Protocol of the Session on September 2, 2021

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Lieber Herr Otto! Wir finden genossenschaftliche Zusammenschlüsse gut. Sie sind Institutionen der Selbstorganisation und der Selbstverwaltung, und das gefällt Liberalen sehr.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Doch an dieser Stelle ist das bezirkliche Vorkaufsrecht eine besonders teure und sehr ineffiziente Maßnahme gewesen. Es gibt nämlich zum Beispiel gar keine Prüfung, ob die Bewohnerinnen und Bewohner in den Häusern überhaupt bedürftig sind. Das Argument der sozialen Steuerung, das von den Linken vorgetragen worden ist, greift damit gar nicht. Weil der Staat als potenzieller Käufer auftritt, treibt er weiter die Preise in die Höhe. Trotz allen Bekenntnissen stellt sich natürlich auch die Frage, ob nun alle Genossenschaften von den für die DIESE eG extra aufgeweichten Parametern profitieren können.

Eines ist dann auch klar: Letztendlich geben Vorkaufsrechte zugunsten von Dritten in dieser hier praktizierten

Weise überhaupt keine Heilung. Sie sind auch kein Instrument des Mieterschutzes, so wie von Rot-Rot-Grün gerne behauptet und immer wieder überall vorgetragen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Zuruf von der LINKEN]

Was empfehlen wir denn aber für die Zukunft? Welche Schlüsse ziehen wir? Welche konstruktiven Hinweise geben wir den künftigen Regierungen? – Erst einmal: Wir müssen einfach mehr bauen und mutiger bauen, mehr bauen durch Erleichterungen im Baurecht,

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): In Wirklichkeit meinen Sie, mehr umwandeln!]

mehr bauen durch mehr Endbürokratisierung, mehr bauen mit Blick auf ein digitales Bauamt. Die Handlungskonzepte zur Nutzung von Vorkaufsrechten nach dem Baugesetzbuch in Berlin können so nicht weiter angewandt werden. Sie müssten gänzlich und umfassend geändert und präzisiert werden. Wenn Sie künftig überhaupt parlamentarische Mehrheiten für Vorkaufsrechte zugunsten Dritter organisieren können, dann müssen diese Regeln massiv überarbeitet werden. Die Konzepte müssen einheitlich und verbindlich für alle Bezirke gelten. Dabei sind individuelle bezirkliche Auslegungsmöglichkeiten aufzulösen, eine starke Bindung an das Haushaltsrecht herzustellen sowie insgesamt der fakultative Charakter der Regelung massiv zurückzubauen. Für nicht eingetragene Genossenschaften sollten und dürfen gar keine Vorkäufe mehr getätigt werden, es sei denn, sie willigen nach Aufklärung ausdrücklich darin ein, dass die Genossinnen und Genossen mit ihrem gesamten Privatvermögen dafür haften wollen.

Ein nächster Punkt: Die Stellung der IBB als Dienstleisterin für das Land Berlin muss in der Weise stabilisiert und neu aufgestellt werden, dass tief greifende politische Einflussnahmen entgegen jeder wirtschaftlichen Tragbarkeit unterbunden werden.

[Beifall bei der FDP]

Ja, da kann man ruhig klatschen! – Eine weitere Erkenntnis aus der Zeugenvernehmung von Senator Geisel, wenn ich mich richtig erinnere: Es gibt nur eine Person, die für die Bezirksaufsicht zuständig ist. Die Bezirksaufsicht muss nicht nur gestärkt werden, wir müssen insgesamt Strukturen und Organisationen der öffentlichen Verwaltung neu definieren. Aus meiner Sicht ist eine große Strukturreform dringend angezeigt. Ich empfehle darüber hinaus die Einrichtung einer landesweiten Kompetenzstelle, die die ordnungsgemäße Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen eng begleitet und die Einhaltung von Durchführungshinweisen bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen fachlich kontrolliert.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Bürokratiemonster!]

Das ist ein ganz übliches Verfahren. Sie kennen sich einfach mit der Verwaltung nicht aus, Herr Lux, das ist

das große Problem der grünen Partei in diesem Parlament!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Letztlich sind auch – Sie haben mir das Stichwort gegeben – die Führungskräfte in den Bezirken, vielleicht besonders bei den Grünen, angehalten, sich durch geeignete Fort- und Weiterbildung auf die Aufgabenstellung, die sie wahrnehmen wollen, intensiv vorzubereiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Bericht des 4. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 18. Wahlperiode zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für finanzielle Risiken des Landes Berlin im Zusammenhang mit spekulativen Immobiliengeschäften der DIESE eG und deren öffentlicher Förderung ist damit besprochen. Ich möchte mich im Namen des Hauses bei allen Beteiligten des Untersuchungsausschusses einschließlich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung für die geleistete Arbeit sehr herzlich bedanken.

[Allgemeiner Beifall]

Der Tagesordnungspunkt 5 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

lfd. Nr. 6.1:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 16

Gesetz zur Transparenzmachung von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 18. August 2021 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 25. August 2021 Drucksache 18/4061

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/3819

Zweite Lesung

(Bernd Schlömer)

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Ich öffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung und die Paragrafen 1 bis 12 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch dazu höre ich nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hier der Kollege Dr. Altuḡ. – Bitte schön!

Dr. Turgut Altuḡ (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung ein für den Verbraucherschutz sehr wichtiges Gesetz. Mit dem Gesetz sollen die Richtlinien der Regierungspolitik umgesetzt und eine Rechtsgrundlage für die verpflichtende Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen geschaffen werden. Wir Grüne sorgen damit für mehr Transparenz und einen höheren Hygienestandard in den Berliner Lebensmittelbetrieben. Es gilt für alle Lebensmittelbetriebe, bei denen diese Kontrollen bereits durchgeführt werden, beispielsweise Gastronomiebetriebe jeder Art, einschließlich Geschäfte, die Mahlzeiten zum Mitnehmen verkaufen, zum Beispiel Imbisse und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegungen, aber auch Metzgereien, Bäckereien, Eisdielen.

Die meisten der Berliner lebensmittelverarbeitenden Betriebe arbeiten sauber und achten auf die Hygiene. Es ist schön, dass sich ihre Gäste darauf verlassen können; noch schöner ist es, wenn sie dies mit einem Blick beim Betreten der Lokalität überprüfen können. Auch für die genannten Betriebe ist es wichtig und gut, wenn sie diese hohen Hygienestandards zertifiziert bekommen und ihren Gästen ungefragt kommunizieren können, um sich damit von den Betrieben, die es mit der Sauberkeit weniger genau nehmen, absetzen zu können. Diese Möglichkeit schaffen wir mit dem heute vorliegenden Gesetz.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Das Transparenzbarometer kann für Gastronomen und andere Unternehmen auch als Werbung genutzt werden, wie zum Beispiel in Dänemark und Großbritannien. Wenn sie den Kunden zeigen: Wir halten die Hygienestandards ein – , spricht das für einen Besuch. Dies zu visualisieren, wird durch ein Hygienebarometer künftig möglich sein. Mittels eines Punktesystems lässt sich auf einer Farbskala von Grün für sauber bis Rot für schmutzig ablesen, wie es um die jeweilige Küchenhygiene steht. Der Vorteil besteht in der relativ hohen Rechtssicherheit dieses Systems.

Es ist kein Geheimnis, dass ich mir persönlich ein noch einfacheres System mit fünf simplen Smileys gewünscht hätte, analog zu dem System in Dänemark, das dort bereits seit 2001 funktioniert. Dennoch finde ich, dass wir mit dem heutigen Gesetz einen großen Schritt in die rich

tige Richtung für mehr Transparenz in den Berliner Lebensmittelbetrieben gehen.

Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, dass sich ein Hygienetransparenzgesetz auf Bundesebene hätte realisieren lassen. Leider haben die Bemühungen, insbesondere der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz und der verschiedenen Organisationen wie Foodwatch, ein solches System zu etablieren, bei der schwarz-roten Bundesregierung keinen Anklang gefunden. Genau dies wollten wir ändern, weshalb wir Grüne im Koalitionsvertrag verankert haben, dass diese Koalition tätig wird, wenn vom Bund nichts kommt. Dass wir uns dieser Pionierrolle bewusst sind, zeigt sich auch darin, dass das Gesetz einen recht moderaten Ansatz wählt, indem auch von dem jeweiligen Betrieb zu beantragenden Nachkontrollen möglich sind. In den vergangenen Wochen wurden diese Nachkontrollen vom Gastgewerbeverband kritisiert. Um es deutlich zu sagen: Ich halte diese Kritik für verfehlt. Selbstverständlich muss es den Lebensmittelbetrieben möglich sein, ein schlechtes Ergebnis verbessern zu können. Daher können Sie auf eigene Kosten eine Nachkontrolle beantragen. Trotzdem müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Ergebnisse der ersten Kontrolle informiert werden. Das verstehe ich unter Transparenz.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ebenso haben wir als Koalition der besonderen Situation der Coronapandemie Rechnung getragen, indem die Einführung erst 2023 erfolgt. Dies soll sowohl den Lebensmittelbetrieben als auch den Bezirken eine Vorbereitungsphase garantieren.

Dass wir dieses Gesetz als Koalition noch auf den Weg bringen, freut mich. Insbesondere deshalb, da diese Konstruktivität in diesen Tagen leider nicht in allen Politikfeldern vorhanden ist. Ich möchte hier klar und deutlich sagen, dass ich enttäuscht bin, dass die Giffey-SPD einige quasi fertig ausverhandelte Projekte aus dem Koalitionsvertrag, wie Charta Stadtgrün, Novellierung der Bauverordnung noch verhindert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich kann in diesem Zusammenhang auch den Frust vieler Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen in der SPD verstehen, wenn wichtige Projekte der R2G-Koalition im Licht des Wahlkampfes und sicherlich auch der Umfragewerte einfach weggestrichen werden. Das ist für diejenigen, die auf der Fachebene mit uns lang verhandelt haben, ein Schlag ins Gesicht.

Aber zurück zum heute zu beratenden Gesetz. Natürlich wissen wir, dass mit diesem überfälligen Gesetz nicht die ganze Arbeit getan ist. Wir müssen auch für eine personelle und finanzielle Ausstattung der bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter sorgen.

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Wir Grüne sind davon überzeugt, dass wir mit dem Lebensmitteltransparenzsystem einen erfolgreichen Weg gehen werden. In Dänemark wurden in einem Jahrzehnt die Beanstandungen halbiert, die Verbraucherinnen und Verbraucher sind zufrieden und die Qualität steigt. Wir denken, dass wir das auch in Berlin schaffen können.