführt. Wir haben über 90 Zeugen gehört, einige davon mehrfach, und zwar aus allen Bereichen: Polizei, Nachrichtendienste, Justiz, Politik. Wir haben über 1 500 Akten gesichtet, davon 625 eingestuft als VS-Vertraulich oder höher, nämlich Geheim. Hinzu kamen mehrere Terabyte digitale Akten von insgesamt über 16 verschiedenen Stellen. Aus diesem großen Umfang des Datenmaterials ergaben sich für uns natürlich mehrere Herausforderungen. Vor uns stand vor allem das Problem: Wie können wir eine solche Flut an Informationen und Daten sinnvoll auswerten? – Wir haben uns darauf verständigt, dass Ziel sein muss, am Ende wenigstens sagen zu können, dass alles, was wir haben sehen wollen, was wir haben prüfen wollen, auch prüfbar und einsehbar gewesen ist.
Wir haben das Ziel am Ende erreicht, aber wir mussten dazu verschiedene, auch neuartige, Wege einschlagen. Wir haben uns für ein kooperatives Vorgehen mit den Stellen, die wir kontrolliert haben, entschieden, weil wir anders gar nicht erreichen konnten, dass das zugeliefert wurde, was wir für unsere Arbeit brauchten. Wir sind in ein Miteinander gekommen, wir haben eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet, wir haben Priorisierungsverfahren etabliert – immer mit dem Ziel, dass wir dann konkret Dinge anfordern konnten, und die haben wir dann auch bekommen. Wir haben sogar einen Datenraum eingerichtet. Das kann man sich in der Kürze wahrscheinlich nur schlecht vorstellen, denn wir konnten uns in der Datenwelt bewegen, um dann konkret Entscheidungen zu treffen, dass wir Dinge zugeliefert bekommen haben möchten. Das hat im Ergebnis funktioniert, auch da hat es manchmal geknirscht, manchmal gab es Uneinigkeit.
Das war insbesondere deswegen so – das ist der zweite Punkt –, dass wir Dinge zu betrachten hatten, die oft gar
nicht für das Licht der Öffentlichkeit geeignet sind. Sicherheitsbehörden lassen sich sowieso nicht gerne auf die Finger schauen – hier auch nicht. Wir mussten das tun, das war unsere Pflicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass dadurch ein Spannungsverhältnis entsteht, aber wir haben es, glaube ich, so lösen können, dass wir guten Gewissens diese Zusage machen können. Das, was wir sehen wollten, haben wir gesehen.
Dieses kooperative Vorgehen – das gehört auch zur Wahrheit – war nur möglich, weil am Ende alle wussten, wenn es nicht kooperativ geht, dann machen wir es anders. Wir haben als Ausschuss durchaus Zähne gezeigt. Das wichtigste Beispiel ist das Bundesinnenministerium, dass bis zuletzt nicht verstehen wollte, warum es ein kleines Landesparlament kontrollieren möchte. Die haben uns Unterlagen zugeliefert, die schlichtweg nicht brauchbar waren. Wir sind als Ausschuss vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen und haben dort mit Erfolg erreicht, dass uns die Unterlagen geliefert werden mussten.
Wir haben auch andere Befugnisse genutzt; wir haben Ordnungsgelder verhängt. Das heißt, es war schnell klar, wenn es nicht kooperativ geht, dann sind wir auch bereit, die Dinge streitig zu klären, aber meistens geht es dann doch kooperativ, und man kommt weiter. Das ist keine Überraschung, denn das Ziel ist bei den Sicherheitsbehörden genau das Gleiche, nämlich mehr Sicherheit zu schaffen.
Zu den Ergebnissen: Die Ausgangsfrage war, wie es möglich ist, dass jemand wie Amri, der auf dem Radar der Sicherheitsbehörden war, der mit seinem Gefährdungspotenzial nicht unerkannt blieb und der dann in der ersten Jahreshälfte 2016 die Sicherheitsbehörden relativ intensiv beschäftigt hat, dennoch einen Anschlag begeht. Welche persönlichen und strukturellen Fehler, welche Missstände haben das ermöglicht oder zumindest begünstigt? Vorab kann ich sagen, dass wir – das ist eine gemeinsame Feststellung – keinen Einzelfehler gefunden haben, der für sich genommen so gewichtig war, dass er den Anschlag erklären kann.
Ich möchte an der Stelle sagen, bevor ich dann genauer zu den Fehlern komme, dass wir auch vieles feststellen konnten, was sehr gut funktioniert hat. Wir haben auch motivierte Mitarbeiter bei den Sicherheitsbehörden erlebt – das war der Regelfall –, die kompetent sind und noch einmal, die alles dafür tun, dass Kriminalität nicht geschehen kann und dass Terrorismus bekämpft werden kann. Es war nicht so, dass wir da in der Regel Leute vorgefunden haben, die da nichts zu suchen hatten.
Man muss es auch fair betrachten; darum haben wir uns auch immer bemüht. Man muss immer in eine Ex-anteBetrachtung gehen, wenn man das Verhalten von Perso
nen bewertet. Im Nachhinein weiß man immer alles besser, aber man muss das fair betrachten. Dennoch haben wir ganz viele Fehler festgestellt, und wir müssen feststellen, dass diese Fehler – da ist nichts zu beschönigen – und Versäumnisse den Anschlag in der Summe möglich gemacht haben. Auch wenn wir keine schweren Fehler und Einzelversäumnisse festgestellt haben, haben in der Summe Fehler und Versäumnisse dazu geführt, dass Amri eben nicht gestoppt wurde und den Anschlag begangen hat. Das muss man feststellen.
Im Einzelnen: Wie setzen sich diese Fehler zusammen? – Vielleicht ein allgemeinerer Fehler, der aber mit anderen zu tun hat, und zwar war das der Fehler der Einschätzung der Entwicklung des Amri vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 2016. Es war dort vorherrschend eine Meinung vertreten, dass eine Person wie Amri, der Drogen konsumiert und verkauft, der Alkohol trinkt, der sich so weltlich verhält, sich jedenfalls nicht auf einem Radikalisierungsweg befindet und dass deswegen in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 eher weniger als mehr Gefahr von Amri, der als Gefährder erkannt war, ausgeht als in der ersten. Das war eine falsche Einschätzung, die man getroffen hat. Diese falsche Einschätzung ist, denke ich, mit verschiedenen anderen Fehlern, die wir festgestellt haben, zu erklären, aber diese falsche Einschätzung führte dann auch zu Folgefehlern. Das durchzieht das Verhalten der Sicherheitsbehörden und löste neue Fehler aus.
Ich weise darauf hin – ich muss auf den Bericht verweisen, wir haben uns hier die Zeit aufgeteilt, die Kollegen werden sicherlich im Detail noch genauer darauf eingehen –, dass wir festgestellt haben, dass es überall, wo wir hingeschaut haben, zu wenig Personal gab. Überall wo wir hingesehen haben, haben wir immer noch einen unzureichenden Personaleinsatz feststellen können. Der Informationsaustausch hat auch nicht so gut funktioniert, wie wir das eigentlich erwartet hatten. Wir haben die Arbeit des GTAZ betrachtet. Da gab es diverse einzelne Kritikpunkte; wir haben auch Verbesserungsvorschläge gemacht.
Und – das ist mir noch wichtig, die anderen Punkte werde ich nicht alle aufzählen – wir haben in Berlin kein funktionierendes Gefährdermanagement angetroffen. Wir
mussten feststellen – und da muss man sich auch in die Ex-ante-Betrachtung begeben –, dass wir im Jahr 2016 – wir erinnern uns, das war das Jahr mit Paris 1, Paris 2, Brüssel, Nizza – in Berlin kein funktionierendes Gefährdermanagement hatten. Das war eine Sache, die uns alle negativ überrascht hat. Das ist ein struktureller Fehler, der so auch nicht mehr besteht, aber der sicherlich zu den Hauptfeststellungen des Ausschusses gehört.