Protokoll der Sitzung vom 20.07.2000

Es tun mir diejenigen Leid – damit meine ich die ohnehin viel zu kleine Naturschutzverwaltung –, die unter erheblichem Zeitdruck diese Arbeit verrichten mussten und gar nicht in der Lage waren, dies in so kurzer Zeit völlig fehlerfrei zu tun.

Nach Jahren des Nichtstuns wurden die Kommunen vom Land Baden-Württemberg gezwungen, innerhalb von acht Wochen eine Stellungnahme zu einer fehlergespickten und flächenunscharfen Gebietskulisse abzugeben. Wenn darüber hinaus noch ein kleines fachliches Gutachten erforderlich gewesen wäre, hätten die Gemeinden nicht einmal die Zeit gehabt, dies zu erstellen. Ein echter Dialog hat überhaupt nie stattgefunden, sollte auch gar nicht stattfinden, denn es wurde nach der Maxime „Augen zu und durch“ verfahren.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Gemäß EU-Richtli- nie!)

Völlig anders war die Herangehensweise in anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern,

(Abg. Bebber SPD: Schon wieder!)

Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dort wurde nämlich die Gebietskulisse in einem umfangreichen und zeitlich gestreckten Verfahren über sechs bis neun Monate mit den Betroffenen, mit den Kommunen, den Verbänden und Nutzern, erarbeitet und hat damit am Ende eine wesentlich breitere Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht.

(Abg. Hauk CDU: Wie ist denn das mit der freien Rede?)

Was haben die Kommunen hier im Land Baden-Württemberg? Sie haben eine fast unbrauchbare, fehlergespickte CD-ROM,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das heißt „CDU“!)

die im Übrigen, als der Rohling hingeschickt worden ist, innerhalb von vier Wochen fertig zu stellen war. Vom Rohling bis zur fertigen CD waren gerade einmal vier Wochen Zeit.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Er ist auch ein Rohling!)

Bei dem, was hier angerichtet worden ist, muss man den Kopf schütteln. Da ist es doch kein Wunder, dass der Städtetag, der Gemeindetag und der Landkreistag sowie sämtliche Umweltverbände und die Opposition – natürlich nicht die regierungstragenden Parteien; die nur hinter vorgehaltener Hand – unisono sagen: Wo leben wir eigentlich? Was ist hier passiert? Was hat das Ministerium angerichtet?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fordern dringend eine zügige und ernsthafte Abarbeitung der Einwendungen, die sich mittlerweile in mehreren Waschkörben angesammelt haben. Pro Landkreis gibt es einen solchen Berg. Sie können mir nachher auch einmal erzählen, Frau Staiblin, wie Sie das – diesen Berg mal 35 Landkreise – in kurzer Zeit abarbeiten wollen; denn so viele Einwendungen sind mittlerweile bei Ihnen eingetroffen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das wird thermisch vorbehandelt! – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Es ist auch höchste Zeit für eine Aufklärungskampagne über Ziele und Inhalte von „Natura 2000“; denn dieses ganze Konzept ist noch nicht einmal verstanden worden. Ein Bürgermeister hat zu mir gesagt, er habe die Informationsbroschüre angefordert. Daraufhin habe man ihm gesagt, er könne sie haben, es seien aber nur noch zwei Exemplare übrig.

(Abg. Göbel CDU: Schwäbische Sparsamkeit!)

Da sieht man, wie hier gehandelt worden ist.

Meine Damen und Herren, von Erhaltungszielen und Maßnahmenpaketen mit Kostenaufstellungen ist natürlich überhaupt noch keine Rede gewesen. Was ist jetzt mit der Investitionssicherheit in den Gemeinden? Haben die Regionalpläne eigentlich bei diesem Chaos, das Sie angerichtet haben, Bestand? Der Herr Ministerpräsident muss sich sagen lassen:

(Abg. Bebber SPD: Der ist nicht da!)

Wenn jetzt zur Abarbeitung der Waschkörbe Personal zur Verfügung gestellt wird, dann soll er sich einmal überlegen, wie sich das mit seiner Vorstellung über den Personalabbau bei der Naturschutzverwaltung verträgt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Hauk.

(Abg. Roland Schmid CDU: Guter Mann! Sehr gu- ter Mann! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der „Rohling“!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe die Aufregung der Opposition überhaupt nicht.

(Abg. Roland Schmid CDU: Wir auch nicht!)

Wenn Sie, Herr Kollege Caroli, sagen, 1992 sei die Richtlinie erlassen worden, dann frage ich einmal, wer im Jahr 1992 Umweltminister in Baden-Württemberg war. Das Umweltministerium und damit die Naturschutzkompetenz war vier Jahre lang beim Kollegen Schäfer.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Wie hieß der? Das war doch der Tiefflieger!)

Ich kann mich nicht erinnern – und ich war damals auch im Umweltausschuss –, dass dieses Thema den damaligen Umweltminister auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt beschäftigt hätte.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: De mortuis nil nisi bene! – Abg. König REP: An dem ist vieles vorbeigelaufen!)

Er hat sich vier Jahre lang erfolgreich darum herumgedrückt.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das war doch der Tiefflieger! Wie hieß der noch ein- mal? – Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Das kann man heute mit Fug und Recht sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die EU drängt, ist ja mittlerweile Usus. Die EU drängt in vielen Bereichen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Die muss drängen, weil Sie sonst überhaupt nichts tun!)

Wir sollten uns aber deshalb gar nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Das tun wir auch nicht,

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

sondern wir machen hier ein ganz geordnetes Verfahren, das in mehreren Schritten aus mehreren Komponenten besteht.

Der erste Schritt ist erfolgt. Es gibt eine Naturschutzfachplanung. Sie liegt zwischenzeitlich vor.

Der zweite Schritt ist eingeleitet. Das ist das Konsultationsverfahren. Ich sage ganz klar dazu: Dieses Konsultationsverfahren ist keine Alibiveranstaltung, sondern das Konsultationsverfahren dient dazu, gerade die Fragen der Regionalplanung, der Bauleitplanung und der Bestandssicherung im wirtschaftlichen Bereich – auch von Betrieben – insgesamt mit der Fachplanung für Naturschutz abzustimmen. Ich verstehe Ihre Aufregung darüber nicht. Das ist ein ganz normales Verfahren.

(Lachen der Abg. Bebber und Dr. Caroli SPD)

Die Stellungnahmen gehen ein. Es ist doch logisch, Herr Kollege Caroli: Wenn man so etwas landesweit macht, dann bleibt es nicht bei einer Stellungnahme, sondern dann kommen halt einige mehr.

(Abg. Bebber SPD: Sie sind aber stark von der Rolle, Herr Kollege!)

Da bringen wir uns überhaupt nicht in Zeitdruck, sondern das Konsultationsverfahren wird abgeschlossen.

Danach wird es selbstverständlich – und da bin ich gespannt, Herr Kollege Caroli; ich werde Sie noch einmal zitieren –

(Abg. Dr. Caroli SPD: Jederzeit!)

auch Änderungen gegenüber dem aus rein naturschutzfachlicher Sicht vorgelegten Gebietsvorschlag geben.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die grüne Krawatte allein macht es nicht!)

Es wird sie sogar geben müssen. Das kann der Naturschutz gar nicht leisten. Sie haben zu Recht die Vernetzungen mit der Bebauungsplanung und der Regionalplanung angesprochen.

Meine sehr verehrte Damen und Herren, dann erfolgt die Gebietsmeldung und danach der dritte Schritt. Das will ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Mit der Nennung der Gebiete ist zunächst einmal nur abgegrenzt, wo was vielleicht laufen kann. Damit verbunden sind Erhaltungsziele.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Keine Standortschließungen!)

Damit noch nicht verbunden ist aber die Frage, wie diese Gebiete ausgestaltet werden sollen. In der dritten Phase – übrigens nicht innerhalb eines Jahres, sondern in den nächsten Jahren – wird zu klären sein, wie diese FFH-Gebiete tatsächlich ausgestaltet werden sollen. Dazu will ich noch ein paar Bemerkungen machen.